Finanzspekulationen mit Grundnahrungsmitteln: Agrarrohstoffe als

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Finanzspekulationen mit Grundnahrungsmitteln: Agrarrohstoffe als
Anlageklasse im Kontext ökonomischer, sozialer, ökologischer sowie ethischer
Aspekte
von
Nils Wadenpohl
Erstauflage
Diplomica Verlag 2014
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 95850 567 4
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
Leseprobe
Textprobe:
Kapitel 2.1, Historische Entwicklung:
Nachfolgend soll ein kurzer Überblick die Anfänge und die historische Entwicklung der
Warenterminbörse geschaffen werden.
Der organisierte Handel mit Rohstoffen fand schon in der Frühzeit der Antike statt.
Überlieferungen zufolge, fanden bereits ca. 1200 v. Chr. in China, Arabien und Indien organisierte
Rohstoffmessen statt, auf denen auch Termingeschäfte abgeschlossen wurden. Im Mittelalter
entstanden in Europa Handelsmessen, auf denen zunächst nur reine Kassageschäfte abgewickelt
wurden. Mit der Zeit gewannen jedoch Warentermingeschäfte immer mehr an Bedeutung und es
wurden immer häufiger Verträge auf spätere Lieferung abgeschlossen. Man kann diese
mittelalterlichen Handelsplätze deshalb als Vorläufer der heutigen Warenterminbörsen
bezeichnen.
Der zunehmende weltweite Handel, begünstigt durch den Ausbau der Seefahrt in den folgenden
Jahrhunderten, führte zu einem immer stärkeren Austausch von Waren und Rohstoffe. So
entstanden in Antwerpen im Jahre 1531 und in Amsterdam im Jahre 1608 die ersten
Börsenplätze, an denen auch Getreide gehandelt wurde. Die erste Börse für
Warentermingeschäfte wurde am 23. Januar 1571 in London eröffnet. Bereits um 1600 wurden in
Holland Optionen gehandelt, mit denen man von eventuellen Preissteigerungen profitieren konnte.
Der Käufer einer Option erwarb sich z.B. das Recht auf zehn Pfund Pfeffer und zahlte dafür dem
Optionskäufer eine bestimmte Prämie, die auch die Kosten des Optionsverkäufers sowie einen
Gewinnzuschlag beinhaltete. Mit erfolgreicher Lieferung konnte der Optionskäufer dann von einer
eventuellen Preissteigerung profitieren und die zehn Pfund Pfeffer zu einem höheren Preis
veräußern.
Er trug allerdings auch das Risiko, dass das Schiff untergeht, Opfer eines Überfalls wurde oder
der Preis für Pfeffer zwischenzeitlich gesunken ist.
Zu einem Börsenkrach infolge der Zunahme von Optionsgeschäften und der damit verbundenen
Aussicht auf Gewinne kam es im 17. Jahrhundert während der sogenannten
Tulpenzwiebelspekulation (ca. 1625 - 1640).
Tulpen galten damals als eine Art Statussymbol, auf das keiner verzichten wollte, der sich diese
Pflanze leisten konnte. Die Nachfrage nach Tulpenzwiebeln stieg aufgrund des begrenzten
Angebots sehr stark an. Besonders für seltene Sorten wurden unglaubliche Preise gezahlt. So lag
der Preis für eine einzige Zwiebel der Sorte Semper augustus im Jahre 1636 bei umgerechnet
33.000 Dollar.
Immer mehr Privatspekulanten wollten von dieser Preisentwicklung profitieren und investierten in
Tulpenzwiebeloptionen, die auf den holländischen Börsen gehandelt wurden. Händler, die
Zwiebeln gekauft und sich vertraglich schon zur Lieferung dieser verpflichtet hatten, kauften
zusätzlich Optionen, um sich im Falle der zu späten Lieferung oder dem Ausfall der Lieferung
abzusichern und ihre Lieferverpflichtungen durch die Option erfüllen zu können. Die Preise stiegen
und standen in keiner Relation mehr zum wirtschaftlichen Wert der Optionen. Im Jahre 1636
platzte die Spekulationsblase, die Preise fielen sehr stark, und viele Spekulanten verloren ihr
Vermögen. Im Verlauf dieser Spekulationswelle war es erstmals zu einer Standardisierung der
Optionsverträge gekommen, da sich bestimmte Größenordnungen und Haupttermine
herausbildeten.
Auch in den USA entstanden wie in Europa Rohstoffmärkte, auf denen ebenfalls zunächst nur
Kassageschäfte getätigt wurden. Damals wurden riesige Flächen für den Anbau von Weizen
erschlossen.
Dies führte dazu, dass das Angebot zu Erntezeiten die Nachfrage weit überstieg. Die Folgen
waren starke Preiseinbrüche und viele Bauern konnte ihre Ernte, wenn überhaupt, nur zu
schlechten Preisen absetzen.
Einige Monate später war das Angebot dann zu gering, um die Nachfrage zu befriedigen und die
Preise stiegen stark an. Zur Lösung dieses Problems wurde das ‘forward contracting’ eingeführt.
Dadurch sollte es den Bauern ermöglicht werden die relativ hohen Preise für ihre Verkäufe per
Termin noch vor der Ernte zu nutzen. Des Weiteren konnten sich Weiterverarbeiteter und
Lagerhausbesitzer so vor den steigenden Preisen und der Verknappung in den Monaten nach der
Ernte schützen.
Zwecks Schaffung eines zentralen Umschlagsplatzes und um die Geschäftsabschlüsse auf einen
einheitlichen Standard zu bringen, gründeten im Jahre 1848 82 Chicagoer Geschäftsleute die
Chicago Board of Trade (CBOT). Dort wurden die Zeitgeschäfte immer mehr standardisiert und
der Warenterminhandel nahm moderne Formen an. Der erste Forward-Kontrakt wurde bereits am
13. März 1851 an der CBOT notiert.
Spekulanten, die auf kurzfristige Preisveränderungen spekulierten, sorgten für die notwendige
Liquidität. Sie waren also schon zu Beginn ein nicht unwichtiger Bestandteil der
Warenterminbörsen und trugen durch ihr Kapital dazu bei, dass das Ziel der Warenterminbörsen,
die Preisabsicherung, erfüllt werden konnte.
Auch in Deutschland kam es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem verstärkten
Handel mit Warenterminkontrakten und die Berliner Börse entwickelte sich zum Zentrum des
Getreidehandels in Deutschland.
Spekulanten erkannten, dass mit Spekulationen auf die zukünftigen Getreidepreise viel Geld zu
verdienen war und in Folge stiegen die Kurse an der Börse immer weiter. Als anschließend die
Preise für Getreide einbrachen und der Getreidemarkt ins Schwanken geriet, wurden die
Warentermingeschäfte mit Getreideprodukten im Jahre 1896 durch Erlass des Börsengesetzes in
Deutschland offiziell verboten.
Nachfolgend hatte der Warenterminhandel in Deutschland keine große Bedeutung mehr. Erst im
Jahre 1994, durch das 2. Finanzmarktförderungsgesetz, wurden wieder rechtliche
Rahmenbedingungen für den Warenterminhandel geschaffen die zur Gründung der
Warenterminbörse Hannover (WTB Hannover)führte, die 1998 für den Handel öffnete und später
unter dem Namen RMX Risk Management Exchange (RMX) weitergeführt wurde. Nach
Einstellung des Terminhandels mit Rohstoffen an der RMX werden Terminkontrakte mit Rohstoffe
seit August 2009 an der European Exchange (Eurex) in Frankfurt gehandelt.
Weitere wichtige Warenterminbörsen, an denen Agrarrohstoffe wie Mais und Weizen gehandelt
werden, sind die Chicago Board of Trade (CBOT), die Londoner International Financial Futures
and Options Exchange (LIFFE) sowie die MATIF (Marché à Terme International de France) in
Frankreich.
2.2, Kassamärkte:
Am Kassamarkt erfolgen die Übergabe der Ware und die Bezahlung zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses.
Er ist die Handelsplattform jener Händler die nur Geschäfte für sofortige (oder innerhalb weniger
Tage erfolgende) Lieferungen abschließen wollen, wobei die Menge und die Qualität der Ware
dabei individuell im Kontrakt bestimmt werden können. Die am Kassamarkt abgeschlossenen
Kontrakte werden nicht weiter gehandelt.
Der Kassamarkt ist ein Teilmarkt einer Börse, bei dem die Erfüllung eines Geschäfts (Lieferung,
Abnahme und Bezahlung) innerhalb eines kurzen Zeitraumes stattfinden muss (dieser Zeitraum
beträgt in Deutschland zwei Börsentage). Im Unterschied zu den Warenterminbörsen liegen also
der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Zeitpunkt der Erfüllung des Vertrags unmittelbar
zusammen.
Der Preis am Kassamarkt ist das Ergebnis des Angebots und der Nachfrage eines Rohstoffs,
wobei sich Regelmäßigkeiten bei der Preisentwicklung im Zeitablauf durch die Erntezeitpunkte
eines Rohstoffes ergeben.
Der Kassamarkt wird auch als Cash-Markt, Loco-Markt oder Spot-Markt bezeichnet.
Man unterscheidet noch zwischen dem börslichen und dem außerbörslichen Kassamarkt. Der
börsliche Kassamarkt ist vor allem für regionale Produzenten und Einkäufer eine relevante
Informationsquelle.
Die Preisfeststellung erfolgt allerdings oft nur in größeren Abständen, bspw. an der Hamburger
Getreidebörse einmal wöchentlich. Der Handel am außerbörsliche Kassamarkt (Over the Counter)
wird in der Regel über Broker oder andere Intermediäre abgewickelt und zielt ebenfalls auf eine
tatsächliche Lieferung von Waren. Teilnehmer sind hierbei ebenfalls Produzenten, Verarbeiter und
Großhändler.
2.3, Der derivative Warenhandel:
2.3.1, Handel an der Börse:
Ein Teil des Rohstoffhandels erfolgt an Warenterminmärkten. Warenterminmärkte sind Börsen, an
denen zwar Waren gehandelt werden, diese aber selbst dort nicht vorhanden sind. Die Waren
werden in Form von standardisierten Verträgen gehandelt.
Auf Warenterminmärkten werden im Gegensatz zu den Kassamärkten nur Verträge über ein in der
Zukunft legendes Geschäft abgeschlossen. Die Festlegung der Ware und des Preises erfolgt
dabei bei Abschluss des Vertrages, während die Lieferung und die Bezahlung erst zu einem in der
Zukunft liegendem Termin erfolgt.
Der Handel an Warenterminmärkten bezieht sich also auf physische Transaktionen in der Zukunft.
Die bedeutendsten Termingeschäfte sind Optionen und Futures die nachfolgend noch genauer
erläutert werden.
Warenterminmärkte dienen den Produzenten und Verarbeitern von Rohstoffen als Instrument der
Preisabsicherung. Beispielsweise wird dem Produzenten eines Rohstoffs ermöglicht, sich durch
Abschluss eines Future-Kontraktes einen Preis für den Verkauf seiner seine Ware zu einem in der
Zukunft liegendem Zeitpunkt zu sichern. Das Risiko wird hierbei von Spekulanten übernommen,
die in Erwartung der zukünftigen Entwicklung der Preise Future-Kontrakte erwerben, um diese
gewinnbringend zu veräußern ohne eine tatsächliches Interesse am physischen Erwerb der Ware
zu haben.
Die Marktteilnehmer werden meist in drei Gruppen eingeteilt, die jeweils ein unterschiedliches
Interesse an der Marktteilnahme haben: Hedger, Arbitrageure und Spekulanten bzw. Trader. Auf
die einzelnen Motive der Teilnehmer an den Warenterminmärkten wird später noch genauer
eingegangen.
Da es beim Terminhandel in den meisten Fälle nicht um eine physische Lieferung geht, ist in der
Regel für die zu Erfüllung bestehende Verpflichtung eine Ausgleichszahlung vorgesehen (sog.
‘Barausgleich’). Diese erfolgt anstelle der tatsächlichen Lieferung oder Abnahme der physischen
Ware. Mit Vertragsabschluss muss zwar keine Zahlung erfolgen, allerdings ist eine
Sicherheitsleistung an eine sogenannte Clearingstelle zu leisten, die das Nichtzahlungsrisiko
eines Kontraktpartners abfedert.
Die Clearingstelle spielt eine wichtige Rolle im Handel mit Futures und standardisierten Optionen.
Die Verträge werden nicht direkt zwischen den Marktteilnehmern abgeschlossen, sondern die
Clearingstelle tritt auf beiden Seiten als Gegenpartei auf. Sie hat auch eine
Überwachungsfunktion, da sie die Einhaltung der eingegangenen Verträge garantiert.
Der mit Abstand am meisten gehandelte Agrarrohstoff an Warenterminbörsen ist Mais. Gehandelt
wird Mais und Weizen an Terminbörsen, vor allem am Chicago Board of Trade (CBoT), der
Londoner International Financial Futures and Options Exchange (LIFFE), sowie an Börsen in
Brasilien, Australien, Frankreich (Marché à Terme International de France, MATIF), Ungarn, Korea
und Japan. Auch die Terminbörsen in China (Dalian Commodity Exchange) gewinnen zunehmend
an Bedeutung.
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