2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil

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2 Klimaneutraler Verkehr –
Erdgas und Methan als Teil der Lösung
2.1 Einleitung
Verkehr gilt als wichtige Voraussetzung für wirtschaftlichen Austausch und individuellen Wohlstand. Gute Verkehrssysteme helfen, die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen zu
befriedigen. Im Rahmen des Individualverkehrs nimmt der Pkw-Verkehr eine dominierende Rolle ein, doch auch im Güterverkehr ist der Straßenverkehr der zentrale Verkehrsträger. Auf die Umwelt und damit auch auf den Menschen hat motorisierter Verkehr, wie
er sich derzeit gestaltet, viele negative Auswirkungen: Treibhausgasemissionen, Luftverschmutzung, Lärm, Flächeninanspruchnahme und Ressourcenverbrauch für die Herstellung der Infrastruktur und der Fahrzeuge oder die Bereitstellung der Kraftstoffe (siehe auch
[1]). Im Mittelpunkt dieses Beitrages stehen die vom motorisierten Verkehr verursachten
Treibhausgasemissionen.
In diesem Buch wird Erdgas als gegenwärtiger und zukünftiger Energieträger im Verkehrsbereich behandelt. Dies nehmen wir zum Anlass, in einem einleitenden Abschnitt
auch zusätzliche Optionen und Handlungsstränge zu beschreiben, die ebenfalls notwendig
sind, wenn man den Verkehr – und insbesondere den motorisierten Verkehr – klimaverträglicher gestalten will. Nach dem einleitenden Abschnitt und der Problemdarstellung aus
Klimaschutzsicht in ▶ Abschnitt 2.2 folgt daher im ▶ Abschnitt 2.3 eine knappe Darstellung
möglicher nichttechnischer Maßnahmen, während die technischen Maßnahmen für eine
Energieversorgung des Verkehrs in ▶ Abschnitt 2.4 beschrieben werden. Schließlich wird
auch bei der Betrachtung der bereits vorhandenen Infrastruktur (▶ Abschnitt 2.5) deutlich,
dass Erdgas eine Treppenstufe auf dem Weg hin zu einem treibhausgasneutralen Verkehr
sein kann und dass sich die Überlegungen zu Techniken besonders im Zusammenhang mit
erneuerbar stromerzeugtem Methan lohnen können.
Was sind die Treiber des Verkehrswachstums und des Problems mit dem Treibhausgasausstoß?
Im letzten Jahrhundert hat der Verkehrsaufwand (in Personen-km oder Tonnen-km)
drastisch zugenommen, wobei die Zunahme insbesondere in den letzten 20 Jahren überproportional zum Wirtschaftswachstum stattfand. Die wichtigsten Gründe dafür waren
und sind zum Ersten die relativ günstige Preisentwicklung für Kraftstoffe in allen Verkehrs© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
R. van Basshuysen (Hrsg.), Erdgas und erneuerbares Methan für den Fahrzeugantrieb,
Der Fahrzeugantrieb, DOI 10.1007/978-3-658-07159-2_2
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2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
Bild 2.1. Entwicklung des Güterverkehrsaufwands und des Bruttoinlandsprodukts (saison- und
kalenderbereinigt) in den alten Bundesländern beziehungsweise Deutschland. Daten aus Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen [2] und Verkehr in Zahlen [3] und [4]
bereichen und der damit verbundene weit verbreitete zunehmende Verkehrsaufwand pro
produzierte Einheit des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und zum Zweiten die europäische
Integration Deutschlands in die wachsende Europäische Union (EU). In Bild 2.1 wird die
Entwicklung des BIP der Entwicklung des Verkehrsaufwands für Deutschland gegenübergestellt. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich in allen hoch entwickelten Industrieländern.
Seit etwa 20 Jahren gibt es einen Konsens in der Wissenschaft, dass der laufende Klimawandel hauptsächlich auf das Handeln des Menschen und die damit verbundenen Emissionen von Treibhausgasen (THG) zurückzuführen ist [5]. Diese Erkenntnis fasst auch in
der internationalen Politik Fuß und konzentrierte sich zum Beispiel im Kyoto-Prozess und
anderen Maßnahmen zur Beschränkung des Wachstums beziehungsweise zur Minderung
der Klimagasemissionen. Es gibt grundlegende Initiativen, die aber vorrangig in Bereichen
Wirkung entfalten, die den Verkehr nur wenig berühren. Zu nennen ist hier beispielsweise der Emissionshandel im stationären Industriesektor. Parallel dazu vollzieht sich eine
geradezu erschreckende Entwicklung im Bereich Verkehr und das auch weltweit. In Bild
2.2 sind die Entwicklung des Verkehrsaufwandes in Deutschland und die damit verbundenen Klimagasemissionen dargestellt. Der Verkehrsaufwand nimmt zu; gleichzeitig ist eine
wenn auch gedämpfte Zunahme der Klimagasemissionen zu verzeichnen, die langfristig
in eine Abnahme übergeht. Im Vergleich zu anderen Klimagasemittenten hat jedoch allein
der Verkehr seit 1990 eine deutliche Zunahme zu verbuchen, obwohl die reine technische
Effizienz zugenommen hat und der Energieaufwand zur Absolvierung einer Einheit des
Verkehrsaufwands gesunken ist.
2.1 Einleitung
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Bild 2.2. (a) Entwicklung des Personen- und Güterverkehrsaufwandes in Deutschland und (b) die
entsprechenden THG-Emissionen des Verkehrs nach [6]
Bild 2.3. Entwicklung der Treibhausgasemissionen (inkl. Vorkettenemissionen) durch den globalen Verkehr, aufgeschlüsselt für die verschiedenen Verkehrsmittel und Angabe der Wachstumsraten,
nach [7]
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2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
Bild 2.4. Entwicklung des Personenverkehrsaufwandes durch Pkw und leichte Nutzfahrzeuge
(LNFz) in verschiedenen Regionen unter Angabe der mittleren Wachstumsrate, Daten aus [7]
Bild 2.3 zeigt, dass wir es weltweit mit einer weiteren Verkehrszunahme zu tun haben.
Dabei sind zwei große Treiber zu beobachten: Einerseits ist die weltweite Zunahme des Straßengüterfernverkehrs und des Flugverkehrs zu nennen; andererseits sind es die asiatischen
Staaten mit ihrer rasanten wirtschaftlichen Entwicklung (siehe Bild 2.4)
Auch wenn hier der Schwerpunkt auf Klimagasemissionen gelegt wird, ist es doch unerlässlich, auch auf die anderen Folgen dieser Entwicklungen hinzuweisen. Gerade mit der
Entwicklung im asiatischen Raum geht eine erhebliche Verschlechterung der Luftqualität
einher, die allgemein gesagt hauptsächlich auf die Verbrennung von fossilen Primärenergieträgern, also zu einem großen Anteil auch auf den Verkehr, zurückzuführen ist.
Die konzentrierten Darstellungen zeigen, dass im Bereich Verkehr erhebliche Anstrengungen notwendig sind, damit überhaupt ein Beitrag des Verkehrs zum Klimaschutz
erfolgen kann. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass keine grundsätzliche Entkopplung
von BIP und Verkehrswachstum beziehungsweise wenigstens eine Dämpfung der aktuellen
Entwicklung eintritt. Ein erster Erfolg wäre, dass der Energieverbrauch im Verkehr nicht
stärker steigt als die Wirtschaftsleistung. Deutlich wird auch, dass die notwendigen Klimaschutzbeiträge des Verkehrs nicht durch die Konzentration auf eine Maßnahme möglich
sind. Es ist unumgänglich, sich den Fragen der Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung
und umweltverträglichen Abwicklung aktiv zuzuwenden. Die ersten beiden Punkte sind
weltweit erforderlich, stellen aber selbst hoch entwickelte Industriestaaten vor Umsetzungsschwierigkeiten. Auch die technische Effizienzerhöhung allein wird den notwendigen
Beitrag nicht leisten können.
Es sind zusätzlich grundsätzliche, weltweit kompatible Lösungsansätze zu verfolgen.
Nahe liegt der Einsatz von regenerativer Energie im Verkehr. Dabei stellt sich aber bei
näherer Betrachtung verschiedener Optionen schnell heraus, dass die Möglichkeiten
2.2 Verkehr: Sorgenkind des Klimaschutzes?
11
begrenzt sind. Die Verwendung von anbaubasierter Biomasse wurde beispielsweise vom
Umweltbundesamt näher untersucht [8]. Die Schlussfolgerung war, dass dies keine langfristige Lösung darstellt. Die Gründe bewegen sich im Gebiet der damit verbundenen sozialen
Probleme, zum Beispiel „Tank versus Teller“, Umweltschäden wie beispielsweise stark
zunehmender Wasserverbrauch, starke intensive Düngung und damit weitere Folgen für
den Bodenhaushalt, sowie einer zu geringen positiven Klimawirkung. Deshalb konzentriert
sich die aktuelle Diskussion auf die direkte oder indirekte Nutzung von regenerativer und
praktisch in unbegrenzter Menge verfügbarer elektrischer Energie [6, 9]. Dabei ist es nötig,
eine grundsätzliche globale Betrachtung vorzunehmen, da das Thema der Energieversorgung des Verkehrs nicht regional begrenzt beurteilt werden darf.
2.2 Verkehr: Sorgenkind des Klimaschutzes?
Aufgrund der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen trägt der Verkehr aktuell in erheblichem Maße zu den weltweiten Treibhausgasemissionen und somit auch zum Klimawandel
bei. Seit den 1990er Jahren wurden erste Anstrengungen unternommen, den Klimawandel einzuschränken, um das international angestrebte 2-Grad-Ziel einzuhalten. In diesem
Zeitraum ist der Anteil der Emissionen des Verkehrs überproportional von 12,9 % auf
14,5 % gestiegen [10].
Beim Klimawandel selbst handelt es sich um ein Umweltproblem mit globaler
Wirkung, d. h. die Emissionen der gesamten Welt tragen zu einem globalen Effekt bei,
ohne dass eine Korrelation der lokalen Wirkung mit den lokalen Treibhausgasemissionen
besteht. Aus diesem Grund ist es wichtig, den Klimaschutz international zu betreiben,
wobei unter den Staaten und Staatengruppen bisher keine Einigkeit darüber herrscht,
wie die Lasten des Klimaschutzes zu verteilen sind. In seinem vierten Sachstandsbericht
(2007) empfahl der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) einen Treibhausgasminderungszielkorridor für das Jahr 2050 für verschieden entwickelte Staaten [11]. Im fünften
Sachstandsbericht (2014) ist dieser Vorschlag nicht mehr enthalten – vielmehr werden nur
noch globale Minderungsziele für das 2-Grad-Ziel abgeleitet [10]. IPCC-Szenarien, bei
denen das 2-Grad-Ziel im 21. Jahrhundert eingehalten wird, sind dadurch charakterisiert,
dass die Emissionen bis 2050 um 40–70 % gegenüber 2010 sinken und in 2100 nahezu bei
Null liegen. Würde der Verkehr entsprechend seines Emissionsanteils zu dieser Minderung
beitragen, dürften die Treibhausgasemissionen in 2050 bei nur 2 bis 4 Mrd. tCO2,eq liegen.
Dieser Bereich ist in Bild 2.5 den nach WBCSD (World Business Council for Sustainable
Development – Weltwirtschaftsrat für Nachhaltige Entwicklung) vorhergesagten Emissionsmengen gegenübergestellt. In den WBCSD-Szenarien sind jedoch auch nur moderate
Effizienzverbesserungen und geringe Verkehrsvermeidungs- und Verkehrsverlagerungsmaßnahmen hinterlegt.
Die Diskrepanz zwischen den prognostizierten Emissionen – wie hier am Beispiel des
WBCSD – und den aus Sicht des Klimaschutzes „zulässigen“ Emissionen zeigt, wie wichtig
es ist, die Treibhausgasemissionen deutlich zu verringern. Dies kann durch eine stärkere
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2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
Bild 2.5. Gegenüberstellung der direkten Treibhausgasemissionen des globalen Verkehrs und der
Emissionen unter Verwendung eines Minderungszieles zwischen 40 % und 70 % für das Jahr 2050
(in Anlehnung an [10]). Die Verkehrsträger sind nach dem möglichen Elektrifizierungspotenzial
farblich gruppiert. Die Nicht-CO2-Effekte des Flugverkehrs sind bei den Emissionen berücksichtigt,
Daten aus [7]
Verkehrsvermeidung und -verlagerung, Effizienzverbesserung der Verkehrsmittel sowie
ergänzend durch den Einsatz von Kraftstoffen mit geringen spezifischen CO2-Emissionen
pro Nutzenergie erfolgen. Für den zweiten Aspekt ist kurzfristig der Ersatz von Benzin
durch Erdgas als Kraftstoff denkbar. Mittel- und langfristig erscheint eher der Einsatz von
Elektromobilität und von stromerzeugten Kraftstoffen aus Umweltsicht zielführend zu sein.
Geringe Mengenpotenziale könnten auch durch alternative Kraftstoffe auf Basis von Holzund Strohresten abgedeckt werden.
Für einen Teil der Verkehrsmittel ist es gut vorstellbar, dass diese bis zum Jahr 2050 zu
einem großen Anteil oder beinahe vollständig elektrifiziert sein könnten (beispielsweise
Pkw und Zweiräder) und somit keine Treibhausgase mehr direkt emittieren und bei Versorgung mit erneuerbarem Strom auch nur sehr geringe Vorkettenemissionen auftreten.
Für andere, wie beispielsweise (Fern-)Busse oder Langstrecken-Lkw ist dies zwar prinzipiell
technisch möglich, jedoch ist nicht klar, zu welchem Teil hier eine Elektrifizierung tatsächlich umsetzbar ist. Im internationalen Schiffs- und Flugverkehr scheint eine Elektrifizierung
aus heutiger Sicht mit signifikanten Anteilen auch bis 2050 nicht möglich. Weitere Ausführungen zu den Energieversorgungsoptionen der Verkehrsmittel erfolgen in ▶ Abschnitt 2.4.
Insbesondere der Flugverkehr gilt aufgrund der direkten CO2-Klimawirkung und der
zusätzlichen Nicht-CO2-Effekte, die selbst durch treibhausgasneutrale Kraftstoffe nicht
vermieden werden können, sowie einer quasi ausgeschlossenen Elektrifizierung plus
riesigen prognostizierten Wachstumsraten um 5 % p.a. langfristig als das größte „Sorgenkind“ im Verkehr. Im Jahr 2050 werden allein die Nicht-CO2-Effekte der Emissionen des
Flugverkehrs in etwa den „zugelassenen“ Treibhausgasemissionen entsprechen, wenn eine
2.3 Nichttechnische Maßnahmen für einen klimaverträglichen Verkehr
13
Minderung von 70 % im Vergleich zu 2010 zur Erreichung des 2-Grad-Zieles zu Grunde
gelegt würde.
Ein weiterer Verkehrsträger mit großen prognostizierten Treibhausgasemissionen ist der
Straßengüterfernverkehr, der jedoch durch Oberleitungen, Stromschienen oder induktive
Systeme auf verschiedene Art und Weise elektrifiziert werden könnte. Ob im globalen
Maßstab jedoch überall ausreichend hohe Verkehrsdichten erreicht werden können, bei
denen sich eine weitreichende Elektrifizierung evtl. rechnet (wie beispielsweise in Mitteleuropa oder Nordamerika), erscheint aus heutiger Sicht nicht klar. Auch müssten große
Normungsanstrengungen unternommen werden, um länderübergreifend funktionierende
Systeme entwickeln zu können. Alternative treibhausgasarme Kraftstoffe, wie beispielsweise stromerzeugtes Methan oder stromerzeugter Wasserstoff können ebenso wie stromerzeugte Flüssigkraftstoffe zu einer treibhausgasarmen Versorgung dieses Verkehrsmittels
beitragen. Die Emissionen von Stickoxiden und Partikeln/Ruß durch den Straßengüterfernverkehr können durch die aktuell eingeführten Abgasnachbehandlungs- und Filtersysteme
technisch gut gemindert werden, auch wenn es sich dabei um teilweise sehr aufwendige
Systeme handelt. Zukünftig muss hier das Ziel sein, die Dauerhaltbarkeit und die Leistungsfähigkeit der Systeme im Feld in einem hohen Maß zu gewährleisten.
Zu erwarten wäre jetzt ein Abschnitt, der sich näher mit den technischen Fragen des
Kraftstoffes beschäftigt. Gerade weil es aber zahlreiche nichttechnische Maßnahmen gibt,
die ebenfalls erheblich zur Minderung der Treibhausgasausstöße (und auch zur Minderung
vieler anderer negativer Verkehrsfolgen) beitragen können, sollen zunächst diese dargestellt
werden.
2.3 Nichttechnische Maßnahmen für einen
klimaverträglichen Verkehr
Um die ambitionierten Treibhausgasminderungsziele zu erreichen, bedarf es eines ganzen
Maßnahmenkataloges, da eine einzelne Maßnahme nicht den benötigten Effekt erzielen
und insbesondere im Verkehr nur ein integrierender Ansatz wirksam sein kann. In diesem
Abschnitt werden einige sogenannte nichttechnische Maßnahmen beispielhaft erläutert,
die zu einem klimaverträglichen Verkehr beitragen können.
Ökonomische Maßnahmen
Ökonomische Anreize könnten unter anderem mit der entsprechend ausgestalteten Besteuerung der Energie erreicht werden. Derzeit ist es so, dass unterschiedliche Besteuerung von
Energie zu Wettbewerbsverzerrung führt. So ist zum Beispiel auf Flugzeugkerosin keine
Steuer zu entrichten, während die Bahn durch Abgaben im Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) für ihren Bahnstrom belastet wird. Eine weitere versteckte Subvention betrifft die
Dieselkraftstoffbesteuerung. Die Bevorzugung gegenüber Benzin um etwa 18 Cent pro Liter
in der Energiesteuer ist aus klimapolitischer Sicht nicht gerechtfertigt. Das Umweltbundes-
2.3 Nichttechnische Maßnahmen für einen klimaverträglichen Verkehr
14
2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
amt empfiehlt daher die schrittweise Angleichung und das Erheben einer Energiesteuer auf
Basis des Kohlenstoffgehalts der Kraftstoffe [12].
Eine weitere ökonomische Maßnahme wäre der Abbau des Dienstwagenprivilegs und
eine Differenzierung der Besteuerung nach CO2-Emissionen. Dienstwagen stellen einen
nicht unerheblichen Teil der Flotte in Deutschland dar.
„Dienstwagen sind Firmenwagen, die dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung
zur Verfügung gestellt werden. Für die private Nutzung sind monatlich im Rahmen der
Einkommensteuer 1 % des Listenpreises des Fahrzeugs bei Erstzulassung als geldwerter
Vorteil zu versteuern. […] Dienstwagen sind meist größere Fahrzeuge mit einem überdurchschnittlichen Kraftstoffverbrauch. Das Dienstwagenprivileg fördert außerdem den
Pkw als Verkehrsmittel und trägt zur Umweltbelastung des Straßenverkehrs bei. […]“
[13].
Anlastung der wahren Kosten des Verkehrs ist ein weiterer Diskussionspunkt. Mit der
EU-Richtlinie 1999/62/EG können beispielsweise seit 2012 auch externe Kosten für Luftverschmutzung und Lärm auf Mautsätze aufgeschlagen werden, allerdings nur bis zu einem
bestimmten relativ niedrigen gedeckelten Betrag. Die wahren externen Kosten, so konstatiert es auch das aktuelle Wegekostengutachten des BMVI, sind viel höher [14]. Weitere
externe Kosten, die der Verkehr verursacht, wie zum Beispiel Flächenzerschneidung oder
Verkehrsunfälle, werden bisher noch nicht berücksichtigt.
Die Erhöhung und Ausweitung der Lkw-Maut kann eine probate Maßnahme sein,
um dem Güterverkehr Teile der von ihm verursachten externen Kosten anzulasten und
ihn entsprechend am Erhalt der Infrastruktur zu beteiligen. Laut Renewbility II sollte die
Lkw-Maut auf alle Lkw-Klassen ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen und
auf alle Straßenkategorien ausgedehnt und schrittweise erhöht werden [15].
Um externe Kosten auch dem Pkw-Verkehr anzulasten und gleichzeitig insbesondere
Innenstädte erreichbarer und lebenswerter zu machen, kann auch das Instrument der
Pkw-Maut eingesetzt werden. Gute Erfahrungen damit gibt es zum Beispiel in London und
Stockholm, wo der Pkw-Verkehr mit einer City-Maut um etwa ein Fünftel gesenkt wurde.
Generell empfiehlt sich aus Umweltsicht eine fahrleistungsbezogene Pkw-Maut, die eine
Lenkungswirkung entfalten kann [16].
Siedlungsstruktur
Siedlungsstruktur bedingt Verkehrsaufwand: Was falsch geplant wurde erzeugt Verkehr.
Siedlungs-, Produktions- und Infrastrukturen haben sich in den letzten Jahrzehnten so
entwickelt, dass immer größere Entfernungen zwischen den Ausgangspunkten und Zielen
von Wegen liegen. Gleichzeitig entstanden monofunktionale Siedlungsschwerpunkte, wie
zum Beispiel Einkaufszentren auf der grünen Wiese oder Schlafstädten am Rand von Metropolen, während in den Städten Baulücken und Brachflächen ungenutzt blieben.
„Die Abschaffung der Entfernungspauschale wäre eine wichtige Maßnahme, um dem
Suburbanisierungstrend entgegenzuwirken und verkehrsärmere Siedlungsstrukturen zu
fördern. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können durch Inanspruchnahme der
Entfernungspauschale Aufwendungen für Arbeitswege im Rahmen der Einkommensteuer als Werbungskosten steuerlich absetzen. Ihre Höhe beträgt 30 Cent je Kilometer
2.3 Nichttechnische Maßnahmen für einen klimaverträglichen Verkehr
15
einfacher Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort. Dies senkt die Steuerlast, sobald
der Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von derzeit 1.000 € (2010: 920 €) pro Jahr
überschritten ist. Eine vergleichbare Steuerentlastung gibt es in den meisten anderen EULändern nicht.
Die Entfernungspauschale unterstützt das Wachstum des Verkehrsaufkommens sowie
den Trend zu langen Arbeitswegen und zur Zersiedlung der Landschaft. Sie begünstigt
vor allem den Pkw-Verkehr, da das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel besonders in
Gegenden mit niedriger Siedlungsdichte sehr eingeschränkt ist und deshalb für viele
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Alternative darstellt. Die Entfernungspauschale wirkt damit dem Klimaschutz entgegen und trägt zur Belastung mit Luftschadstoffen und Lärm bei. Die Flächeninanspruchnahme infolge der Zersiedlungsprozesse ist
außerdem eine wichtige Ursache für den Verlust an Biodiversität und hat weitere umweltschädliche Wirkungen. […]“ [13].
Eine Abschaffung der Entfernungspauschale könnte die CO2-Emissionen bis 2015 um
1,8 Mio. t reduzieren [17]. Die Empfehlung lautet deshalb, die Entfernungspauschale abzuschaffen und stattdessen Wegekosten als außergewöhnliche Belastung steuerlich anzuerkennen, um Härtefälle abzufangen. Nach neuesten Berechnungen des Finanzministeriums
könnte der Staat damit etwa 5 Mrd. Euro mehr Steuern einnehmen.
Die Umsetzung des Planungskonzepts der „Stadt der kurzen Wege“ ist eine weitere
Maßnahme, die zur Minderung der Treibhausgasemissionen des Verkehrs beitragen kann.
Bund, Länder und Kommunen sollen dabei folgende Doppelstrategie verfolgen:
1. Vorrangige Nutzung vorhandener Flächen im Siedlungsbestand statt Inanspruchnahme
bisher unbebauter Flächen im Außenbereich oder am Stadtrand (Innenentwicklung).
2. Gleichzeitige städtebauliche Aufwertung von Wohn- und Stadtquartieren in ihrer
Umweltqualität so, dass ein Wohnen und Leben in der Stadt attraktiv ist. Dies schließt
auch Angebote an neuen Wohnformen (zum Beispiel moderne Stadthäuser, autofreie
Siedlungen, gemeinschaftliche Wohnformen) ein, die mit dem frei stehenden Einfamilienhaus im Stadtumland konkurrieren können.
Wesentliche Handlungsfelder zur Siedlungssteuerung sind Konzepte der Raumplanung, bau- und planungsrechtliche Regelungen sowie Instrumente der siedlungsbezogenen Finanzpolitik. Im Umland der Städte ist das Wachstum der Siedlungsflächen durch die
Regionalplanung einzudämmen. In Regionen, in denen wegen anhaltenden Bevölkerungswachstums eine weitere Siedlungsentwicklung erforderlich ist, sind Siedlungsschwerpunkte
zu definieren, auf die die Entwicklung zu konzentrieren ist [12]. In einem Modellversuch
zum Flächenhandel wird derzeit ein solches Instrument für deutsche Kommunen erprobt
(„Planspiel Flächenhandel“, www.flaechenhandel.de).
Ordnungspolitische und planerische Maßnahmen
Geringere Geschwindigkeit bedeutet weniger Energieverbrauch – dies ist ein bekannter
physikalischer Grundsatz. Reduzierung der Geschwindigkeit bedeutet also direkte Energieeinsparung. Laut Umweltbundesamt würde ein Tempolimit von 120 km/h auf deutschen
Autobahnen im Jahr 2020 2,9 Mio. t CO2 einsparen beziehungsweise 2030 3,2 Mio. t [12].
2.3 Nichttechnische Maßnahmen für einen klimaverträglichen Verkehr
16
2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
Auch wenn diese Berechnungen auf Zahlen aus den 1990er Jahren basieren und einer Aktualisierung bedürfen, kann man sagen, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung eine effektive
Energiesparmaßnahme ist. Geringere zulässige Höchstgeschwindigkeiten würden auch
bedeuten, dass die Fahrzeuge leichter gebaut werden können, da die Sicherheitsanforderungen und -auslegungen der entsprechenden Fahrzeugteile auch von der zu erwartenden
Aufprallgeschwindigkeit abhängen. Im Projekt Renewbility II wurde errechnet, dass ein
Tempolimit von 120 km/h auf deutschen Autobahnen den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch um 6,5 % reduziert [15]. Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts birgt neben
den Effekten für eine bessere Lebensqualität und weniger Unfällen in den Städten auch ein
Minderungspotenzial für CO2 [18].
Um Treibhausgase im Verkehr einzusparen, sind alle politischen Ebenen gefordert, auch
die Städte und Kommunen. Mit konkreten Zielsetzungen (wie zum Beispiel in Stockholm,
wo man 2030 treibhausgasneutral sein möchte) können sich die Verantwortlichen einen
Entwicklungspfad und damit auch Maßnahmen vorgeben. Ein geeignetes Instrument sind
Verkehrsentwicklungspläne [19] oder auch „Sustainable Urban Mobility Plans“ [20], wie sie
im europäischen Kontext genannt werden. Die partizipative Erstellung solcher Verkehrsentwicklungspläne mit dem Ziel der Treibhausgasreduktion kann langfristig eine sehr hohe
Einsparwirkung entfalten, da es sich um eine abgestimmte integrative Planung mit hoher
Umsetzungschance in den Kommunen handelt.
Maßnahmen, die auf Verhaltensänderung abzielen
Verhaltensänderung beginnt im Kopf und ist daher nur durch Umdenkprozesse zu
erreichen. Gleichwohl bieten Maßnahmen zur Verhaltensänderung die Möglichkeit, nachhaltig und dauerhaft wirksam zu sein, bei gleichzeitig relativ niedrigem Einsatz von finanziellen Mitteln. Verhaltensveränderungen sind wünschenswert, etwa in die Richtung, dass
Menschen unnötige Autofahrten vermeiden, wenn möglich kurze Strecken zu Fuß gehen,
fahrradtaugliche Entfernungen mit dem Rad zurücklegen oder schließlich den öffentlichen
Verkehr nutzen.
Es empfiehlt sich daher die Förderung der Aktiven Mobilität (Zufußgehen, Radfahren,
Öffentlicher Verkehr), denn Multimodalität ist ein Schlüssel zu nachhaltiger Mobilität:
Jeweils diejenige Verkehrsmittelkombination wird genutzt, die am besten zur Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse geeignet ist. Mal fährt man mit dem Rad zur Arbeit, ein
anderes Mal benutzt man die Bahn und geht zu Fuß zur Haltestelle, zum Beispiel wenn es
regnet. Carsharing, aber auch Fahrradverleihsysteme bieten dabei eine gute Gelegenheit,
dem Motto „Nutzen statt Besitzen“ gerecht zu werden [21].
Mit guter Kommunikationsarbeit und Kampagnen wie zum Beispiel „Kopf an, Motor
aus“, Neubürgermarketing, Wohnstandortberatung oder auch Aktionen wie „Mit dem Rad
zur Arbeit“ oder „Stadtradeln“ kann man Verhaltensänderungen unterstützen.
Durch kraftstoffsparende Fahrweise („ecodriving“) kann der Verbrauch bei Pkw um
7 % und bei Lkw um bis zu 8 % gesenkt werden [15].
Schließlich sei auf die großen Potenziale von Mobilitätsmanagement zur Veränderung
des Verkehrsverhaltens hingewiesen. Wenngleich Effekte auf CO2-Einsparungen schwierig
nachzuweisen sind, da es sich um Maßnahmenbündel handelt, ist eine positive Wirkung
2.4 Energieversorgung des Verkehrs – nachhaltige, klimaverträgliche Kraftstoffe
17
von zum Beispiel Jobtickets, Mobilitätsberatung und Kommunikationskampagnen anzunehmen – wie Projekte aus dem deutschen Förderprogramm effizient mobil oder auch dem
österreichischen klima.aktiv-Programm zeigen.
Infrastrukturmaßnahmen
Beim Straßenbau empfiehlt es sich dringend, den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur
vor dem Neubau zu priorisieren – einerseits, weil die vorhandenen Haushaltsmittel keinen
Neubau zulassen, und andererseits, weil bekannt ist, dass Straßenneubau gleichzeitig
Verkehre induziert und damit direkt zur Erhöhung des CO2-Ausstoßes beiträgt [12]. Die
Förderung des Kombinierten Verkehrs und Optimierung der Logistik verspricht positive
Effekte [15]. Um die gewünschte Verlagerung auf den umweltfreundlicheren Verkehrsträger Schiene zu erreichen, bedarf es eines gezielten Ausbaus und einer Ertüchtigung des
deutschen Schienennetzes [22].
Als eine weitere geeignete Maßnahme ist die Ausweitung und Attraktivierung des
Öffentlichen Verkehrs zu nennen.
Die Wirtschaftlichkeit sogenannter nichttechnischer Maßnahmen im Verkehr ist für
einzelne Maßnahmenbündel nachgewiesen [23]. Es muss immer die Komplexität des
Gesamtsystems mitgedacht werden. Ein Schlüsselbegriff ist die integrierte Verkehrsplanung. Beispielhaft für die Förderung des Radverkehrs als System zeigte eine Studie [20, 29]
ein CO2-Einsparpotenzial von 40 Mio.t pro Jahr.
2.4 Energieversorgung des Verkehrs – nachhaltige,
klimaverträgliche Kraftstoffe für den Verkehr
Bisher basiert der Verkehr nahezu vollständig auf Mineralölerzeugnissen: Im Jahr 2010
betrug der Anteil des Erdöls an der im Verkehr verbrauchten Energie in der EU 94 %. Zur
Dekarbonisierung des Verkehrs ist es wichtig, CO2-arme Alternativen zu fördern. Die EU
hat in diesem Zusammenhang im Rahmen des Maßnahmenpakets „Saubere Energie im
Verkehr“ von 2013 insbesondere gasförmige Kraftstoffe auf fossiler Basis hervorgehoben.
Innerhalb der Gasnutzung ist Flüssiggas (Liquefied Petroleum Gas, LPG) in der EU bereits
relativ weit verbreitet. Es weist einen Anteil von 3 % an den Kraftstoffen aus und wird von 9
Mio. Kraftfahrzeugen genutzt. Doch auch Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) und
komprimiertes Erdgas (Compressed Natural Gas, CNG) spielen im Gasmarkt des Verkehrs
eine zunehmende Rolle.
Die Vorteile gegenüber Erdöl liegen in geringeren Treibhausgasemissionen pro
Brennwert. Die Deutsche Energie-Agentur gibt für Erdgas die Lebenszyklus-THG-Emissionen mit 124 gCO2,eq/km an, während sie sich für Benzin auf 164 gCO2,eq/km und für
Diesel auf 156 gCO2,eq/km belaufen [24]. Damit sind die Emissionen gegenüber Benzin um
fast ein Viertel geringer. Auch die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung
2.4 Energieversorgung des Verkehrs – nachhaltige, klimaverträgliche Kraftstoffe
18
2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
weist auf die zeitnah hohe Bedeutung der Gasnutzung hin und schlägt Maßnahmen zur
Intensivierung vor, beispielsweise durch die Erweiterung hochfrequentierter Tankstellenstandorte um Erdgaszapfsäulen oder die Steigerung der Erdgastankstellenanzahl.
Eine weit größere Treibhausgas-Minderung lässt sich jedoch strombasiert erzielen;
entweder direktelektrisch (wie beispielsweise im Schienenverkehr bereits gängige Praxis)
oder durch gasförmige oder flüssige stromgenerierte Kraftstoffe auf Basis regenerativer
Energien. Gegenüber Erdgas befinden sich die Herstellungsprozesse für die letztgenannten Kraftstoffe jedoch erst im Entwicklungs- und Erprobungsstadium. Mittels Strom
wird durch die Aufspaltung von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff bei der Elektrolyse
nutzbarer Wasserstoff (PtG-Wasserstoff) gewonnen. Durch chemische Weiterverarbeitung
kann dieser zu Methan umgewandelt werden (PtG-Methan). Mittels einer Fischer-TropschSynthese kann kohlenstoffhaltiges Gas zusammen mit Wasserstoff zu kohlenwasserstoffbasierten Flüssigkraftstoffen (PtL) verarbeitet werden. Um weitestgehend klimaverträgliche
Kraftstoffe zu erhalten, sind für die jeweiligen PtG- und PtL-Prozessschritte Strom aus
erneuerbaren Energiequellen zu verwenden. Eine Ausweitung der derzeitigen Erdgasinfrastrukturen kann für die Nutzung von stromgeneriertem Methan sinnvoll sein, da auch
dieses in Pipelines befördert werden kann und im Gegensatz zu Wasserstoff in großen
Mengen beigemischt und gespeichert werden kann und dabei klassische Erdgastanks
genutzt werden können. Auch für Flüssigkraftstoffe kann die vorhandene VerteilungsInfrastruktur genutzt werden. Welche Kraftstoff- und Antriebsoptionen sich zukünftig
für welches Verkehrsmittel am besten eignen und welche infrastrukturellen Anpassungen
erforderlich sind, wird im Folgenden weiter ausgeführt.
Unabhängig von ihrer Umweltwirkung stellen die verschiedenen Verkehrsmittel sehr
unterschiedliche technologische Anforderungen an ihre Energieversorgung und schließen
dadurch gewisse Kraftstoffe beziehungsweise Energiespeicher aus. Entscheidend sind insbesondere die volumetrische und die gravimetrische Energiedichte der Kraftstoffe beziehungsweise der Energiespeicher selbst und die notwendige Masse und das notwendige
Volumen der Kraftstoffspeicher. Besonders deutlich wird dies im Flugverkehr, bei dem
allenfalls langfristig und wenn, dann eher im Kurzstreckenverkehr, Alternativen zu Kerosin
denkbar sind. Dies könnten zukünftig Hybridflugzeuge mit Batterien und WasserstoffBrennstoffzellen, aber auch Strahltriebwerke mit Wasserstoffversorgung sein.
Die gravimetrische Energiedichte wird hauptsächlich durch die Wahl des Kraftstoffes
beeinflusst, wohingegen die volumetrische Energiedichte, zum Beispiel durch eine Kompression oder Verflüssigung von unter Normalbedingungen gasförmigen Kraftstoffen, in
einem gewissen Rahmen erhöht werden kann. Eine Kompression von Erdgas, Methan oder
Wasserstoff sollte zumindest mittelfristig ausreichen, um die Reichweitenanforderungen
von Pkws zu erfüllen, wohingegen im Lkw-Fernverkehr eine Verflüssigung gasförmiger
Kraftstoffe durch eine starke Abkühlung unumgänglich sein wird, um die benötigten
Reichweiten sicherzustellen. Ähnliche Anforderungen schließen auch andere Energieversorgungsoptionen für Verkehrsmittel zumindest bis in die Mitte des 21. Jahrhunderts aus,
wie beispielsweise eine batterieelektrische Versorgung im Lkw-Fernverkehr, wenn es nicht
zu aus heutiger Sicht unvorhersehbaren riesigen Technologiesprüngen kommt.1
1 Eine deutliche Erhöhung der volumetrischen und gravimetrischen Energiedichte wird dabei in
diesem Zeitraum im Rahmen der abschätzbaren Technologieentwicklung schon berücksichtigt
2.4 Energieversorgung des Verkehrs – nachhaltige, klimaverträgliche Kraftstoffe
19
Berücksichtigt man zusätzlich noch die Anforderungen, dass die Kraftstoffe beziehungsweise Energiespeicher nachhaltig und umweltverträglich hergestellt werden sollen
und zumindest mittel- und langfristig einen nahezu treibhausgasneutralen Verkehr ermöglichen, so wird die Anzahl der Energieversorgungsoptionen noch deutlich weiter eingeschränkt. Die strengen Anforderungen an eine besonders große Treibhausgasminderung
der Kraftstoffe bis zu einer Treibhausgasneutralität ergeben sich aus den umfassenden
Klimaschutznotwendigkeiten, die eine Erreichung des 2-Grad-Ziels ermöglichen sollen.
Dies erfordert auch im Verkehrsbereich starke Treibhausgasminderungen gegenüber den
Prognosen – sowohl in den entwickelten Ländern als auch in den Entwicklungsländern.
Aufgrund der beiden genannten Kriterien ergibt sich, dass fossile Energieträger keine
Option zur Versorgung in 2050 darstellen können. Es verbleiben folgende postfossile Energieversorgungsoptionen für den Verkehr:
− direkte Stromnutzung: batteriebetriebene und leitungsgebundene Formen der Elektromobilität
− indirekte Stromnutzung: gasförmige und flüssige Kraftstoffe auf Basis von erneuerbaren
Energien (zum Beispiel Power-to-Gas (PtG: Wasserstoff oder Methan) und Power-toLiquid (PtL))
− Kraftstoffe auf biogener Basis aus Abfall und Reststoffen.
Biokraftstoffe der 1. Generation, hergestellt aus Anbaubiomasse, können die Nachhaltigkeitsanforderungen an die Kraftstoffe nicht erfüllen, da sie mit sozialen und ökologischen
Problemen wie Flächeninanspruchnahme und Nutzungskonkurrenzen sowie versauerten
Gewässern und überdüngten Böden behaftet sind [8]. Nur Biokraftstoffe der 1. Generation,
basierend auf biologischen Reststoffen (zum Beispiel Abfall) sowie Biokraftstoffe der 2.
Generation, die Holz- und Strohreste verwenden, erfüllen mit höherer Wahrscheinlichkeit
die notwendigen großen THG-Minderungen und haben gesamtökologisch Vorteile [25].
Das Mengenpotenzial dieser Kraftstoffe ist jedoch sehr beschränkt und kann nur einen Teil
(circa 10 %) der globalen Energieversorgung des Verkehrs in 2050 abdecken. Langfristig
denkbar sind weiterhin auch Biokraftstoffe der 3. Generation auf Basis von Algen, die im
Folgenden jedoch nicht genauer diskutiert werden sollen, da für sie fundierte Vorhersagen
bezüglich der Kosten und der Effizienz nicht möglich sind. Für eine nachhaltige und klimaverträgliche Versorgung des Verkehrs sind somit große Umstellungen bei der Energieversorgung unerlässlich, da quasi alle Kraftstoffe ersetzt werden müssen. Deshalb spricht
man auch von der Energiewende im Verkehr. Eine Verkehrswende zur Verlagerung und
Vermeidung von Verkehr sowie Effizienzverbesserungen der Verkehrsmittel sind unumgänglich, um den Endenergiebedarf des Verkehrs global zu reduzieren und somit erst eine
erfolgreiche Energiewende des Verkehrs zu ermöglichen.
Diskussionsbeitrag zur Effizienz
Ein grundlegendes Element des zukünftigen Handelns ist es, die technische Effizienz
jeglicher Verkehrsträger zu erhöhen. Das bedeutet, der Energieverbrauch pro Bezugsgröße
muss reduziert werden. Um das zu erreichen, sind vielfältige Maßnahmen im Bereich des
gesamten Fahrzeugs sinnvoll. In der laufenden Diskussion zur Effizienzverbesserung wird
immer wieder gefordert, dass CO2-Flottenzielwerte zum Beispiel für Pkw weiter verschärft
2.4 Energieversorgung des Verkehrs – nachhaltige, klimaverträgliche Kraftstoffe
20
2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
werden oder zum Beispiel für schwere Nutzfahrzeuge eingeführt werden. Wichtig ist aber
auch, dass für Seeschiffe und Flugzeuge solche Ziel- beziehungsweise Grenzwerte eingeführt
werden sollen. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. In der Zukunft ist diese CO2-Begrenzung allerdings systematisch nicht mehr sinnvoll, da dieser Ansatz aus einer Zeit stammt, in
der ausschließlich Benzin, Diesel, Schweröl und Kerosin in rein verbrennungsmotorischen
Fahrzeugen zur Anwendung kamen. Das wird sich zukünftig immer stärker ändern. Es
werden andere Energieträger zur Anwendung kommen (beispielsweise Wasserstoff, komprimiertes Erdgas, verflüssigtes Erdgas, synthetische Kraftstoffe, direkte Stromnutzung),
und es werden sich Mischantriebe voraussichtlich stärker im Markt durchsetzen. Aufgrund
dieser Entwicklung wird CO2 zukünftig nicht der alleinige Indikator für den Energieverbrauch sein (siehe beispielsweise [26]). Aus Umweltsicht ist es auch geboten, neben einer
klimaschonenden Energieversorgung gleichzeitig eine ressourcenleichte Energieversorgung anzustreben. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, den energetischen Verbrauch als
Indikator zur Erfassung der Effizienz eines Fahrzeugs heranzuziehen [26]. Er kann damit
eine Orientierung über die Ressourcenentnahme geben. Auch kann er Grundlage sein, um
die CO2-Emission unter sich ständig ändernden Randbedingungen (zum Beispiel Ausbaugrad der erneuerbaren Energien) anzugeben.
Bild 2.6 zeigt, welche Energieversorgungsoptionen sich im Jahr 2050 prinzipiell für die
verschiedenen Verkehrsmittel eignen. Diese Bewertung basiert auf Ergebnissen der Studie
des Umweltbundesamtes „Postfossile Energieversorgungsoptionen für einen treibhausgasneutralen Verkehr im Jahr 2050: Eine verkehrsträgerübergreifende Bewertung“ [27].
Für eine ganzheitliche Betrachtung der Energieversorgung sind jedoch nicht nur die
Nachhaltigkeitsanforderungen an die Kraftstoffgewinnung und die Treibhausgasminderungen entscheidend, sondern es müssen weitere ökologische, ökonomische, technische,
infrastrukturelle und systemische Aspekte bewertet werden. Die direkte Verwendung
regenerativen Stroms stellt meist die klimaverträglichste und auch die ökonomischste
Variante dar. Deshalb sollten, wo technisch möglich, batterieelektrische oder extern auf-
Bild 2.6. Postfossile Energieversorgungsoptionen für den Verkehr im Jahr 2050 für die verschiedenen Verkehrsmittel. Optionen mit nur eingeschränkten Mengenpotenzialen sind schraffiert dargestellt, nach [27]
2.5 Infrastruktur für die Energieversorgung des Verkehrs
21
ladbare Hybridfahrzeuge ein wichtiges Standbein der Versorgung sein. Dies gilt für Pkw,
leichte Nutzfahrzeuge und Lkw im Nahverkehr sowie Busse und teilweise Lkw im Fernverkehr. Für Verkehrsmittel, bei denen mit Ausnahme von Nischenanwendungen keine
direkte Stromnutzung möglich ist, wie im Schiffs- und Luftverkehr, bieten sich Kraftstoffe
auf Basis erneuerbarer Energien an, da sie große Mengenpotenziale aufweisen. Zu deren
Herstellung sind beträchtliche Mengen an regenerativem Strom nötig, die global zusätzliche
Erneuerbare-Energien-Anlagen erfordern, so dass es der Errichtung von PtL- beziehungsweise PtG-Anlagen an international geeigneten Erneuerbare Energien Standorten bedarf.
2.5 Infrastruktur für die Energieversorgung des Verkehrs
Die Versorgung des Verkehrs mit Energie, aktuell meist in Form von fossilen Kraftstoffen, erfordert, abgesehen von wenigen Ausnahmen, meist eine ausschließlich vom Verkehr
genutzte Infrastruktur. Diese wird wiederum meist, wie auch für andere Verbraucher, an
die allgemeine Versorgungsinfrastruktur angeschlossen. Der Aufbau und die Instandhaltung der Versorgungsinfrastruktur des Verkehrs ist mit einem großen ökonomischen
Aufwand und negativen ökologischen Folgen verbunden. Daher gilt es bei der Betrachtung
von verschiedenen Energieversorgungsoptionen für die Verkehrsmittel kritisch zu prüfen,
inwiefern es sinnvoll und nachhaltig ist, hier, zumindest für eine Übergangszeit gegebenenfalls jedoch auch langfristig, verschiedene Versorgungsinfrastrukturen für gleiche Verkehrsmittel beziehungsweise zumindest gleiche Verkehrsträger (gemeint ist hier zum Beispiel
der Straßenverkehr) zu nutzen. Als erstes soll dabei der Straßenverkehr betrachtet werden,
bei dem heutzutage schon Erdgas als Kraftstoff eingesetzt wird. Am Ende folgt ein kurzer
Ausblick zu anderen Verkehrsmitteln.
Im Falle des Straßenverkehrs sollte auch bedacht werden, dass eine batterieelektrische
Versorgung großer Teile der Fahrzeugflotten aus Klimaschutzgründen langfristig denkbar
ist und eine entsprechende Ladeinfrastruktur für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in diesem
Fall unumgänglich wäre. Für Hybridfahrzeuge ist dann mindestens noch eine weitere Versorgungsinfrastruktur notwendig. Ob zusätzlich noch Kraftstoffe mit verschiedenen Aggregatzuständen oder verschiedene Arten fossilen oder erneuerbaren Ursprungs angeboten
werden sollten, ist daher kritisch zu prüfen.
Bei einer reinen Betrachtung des Aufwandes für die Versorgungsinfrastruktur des
gesamten Verkehrs erscheint es sinnvoll, sich auf einen beziehungsweise möglichst wenige
und ähnliche Kraftstoffe zu beschränken. Für eine systemische Gesamtbetrachtung können
sich andere Situationen ergeben, in denen verschiedene Verkehrsmittel und gegebenenfalls
auch Teile der Verkehrsmittel optimal versorgt werden. In diesem Fall muss der Mehraufwand auf Seiten der Infrastruktur mit den Vorteilen auf Seiten der Verkehrsmittel verglichen werden. Es ist jedoch fraglich, inwieweit der Staat hier in der Lage ist oder ein
Interesse daran hat, in großem Maßstab steuernd in den Markt einzugreifen, um zu verhindern, dass zu viele parallele Versorgungsinfrastrukturen für den Verkehr errichtet werden
würden. Eine Diversifizierung der Energieversorgung des Verkehrs und der verschiedenen
22
2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
Verkehrsträger bietet ja durchaus den Vorteil, die Abhängigkeit von bestimmten Ländern
beziehungsweise Regionen zu verringern.
Im Allgemeinen erfordern verschiedene Kraftstoffe auch eine eigene Versorgung; insbesondere wenn sie unter Normbedingungen verschiedene Aggregatzustände aufweisen. Der
dafür nötige Aufwand für die Versorgungsinfrastrukturen des Straßenverkehrs ist für die verschiedenen Kraftstoffe unterschiedlich. Für Erdgas ist er etwas größer als beispielsweise für
Flüssigkraftstoffe, da durch den Anschluss an eine Rohrleitungsinfrastruktur zuerst eine Verdichtung auf Pipelinedruck und an der Tankstelle auf den Tankstellendruck erforderlich ist.
Während Flüssigkraftstoffe meist per Lkw an die Tankstellen geliefert werden, was nur einen
geringen Aufwand erfordert und relativ einfach ist und auch die Lieferung verschiedener
Flüssigkraftstoffe ermöglicht, ist für Erdgas die Anbindung über eine Rohrleitung typisch.
Die Anbindung der Tankstellen erfolgt dann an das allgemeine Erdgasnetz mit seiner zusätzlichen Funktion als Speicher. Vom allgemeinen Erdgasnetz bis zur Betankung des Fahrzeugs
treten dabei nicht zu vernachlässigende Verluste auf, die aber noch deutlich kleiner sind als
beispielsweise für Wasserstoff [28]. Heutzutage besteht für Erdgas und Flüssigkraftstoffe,
hauptsächlich auf Erdölbasis, eine ausreichend gut ausgebaute Versorgungsinfrastruktur für
den Straßenverkehr.2 Für beide Kraftstoffarten gibt es auch eine sehr gut ausgebaute allgemeine Infrastruktur, über die der Verkehr als ein Verbraucher mit versorgt wird.
Die Aussagen zur Verfügbarkeit der Infrastruktur gelten auch für alternative Kraftstoffe
auf Basis von erneuerbaren Energien. Sowohl für aus Strom erzeugtes Methan als auch für
aus Strom erzeugte Flüssigkraftstoffe gibt es schon heutzutage eine sehr gut ausgebaute allgemeine Versorgungsinfrastruktur und auch eine gut ausgebaute Versorgungsinfrastruktur
des Verkehrs: die für fossiles Erdgas und fossile Flüssigkraftstoffe. Im Falle von PtG-Methan
ist eine Beimischung zum fossilen Erdgas wahrscheinlich, da es nur ein Erdgasnetz gibt, so
dass die Nutzer nur bilanziell den Kraftstoff tanken werden.3 Für PtL-Kraftstoff ist je nach
Etablierung des Systems sowohl ein bilanzieller als auch ein physischer Bezug denkbar.
Für PtG-Wasserstoff existiert aktuell keine ausreichend ausgebaute Versorgungsinfrastruktur, weder für den Verkehr noch allgemein. Jedoch gibt es Initiativen in Deutschland
und Europa, eine entsprechende Versorgungsinfrastruktur für Wasserstoff zu errichten.4
Wie für PtG-Wasserstoff im Falle einer Anwendung im Straßenverkehr der Bezug genau
aussehen könnte, hängt von der allgemeinen Entwicklung ab.
Auch für alternative Kraftstoffe auf Basis von Biomasse gelten ähnliche grundsätzliche
Anforderungen an die Infrastruktur. Im Falle von biogenem Erdgas ist eine Beimischung
zum fossilen Erdgas oder ein physischer Bezug möglich. Biogene Flüssigkraftstoffe können
2 In Deutschland gab es am 1.1.2014 etwa 900 Erdgastankstellen und insgesamt etwa 14.000 Tankstellen für Flüssigkraftstoffe, hauptsächlich auf Erdölbasis.
3 Ähnlich wie bei erneuerbarem Strom, der nicht physisch bezogen wird, sondern bei dem der
erneuerbare Strom in den generellen Erzeugungspool eingespeist wird und die Kunden Strom
unbekannter Herkunft beziehen: Der erneuerbare Strom wird dann nur bilanziell dem Kunden
zugerechnet. Dieses System wird beispielsweise auch von Audi für das Audi-e-Gas angewendet, bei
dem der Kundenverbrauch von e-Gas über eine Tankkarte registriert wird und die entsprechende
Menge PtG-Methan in das Erdgasnetz eingespeist wird.
4 In Deutschland gibt es etwa 40 Wasserstofftankstellen, davon werden 7 öffentlich betrieben.
2.6 Zusammenfassung
23
ebenfalls Benzin oder Diesel beigemischt und zum Teil unter Anpassungen an den Fahrzeugen im reinen Zustand getankt werden. In beiden Fällen sind gegebenenfalls kleine
Anpassungen an der Versorgungsinfrastruktur des Verkehrs notwendig.
Auch bei anderen Verkehrsmitteln, wie beispielsweise in der Binnen- und Seeschifffahrt,
wird aufgrund der strenger werdenden Anforderungen bezüglich der Schadstoffemissionen
aktuell intensiv geprüft, inwieweit verflüssigtes Erdgas (LNG) als alternativer Kraftstoff
zu Schweröl großflächig eingesetzt werden kann. Aus Sicht der Versorgungsinfrastruktur
des Verkehrs wird für diese Kraftstoffe eine eigene Versorgungsinfrastruktur notwendig.
Ein Bezug von LNG in den Häfen ist mittel- bis langfristig eventuell jedoch relativ einfach
denkbar, da schon heute Erdgas in verflüssigter Form von Seeschiffen zu ausgewählten
Häfen transportiert wird und es nicht unwahrscheinlich ist, dass zukünftig noch weitere
Häfen eine entsprechende Infrastruktur zur Anlandung und Speicherung der Kraftstoffe
errichten werden.
2.6 Zusammenfassung
Ein Bestandteil des Maßnahmenpakets zur Erreichung des globalen 2-Grad-Ziels ist, dass
der Verkehr mindestens das Wachstum seiner Treibhausgasemissionen massiv beschränkt
oder eher einen erheblichen Beitrag zur Reduzierung der Emissionen leistet. Dies ist sowohl
auf nationaler als auch auf globaler Ebene erforderlich. Weltweit ist aktuell ein massives
Verkehrswachstum zu verzeichnen: Alle Prognosen deuten auch auf ein weiteres Wachstum
hin. Es handelt sich also um ein Problem mit globalen Ausmaßen, für das eine ausschließlich nationale Betrachtung nicht ausreicht. Neben den unterschiedlichen Randbedingungen
in den verschiedenen Regionen ist festzuhalten, dass die verschiedenen Verkehrsträger ein
unterschiedliches Wachstum und unterschiedliche Potenziale und Optionen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen haben. Die Prognosen gehen davon aus, dass sich die
THG-Emissionen des Verkehrs bis 2050 global mehr als verdoppeln, von 6 GtCO2,eq auf
14 GtCO2,eq.
Da in vielen Ländern das Wirtschaftswachstum und das Verkehrswachstum gekoppelt
sind, scheinen Maßnahmen zur drastischen Reduzierung des Verkehrsaufwands oder von
dessen Wachstum politisch schwer durchsetzbar. Daraus kann man schlussfolgern, dass
in diesem Bereich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nur geringe Erfolge erzielt werden
können. Es deutet sich an, dass eher im Bereich der Energieversorgung des Verkehrs der
Schlüssel zur Lösung des durch den Verkehr erzeugten Klimaproblems liegt.
Zur Erreichung des 2-Grad-Ziels im Klimaschutz muss der globale Verkehr seine für
das Jahr 2050 prognostizierten Treibhausgasemissionen um circa 80 % senken. Dafür gibt
es eine Reihe von Anhaltspunkten, die sogar für die Zeit nach 2050 eine Minderung um
100 % für notwendig erachten.
Eine alleinige drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen im globalen Verkehr
ist durch Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung, Verlagerung und Verringerung des spezifischen Energieverbrauchs im erforderlichen Umfang nicht zu erwarten. Die angestrebte
24
2 Klimaneutraler Verkehr – Erdgas und Methan als Teil der Lösung
Emissionsminderung im Verkehrssektor wird global deshalb nur möglich sein, wenn auf
der Energieversorgungsseite Optionen verfügbar sind, die zu erheblichen Reduzierungen
beitragen.
Bei den verschiedenen Verkehrsträgern stehen unterschiedliche Optionen zur
Verfügung: Im Straßenverkehr und im Schienenverkehr ist der direkte Einsatz von Strom
auf der Basis von erneuerbaren Energien sinnvoll. Für den Schwerlastverkehr, Schiffsverkehr und Luftverkehr stehen nach derzeitigem Erkenntnisstand keine kurz- und mittelfristig global verfügbaren Optionen durch direkte Stromnutzung zur Verfügung. Zu erwähnen
ist aber, dass die direkte Stromnutzung im Lkw erste Grundlagenuntersuchungen erfährt.
Da die Treibhausgasemissionen des Verkehrs global gesehen aktuell nach wie vor deutlich
zunehmen, steigt der Handlungs- und Lösungsdruck im Verkehr massiv an.
Deshalb ist es sinnvoll, umgehend Strategien zu entwickeln, um Technologien beziehungsweise Energieträger für den Verkehr und gegebenenfalls auch andere Sektoren zur
Verfügung zu haben, die nahezu keine negative Klimawirkung haben.
Ein wichtiges Element einer solchen Strategie ist nach heutigem Kenntnisstand unter
anderem die Bereitstellung von synthetischem Methan, das auf der Basis von Strom hergestellt wurde. Das betrifft die reine technologische Verfügbarkeit der Bereitstellung und
deren zukünftige Weiterentwicklung. Sie kann die Grundlage für eine klimaneutrale Energieversorgung im Verkehr sein, wo zum Beispiel die direkte Stromnutzung (Bahn, Pkw,
LNFz) nicht möglich ist. Ohne einen stark steigenden Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung bis zu dem Zeitkorridor 2050 bis 2070 ist diese Technologie vor dem Motiv, einen
Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, jedoch wenig sinnvoll. Parallel zu dieser wichtigen
Initiative ist es Grundlage jeglichen Handelns im Verkehrsbereich, den spezifischen Energieverbrauch der einzelnen Verkehrsträger deutlich zu senken und das Wachstum des Verkehrsaufwandes zu dämpfen.
Die Nutzung von synthetischem Methan ist zusätzlich vor dem Hintergrund einer schon
vielerorts vorhandenen Infrastruktur sinnvoll.
Erdgas hat das Potenzial, auf Grund seiner stofflichen Eigenschaften (C/H-Verhältnis) den
CO2-Ausstoß im Verkehr zu senken: Es hebt Effizienzpotenziale bei Ottomotoren, da eine
höhere Verdichtung möglich ist; auch ist Methan synthetisch herstellbar. Erdgas stellt eine
Treppenstufe auf dem Weg zu einem treibhausgasneutralen Verkehr dar. Der nächste Schritt
wäre die schnellstmögliche Erarbeitung einer global wirksamen Strategie für die industrielle
Herstellung und Nutzung von strombasierten Kraftstoffen aus erneuerbaren Energien (zum
Beispiel PtG-Methan) sowie die direkte Nutzung von elektrischer Energie im Verkehr. Gleichzeitig muss eine forcierte Weiterentwicklung der technischen Prozesse initiiert werden, es sei
denn, es können andere realistische Wege aufgezeigt werden, wie das 2-Grad-Ziel erreicht
werden kann, ohne dass strombasierte Kraftstoffe eingesetzt werden müssen.
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