OLG Hamm: Urlaub im Ausland während des Maßregelvollzugs NStZ-RR 1997, 155 Urlaub im Ausland während des Maßregelvollzugs StVollzG § 138 I; NWMRVG §§ 16, 15 V; NWKHG § 34 Der Urlaub eines Untergebrachten im Maßregelvollzug außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland ist nicht statthaft. OLG Hamm, Beschluß vom 19.11.1996 - 1 Vollz (Ws) 117/96 Zum Sachverhalt: Der Betr. wurde durch Urteil des LG Bielefeld vom 1. 7. 1981 wegen Mordes und versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes zu 14 Jahren Gesamtfreiheitsstrafe und zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. Er befindet sich seit dem 18. 9. 1981 im Maßregelvollzug. Am 8. 3. 1996 beantragte der Betr. im Spätsommer 1996 an einer sozialtherapeutischen Maßnahme in Frankreich teilnehmen zu dürfen, die von dieser Rehabilitationseinrichtung, in die der Betr. langfristig beurlaubt worden war, veranstaltet wurde. Sein Begehren wurde abschlägig beschieden. Widerspruchsverfahren und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieben erfolglos. Seine Rechtsbeschwerde wurde verworfen. Aus den Gründen: Die Rechtsbeschwerde kann keinen Erfolg haben. Zunächst ist festzustellen, daß sich das Begehren des Betr. nicht etwa durch Zeitablauf erledigt hat, weil er nunmehr an der Ferienmaßnahme im Spätsommer 1996 nicht mehr teilnehmen kann. Sein Anliegen ist dahin auszulegen, daß er generell an solchen Auslandsferienmaßnahmen in Zukunft teilnehmen möchte (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 2. 9. 1982 - 1 Vollz (Ws) 94/82; OLG Hamm, Beschl. v. 13. 1. 1982 - 7 Vollz (Ws) 148/82; OLG Hamm, Beschl. v. 13. 1. 1982 - 7 Vollz (Ws) 148/82; OLG Hamm, Beschl. v. 17. 10. 1980 - 1 Vollz (Ws) 140/80; OLG Celle, Beschl. v. 2.6.1980 - 3 Ws 181/80). Weiterhin ist unschädlich, daß bezüglich der verweigerten Maßnahme die Betriebsleitung an Stelle des hierfür zuständigen ärztlichen Leiters entschieden hat. (Wird ausgeführt.) Die StVK hat auch zu Recht unter Zugrundelegung der vom OLG Frankfurt a.M. zu § 13 StVollzG entwickelten Grundsätze den Urlaubsaufenthalt eines gem. § 63 StGB Untergebrachten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für nicht statthaft angesehen. Wenngleich die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (NStZ 1995, 208) zur Urlaubsgewährung von Strafgefangenen außerhalb des Geltungsbereichs des Strafvollzugsgesetzes ergangen ist, so lassen sich - wie das LG zu Recht ausführt - die Argumente auch für den Bereich der Unterbringung heranziehen. Denn die Frage, ob Urlaub im Ausland gewährt werden kann, ist, was die Effektivität des hoheitlichen Zugriffs anbelangt, für beide Bereiche des Vollzugs nicht unterschiedlich zu beantworten. Sowohl im Strafvollzug als auch im Maßregelvollzug geht es um die Verwirklichung der vom Gericht rechtskräftig festgesetzten Sanktion bzw. Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung. So bleibt, solange die Unterbringung im Maßregelvollzug nicht rechtswirksam durch das Gericht aufgehoben ist, der Untergebrachte Gefangener im Sinne des Gesetzes (vgl. BGH, NJW 1991, 2877 = ZfStrVo 1991, 378). Wie § 13 V StVollzG für den Strafgefangenen, bestimmt § 16 III NWMRVG auch für den Maßregelvollzug, daß durch den Urlaub die Vollstreckung nicht unterbrochen wird. Auch hier ist der Urlaub eine Vollzugsmaßnahme, in deren Rahmen der Untergebrachte zwar seine Freiheit in gewissen Grenzen wiedererlangt, gleichwohl aber bestimmten Beschränkungen unterworfen bleibt. Dementsprechend bestimmt die Durchführungsverordnung zum MRVG in § 9, daß Lockerungen mit bestimmten Weisungen versehen werden können. Nach allem besteht das besondere Gewaltverhältnis, dem der Untergebrachte unterworfen ist, auch während einer Beurlaubung fort. Angesichts dieser Grundsätze ergibt sich unmittelbar aus § 16 NWMRVG und ist diesem tatbestandsimmanent, daß eine Beurlaubung des Untergebrachten ebenso wie der übrige Vollzug der Maßregel nur auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann. Denn der Untergebrachte muß während der gesamten Dauer der Maßregel auch dem Zugriff der die Unterbringung vollziehenden Behörde unterworfen sein. Dies folgt auch daraus, daß der Vollzug der Maßregel nach § 63 StGB auch dem Zweck dient, die Allgemeinheit vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten zu schützen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 19. 1. 1995 - 1 Vollz (Ws) 1/95; vgl. auch BGH, NStZ-RR 1996, 257 in der der BGH zu § 64 StGB ausgesprochen hat, daß die Maßregel in erster Linie dem Schutz der Öffentlichkeit vor gefährlichen Täter dient, auch wenn sich dieser Zweck (nur) durch Besserung erreichen läßt). Diese Grundsätze gelten auch für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB. Dieser Zweck der Maßregel, der Schutz der Öffentlichkeit, kann aber wirksam nur erreicht werden, wenn bei Lockerungsmaßnahmen jederzeit hoheitlicher Zugriff möglich werden kann, wenn sich unvorhergesehen beispielsweise durch Lockerungsmaßnahmen Lücken in der Sicherheit ergeben können. Daher darf während der Dauer der Maßregel kein Zustand entstehen, bei dem ein rechtlich und organisatorisch nicht geregelter Bereich gegeben ist, bei dem die Vollzugsbehörden nicht wirksam korrigierend eingreifen können, um den Zweck der Maßregel sicherzustellen. Ein solcher Zugriff ist aber Maßregelvollzugsbehörde im Ausland verwehrt. Die gewünschte Mitwirkung des Untergebrachten an der Rehabilitationsmaßnahme beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und kann nicht erzwungen werden. Das Ausscheiden aus der Maßnahme kann daher auch von der Vollzugsbehörde nicht verhindert werden. Diese kann dem nur durch Folgemaßnahmen, wie etwa durch Beendigung der Beurlaubung und - notfalls mittels entsprechender Zwangsmaßnahmen - durch Rückverlegung in den geschlossenen Maßregelvollzug begegnen. Eine solche - aus der Natur der Sache kurzfristig zu erfolgende - Reaktion wäre der Vollzugsbehörde im Ausland nicht möglich. Diese wäre rechtlich nicht in der Lage den Aufenthalt der Teilnehmer der Maßnahme zu bestimmen oder erforderlichenfalls wirksam einzuschränken. Die Untergebrachten könnten sich ohne jede Einwirkungsmöglichkeit der Maßregelvollzugsbehörde aus der Therapiemaßnahme im Ausland entfernen, schlimmstenfalls sogar untertauchen und sich so der Maßregel endgültig entziehen. Insoweit geht der Hinweis des Verteidigers fehl, der Urlaub eines Strafgefangenen unterschiede sich von dem eines Untergebrachten schon dadurch, daß dieser unter ständiger Begleitung seiner Therapeuten stünde, da es sich um eine sozialtherapeutische Maßnahme handele, die in die gesamte medizinische Rehabilitation fest eingebunden sei. Denn keiner der Therapeuten hätte im Ausland die rechtliche Handhabe, irgendwelche Zwangsmaßnahmen gegen ein Entfernen der Untergebrachten auszuüben. Diese, wie auch die Vollzugsbehörde als solche, benötigen dazu stets die Unterstützung der Behörden des Gastlandes, ohne selbst tätig werden zu können. Dadurch hat sich entgegen der Annahme des Verteidigers bis heute auch durch die politische Integration der europäischen Staaten nichts geändert. Schon dies zeigt, daß von einem jederzeitigen hoheitlichen Zugriff deutscher Vollzugsbehörden keine Rede sein kann. Der Verteidiger weist weiterhin darauf hin, daß ein beurlaubter Untergebrachter sich auch in der Bundesrepublik Deutschland jederzeit dem Zugriff der deutschen Vollzugsbehörden entziehen und beispielsweise ins Ausland absetzen könne. Dieses mögliche illegale Verhalten kann aber nicht als Argument dafür herhalten, den an sich stets zu fordernden hoheitlichen Zugriff während des Urlaubs abzuschaffen und ihn bei Gewährung von Urlaub im Ausland völlig aufzuheben. Denn auch ein in Deutschland untergetauchter Untergebrachter unterliegt trotz illegalen Entfernens im Inland dem Zugriff der deutschen Hoheitsgewalt. Urlaub im Strafvollzug wie im Maßregelvollzug wird aus Gründen der Behandlung bzw. der Therapie gewährt. Solche Lockerungen unterliegen immer den Einschränkungen, die systemimmanent die grundsätzlich fortdauernde Unterwerfung unter den Vollzug der Strafe oder der Maßregel voraussetzen. Daher ist jede Lockerungsform sowohl im Straf- wie im Maßregelvollzug, die die Aufhebung der Unterwerfung unter den staatlichen Zugriff aufheben oder vereiteln könnte, als mit dem System staatlichen Straf- oder Sanktionsrechts unvereinbar. (Mitgeteilt von Richter am OLG H.-J. Prinz, Hamm) Anm. d. Schriftltg.: Zum Umfang des Urlaubsanspruchs s. auch OLG Celle, NStZ 1993, 149. Parallelfundstellen: BeckRS 9998, 24490 ◊ LSK 1997, 320162 (Ls.) ◊ JR 1997, 435