Fortbildung – Implantologie/Assistenz 640 Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für DentalhygienikerInnen Best Practice in der Implantologie von Anfang an S. Fresmann1, E. Reich2 Dülmen, 2Biberach Die Versorgung von Patienten mit parodontalen Problemen und nicht mehr erhaltungswürdigen Zähnen kann wegen der Erfolgsausichten von Implantaten heute vielfältiger erfolgen, als dies noch vor wenigen Jahren möglich war. Mit parodontologischen Behandlungsmethoden ist es heute möglich, diese Patienten trotz einer parodontalen Grunderkrankung mit einer auf Implantaten abgestützten prothetischen Versorgung sicher und langfristig zu versorgen. Dazu gehört neben der sorgfältigen Planung und Durchführung der komplexen parodontalen und implantologischen Therapie auch die prothetische Versorgung der vorhandenen Zähne und Implantate. Daneben hängt die dauerhafte Erhaltung der eigenen Zähne und – wie man heute weiß – auch der Implantate, von einer effektiven Mundhygiene und einem regelmäßigen Recall ab. Die Behandlung und lebenslange Betreuung im Recall muss nach parodontologischen Kriterien in der Praxis mit entsprechend ausgebildeten Fachkräften organisiert werden. Erleichtert werden diese Arbeiten durch die Auswahl an geeigneten Ins­trumenten und Materialien, von Küretten über Implantate bis hin zu mikrobiologischen Tests. Wegen der steigenden Prävalenz der Parodontitis mit zunehmendem Alter [8] und der hohen Anzahl von Zahnextraktionen wegen Parodontitis muss von einem hohen Risiko für die Periimplantitis ausgegangen werden [4, 6]. Da die Mikroflora einer Periimplantitis im Wesentlichen der einer Parodontitis entspricht, ist es besonders wichtig, bei gefährdeten Patienten das Risiko einer Periimplantitis zu minimieren. Die sichersten präventiven Maßnahmen, um der Periimplantitis vorzubeugen, sind eine kompetente Parodontalbehandlung, die Einhaltung von Best-Practice-Empfehlungen während der eigentlichen Implantation und eine patientenindividuelle regelmäßige Nachsorge. Anamnese und Diagnostik Bevor eine Entscheidung für oder gegen ein Implantat getroffen werden kann, müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Erhaltungswürdigkeit der natürlichen Zähne Zunächst sollte geklärt werden, ob die Möglichkeit besteht, den Zahn durch andere Behandlungsmaßnahmen (z. B. Parodontitis-Therapie oder Endodontie) zu erhalten, oder ob er als nicht mehr erhaltungswürdig angesehen werden muss. Prothetisches Gesamtkonzept Falls die Entscheidung gegen eine Erhaltung der betroffenen Zähne fällt, stehen verschiedene prothetische Möglichkeiten zur Versorgung der entstandenen Lücke(n) zur Verfügung. Dabei muss jeweils die für den einzelnen Patienten beste Lösung gefunden werden. Daneben sollte auch die orale Gesamtsituation berücksichtigt werden. Falls in absehbarer Zeit auch in anderen Regionen Behandlungsbedarf bestehen wird, sollte dies in die Therapieplanung mit einbezogen werden. Ist die Wahl schließlich auf eine implantatgetragene Lösung gefallen, erfolgt die prothetische Planung zielorientiert als Rückwärtsplanung [1]. Das heißt, dass die Implantatzahl und -position nicht von den anatomischen Gegebenheiten bestimmt wird, sondern von der angestrebten Suprakonstruktion. Indikation Implantate sind nach Brinkmann (1976) für Einzelzahnersatz (Klasse I) vorwiegend im Oberkiefer-Frontzahnbereich, bei geschlossener Zahnlücke und bei kariesfreien Zähnen indiziert. In einer Freiendsituation (Klasse II) besteht eine Indikation bei einer verkürzten Zahnreihe (v. a. im Unterkiefer) sowie uni- und bilateral. Eine Pfeilervermehrung (Klasse III) ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2009; 118 (12) Sonderdrucke für private Zwecke des Autors 1 Fortbildung – Implantologie/Assistenz 643 wird im stark reduzierten Restgebiss und bei Brücken mit großen Spannweiten nötig. Im zahnlosen Kiefer (totaler Zahnverlust: Klasse IV) werden Implantate vorwiegend im Unterkiefer eingesetzt. Diese Indikationsbeschreibung wurde 1982 von der DGZMK anerkannt. Zu den oralen Risikofaktoren gehören insbesondere [1, 5, 7, 12]: • schlechte Mundhygiene • ein sanierungswürdiges Zahnsystem • Parodontitis (auch in der Vergangenheit) • pathologische Befunde im Kieferknochen • pathologische Mundschleimhautveränderungen • parafunktionelle Störungen (z. B. Bruxismus) • nicht abgeschlossenes kraniales Knochenwachstum mit unvollständigem Zahndurchbruch Zu den allgemeinmedizinischen Risikofaktoren gehören [1, 5, 7, 12]: • Diabetes mellitus mit schlecht eingestellten Blutzuckerwerten • Systemerkrankungen des Knochens • hämatologische Erkrankungen • psychologische Erkrankungen • Osteoporosetherapie mit bestimmten Medikamenten (Bisphosphonat-Therapie) • Wundheilungsstörungen • Tumorpatienten nach Radiatio Bei vorübergehenden Risikofaktoren, sollte zunächst eine Therapie der bestehenden Erkrankung eingeleitet werden. Im Falle einer Beseitigung dieser Faktoren kann die Implantation später erfolgen. So muss eine Parodontitis unbedingt vor der Implantation beseitigt werden (1. Implantologischer Imperativ: „Kein Implantat bei bestehender Parodontitis“; [11]), was zusätzlich vor dem implantologischen Eingriff mithilfe mikrobiologischer Tests verifiziert werden sollte. Dennoch sollten diese Patienten ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2009; 118 (12) in der Praxis immer in einen engen Recall mit einem entsprechenden Monitoring ihrer Risikofaktoren eingebunden werden. Abb. 1 Röntgenbild nach Implantation. Lebenserwartung Obwohl viele Implantatsysteme über mehrere Jahre eine Erfolgsrate von mehr als 90 % gezeigt haben [12], darf das Risiko des Verlustes eines Implantats nicht außer Acht gelassen werden. Dabei spielen vor allem periimplantäre Erkrankungen, wie die periimplantäre Mukositis und die Periimplantitis, eine entscheidende Rolle. Die periimplantäre Mukositis hat laut einem Konsensus-Bericht [5] eine Prävalenz von 80 % (50 % der Implantate), während die Periimplantitis bei 28–56 % der Patienten (12–43 % der Implantate) zu beobachten ist. Auch ein kürzlich erschienener Cochrane-Review schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Periimplantitis bei Patienten mit Implantaten mit angerauter Oberfläche als hoch ein [2]. Präimplantäre Diagnostik Zur Bestimmung des Knochenangebots kommen vor allem bildgebende Verfahren zum Einsatz. Dabei ist die Panoramaschichtaufnahme (Abb. 1) mittels Röntgen mit radioopaken Markern als Basisdokumentation anzusehen [3]. Zusätzlich stehen röntgenologische Zahnfilme sowie Aufnahmen des Unterkieferaufbisses oder der Nasennebenhöhlen zur Verfügung. In einigen Fällen ist auch eine 3-dimensionale Darstellung des Kieferknochens vorteilhaft. Da- Checkliste Anamnese und präimplantäre Diagnostik • Erhaltungswürdigkeit des natürlichen Zahns? • Bestimmung der Art des Zahnersatzes • Indikation für Implantat vorhanden? • Risikofaktoren ausgeschlossen oder Nutzen-Risiko-Abwägung positiv für Implantat? • Voraussichtliche Überlebensprognose für das Implantat? • präimplantäre Diagnostik: -- Knochenangebot ausreichend? -- Genereller dentaler Status OK? -- Endodontischer Status OK? -- Parodontitis ausgeschlossen oder behandelt? -- Parafunktionelle Störungen ausgeschlossen? • Patient aufgeklärt? • Patient motiviert? Sonderdrucke für private Zwecke des Autors Risikofakoren Beim Vorliegen von Risikofaktoren oder Kontraindikationen sollte eine Nutzen-Risiko-Abschätzung vorgenommen und auch dem Patienten gegenüber erläutert werden. Unter den Risikofaktoren sind neben oralen auch allgemeinmedizinische Faktoren zu berücksichtigen, die ggf. ein Konsil mit Allgemeinmedizinern oder Internisten notwendig werden lassen. Daneben stellen auch bestimmte Verhaltensweisen, wie Rauchen oder Alkohol- und Drogenkonsum, Risikofaktoren dar [1, 5, 7, 12]. Hinzu kommen Kontraindikationen, die durch die Narkosemedikation bedingt sind. Fortbildung – Implantologie/Assistenz durch kann die Notwendigkeit einer Verbesserung der Knochenstruktur beurteilt werden. Aufgrund erhöhter Strahlenbelastung und erhöhten Kosten, ist die Anwendung allerdings auf Einzelfälle beschränkt. Falls nicht genügend Knochen für die Implantation zur Verfügung steht, kann das Implantatlager durch Knochentransplantation, Auf- und Anlagerungsplastiken, Augmentation von Kieferhöhlen- oder Nasenboden sowie durch Knochenaufbau mit Knochenersatzmaterial verbessert werden. Daneben werden auch der dentale, endodontische und parodontale Status erhoben, um ggf. eine konservierende Therapie einzuleiten, eine kieferorthopädische Vorbehandlung zu veranlassen oder nicht erhaltungswürdige Zähne zu extrahieren. Liegt eine Parodontitis vor, muss diese zwingend vor der Implantation beseitigt werden (siehe Risikofaktoren). Bei allen parodontalen und chirurgischen Maßnahmen in der Praxis sollte auf eine präoperative Keimzahlsenkung im Speichel analog der Hygienerichtlinie des Robert-Koch-Instituts von 2006 [9] geachtet werden. Dafür sollte der Patient vorab mit einer klinisch untersuchten und wirksamen chlorhexidinhaltigen Lösung (Chlorhexidin = CHX, z. B. Chlorhexamed® Forte 0,2 %) spülen. Bei manchen Patientengruppen ist auch eine begleitende systemische Antibiose indiziert, um das Risiko einer Bakteriämie weiter zu senken. Außerhalb der Mundhöhle werden die Kaumuskulatur und -gelenke untersucht, um parafunktionelle Störungen auszuschließen. Patientenaufklärung Bevor sich Zahnarzt und Patient letztendlich für eine Implantation entscheiden, muss der Patient über alle Aspekte der Behandlung aufgeklärt werden. Dies schließt implantologische Verfahren, mögliche Riskofaktoren und Gefahren, Erfolgswahrscheinlichkeiten des Implantats und wirtschaftliche Gesichtspunkte sowie Mundhygienemaßnahmen ein. Checkliste Implantatplanung und Implantation • Häusliche und professionelle Pflege des Implantats mit geplantem Gingivaverlauf möglich? • Einsatz von Interdentalbürsten möglich? • Motivation des Patienten zu effektiver Nachsorge? • Keimzahlsenkung mit CHX-Spülung präoperativ durchgeführt? • CHX-haltige Mundspül-Lösung oder Gel nach erfolgtem Eingriffen empfohlen? • Ausreichend breite, befestigte Gingiva vorhanden? • Gingivaformer verwendet? • CHX-haltige Mundspüllösung oder Gel nach erfolgtem Eingriffen empfohlen? • Bei der definitiven Versorgung Schraubenverbindungen mit CHX-altigem Gel desinfiziert? • Patient für eine effektive Mundhygiene informiert und motiviert? Implantatplanung und Implantation Eine ganz entscheidende Rolle für die langfristige Erhaltung von Implantaten spielt bereits die Planung und Insertion von Implantaten. Diese sollten so erfolgen, dass eine gute postoperative Nachsorge durch den Patienten und in der Praxis möglich ist. Selbstverständlich müssen die Position und Anzahl der Implantate der geplanten prothetischen Versorgung entsprechen. Zusätzlich müssen die Position und der Gingivaverlauf auch eine effektive Implantatreinigung ermöglichen. Hierzu stehen vor der Implantation entsprechende Planungshilfen zur Verfügung. Planung der Implantation/Gestaltung der Zone Implantat-Suprakonstruktion Für die postoperative Gesunderhaltung und Mundhygiene ist es von großer Bedeutung, auf welchem Niveau zur Gingiva die Implantatschulter liegen wird und wie der Ansatz und damit auch die Möglichkeit der Mundhygiene für den Patienten gegeben ist. Hierfür sind klare Anweisungen bezüglich der Gestaltung des Übergangs Implantat-Suprakonstruktion bukkal und interdental für den Zahntechniker unerlässlich. Mit entsprechender Approximalgestaltung erleichtert man dem Patienten die wirksame Mundhygiene z. B. mit Interdentalbürsten. Generell sollte bei der Implantation, wie auch bei allen chirurgischen Maßnahmen im Verlauf der Versorgung des Patienten mit Implantaten, wie oben beschreiben, auf eine präoperative Keimzahlsenkung im Speichel z. B. durch Spülen mit einer CHX-haltigen Lösung geachtet werden. Dies entspricht dem 2. Implantologischen Imperativ „Keimzahlsenkung möglichst im ganzen Mundraum“ [11]. Darüber hinaus ist, um eine schnelle und reibungslose Einheilung der Implantate zu erreichen, nach jedem Eingriff die Applikation von antibakteriellen Lösungen und Gelen sinnvoll. Am effektivsten wirken hierfür CHX-haltige Spüllösungen für mindestens 2 Wochen, die man bei Kontrollterminen in der Praxis durch die Applikation von CHX-haltigen Gelen bei der Wundkontrolle und bei Nahtentfernungen ergänzen sollte. Als weitere Vorsichtsmaßnahme können Antibiotika verschrieben werden. Werden 2-teilige Implantate verwendet, so kann in die Schraubenverbindungen vor Insertion und beim Einbringen der Einheilschrauben ebenfalls CHX-Gel inseriert werden, um die Keimzahl im Implantat zu senken [10]. Implantatfreilegung und Einbringen – Aufbauteil Wie bereits beschrieben, ist für die postoperative Nachsorge die gingivale Situation um den Implantataufbau sehr wichtig. Aus diesem ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2009; 118 (12) Sonderdrucke für private Zwecke des Autors 644 Fortbildung – Implantologie/Assistenz Definitive Versorgung/Einfügen der finalen Suprastruktur Beim Einbringen der definitiven prothetischen Versorgung sollten die Schraubenverbindungen nochmals mit CHX-Gel desinfiziert und die Schraubenverbindungen selbst, nach Anweisung des Herstellers, fest verschraubt werden, um möglichst wenig Spiel zu erzielen. Da die definitive prothetische Versorgung sich von der provisorischen deutlich unterscheidet, müssen dem Patienten nochmals genaue Anweisungen gegeben werden, wie er eine wirksame Mundhygiene durchführen kann. Die dazu nötigen Mundhygienehilfsmittel sollten ihm in der Praxis demonstriert werden. Patienten schätzen auch genaue Anweisungen, welche Spüllösungen oder Gele sie anwenden sollten. Unmittelbare Implantatnachsorge Prophylaxesitzungen bei Implantatpatienten werden häufig sehr unterschiedlich durchgeführt und organisiert. Ziel muss es sein, dem Patienten eine bestmögliche und qualitätsorientierte Implantatnachsorge anzubieten, um die Risiken und entzündliche Prozesse frühzeitig zu erkennen, zu therapieren und so die Basis für den langfristigen Erhalt des Implantats zu gewährleisten. Im Rahmen der Nachsorge ist gerade der Übergangsstelle des Implantats von der Mundhöhle in den Kieferknochen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da hier ein Angriffspunkt für Bakterien besteht. Die anatomischen Besonderheiten rund um das Implantat mit parallel zur Implantatoberfläche laufenden Bindegewebsfasern begünstigen nicht nur das Eindringen der Bakterien, sondern auch das schnelle Voranschreiten der entzündlichen Prozesse. Daher ist ein professionelles Prophylaxekonzept erforderlich, welches individuell auf den Patienten abzustimmen und in enger Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Prophylaxefachkraft konsequent umzusetzen ist. ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2009; 118 (12) Erste Nachsorgemaßnahmen Nach erfolgter Insertion gilt es nun, die vor dem chirurgischen Eingriff durchgeführte Keimzahlreduzierung (s. Implantatplanung und Implantation) weiter fortzuführen und die Bakterienzahl auf einem möglichst niedrigen Level zu halten, um entzündliche Prozesse zu vermeiden und eine ungestörte Wundheilung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wird der Patient, wie bereits vor der OP mit ihm vereinbart, in ein engmaschiges Recall eingebunden (s. Rahmenbedingungen). Nach dem Eingriff erfolgen im Abstand von je 1 Woche 2 zahnärztliche Kontrollen der Implantate und prothetischen Versorgung inklusive Wund- und Schmerzversorgung sowie eine Kontrolle der Mundhygiene mit Entfernung des Biofilms und CHX-Applikation. Zur Senkung der Keimzahl in der Mundhöhle und im Aerosol erfolgt zunächst zu Behandlungsbeginn eine Mundspülung mit einer antibakteriellen Mundspüllösung (CHX-Lösung 0,2 %). Eine Reinigung der von der Operation betroffenen Areale per Zahnbürste ist unmittelbar nach dem Eingriff, wegen der Empfindlichkeit der Wunde, für den Patienten noch nicht sinnvoll. Um zu verhindern, dass sich parodontalpathogene Bakterien aus oralen Nischen (Zunge, Tonsillen, Zähne) frühzeitig an die Implantatoberfläche anhaften und ihr schädliches Werk beginnen, wird in diesen Bereichen ein antibakterielles Gel (z. B. CHX-Gel 1 %) eingesetzt (Abb. 2–4). Gerade in dieser Phase muss dem Patienten wiederholt deutlich gemacht werden, dass nur eine konstante Zusammenarbeit mit dem zahnärztlichen Fachteam, kombiniert mit einer optimalen häuslichen Mundhygiene, die über das „normale Zähneputzen“ hinausgeht, Aussicht auf einen langfristigen Erhalt des Implantats verspricht. Nachlässigkeiten und individuelles Risikoverhalten können zu einer bakteriell bedingten Periimplantitis, dem Risikofaktor Nr. 1 für das Implantat, und letztendlich zum Verlust der hochwertigen Versorgung führen. Abb. 2 Applikation von CHX-Gel in die prothetische Suprakonstruktion. Abb. 3 Applikation von CHX-Gel am Implantat Abb. 4 Applikation von CHX-Lösung Checkliste Implantatnachsorge und Recall • Erster zahnärztlicher Kont­rolltermin nach 1 Woche geplant? -- Implantate und prothetische Versorgung in Ordnung? -- Wund- und Schmerzversorgung durchgeführt? -- Mundhygiene in Ordnung? (evtl. Hilfsmittel anpassen) + Motivation des Patienten -- Applikation und Empfehlung von CHX? • Planung von engmaschigem Recall erfolgt? • Befundaufnahme durchgeführt (zu bestimmende Parameter siehe oben)? • Motivation des Patienten erreicht? • Professionelle Reinigung durchgeführt unter kombiniertem Einsatz von Handinstrumenten und maschinellen Verfahrensweisen? • Politur durchgeführt? Sonderdrucke für private Zwecke des Autors Grund muss bei der Freilegung des Implantats auf die zirkuläre Erhaltung oder Schaffung von keratinisierter Gingiva geachtet werden. Es stehen operative Techniken zur Verfügung, um postoperativ eine mindestens 2 mm breite, befestigte Gingiva zu erzielen. Die Auswahl von geeigneten Gingivaformern unterstützt die Ausheilung der Gingiva und erleichtert dem Patienten die Mundhygiene. Wie bei der Implantatinsertion ist die Anwendung CHX-haltiger Produkte vor und nach dem Eingriff (s. o.) angezeigt. Werden Provisorien eingesetzt, so muss auch hierbei auf günstige hygienische Verhältnisse und eine wirksame Mundhygiene durch den Patienten geachtet werden. 645 Fortbildung – Implantologie/Assistenz Recall Abb. 5 Visuelle Untersuchung auf Rötung, Schwellung sowie Blutung. Bis zur vollständigen Einheilung des Implantats (Osseointegration) können bis zu 3–6 Monate und mehr vergehen. Aus diesem Grund sollte der Patient bis zu 2 Jahre nach der Insertion alle 3 Monate einbestellt werden. Danach sind die Recall-Intervalle vom individuellen Risiko des Patienten abhängig. Der Behandlungserfolg und der Heilungsfortschritt sind in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um Störungen erkennen zu können und um ggf. rechtzeitig zu intervenieren. Schwerpunktmäßig erfolgt im Rahmen des Recalls eine professionelle Zahnreinigung, um den bakteriellen Biofilm und Zahnstein zu entfernen. Professionelle Prophylaxesitzung Im Rahmen der Prophylaxesitzung, die je nach individuellem Befund ca. 60 min dauert, durchläuft der Patient verschiedene Phasen. Abb. 6 Untersuchung mit Sonde. Abb. 7 Reinigen des Implantats mit Sonicflex. Abb. 8 Reinigen des Implantats mittels Ultraschall. Einführung Vor dem eigentlichen Behandlungsbeginn spült der Patient erneut mit 0,2 %iger CHX-Lösung, um die Keimzahl in der Mundhöhle und im Aerosol zu reduzieren. Dies trägt zur Sicherheit der Behandler und des Patienten bei (Schutz vor Infektionen). Befundaufnahme Bei der gründlichen Untersuchung und Anamnese durch den Zahnarzt sollten die folgenden Punkte regelmäßig durchgeführt werden: • Untersuchung auf erkennbare klinische Veränderungen, wie Rötung oder Schwellung der Gingiva (Abb. 5) • Bestimmung der erkennbaren Plaque • Reinstruktion der Mundhygiene • Empfehlung von antibakteriellen Produkten, wenn indiziert (CHX-Spüllösung oder -Gel) • Prüfung der Suprakonstruktion (Lockerung, Frakturen, Okklusion) Zusätzliche, mindestens jährlich (je nach individuellem Risikoprofil auch häufiger) zu bestimmende Untersuchungsparameter: • Sondierungstiefen (Abb. 6) • Blutung beim Sondieren • individuelle Risikobestimmung mit Festlegung der Recall-Frequenz • Röntgenografie (alle 2–4 Jahre) • ggf. Anpassung einer protektiven Schiene für den nächtlichen Einsatz Bei Verdacht auf eine entzündliche Situation sollte zudem festgestellt werden, ob um das Implantat herum eine akute Entzündung ggf. mit einem entzündlich bedingten Abbau von Weich- und Hartgeweben vorliegt. Da hier Bluten auf Sondieren nur bedingt aussagekräftig ist, kann die Detektion der aktiven Matrix-Metalloproteinase 8 (aktive MMP-8) helfen. Danach beginnt die Prophylaxeassistentin mit der Sitzung. Alle Indizes sowie weitere wichtige Parameter, wie etwa Verhaltensweisen und Allgemeinerkrankungen des Patienten, sollten umfassend dokumentiert werden, um die weitere Planung der Behandlung und die Organisation des Recalls zu erleichtern. Motivation Die Motivation und Instruktion des Patienten zur effektiven Mundhygiene ist ein weiterer zentraler und anspruchsvoller Baustein der professionellen Mundhygienesitzung. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Demonstration der klinischen Unterschiede hinsichtlich der Veränderungen des Krankheitsbilds in der Mundhöhle. Anhand der Farbe der Gingiva und sichtbarer Schwellungen kann der Unterschied zwischen gesund und krank verdeutlicht werden, wobei eine intra­orale Kamera häufig gute Überzeugungsarbeit leistet. Besonders wichtig ist es, den Patienten nicht zu überfordern. Lern- und verhaltenspsychologisch sollten Mundhygieneinstruktionen nur in kleinen überschaubaren „Dosen“ vermittelt werden. Es hat sich als insgesamt effektiver bewährt, maximal nur 3 Hilfsmittel zu empfehlen. Reinigung Die anschließende Reinigung erfolgt unter dem kombinierten Einsatz von Handinstrumenten und maschineller Verfahrensweisen (Abb. 7–8). Die Ansätze der Ultraschall- und Schallgeräte sowie die Scaler und Küretten sollten aus Kunststoff, Karbon oder Titan bestehen, um die empfindlichen Implantatoberflächen nicht zu beschädigen. Kratzer und Rauhigkeiten auf den Implantatoberflächen sind Prädelektionsstellen für Bakterien und müssen unbedingt vermieden werden. Der schmale Grat zwischen optimaler Reinigung ohne Veränderung der Implantatoberfläche und der Gefahr erheblicher Beschädigungen bei unsachgemäßer Anwendung muss jeder Prophylaxeassistentin bewusst sein. Bei ausgedehnten Knochenverlusten kann eine maschinelle Bearbeitung der Implantatoberfläche im suprakrestalen Bereich indiziert sein. Bei tiefen enossalen Knochentaschen kann möglicherweise ein operativer Eingriff mit dem Ziel der Knochenregeneration sinnvoll sein. Politur Mit der Feinpolitur zum Abschluss wird die erneute Plaqueanlagerung an den glatten OberZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2009; 118 (12) Sonderdrucke für private Zwecke des Autors 646 Fortbildung – Implantologie/Assistenz Zusätzliche Maßnahmen Auf der Zunge befindet sich eine Vielzahl von Bakterien, die für die Reinfektion der gereinigten Areale verantwortlich sein können. Zur Entfernung der Bakterien wird in der Praxis die Zungenspitze mit Zellstoff festgehalten und mit etwas CHX-Gel und einem langsam drehendem Bürstchen auf einem grünen Winkelstück gereinigt. Zu Hause sollte vom Patienten ein Zungenreiniger verwendet werden. Beratung und Recall-Planung Das Prophylaxekonzept sollte den Implantatpatienten langfristig begleiten und in dessen Alltagsabläufe integriert werden. Nachlassende Patienten-Compliance, unzureichende Mundhygiene, biomechanische Probleme oder auch gesamtgesundheitliche Einflüsse können so erkannt und aufgefangen werden. Empfohlen wird, den Implantatpatienten in den ersten 2 Jahren in ein engmaschiges Recall (alle 3 Monate) einzubinden. Danach wird der Patient je nach Ausprägung des Periimplantitis- bzw. Parodontitisrisikos (niedrig, mittel, hoch) in Abständen von 3, 4 oder 6 Monaten zur nächsten Nachsorge wieder einbestellt. Wichtig ist, dass der Patient einen konkreten Termin zur nächsten Prophylaxesitzung erhält, bevor er die Zahnarztpraxis verlässt. Ihm muss deutlich werden, dass er sich in einem durchstrukturierten Behandlungsablauf befindet, der nur bei konsequenter Einhaltung Aussicht auf Erfolg hat. Das Original jetzt auch mit Hohlkehle Neu Sonderdrucke für private Zwecke des Autors flächen gehemmt. Mit der noch im Mund verbliebenen Polierpaste wird unter Zuhilfenahme von Zahnseide mit Floss und/oder Interdentalbürstchen die Zahnzwischenraumreinigung vorgenommen. 647 Zusammenfassung Für eine möglichst hohe Überlebensrate von Implantaten sind neben Implantatplanung und Implantation mit einer gut zu reinigenden prothetischen Lösung vor allem die Implantatnachsorge, eine gute Mundhygiene und ein regelmäßiges Recall von essenzieller Bedeutung. Das Biofilm-Management und die Keimzahlsenkung durch mechanische und chemische (Einsatz CHX-haltiger Produkte) Methoden nehmen in allen Phasen der Behandlung eine entscheidende Rolle ein. Dieses Positionspapier fasst die idealen und bewährten Maßnahmen (best Practice) während der Implantatplanung, Implantation und der Nachsorge zusammen und hilft durch übersichtliche Checklisten, diese Vorgehensweisen umzusetzen. Literatur bei den Verfassern Korrespondenzadressen Sylvia Fresmann Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygieniker/-innen e.V. (DGDH) Fasanenweg 14 48249 Dülmen E-Mail: [email protected] Prof. Elmar Reich Zahnarzt in eigener Praxis Rolf-Keller-Platz 1 88400 Biberach ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2009; 118 (12) 20 Jahre Langzeiterfolg K.S.I. Bauer-Schraube Eleonorenring 14 · 61231 Bad Nauheim Tel. 0 60 32 /3 19 12 · Fax 0 60 32 /45 07