Wann und wohin? Vogelwanderungen auf der Spur - Max

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Fiedler, Wolfgang | Wann und wohin? Vogelwanderungen auf der Spur
Tätigkeitsbericht 2007
Entwicklungs- und Evolutionsbiologie/Genetik, Mikrobiologie/Ökologie
Wann und wohin? Vogelwanderungen auf der Spur
Fiedler, Wolfgang;
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen
Außenstelle – Vogelwarte Radolfzell
Korrespondierender Autor
Fiedler, Wolfgang
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Die individuelle Markierung und Verfolgung von Vögeln mittels beschrifteter Fußringe, Peilsender
oder anderer Methoden dient zur Ermittlung des Erfolges individueller Überlebensstrategien, demografischer Eckwerte, der Erforschung des Vogelzuges mit all seinen Facetten und der Funktion von
Vögeln als Vektoren für Krankheiten, dem Populationsmonitoring, der Erstellung von Modellen zu
Überlebensraten, der Beobachtung der Reaktion von Vögeln auf den Klimawandel und zur Beschaffung von Basisdaten für den Artenschutz.
Abstract
Individual marking and tracking of birds with inscripted rings at the bird‘s legs, radio transmitters or
other methods is used for the study of the success of individual strategies, demographic benchmarks,
the study of bird migration with all it‘s facetes and the role of birds as vectors for diseases, the long
term monitoring of bird populations, the building of survival models, the study of the reaction of birds
to climate change and finally the provision of basic data for species conservation.
Vogelwanderungen haben die Menschen von jeher fasziniert und schon zu Deutungen über deren
Zweck und Ziel veranlasst, noch ehe überhaupt klare Vorstellungen über die Kontinente existierten.
Sichtbare Vogelwanderungen wurden als Hinweise auf den Willen der Götter oder zumindest als
Boten für den Wintereinbruch oder das Frühjahr gedeutet. Im antiken Griechenland erklärte man das
herbstliche Verschwinden der Schwalben zwar noch damit, dass diese sich im Herbst im Schlamm der
Gewässer eingraben und beim Kuckuck vermutete man, dass er sich im Herbst in einen Sperber verwandelt. Zugleich gab es aber auch schon erste Vorstellungen davon, dass Vögel auch weite Wanderungen vollbringen und erste Versuche einer individuellen Markierung von Vögeln sind aus dieser Zeit
belegt. Vor allem Taubenzüchter waren es, die mittels kleiner Bändchen oder Metallstreifen versucht
haben, mehr Informationen über das Verhalten Ihrer Vögel zu erhalten. Die individuelle Markierung
von Vögeln zählt auch heute – neben neueren Ansätzen – zum unverzichtbaren Handwerkszeug in der
Ornithologie, wenn es um die Verfolgung von Individuen durch Raum und Zeit geht. Für die verschiedensten Fragestellungen wurden im 20. Jahrhundert in Europa schätzungsweise 115 Millionen Vögel
mit kleinen Kennzeichnungsringen markiert, die von so genannten Vogelberingungszentralen mit einer
Kurzadresse und einem einmaligen Buchstaben- und Zahlencode versehen ausgegeben werden. Eine
dieser Beringungszentralen befindet sich an der Vogelwarte Radolfzell, die Teil des Max-Planck-Instituts für Ornithologie ist und die eine ganz besondere Verbindung zu dieser wissenschaftlichen Methode hat: Ihr Gründer, Johannes Thienemann, hat ab 1901 nach ersten Erfolgen des dänischen Lehrers
Hans Christian C. Mortensen weltweit erstmals in großem Stil die Markierung von Vögeln durch
Beringung vom damaligen Institutsstandort im ostpreußischen Rossitten aus eingeführt. Heute werden an der Vogelwarte Radolfzell zur Aufklärung von Wanderbewegungen längst nicht mehr nur die
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Vogelringe, sondern auch vom Boden oder vom Weltraum aus verfolgbare Peilsender und Datenlogger
sowie genetische Analysen und Analysen stabiler Isotope in Körpergeweben verwendet. Hinsichtlich
der Kosten und der Verfügbarkeit großer Datenmengen kommt der Beringung aber nach wie vor eine
methodische Schlüsselfunktion zu, wie im Folgenden einige Beispiele zeigen sollen.
Ehrenamt ist gefragt
Ein Großteil der Studien, in deren Rahmen Vögel individuell markiert werden, wird durch Ehrenamtliche getragen. Über 8000 solcher qualifizierter „Beringer“ sind in Europa aktiv, etwa jeder zehnte
davon in Deutschland. Gerade bei Untersuchungen, die langjährige Datenreihen erfordern, wie beispielsweise Verhaltens- oder Bestandsänderungen, liefern Ehrenamtliche einen Datensatz, dessen
Beschaffung anders nicht zu finanzieren wäre. In kaum einem anderen Forschungsbereich arbeiten
heute Amateure und Profis so vielfältig und so eng zusammen wie in der Ornithologie. Dabei erledigen die Amateure längst nicht nur die einfache Feldarbeit. Viele von ihnen sind dank jahrzehntelanger
Beschäftigung mit ihren Studienobjekten herausragende Kenner der Biologie ihrer Studienarten und
verfügen zugleich über beste Kenntnisse zu deren Fang. Gerade Letzteres ist bei vielen Arten keineswegs trivial und spielt selbst dann noch eine Rolle, wenn zu Verfahren der individuellen Verfolgung
wie etwa zu Satelliten-Peilsendern oder zur genetischen Bestimmung der Populationszugehörigkeit
gegriffen werden soll, denn auch dann muss man den Vogel zunächst einmal in den Händen halten.
Vögel sind Persönlichkeiten
Selbst unter Normalbedingungen zeigen Individuen derselben Art und desselben Geschlechts Unterschiede in ihrer Physiologie und ihrem Verhalten. Was beim Menschen gemeinhin als Persönlichkeitsunterschiede anerkannt wird, wurde bei Tieren lange Zeit übersehen. Unterschiede wurden eher
ungenauen Messungen zugeschrieben oder einer schlechten Anpassung an bestehende Umweltbedingungen. Durch Beringung eines Vogels wird dieser für den Beobachter zum wiedererkennbaren
Individuum, dessen Lebensgeschichte und Schicksal sich verfolgen und im evolutionsbiologischen
Kontext untersuchen lässt. Auch Persönlichkeiten lassen sich objektiv untersuchen, sei es durch überwiegend beschreibende Verhaltensbeobachtungen, durch ontogenetische Untersuchungen zur Plastizität von Verhalten oder durch Feldstudien zu Überlebensrate und Fortpflanzungserfolg von Vertretern
verschiedener Verhaltensstrategien. Verhaltenstypen können beispielsweise auf Umweltveränderungen
unterschiedlich reagieren oder können unterschiedlich empfindlich gegenüber Stress sein. Gezielte
Beobachtungen markierter Individuen möglichst über deren ganzes Leben hinweg und umfangreiche
Datenbanken, wie sie aus den Beringungs- und Wiederfunddaten markierter Vögel aufgebaut werden,
können Fragen nach den Konsequenzen verschiedener persönlicher Verhaltensstrategien beantworten.
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Besondere Individuen
Individuell erkennbare Vögel ermöglichen Einblicke in außergewöhnliche Lebensgeschichten. Beispielsweise wurde ein weiblicher Weißstorch bis ins Jahr 2004 regelmäßig als Brutvogel in Mittelfranken beobachtet, der 1977 unweit seines späteren Brutortes geboren und beringt wurde. Dieser Vogel
erreichte damit ein Mindestalter von 27 Jahren. Rein rechnerisch hat er in dieser Zeit eine Flugleistung von weit über 100.000 km bewältigt. Den weltweiten Altersrekord bei einem freilebenden Vogel
hält ein Schwarzschnabel-Sturmtaucher, ein albatrosähnlicher Hochseebewohner, der im Mai 1957
als fünf- oder sechsjähriger Vogel nördlich von Wales markiert und nach 52 Jahren lebend nochmals
gefangen und nach Untersuchung wieder freigelassen wurde. Unter den Streckenrekordhaltern rangiert
eine Flussseeschwalbe ganz vorne, die am 27. Juni 2003 als Küken in Zentralschweden beringt und im
Dezember desselben Jahres in über 17.000 km Entfernung in Neuseeland tot aufgefunden wurde. Zu
den an der Vogelwarte Radolfzell belegten Rekordhaltern zählt ein nordbadischer Weißstorch, dessen
erste Wanderung im Alter von etwa drei Monaten ihn nach Südafrika bis ins 9340 km entfernte Strandfontein führte.
Vogelzug
Die Fähigkeit zu ausgedehnten Wanderungen zwischen Regionen, die zu unterschiedlichen Zeiten besonders günstige Lebensbedingungen bieten, dürfte eine der hauptsächlichen Ursachen für die faszinierende Diversität der Vögel darstellen. Die Variation der durch Evolution entstandenen Strategien ist
dabei unglaublich groß und reicht von kurzen, wenige Kilometer umfassenden Ausweichbewegungen
z.B. bei Schneelagen bis zu regelmäßigen saisonalen Wanderungen von über 10.000 Kilometern [1].
Populationen derselben Vogelarten und sogar verschiedene Geschlechter oder Altersgruppen innerhalb
derselben Populationen können deutlich unterschiedliche Zugstrategien verfolgen (Beispiel Teichrohrsänger in Abb. 1d). Schließlich kann sich das Zugverhalten innerhalb eines Vogellebens und natürlich
über die Generationen hinweg verändern (Beispiel Mönchsgrasmücke in Abb. 1b, [2]). Einige Vogelarten wandern in breiter Front in südwestlicher, andere in südöstlicher Richtung über Deutschland und
wieder andere wie etwa der Kranich folgen relativ engen „Zugstraßen“. Invasionsvögel wie Seidenschwanz oder Bergfink schließlich führen nur unter bestimmten Rahmenbedingungen ihre auffälligen
Invasionswanderungen durch. Einige wenige Arten wandern als Altvögel praktisch gar nicht mehr,
jedoch können Jungvögel bis zur Brutansiedlung hunderte Kilometer umherstreifen (Beispiel Schleiereule in Abb. 1c).
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Abb. 1a–d: Beispiele für Fundanalysen beringter Vögel.
A) Funde (Punkte) markierter Tauchenten (v.a. Reiherente, Tafelente), die in Süddeutschland beringt wurden.
Die roten Flächen zeigen das 20, 40, 60, 80 und 95 %-Kernel (Aufenthaltswahrscheinlichkeiten) in Richtung
Brutgebiet und die blauen Flächen das entsprechende Kernelgebiet in Richtung winterlicher Abwanderungsgebiete.
B) Herbst- und Winterfunde beringter Mönchsgrasmücken aus Bayern und Österreich. Rot: 1952–1975,
blau: 1976–2007.
C) Fundorte nestjung beringter Schleiereulen aus Süddeutschland.
D) Fundorte markierter Teichrohrsänger in Süddeutschland (grün) und in Österreich (gelb) östlich des
14. Längengrades (blaue Linie).
Urheber: Max-Planck-Institut für Ornithologie / Fiedler
Angesichts dieser enormen Vielfalt ist es nicht verwunderlich, dass trotz hundertjähriger intensiver
Untersuchung das Bild, das sich Ornithologen von den Zugbewegungen machen, noch erhebliche
Kenntnislücken aufweist. Andererseits stützen sich nahezu alle verfügbaren Erkenntnisse über den
räumlichen und zeitlichen Ablauf des Vogelzuges auf Ergebnisse aus der Vogelberingung. Zusätzlich
werden seit einigen Jahren neuere Methoden wie beispielsweise Peilsender eingesetzt, die es ermöglichen, Individuen vom Boden oder vom Weltall aus über größere Strecken zu verfolgen. Diese Methoden sind zwar teuer und im Moment noch mit etlichen technischen Limitationen behaftet. Sie können
jedoch vor allem da Ergebnisse bringen, wo markierte Vögel andernfalls nicht aufgefunden oder nicht
gemeldet werden. Datenpunkte aus der Vogelberingung erfordern nämlich nicht nur den Beringer,
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sondern auch einen Finder oder Beobachter des beringten Individuums, der seine Beobachtung an eine
Beringungszentrale weiterleiten muss. Da Dichte und Bereitschaft dieser Finder in Raum und Zeit
keineswegs gleich verteilt sind, müssen die Ergebnisse gegebenenfalls mit aufwändigen statistischen
Verfahren korrigiert werden. Zusätzlich ist es unter wesentlicher Beteiligung der Vogelwarte Radolfzell gelungen, die Rückmeldewahrscheinlichkeiten durch Angabe einer Internetadresse auf den Ringen
(www.ring.ac) und die Fernablesbarkeit von Markierungsringen durch Verwendung moderner Materialien und Bearbeitungsverfahren deutlich zu erhöhen.
Monitoring und Populationsdynamik
Standardisierte Fang-Wiederfangprogramme im Rahmen der Vogelberingung helfen nicht nur, die in
verschiedenen Abkommen vorgeschriebenen Vorgaben für ein Biomonitoring zu erfüllen, sondern
bieten darüber hinaus auch die Möglichkeit, langfristige Populationsänderungen zu verfolgen und so
populationsdynamische Prozesse zu verstehen [3]. Neben der individuellen Markierung von Vögeln
stehen heute in eingeschränktem Maße nur genetische Verfahren zur Verfügung, um grundlegende
Parameter wie Immigration, Emigration und Überlebensrate für Populationen abschätzen zu können.
Gemeinsam mit dem Cornell Lab for Ornithology (USA) wurde an der Vogelwarte ein Verfahren
entwickelt [4], mit dem auch die von anderen Faktoren (z.B. Witterung) beeinflussten Beringungsdaten
großer und über viele Jahre betriebener Beringungsstationen für die Bestandsschätzung von Populationen verwendet werden können (Abb. 2).
Abb. 2: Jährliche Beringungszahlen während des Herbstzuges auf der Feldstation Mettnau in Süddeutschland
(grau, linke Skala, Werte mit Regressionsgeraden) und nach Fangwahrscheinlichkeit korrigierte Werte (rot,
rechte Skala, Schätzwerte mit 95 %-Vertrauensintervall) für Teichrohrsänger (oben) und Mönchsgrasmücke
(unten). Während beim Teichrohrsänger Rohwerte und korrigierte Werte gut übereinstimmen, zeigt sich bei
der Mönchsgrasmücke nach der Korrektur eine Zunahme der Durchzugsbestände. Grafik verändert nach [4].
Urheber: Max-Planck-Institut für Ornithologie/Hochachka, Fiedler
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Vogelberingung und Klimaänderung
Lange bevor Folgen der Klimaänderung in aller Munde waren, haben Ornithologen auf entsprechende
beobachtbare Verhaltensänderungen bei Vögeln hingewiesen. Frühere Ankünfte von Zugvögeln im
Frühjahr, früherer Beginn der Brutzeit, eine nordwärtige Verschiebung von Vorkommensarealen und
eine Zunahme von Winterbeobachtungen eigentlich ziehender Arten in nördlichen Breiten geben klare
Hinweise auf eine generelle Erwärmung Mitteleuropas [5]. Eine Analyse der seit über 100 Jahren in
Deutschland gesammelten Beringungsdaten ergab bei einem Drittel der 30 untersuchten, ziehenden
Brutvogelarten eine Reduktion der Zugaktivität. Eine derzeit laufende Analyse zeigt, dass diese
Reduktion von Wanderentfernungen auch bei nur kurze Strecken wandernden Arten gefunden werden kann (Beispiele in Abb. 3). Die individuelle Markierung ermöglicht darüber hinaus, individuelle
Strategien zu identifizieren. So geht die derzeit beobachtbare frühere Ankunft und der spätere Abzug
des Mauerseglers aus Mitteleuropa einher mit einer beobachtbaren Zunahme von Zweitbruten, also der
kompletten Absolvierung von zwei Brutzyklen durch dieselben Elternindividuen innerhalb einer Saison. Die Ausbreitung dieser neuen Strategie und die Konsequenzen daraus für die Individuen werden
mit Spannung zu verfolgen sein.
Abb. 3: Entfernungen zwischen dem Ort der Beringung zur Brutzeit und dem Ort des Wiederfundes im Winter
bei Blaumeise (A), Kohlmeise (B), Waldkauz (C) und Steinkauz (D) seit 1960. Alle Beringungsorte lagen in
Deutschland oder Österreich. Bei allen Arten zeigen sich Rückgänge in den mittleren Winterfund-Entfernungen.
Urheber: Max-Planck-Institut für Ornithologie / Smallegange
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Tätigkeitsbericht 2007
Von Vögeln übertragene Krankheiten
Mit dem Näherrücken des hoch pathogenen Geflügelpesterregers H5N1 aus Asien erreichte im Jahr
2005 das öffentliche Interesse an Zugbewegungen von Vögeln eine nie zuvor gekannte Dimension.
Risikoabschätzungen für ganze Regionen wurden auf die Aussagen von Vogelkundlern zu Zugbewegungen gestützt. Diese Aussagen wiederum basierten fast ausschließlich auf den Ergebnissen aus der
Vogelberingung (Beispiel für Süddeutschland in Abb. 1a). Hauptgrund für dieses große Interesse von
Öffentlichkeit und Politik war die Vermutung, wandernde Wasservögel könnten die Hauptvektoren
von H5N1 sein. Wiederum mittels der aus der Beringung gewonnenen Erkenntnisse war es möglich,
Diskrepanzen zwischen dem Weg des Erregers und den Wegen der Zugvögel aufzuzeigen [6], was ein
deutlicher Beleg für die Existenz anderer, sehr wahrscheinlich anthropogener Übertragungswege ist.
Dennoch ist der Transport von Geflügelpest über längere Strecken durch ziehende Wasservögel bisher
nicht ganz auszuschließen. Ein besonderes Augenmerk ist derzeit daher auf Arten wie die Stockente
gerichtet, die einerseits häufig ganzjährig in Parks und Siedlungen auftreten, andererseits aber durchaus
weite Wanderungen vollziehen kann (Abb. 4). Die Rolle von Vögeln als Reservoire oder Vektoren von
Krankheitserregern ist gegenwärtig noch zu wenig verstanden. Neben den evolutionsbiologisch interessanten Parasit-Wirt-Systemen mit derart mobilen Wirtsorganismen wie sie die Vögel darstellen, gibt es
durchaus direkt für den Menschen relevante Krankheiten, bei denen Vögel eine Rolle spielen. West-NilVirus, Psittacose, Badedermatitis und eine Reihe von Phytopathogenen sind hier nur Beispiele. Neben
experimentellen Ansätzen kommt schon heute bei entsprechenden Untersuchungen der individuellen
Identifizierbarkeit potenzieller Wirte im Freiland durch Beringung eine bedeutende Rolle zu.
Abb. 4: Wanderung eines Stockenten-Erpels, der vom Bodensee nach Russland und zurück verfolgt werden
konnte. Der Vogel wurde mit einem Peilsender ausgestattet, dessen Bewegungen mittels eines Satelliten verfolgt
wurden. Vier Monate nach seinem Fang am Bodensee wurde er in rund 20 km Entfernung vom Fangort wieder
gesichtet. Es ist zu vermuten, dass er in der Zwischenzeit einem Weibchen in dessen Brutgebiet gefolgt war.
Urheber: Max-Planck-Institut für Ornithologie / Fiedler
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Fiedler, Wolfgang | Wann und wohin? Vogelwanderungen auf der Spur
Von der Vogelberingung zum Artenschutz
Kenntnisse der Zusammenhänge von Brut-, Durchzugs- und Wintergebieten sind ebenso wie Daten
zu Sterblichkeiten innerhalb und zwischen Populationen grundlegende Voraussetzung für erfolgreiche
Artenschutzstrategien bei Vögeln. Diese Daten können nur über individuell markierte Individuen
gesammelt werden, wobei die Beringung die einfachste und billigste Methode bietet, um die nötige
Datengrundlage für aussagekräftige Analysen zu beschaffen. Zugvögel sind „Global Player“ und das,
was wir im menschlichen Sinne als ihr Heimatgebiet ansehen, bezieht sich entsprechend natürlich
nicht nur auf ihre Brutgebiete. Gründe für die derzeit bei zahlreichen Arten feststellbaren Populationsrückgänge müssen nicht zwangsläufig dort liegen, wo die Reproduktion stattfindet. Ringfunde von
Vögeln geben Auskunft über die Aufenthaltsorte im Laufe eines Vogellebens und damit Hinweise
darauf, wo nach möglichen Ursachen für Bestandsänderungen zu suchen ist. Statistische Verfahren der
so genannten Fang-Wiederfang-Analyse ermöglichen es, auf der Basis individuell markierter Individuen Überlebensraten zwischen Jahren, zwischen Regionen oder vor und nach speziellen Schutzmaßnahmen zu berechnen und zu vergleichen oder den relativen Anteil bestimmter Todesursachen an der
Gesamtsterblichkeit zu bestimmen.
Literaturhinweise
[1] H.-G. Bauer, E. Bezzel & W. Fiedler:
Kompendium der Vögel Mitteleuropas.
3 Bände, AULA-Verlag, Wiesbaden (2005).
[2] S. Bearhop, W. Fiedler, R. W. Furness, S. C. Votier, S. Waldron, J. Newton, G. J. Bowen,
P. Berthold & K. Farnsworth:
Assortative Mating as a Mechanism for Rapid Evolution of a Migratory Divide.
Science 310, 502–504 (2005).
[3] B.-E. Sæther, S. Engen, A. P. Møller, H. Weimerskirch, M. E. Visser, E. Matthysen, W. Fiedler,
M. M. Lambrechts, P. H. Becker, J. E. Brommer, J. Dickinson, C. Du Feu, F. R. Gehlbach,
J. Merilä, W. Rendell, R. J. Robertson, D. L. Thomson & J. Török:
Time to extinction of bird populations.
Ecology 86, 693–700 (2005).
[4] W. M. Hochachka & W. Fiedler:
Trends in trappability and stop-over duration can confound interpretations of population
trajectories from long-term migration ringing studies.
Journal for Ornithology, DOI 10.1007/s10336-008-0282-1 (2008); [Epub ahead of print]
[5] A. Møller, W. Fiedler & P. Berthold:
Birds and Climate Change.
Advances in Ecological Research 35, 237–245 (2004).
[6] M. Yasué, C. J. Feare, L. Bennun & W. Fiedler:
The Epidemiology of H5N1 Avian Influenza in Wild Birds: Why We Need Better Ecological Data.
Bioscience 56, 923–929 (2006).
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