„Wie liebevoller Halt gelingen kann“ Leitfaden zur guten Bindungsförderung DIPLOMARBEIT Ausbildungslehrgang Familienmentorin Schneider Manuela 4612 Scharten INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG 2. WAS IST BINDUNG? 3. DAS KONZEPT DER FEINFÜHLIGKEIT 4. DIE SCHWANGERSCHAFT 4.1. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...“ 4.2. Welche Bedeutung hat der Vater in der Schwangerschaft? 5. DIE GEBURT 5.1. Schön dass du da bist! 5.2. Das Hormon der Liebe... 5.3. Wenn es einmal anders kommt... 5.4. Bindung und Stillen 6. DIE ERSTE ZEIT MIT DEM BABY 6.1. Über mütterliche und väterliche Fertigkeiten 6.2. Zu Hause ankommen... 6.3. Kann man sein Baby verwöhnen? 7. EINE FAMILIENMENTORIN FÜR DIE ELTERN 8. SCHLUSSBEMERKUNG 9. LITERATURNACHWEIS 2 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 1. EINLEITUNG „Wie der Mond die Strahlen der Sonne spiegelt, spiegeln Kinder das Licht der Liebe.“ (Andreas Tenzer) In dieser Arbeit möchte ich mich dem Thema widmen, wie eine sichere Eltern-Kind-Bindung gelingen kann. Dabei ist es mir besonders wichtig einen hilfreichen Leitfaden für Eltern zu gestalten, da ich immer öfter bemerke wie sehr werdende Eltern bzw. Eltern eines neugeborenen Babys verunsichert sind. Mitverantwortlich dafür ist einerseits die große Breite der Medien , die vielen Möglichkeiten der Medizin aber auch unsere schnelle, moderne Leistungsgesellschaft. Eine wichtige Aufgabe in der Begleitung als Familienmentorin, sehe ich darin, Eltern zu stärken, damit sie wieder intuitiv nach ihrem „Bauchgefühl“ handeln können. Eine gelungene, sichere Bindung zwischen Eltern und ihrem Kind bildet nicht nur eine Basis, in der anfängliche kleinere Probleme gut gemeinsam gemeistert werden können, sondern beeinflusst alle weiteren Phasen der Kindheit positiv. „Bindung stärkt!“ – ein Baby von Anfang an, während der ganzen Kindheit und bietet Rückhalt weit über die Jugendzeit hinaus. Sicher gebundene Kinder werden auch in der manchmal etwas schwierigen Zeit der Pubertät, das Vertrauen zu Mutter und Vater nicht verlieren und auch später als junge Erwachsene den Weg zu den Eltern immer wieder finden und diese an ihrem Leben teilhaben lassen. Entscheidend für eine gute Eltern-Kind-Beziehung ist, die gefühlsmäßige Zuwendung und Nähe sowie Sicherheit und Geborgenheit. Die Zuneigung, die ein Kind in den ersten Lebensjahren erfährt, bildet den Grundstein für alle späteren Beziehungen und lässt sie zu eigenständigen, selbstbewussten, kompetenten und liebesfähigen Persönlichkeiten heranwachsen. Dieses zarte Band der sicheren Bindung können Eltern mit viel Liebe und Fürsorge bereits vom ersten Lebenstag ihres Kindes – ja, eigentlich schon vorher knüpfen! Mit meiner Arbeit möchte ich einige Anregungen geben wie man eine gute Eltern-KindBeziehung aufbauen und stärken kann, aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Realität manchmal anders aussieht. „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 3 „Schlaflose Nächte, untröstliche Babys ...“ lassen auch Eltern an ihre Grenzen kommen. Aber man kann unbesorgt sein, denn es gibt keine „perfekten“ Eltern die keinen einzigen Fehler machen. Liebevolle Zuwendung und das Baby als eigene kleine Persönlichkeit zu achten sind für den Anfang schon ausreichend. Gönnen sie sich viel Zeit und Ruhe um ihr Baby willkommen zu heißen, denn geht es den Eltern gut, geht es auch dem Kind gut! 2. WAS IST BINDUNG? Die psychologische Definition des Begriffes „Bindung“ geht auf den Pionier der Bindungsforschung John Bowlby zurück. Er spricht dabei von einem Gefühlsgetragenen Band, das eine Person zu einer anderen knüpft und das beide über Raum und Zeit miteinander verbindet. Bowlby fand heraus, dass das Bedürfnis nach Bindung ein Grundbedürfnis des Menschen als soziales Wesen ist. Im deutschen Sprachgebrauch wird auch häufig der Begriff „Eltern-Kind-Beziehung“ verwendet, da sich nicht nur das Kind an seine Eltern bindet, sondern auch die Eltern eine emotionale Beziehung zu ihrem Kind entwickeln. Eine wichtige Voraussetzung für den Bindungsaufbau ist die Fähigkeit mit dem anderen in Resonanz zu treten, das heißt den anderen körperlich und emotional zu „verstehen“. Damit sich Bindungsfähigkeit entwickelt, braucht ein Kind mindestens eine verlässliche Person, mit der es die wichtige Erfahrung der sicheren Bindung machen kann. Diese Bindungsperson wird vom Baby als sicherer emotionaler Hafen erlebt, wenn es dort Feinfühligkeit und angemessene Bedürfnisbefriedigung zuverlässig kennen lernt. Für die Basis einer sicheren Bindung, braucht das Kind körperlichen Halt, Getragensein und liebevolle Berührungsstimulation sowie viel Erfahrung, in seinen Botschaften gehört und verstanden zu werden. Werden diese Bedürfnisse von den Bindungspersonen mit echter Empathie erfüllt, entsteht eine gute Basis für spätere körperliche und seelische Gesundheit. 4 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 3. DAS KONZEPT DER FEINFÜHLIGKEIT Die Feinfühligkeit der Pflegeperson bildet eine wesentliche Grundlage für die Qualität der Bindung, die ein Kind im Laufe seines ersten Lebensjahres entwickelt. Das Konzept der Feinfühligkeit wurde von Mary Ainsworth entwickelt. Unter feinfühligem Pflegeverhalten versteht Ainsworth folgende charakteristische Verhaltensweisen: • Eine Mutter muss in der Lage sein, die Signale ihres Babys mit größter Aufmerksamkeit wahrzunehmen. Verzögerungen in der Wahrnehmung können durch äußere oder innere Beschäftigung mit eigenen Bedürfnissen und Befindlichkeiten entstehen. • Eine Mutter muss die Signale des Babys richtig deuten, etwa das Weinen des Kindes in seiner Bedeutung entschlüsseln. Dabei besteht die Gefahr, dass die Signale durch die eigenen Bedürfnisse sowie die Projektionen dieser Bedürfnisse auf das Kind verzerrt oder falsch interpretiert werden. • Eine Mutter muss angemessen auf die Signale reagieren, ohne durch Über- oder Unterstimulation die Mutter-Kind-Interaktion zu erschweren. • Die Reaktion muss prompt, das heißt innerhalb einer für das Kind tolerablen Zeit erfolgen. Weiters entwickelte Mary Ainsworth den Fremde-Situations-Test – eine Methode zur Beurteilung der Bindungsqualität. Anhand eines standardisierten Ablaufs von Episoden des Zusammenseins mit der Mutter bzw. der Trennung von ihr in einer fremden Umgebung kann man die Qualität der Bindungsbeziehung beurteilen. Bei den Bindungsqualitäten unterscheidet man: ∗ Sicher gebundene Kinder ∗ Unsicher-vermeidend gebundene Kinder ∗ Unsicher-ambivalent gebundene Kinder ∗ Kinder mit desorganisiertem Verhaltensmuster „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 5 Sicher gebundene Kinder drücken bei der Wiedervereinigung mit ihrer Mutter ihr Bedürfnis nach Nähe aus und können durch angemessene Verhaltensweisen ihren Kummer bewältigen. Diese Kinder können sich in Belastungssituationen über die Nähe ihrer Eltern beruhigen und ihre Erregung schnell in den Griff bekommen. Folgend werde ich vor allem auf die sichere Bindung eingehen. Wie können Eltern ihre „Feinfühligkeit“ – das Zauberwort in der Bindungsforschung bereits in der Schwangerschaft, bei der Geburt und die erste Zeit mit dem Baby erleben? Beziehungsweise wie kann eine Familienmentorin in dieser wunderbaren, aber auch manchmal verunsicherten Zeit die Familien begleitend unterstützen? 4. DIE SCHWANGERSCHAFT 4.1. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...“ Die Eltern-Kind-Beziehung beginnt bereits lange vor der Geburt des Kindes. Eine Frau und ein Mann, die im Augenblick der Empfängnis, schon im Augenblick des gemeinsamen Kinderwunsches eine Veränderung ihrer Paarbeziehung erfahren. Aus der Zweisamkeit der Liebesbeziehung wird eine Dreisamkeit – die Eltern-KindBeziehung. Mit dem Beginn einer Schwangerschaft kommt es bei einer Frau zu körperlichen und seelischen Veränderungen, welche zur Anfangszeit viele widerstreitende Gefühle auslösen können. Jeder Anfang bedeutet Veränderung, Licht und Schatten liegen nah beieinander. Oft ist der Beginn von zwiespältigen Gefühlen überschattet, man erlebt möglicherweise eine emotionale Berg- und Talfahrt. Wie auch immer die Schwangerschaft aufgenommen wird, ob sie geplant war oder nicht, wächst letztendlich langsam die Gewissheit: Ein Kind entsteht in mir! Die amerikanische Psychotherapeutin Barbara Findeisen, spricht davon, dass ein Baby die Melodie des Lebens im Mutterleib erlernt. Diese Melodie prägt das weitere Leben und wird im Idealfall Vertrauen und Lebendigkeit vermitteln oder aber auch Rückzug und Isolation. 6 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ Sie trägt Gefühle von Liebe und Gefühle von Verzweiflung, sie hat kalte und warme Töne die von Freude oder Trauer erzählen können. Wie sicher gebunden ein Kind im weiteren Leben ist hat hier bereits seine Wurzeln. Die vorgeburtliche Beziehung zwischen Mutter und Kind entsteht auf ganzheitliche Weise. Eine Mutter teilt auf organische und seelische Weise mit, wie es versorgt ist. Nach heutigem Wissenstand ist bereits ein Embryo ein kleines kompetentes menschliches Wesen. Schon ab der 15. Schwangerschaftswoche ist das vorgeburtliche Kind für Berührungen empfänglich, kann das Fruchtwasser schmecken und seine Bewegungen steuern. Man weiß heutzutage, dass neben der hormonellen Verbindung es auch andere Kommunikationskanäle und seelische Verbindungswege gibt. Mutter und Kind sind offenbar auf feinen Verbindungswegen seelisch miteinander verbunden, so zeigt das vorgeburtliche Kind auch bei belastenden Gedanken der Mutter deutliche körperliche Reaktionen. Damit möchte ich verdeutlichen wie wichtig es für die spätere Bindungsfähigkeit eines Babys ist, es bereits in der Schwangerschaft als ein kompetentes Wesen wahr zu nehmen. Eine Frau erlebt bereits in der Schwangerschaft eine verstärkte Sensibilität, mit allen positiven und negativen Auswirkungen. Sensibilität ist etwas Schönes und Wichtiges, denn sie bereichert unser Leben und unsere Beziehungen. Es ist essentiell, diese Sensibilität in der Schwangerschaft zuzulassen, denn wenn das Kind geboren ist, braucht jede Mutter diese Feinfühligkeit um die Bedürfnisse, die Persönlichkeit und die „Schwingungen“ ihres Babys erspüren zu können! 4.2. Welche Bedeutung hat der Vater in der Schwangerschaft? Im Moment der Zeugung sind Mutter und Vater gleich wichtig, denn ohne Vater gibt es kein Kind. Auch wenn in der Schwangerschaft der mütterliche Raum eine lange Zeit der wichtigste ist, kann der Vater am Aufbau für den Lebensraum für das vorgeburtliche Kind mitwirken. In der Schwangerschaft und auch die erste Lebenszeit des Kindes befindet sich der Vater im Hintergrund verglichen mit der Bedeutung der Mutter. Es ist sehr wichtig, dass ein Vater sich weiter wichtig fühlt, um auch im Hintergrund warm und liebevoll zu bleiben. „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 7 Um einen Lebensraum für ein Kind aufzubauen, sind die Eltern gefordert, die Zweisamkeit ihrer Liebes- bzw. Paarbeziehung für eine Weile zurück zu stellen, und sich für das Dreieck der Beziehung Vater-Mutter-Kind zu öffnen. Natürlich hat eine Mutter, in deren Bauch das Kind heranwächst, eine andere Beziehung zu ihm als der Vater, der es im Bauch mehr von außen erlebt. Dies kann aber auch sehr bereichernd sein, denn für den werdenden Vater gibt es neue Seiten des Lebens zu entdecken: für ein Kind zu sorgen, für die schwangere Partnerin da zu sein, eine Familie gründen, Verantwortung tragen... Es ist besonders wichtig, dass der Vater in die Zeit der Schwangerschaft miteinbezogen wird und sich auch gerne damit auseinander setzt. Gefühle miteinander zu teilen, gemeinsame Gespräche suchen und sich um ein Verständnis der unglaublichen Entwicklung bemühen, die sich im Baby vollzieht, sind wichtige Schritte auf dem Weg, Eltern zu werden. Auch ein Vater kann sich ein inneres Bild von seinem Kind machen, die Hände auf den Bauch seiner Partnerin legen und dem Baby liebevolle Botschaften senden. Das vorgeburtliche Kind wird es auch lieben, wenn der Vater mit ihm spricht. Der Kontakt zu seinem vorgeburtlichen Kind, kann für Väter sehr bereichernd sein. Das Einfühlungsvermögen, dass er dem Kind und der Mutter sowohl in der Schwangerschaft, als auch in der Zeit nach der Geburt zeigt, ist die Basis für späteres Vertrauen. Die Zeit in der ein Vater im Hintergrund ist, endet, wenn das Kind sich langsam von der Mutter löst und sich hin zum Vater wendet, um sich in die Welt zu bewegen! 8 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 5. DIE GEBURT 5.1. Schön dass du da bist! Endlich ist der lang ersehnte Moment da, das Baby ist geboren. Die ersten Minuten nach der Geburt erleben viele Eltern als einen Sturm von Gefühlen: Aufregung, Ehrfurcht, Jubel und Erschöpfung. Alle Gedanken, Träume und Pläne der letzten Monate waren auf den Augenblick der Geburt ausgerichtet. Die ersten Lebensstunden haben sich als eine besonders sensible Phase in dem Entstehen von Bindung erwiesen – als eine Zeit erhöhter Empfindsamkeit. Die beginnende Bindung zwischen Mutter und Kind ist eine Fortsetzung der Symbiose, die beide schon im Mutterleib eingegangen sind. Mit dem Durchtrennen der Nabelschnur beginnt für das Baby ein neuer Abschnitt in seiner eigenen Entwicklung. Es braucht dann die Möglichkeit, sich gefühlsmäßig und körperlich, an die Eltern neu zu binden – genauso wie Vater und Mutter beginnen, sich auf ihr Kind einzustellen. Die Bindung zwischen Mutter und Kind wird beim Durchtrennen der Nabelschnur nicht abgebrochen: Sie wird auf einer anderen Ebene fortgesetzt. Die ersten Stunden nach der Geburt, vorausgesetzt Mutter und Baby sind wohl auf, sind ein sehr bewegender Augenblick um die Eltern-Kind-Beziehung wachsen zu lassen. Um das gegenseitige Kennenlernen nicht zu stören, sollte möglichst für viel Ruhe gesorgt sein. „Klinikrituale“ wie Wiegen, Messen oder Waschen haben Zeit bis später. Unmittelbar nach der Geburt will ein Baby vor allem die Nähe der Mutter spüren, die es schon seit neun Monaten kennt! Angeschmiegt an die Mutter, Haut an Haut, gewärmt durch ihre Körpertemperatur, kann sich ein Baby am besten von den Anstrengungen der Geburt erholen. Das Baby befindet sich in einem Zustand ruhiger Wachheit und erhöhter Aufmerksamkeit, die Augen weit geöffnet und glänzend, möchte es mit seiner ganzen Energie sehen, hören und spüren, mit all seinen Sinnen die Welt aufnehmen in der es gerade angekommen ist! In die Augen eines Neugeborenen zu schauen ist eine der mächtigsten Auslöser für elterliches Verhalten und elterliche Liebe. „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 9 Was geschieht mit dem Baby, wenn es in die Augen seiner Mutter schaut? Der englische Psychiater Dr. Donald Winnicott, der Mutter-Kind-Aktionen erforscht hat, beschreibt, dass das Baby sich selbst im Gesicht seiner Mutter sieht. Die Mutter wiederum ahmt den jeweiligen Gesichtsausdruck ihres Kindes nach und spiegelt in ihm somit – seine erste Lektion in der Formung seines Selbstbildes. Auch das Neugeborene kann schon den Gesichtsausdruck der Mutter nachahmen und reagiert bereits auf die Stimme von den Eltern. Vielleicht spüren sie in diesem wunderbaren Moment „Liebe auf den ersten Blick“. 5.2. Das Hormon der Liebe... Der modernen Wissenschaft zufolge gibt es ein Hormon der Liebe. Überall wo Liebe ist, ist auch Oxytocin. Oxytocin wird vor allem deshalb als Liebes- und Bindungshormon bezeichnet, da es Glücksempfindungen auslöst und dazu beiträgt, Nähe zuzulassen. Es hat eine entscheidende Rolle beim Aufbau von tragfähigen Bindungen zwischen Eltern und Kindern aber auch zwischen Erwachsenen. Bei einer natürlichen Geburt kommt es zu einer regelrechten Oxytocinüberflutung im Gehirn die ein hohes Maß an Glücksgefühl und eine bedingungslose Bereitschaft bei der Mutter bewirkt, damit sie sich ihrem Kind öffnen und eine tiefe Bindung eingehen kann. Auch bei Vätern lässt sich nach einer positiv erlebten Geburt eine vermehrte Oxytocinausschüttung feststellen. Forschungsarbeiten bestätigen, dass das „Liebeshormon“ weitreichende Wirkung auf das gesamte Bindungs- und Sozialverhalten von Menschen hat. Oxytocin wird aus der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) in den Organismus entlassen und ist verantwortlich für das Entstehen von Geburtswehen, löst den Milchspendereflex aus und wird auch beim Orgasmus in der sexuellen Liebe, beim Stillen und auch durch sanfte streichende Massagen ausgeschüttet. 1 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 0 5.3. Bindung und Stillen Heutzutage weiß man, dass Bindung und Stillen, bzw. Stillen und Bindung sehr eng miteinander verbunden sind. Werden Mutter und Kind nach der Geburt nicht getrennt und können sich auf natürliche Weise kennen lernen, wird erfolgreiches Stillen möglich sein. Und erfolgreiches Stillen wird sich noch lange Zeit fruchtbar auf die Beziehung von Mutter und Kind auswirken. Denn wie bereits erwähnt kommt es auch beim Stillen zur Ausschüttung des „Bindungs- und Liebeshormon“ Oxytocin. Die körperliche Intimität des Stillens bringen Mutter und Baby unendlich näher. Stillen wird zu einem leisen Dialog zwischen den beiden. Von der ersten Lebenswoche an schauen Babys beim stillen ihren Müttern unverwandt in die Augen. Dieser Teil der „Sprache“ eines Babys hilft einer Mutter einen innigen Kontakt herzustellen. Wenn sie zulassen kann, dass sich all ihre Sinne durch den intimen Kontakt öffnen, wird sie Freude daran finden, ihrem Baby in dieser Nähe sinnlich zu begegnen. Es wird auch noch mal sehr deutlich, wie wichtig es ist, dass Mutter und Baby nach der Geburt sofort Körperkontakt haben, und diese Berührung möglichst ungestört und lange genießen können. Ein Neugeborenes wird, nachdem es eine Weile, auf dem Bauch der Mutter gelegen hat, mit seinem kleinen Mund zu suchen beginnen. Das Baby erschnuppert offenbar die Mutterbrust, und wenn man sie lässt, krabbeln sie in der Tat selbst zielsicher zur Nahrungsquelle hin. Es ist sehr wichtig, dem Baby dafür ausreichend Zeit zu lassen, denn 30 bis 50 Minuten nach der Geburt ist sein Saugreflex am stärksten. Diese wunderbare Erfahrung kann das Vertrauen der Mutter in die eigene Stillfähigkeit sehr stärken. Das erste Saugen an der Brust ist eine wichtige Zeit, für Mutter und Baby. Ausgedehnter Kontakt nach der Geburt wirkt sich positiv auf Stillwunsch, Stilldauer- und erfolg sowie längerfristig auf das „Bemutterungsverhalten“ aus. „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 1 1 5.4. Wenn es einmal anders kommt... Wir wissen, dass „Bonding“ in den ersten Stunden extrem wertvoll ist, aber manchmal ist eine Trennung von Mutter und Baby unumgänglich. Wenn diese intime Zeit in den ersten Lebensstunden verpasst wird, sei es weil ein Kaiserschnitt notwendig ist, starke Medikamente zum Einsatz kommen oder das Kind eine besondere Pflege benötigt, ist es einer Mutter noch lange Zeit danach möglich eine sichere Bindung zu ihren Kind aufzubauen. Es gibt viele Wege Beziehungen herzustellen damit es trotzdem zu einer funktionierenden Mutter-Kind-Bindung kommt. Werden Mutter und Kind, aus welchem Grund auch immer, unmittelbar nach der Geburt getrennt, ist es besonders wichtig, dass der Vater das erste Bonding übernimmt. Liebevoll kann er die wichtige Funktion des Beziehungsaufbaus übernehmen, da sich ein Baby an mehrere Personen binden kann. Besonders günstig ist es, dass Mutter und Kind, sobald dies möglich ist, die Gelegenheit bekommen, ausgiebigen Körperkontakt zu haben, damit die innige Vertrautheit wieder entstehen kann. Dieser innige Körperkontakt „Haut an Haut“ sollte so oft und so lange wie möglich durchgeführt werden. Es bedarf vielleicht etwas mehr Zeit, aber die Bindung wird genauso stark wachsen. Schließlich ist das Aufbauen von Beziehungen eine lebenslange Angelegenheit und im Zusammensein mit dem Kind wird die Liebe und die Mütterlichkeit wachsen. „Das Lied, das ruhig im Herzen einer Mutter liegt, singt auf den Lippen ihres Kindes.“ (Khalil Gibran) 1 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 2 6. DIE ERSTE ZEIT MIT DEM BABY 6.1. Über mütterliche und väterliche Fertigkeiten „Ich weiß, wer du bist: Mein Kind. Und ich spüre was du brauchst, mein Kind. Weil ich bin wer ich bin: deine Mutter.“ Wer diese Worte zum ersten Mal gesagt hat, weiß man nicht, aber sie verdeutlichen genau worauf es ankommt. Die Kompetenz mit einem Baby umzugehen, bedarf keiner besonderen Eigenschaft, sondern liegt im Muttersein. Manche Mütter können diese Mutterinstinkte leichter erspüren, bei anderen sind sie tiefer verborgen. Aber in vielen Situationen muss eine Mutter erst gar nicht lange nachdenken, sondern es geschieht ganz einfach das Richtige, weil sie mit ihrem Baby verbunden ist. Vieles passiert ganz unbewusst, ohne die dahinter liegende Weisheit zu kennen. So werden Babys selbstverständlich auf der linken Seite getragen, nah beim Herzen, damit sie den seit der Schwangerschaft vertrauten Herzschlag der Mutter hören können. Eine Mutter wiegt ihr Baby instinktiv im Rhythmus dieses Herzschlages und sie erkennt den einzigartigen Duft ihres Kindes aus einer Vielzahl an Babys, genauso wie das Baby seine Mutter am Geruch erkennt. Und so entwickeln Mütter auch erstaunliche Fähigkeiten die Bedürfnisse ihrer Babys zu erkennen. Aufgeschlossenen Eltern hilft beim Bemühen um ihren Nachwuchs das sogenannte „intuitive Elternprogramm“. Dadurch können sie auch ohne Erfahrung oder großartigen Überlegungen spontan die kindlichen Bedürfnisse erfassen und auf seine Signale situationsgerecht und altersgemäß antworten. So nähern sich Eltern beispielsweise mit ihrem Gesicht dem des Babys auf etwa 22 bis 25 cm, wenn sie Kontakt aufnehmen möchten. Sie stellen sich somit auf die optimale Sehfähigkeit des Babys ein. Eltern reagieren oftmals in einem Zeitfenster von 0,2 und 0,4 Sekunden und sie sprechen mit verlangsamter und erhöhter Stimmlage zu dem Baby. „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 1 3 Jedes Baby ist auf seine Weise einzigartig und braucht etwas anderes, damit seine Bedürfnisse gestillt werden. Eltern die mit ihrem Baby verbunden sind, haben innere Sensoren für diese Bedürfnisse. Die elterliche Feinfühligkeit entwickelt sich am besten, indem man viel Zeit mit seinem Baby verbringt! 6.2. Zu Hause ankommen... Was ist wichtig für die erste Zeit zu Hause mit dem neuen Erdenbürger? Alle Eltern wollen selbstverständlich, nur das Beste für ihr Baby. Für einen guten Anfang ist es aber auch von großer Bedeutung sich selbst zu kennen, zu akzeptieren und zu mögen. Die erste Zeit mit dem Neugeborenen, bietet eine besondere Gelegenheit, sich gegenseitig kennen zu lernen und auch etwas über sich selbst zu erfahren. Das Neugeborene kommt von einem dunklen, gemütlichen, höhlenartigen Ort, wo es neun Monate lang gelebt hat. Es kommt in eine Welt mit hellem Licht, leuchtenden Farben und fremden Geräuschen. Für ein Baby ist das immer stimulierend, mitunter sogar Furcht erregend. Es braucht Geduld und Verständnis, um sich daran gewöhnen zu können. Aufgabe der Eltern ist es, das Neugeborene bei diesem Übergang in die Welt zu unterstützen. Wie kann man das auf eine respektvolle Weise tun? Dazu gibt es die unterschiedlichsten Ansätze, aber zu den wichtigsten zählen, dass man sich Zeit nimmt das Baby kennen zu lernen, um es zu verstehen. Dass man es darin unterstützt, eine Beziehung auf zu bauen, indem man mit ihm spricht und ihm sagt, was man tun will. Dass man langsam und sanft mit dem Baby umgeht und abwartet bevor man etwas tut. Die Eltern-Kind-Beziehung entwickelt einen eigenen Rhythmus, wenn ein Kind eine Antwort auf sein Verhalten bekommt, und somit die Erfahrung macht, dass es seine Umgebung beeinflussen kann – es erfährt das Gefühl von Kompetenz. Ein regelmäßiger, verlässlicher Alltag hilft Vertrauen zu entwickeln. Diese Verbindung zu den Eltern hilft dem Kind sich „sicher“ zu fühlen und ist für seine zukünftige Autonomie entscheidend. 1 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 4 All dies können Eltern unterstützen, indem sie sich liebevoll der Grundbedürfnisse des Kindes annehmen. Die Bedürfnisse eines Neugeborenen sind: ∗ Wärme ∗ Körperkontakt, berührt und gehalten werden ∗ Sanfte Bewegung ∗ Geräusch eines Herzschlags ∗ Die ruhigen Stimmen von Mutter und Vater ∗ Sensible Einfühlung von Erwachsenen ∗ Sofortiges Eingehen auf sein Weinen ∗ Gestillt werden, sobald es Hunger hat ∗ Schutz vor Reizüberflutung Feinfühlige Eltern müssen verlässlich, vertraut und verfügbar sein! Die Signale ihres Babys wahr nehmen, richtig interpretieren, angemessen und prompt reagieren. „Nimm mich wahr und zeig mir das, kommuniziere mit mir. Liebe mich so wie ich bin!“ Vor seiner Geburt hat jedes Kind die Erfahrung gemacht, ständig Neues zu lernen und über sich hinaus zu wachsen. Je länger diese Grunderfahrung bestätigt und gefestigt werden kann, desto offener, neugieriger und erwartungsvoller wendet sich das Kind auch weiterhin der Welt zu. Bindung entwickelt sich mit der Zeit, wenn ein Kind seine Eltern kennen lernt und sich bei ihnen zu Hause sicher fühlt. Diese „Bindung“ verhilft dem Kind emotionale Wurzeln wachsen zu lassen! „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 1 5 6.3. Kann man sein Baby verwöhnen? Auf ein Baby in liebevoller Weise einzugehen, ist nicht dasselbe, wie es zu verwöhnen. Ein Säugling kann nicht verwöhnt werden, wenn man auf seine Bedürfnisse eingeht. Dieses leider immer noch weit verbreitete Missverständnis, stammt aus einer hierarchischen Zeit. Damals galt die Ansicht durch „Abhärtung“ Ziele in der Pflege zu erreichen. Es ist an der Zeit diese Meinung endlich aus der Welt zu schaffen! Für ein kleines Kind ist die Ursache-Wirkungsbeziehung in Verbindung mit einer Person, nicht mit einem Vorteilsgewinn erkennbar. Einem Baby erscheint die prompte Reaktion der Eltern nicht als besondere Gunst, die es gezielt herauszufordern gilt. Die prompte Erfüllung eines Bedürfnisses schafft beim Kind das Gefühl von Geborgenheit, Zusammenhalt mit den Bezugspersonen und die Erfahrung: „ich werde wahr genommen“. Die Bemühungen des Elternseins haben sich gelohnt, wenn das Kind zu einem Menschen mit Selbstvertrauen heranwächst, der seine Eltern respektiert, weil sie es respektiert haben. 7. EINE FAMILIENMENTORIN FÜR DIE ELTERN In manchen Kulturen ist eine Frau während der Schwangerschaft, der Geburt und der Zeit danach stets von erfahrenen Müttern umgeben, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen. Auch in unserem Kulturkreis wünschen sich werdende Mütter eine Begleitung und Unterstützung in dieser wichtigen Zeit. Hier sehe ich meine Aufgabe als Familienmentorin. Familien, vor allem Mütter in der Zeit der Schwangerschaft, der Geburt und der Kleinkindzeit zu begleiten und zu unterstützen. Denn auch heutzutage in unserer teils sehr schnelllebigen Zeit, soll es für Eltern möglich sein die Schwangerschaft und die Zeit danach als besonderen, vielleicht sogar als „heiligen“ Zustand zu erleben! 1 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 6 8. SCHLUSSBEMERKUNG „Nur wer Halt hat, kann Halt geben“ Mit dieser Arbeit möchte ich einen kleinen Einblick geben, wie wichtig es ist bereits ab der Schwangerschaft die Meilensteine für eine gelungene Eltern-Kind-Beziehung zu legen. Es sind bereits die kleinen Dinge, die später großes Bewirken! Es ist mir ein besonderes Anliegen in meiner Tätigkeit, als Familienmentorin Mütter und Väter so zu stärken, dass ihnen Raum und Zeit zum Aufbau einer sicheren Bindung zu ihrem Baby möglich ist! „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 1 7 LITERATURNACHWEIS Bettina Alberti Die Seele fühlt von Anfang an Michael Odent Geburt und Stillen Hannah Lothrop Das Stillbuch Mechthild Deyringer Bindung durch Berührung Magda Gerber & Allison Johnson Ein guter Start ins Leben Magda Gerber Dein Baby zeigt dir den Weg Katharina Kruppa & Astrid Holubowsky Babys wissen was sie brauchen, und Eltern auch Evelin Kirkilionis Bindung stärkt Dr. phil. Martin Sourek Ausbildungsunterlagen Familienmentorin 1 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 8 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 1 9 2 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 0 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 2 1 2 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 2 „WIE LIEBEVOLLER HALT GELINGEN KANN“ 2 3