K3 März 12_grün.indd - Kreisjugendring München

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Essen und Trinken
Fotos: Rudolf Böhler/Junior Slow
10
Schnipseln, rühren, schmecken – und zum Schluss gemeinsam genießen
Slow Food für alle
Heute schon geschnipselt?
Die Slow-Food-Bewegung entstand vor
etwa 20 Jahren um den italienischen
Soziologen Carlo Petrini. Eine kleine
Gruppe ambitionierter Menschen wollte damit regionalen Lebensmitteln und
den traditionellen Zubereitungsarten
wieder den Wert geben, der ihnen
zusteht. Vor allem fragten sie sich,
welchen Einfluss die Wahl unserer Lebensmittel auf die globale Ernährung
hat.
Der Zugang zu wertvollen Lebensmitteln
und fair gehandelten Produkten ist ein
Grundrecht jedes Menschen, so das Credo
der Slow-Food-Gründer. Die Basiszelle der
Bewegung in Italien zog schnell weltweit
Kreise und beeinflusste Menschen rund um
den Globus in ihrer Einstellung zu nachhaltiger Ernährung. Vor Ort organisieren sich
die Anhänger der Slow-Food-Bewegung in
lokalen Gruppen – Convivien (lat.: Convivium
für Tafelrunde) genannt.
Bereits in der Anfangszeit Ende der 1980er
Jahre schlossen sich auch einige Münchnerin-
Rollende Küche für kochbegeisterte
Kinder: Das Kochmobil
2|12
nen und Münchner zu solch einer Tafelrunde
zusammen. Das Convivium München steht
heute unter der ehrenamtlichen Leitung des
Ingolstädter Tierarztes Dr. Rupert Ebner und
zählt seit seiner Gründung zu den besonders
aktiven.
Mit dem Kochmobil
auf Entdeckertour
Aus der Begeisterung für das Thema entstand bald die Idee, ein Kochmobil für Kinder
einzurichten. „Die Kinder brauchen nicht
zu uns zu kommen – das Kochmobil fährt zu
ihnen – direkt an die Orte, an denen sie sich
aufhalten“, berichtet der stellvertretende
Leiter des Convivium München Rudolf Böhler.
Die Anregung dazu lieferte das Spielmobil.
Hilfreich für die Umsetzung war, dass die
Initiative auf gute Kontakte zum Referat für
Umwelt und Gesundheit der Landeshauptstadt
München aufbauen konnte. Man entschied
sich deshalb, Kinder in Schulen, Horten und
Kindergärten zum Kochen in den umgebauten
Bauwagen einzuladen. Ein niedrigschwelliges
Angebot, das jedem Kind die Möglichkeit
bietet, selbst zu kochen. Für die Teilnahme
wird ein Beitrag von 2,50 Euro erhoben. Sollte
es Eltern schwerfallen, diese Summe aufzubringen, können die kleinen begeisterten
Mädchen (12) - Frühstück:
gezuckerte Cornflakes; Pause: zwei
Nutella-Brote; Mittag: (Tiefkühl-)
Pizza Margherita; Abendessen:
Pommes Frites, Gummibärchen
Wir haben Kinder aus dem
Kinderhaus Wolkerweg und
Jugendliche aus der Aubinger
Tenne gefragt, was sie gegessen
haben ...
Köche und Köchinnen – dank Unterstützer
– trotzdem loslegen. Ganz spielerisch erfahren
die Kinder im Kochmobil beispielsweise, zu
welcher Jahreszeit Rhabarber wächst oder wie
aus Milch Quark entsteht.
Wie wird eigentlich
Quark gemacht?
„Bei uns wird nicht doziert, sondern geschmeckt“, erklärt Rudolf Böhler. Im Laufe
der Zeit haben sich einige Lieblingsgerichte
der Jüngsten herauskristallisiert: Pellkartoffeln mit Kräuterquark sind der Renner; dicht
gefolgt von Gemüsesuppe. Mittlerweile hat
sich quasi aus dem Schoß des Kochmobils
eine Initiative zur Geschmackserziehung von
Kindern gründete – der Verein Junior Slow
e. V. (www.junior-slow.de).
Parallel zum erfolgreichen Slow Mobil
wurde bereits 2009 das Projekt „Städter und
Bauern“ gestartet. Hierbei geht es darum,
den persönlichen Kontakt von Stadtbewohnern und Bauern als den Erzeugern von
Lebensmitteln wieder herzustellen und so
Einblicke in Herkunft und Entstehung von
Produkten zu ermöglichen. Aus diesen persönlichen Begegnungen sind im Laufe der
Zeit kreative Ideen entstanden, zum Beispiel
Einkaufgemeinschaften oder gegenseitige
Essen und Trinken
Hilfestellungen im häuslichen Bereich.
(www.staedterundbauern.de)
Eine zusätzliche Säule von Slow Food München bildet „die Arche des Geschmacks“. Alte,
vom Aussterben bedrohte Tierrassen oder
Obst- und Gemüsesorten sollen dabei wieder
heimisch gemacht bzw. angebaut werden, um
deren Fortbestand dauerhaft zu sichern.
Slow Food leicht gemacht
Die vielfältigen Aktivitäten und Angebote
der Slow-Food-Gemeinschaft werden von
Förderern und Vereinsmitgliedern getragen.
11
■ die Idee von Slow Food weitererzählen,
■ mit Lebensmitteln kochen, die man vorher
noch nie verwendet hat,
■ Kräuter in alte Schuhe pflanzen,
■ einmal pro Woche nicht im Supermarkt
einkaufen,
■ selbst Brot backen,
■ Lebensmittel ohne Strichcode kaufen
oder
■ sich einfach Zeit zum Genießen nehmen.
Mädchen (10) - Frühstück:
Erkältungstee und Früchtejoghurt
Alle Projekte und Veranstaltungen (z. B.
regelmäßiger Stammtisch) unter www.slowfood.de/muenchen.
Wer gleich anfangen will, kann …
■ einen Bauern in der Nähe besuchen,
■ herausfinden, welches das Lieblingsrezept
der Oma ist,
■ sich vom Wochenmarkt inspirieren lassen,
■ für Freunde kochen,
Birgit Hannich,
Spielstadt Maulwurfshausen, KJR
„To go“ und Fastfood zerstören kulturelle Traditionen
„Gebt den Kindern Geschmacksunterricht!“
Für den Jahrhundertkoch Prof. Dr. h. c.
Eckart Witzigmann ist Ernährung weit
mehr als Nahrungsaufnahme. Seine
Passion gilt sowohl dem Geschmackserlebnis selbst als auch dem sorgsamen
Umgang mit den Produkten. Nicht
zuletzt macht der soziale Aspekt von Ernährung das Thema zum Ausgangspunkt
eines ganzen Bildungskonzepts.
Junge (15) - Frühstück: Krapfen
und Kaffee; Mittag: Hähnchen mit
Reis; Abendessen: Hähnchen (tiefgekühlt) und Kartoffelecken
Carlo Petrini und Alice Waters – zwei der
führenden Köpfe der Slow-Food-Bewegung
– sprechen von Ernährung als Bildungsmodell. Wie kann das funktionieren?
Wer Essen nur als Instrument der Sättigung
begreift, wird diesen Meinungsaustausch
nicht einmal im Ansatz kapieren. Deshalb
sollten sich alle Beteiligten nicht nur auf Einzelaktionen engagierter Personen oder den
guten Willen kluger Verbände verlassen. Da
ist in allererster Linie Vater Staat gefragt. Ich
gehöre nicht zu denen, die permanent nach
dem Staat rufen und dessen Einmischung
fordern. Doch die handelnden Personen in
den Parlamenten müssen begreifen, dass
mehr gefordert ist als pressefreundliche Fotos
mit Spitzenköchen. Wir brauchen Schulungen
Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann
fordert ein deutlich größeres Engagement des Staates in Sachen Ernährung.
und Informationen – vom Kindergarten bis
zur Universität. Geschmack muss man sich
erarbeiten und erlernen.
Unsere Gesellschaft wandelt sich: Traditionelle Formen des Familienlebens
zerfallen beispielsweise. Welche soziale
Funktion muss Essen für Kinder und Jugendliche bekommen?
Wir sollten uns da keinen Illusionen hingeben: Die alten Werte vom gemeinschaftlichen
Essen als sozialer Klammer sind in Auflösung
begriffen – der Zeitgeist ist ein anderer. „To
go“ oder sehr schnell sind die Schlagwörter.
Die Familienstrukturen haben sich radikal
geändert, und wir dürfen die Augen auch
nicht davor verschließen, dass die finanziellen Mittel, sich gesund zu ernähren, im
soziodemografischen Durchschnitt geringer
werden oder sich die Prioritäten verschieben.
Beim Motoröl kann es nicht teuer genug
sein; beim Öl am heimischen Herd ist Geiz
dann wieder geil. Wie soll in einem solchen
Umfeld vernünftige Ernährung für Kinder
und Jugendlichen funktionieren? Ohne jetzt
zu pessimistisch zu sein: Das wird ein hartes
Stück Arbeit, die Fahne der vernünftigen
Ernährung hochzuhalten. Die Familie als
Foto: Büro Witzigmann
Sie werden oft mit dem Satz „Gebt den
Kindern Geschmacksunterricht!“ zitiert.
Müssen Heranwachsende ‚Geschmack‘
(wieder-)erlernen?
Witzigmann: Ich glaube, wir müssen im
wahrsten Sinne des Wortes diesen Sinn wieder schärfen, ihn nicht verkümmern lassen.
Und was man einmal erlernt hat und täglich
nutzt, kommt einem auch nicht so schnell
abhanden. Übung macht auch da den Meister.
Unser Geschmackssinn wird uns nicht verlorengehen, aber es besteht die Gefahr einer
schleichenden Verkümmerung. Irgendwann
wird man nur noch sehr grobmotorisch differenzieren können.
Vermittler für Sitten und Gebräuche verliert
an Stellenwert, und es beginnt eine Phase
der Orientierungslosigkeit bei Kindern und
Jugendlichen. In diesen Momenten folgt man
immer denen, die am lautesten schreien ...
In Ihrem Buch ‚Gartenland in Kinderhand‘
werden Leuchtturmprojekte beschrieben,
wie Kinder bereits im Vorschulbereich
spielerisch mit dem Thema vertraut gemacht werden können. Auffällig ist, dass
diese Projekte mehrheitlich aus dem konfessionellen Bereich stammen. Ernährung
scheint also auch eng mit Ethik und Moral
verbunden zu sein – inwiefern?
Ich denke, dass das auch damit zu tun hat,
dass ein großer Teil der Kindergärten insgesamt von konfessionellen Trägern betrieben
wird. Aber Essen hat mit Ethik und Moral zu
tun und deshalb kann man nie früh genug
anfangen, den Kindern dieses Thema näherzubringen. Das sollte sich jedoch nicht auf
die konfessionell getragenen Kindergärten
beschränken. Dieses Thema geht alle an, egal
zu welchem und ob sie zu Gott beten.
Ganz praktisch: Wer muss jetzt handeln,
um über die von Ihnen eingeforderte
Geschmacksschulung zu einer neuen kulinarischen Geborgenheit im Sinne von
Heimat zu gelangen?
Ich will es mir nicht einfach machen, aber
hier sind alle gefordert, die mit Kindern und
Jugendlichen in Kontakt sind. Da gibt es in
der Tat nichts Gutes, außer man tut es ...
Ich freue mich über jede vernünftige Einzelaktion, aber wir müssen uns darüber klar sein,
dass am Ende des Tages nur eine große konzertierte Aktion Erfolg haben wird. Einzelne
Feigenblätter oder Buchveröffentlichungen
bringen das Thema nicht ausreichend weiter.
Das ist wie mit dem Rufer in der Wüste. Ich
kann mich an dieser Stelle nur wiederholen:
Hier müssen von staatlicher Seite wesentlich
mehr Mittel bereitgestellt werden, als bisher.
Ich halte das auch für eine kluge, langfristige
Investition in die Gesundheit der Gesamtbevölkerung. Wer hier sät, wird später weniger
Kranke und Übergewichtige „ernten“.
2|12
12
Essen und Trinken
Vor einiger Zeit entstand die Projektidee ‚Küchenknirpse‘. Angedacht war
beispielsweise, ein gemeinsames Frühstück in Kindertagesstätten anzubieten
oder die Erzieher/innen zu schulen. Das
Projekt zeigte aber auch, dass Politik,
Privatwirtschaft und öffentliche Hand
zusammenwirken müssen.
Ich wünsche mir nicht nur von Kommunalpolitikern, sondern von allen verantwortlich
handelnden Personen die Einsicht, dass wir
hier nur mit massiven staatlichen Mitteln
weiterkommen. Was nützen uns denn die Küchen in den Schulen, wenn nachher das Geld
für die Lebensmittel fehlt. Wir brauchen da
Mädchen (10) - Abendessen:
Kartoffelsuppe
einen Art Marshall-Plan: mutig, visionär und
alle Schichten der Gesellschaft umfassend.
Sie haben sich den leidenschaftlichen
Einsatz für eine gesunde und bewusste
Ernährung, die kritische Begleitung der
Industrialisierung der Ernährungswirtschaft immer erhalten. Wie funktioniert
das als lebenslanger Prozess?
Wir können uns da gewissen Entwicklungen
nicht entziehen und müssen einer traurigen
Wahrheit in die Augen schauen: In Deutschland müssen Lebensmittel vor allem eines
sein: billig. Und vor diesem Szenario ist es
schwer, langfristige Strategien zu entwickeln
und umzusetzen. Aber ich gehe davon aus, je
früher man damit anfängt, Kindern vernünftige Ernährung näherzubringen und sie für
dieses Thema begeistert, desto größer ist die
Chance, sie zu kritischen, differenzierenden
Erwachsenen zu bilden. Kinder lernen eben
vieles spielend. Ich bin mir sicher, auch sich
vernünftig zu ernähren.
Marko Junghänel
Vorurteile gegenüber Bio-Qualität in Kindertagesstätten unbegründet
Bio ist machbar
Vor diesem Hintergrund nahm die Kindervilla zwischen 2007 und 2009 am Projekt
„Bio für Kinder“ teil. Aktuell bietet die Einrichtung täglich eine Mittagsverpflegung in
Bio-Qualität für etwa 50 Kindergarten- und
50 Hortkinder an.
Wie alles begann
Die Rahmenbedingungen der Kindervilla
(KiVi) entsprechen einer normalen städtischen Kindertageseinrichtung:
■ die Küchenkraft hat keine fachspezifische
Ausbildung
Vorurteil 1:
Bio ist zu teuer
Eine direkte Umsetzung eines „konventionellen“ Speiseplans auf Bio-Qualität ist
tatsächlich kaum finanzierbar. Hochpreisige
Lebensmittel, wie z. B. Fleisch gibt es meist
nur einmal wöchentlich, Fisch alle 14 Tage.
Außerdem sind unsere Fisch- und Fleischportionen relativ klein. Bio-Fleisch allein
wäre zudem zu teuer. Es wird in der Regel
Für alle, die Bio sofort ausprobieren
möchten, haben wir ein paar Erfolgs-Rezepte aus der Kindervilla zusammengestellt. Viel Spaß beim Kochen!
Karottensuppe
Karotten und Kartoffeln zu Suppe kochen, pürieren, mit Sahne und frischen
Kräutern abschmecken, dazu Bio-Brot.
Spinatburger
Zwischen zwei leicht vorgebackene Backofenrösti 1 bis 2 gehäufte Esslöffel Blattspinatzubereitung geben (TK-Blattspinat
oder frisch, zubereitet mit Zwiebelwürfeln und Olivenöl, abgeschmeckt mit
Gewürzen), mit Käse bestreuen, überbacken, dazu Tomatensalat.
Pro 10 Kindergartenkinder:
1 kg TK-Karottenwürfel
500 g Kartoffeln
250 g Sahne
500 g Brot
Gesamt 10 Portionen
Pro Portion
Pro Kindergartenkind:
Backofenrösti (je 70 g, TK)
1-2 gehäufte Esslöffel
Blattspinatzubereitung
1 Esslöffel geriebener Käse
Tomatensalat (80 g)
Gesamt pro Portion
2|12
■ die Ausstattung der Küche entspricht einer
Aufwärmküche
■ die Lagerfläche für Lebensmittel ist beschränkt, allerdings verfügen wir über eine
geräumige Kühl- und Tiefkühlzelle
■ es gilt eine Vorgabe der Stadt hinsichtlich
Essenspreisen und Budget: in unserem Fall
1,90 Euro pro Kindergartenkind und Tag
bzw. 2,10 Euro pro Hortkind und Tag
0,48 E
0,30 E
0,18 E
0,44 E
1,40 E
2,04 E
2,13 E
1,90 E
2,12 E
8,19 E
0,82 E
Karotten können durch beliebiges Gemüse
ersetzt werden (Blumenkohl, Sellerie,
Lauch, etc.), im Sommer auch durch
Frischware, wie z. B. Zucchini.
mit Gemüse oder Pilzen zubereitet. Einfache
Getreidegerichte wie Hirse, Couscous, Bulgur,
Polenta oder Reis – kombiniert mit Gemüse
– sind erheblich preiswerter. Mehlspeisen
und Nudelgerichte gehören ebenfalls zu den
„Kostensparern“ und kommen bei Kindern
gut an. Der Einkauf sollte von saisonalen
und regionalen Produkten geprägt sein.
Hilfreich ist es, die Kosten für verschiedene
Gerichte zu kalkulieren und in Preisgruppen
einzustufen:
■ Rot: teure Mittagessen, mit Fisch oder
Fleisch
■ Gelb: mittlere Preisklasse, Gerichte mit
Gemüse, Salat und Getreideprodukten
■ Grün: sehr günstige Gerichte, z. B. einfache
Mehl- oder Nudelspeisen
Als Faustregel gilt: einmal rot, zweimal
gelb, zweimal grün pro Woche. Als Lieferanten für die Bio-Lebensmittel sind außerdem Großhändler zu bevorzugen. Sie sind
Indianisches Maisgericht (gebackener
süßer Polenta-Auflauf ohne Ei)
Polentagrieß und Dickmilch (oder Kefir)
verrühren, mit Honig und 2/3 der geschmolzenen Butter abschmecken. Auf
Obst (z. B. Apfelscheiben, Heidelbeeren, Birnen) in gebutterte Auflaufform
gießen, Obst vorher nach Bedarf süßen
(Honig, Zucker oder Ahornsirup). Zitronensaft mit restlicher geschmolzener
Butter verrühren und Flüssigkeit als Spiegel auf den Auflauf gießen. Im Backofen
50 Minuten bei 140° backen.
Pro 10 Kindergartenkinder:
150 g Polentagrieß
500 g Dickmilch oder Kefir
4 Esslöffel Honig
100 g Butter
2 Esslöffel Zitronensaft
350 g Apfelscheiben (frisch)
Gesamt 10 Portionen
Pro Portion
0,30 E
2,60 E
0,60 E
0,45 E
0,10 E
1,47 E
5,45 E
0,55 E
Foto: Thomas Siepmann, pixelio.de
Ziel war, das tägliche Mittagessen in
der Kindervilla Theresia hinsichtlich
Geschmack, Qualität, Ausgewogenheit,
Vielfalt und Frische so optimal wie möglich zu gestalten und dabei die Kosten
im bisherigen Rahmen zu halten.
Essen und Trinken
13
deutlich preiswerter als Einzelhändler bzw.
Lieferdienste.
Discounter bieten erstaunlich günstige
Bio-Linien an, aber der jüngste Skandal in
Italien zeigt: Bio kann es nicht zu Tiefstpreisen geben. Nachhaltigkeit, fairer Handel und
Regionalität scheinen bei extrem billigen
Waren oft fraglich. Großhändler halten ein
umfangreiches und hochwertiges Angebot
bereit; deren Bio-Normen sind strenger als
von der EU gefordert. Beim Bezug der Ware
vom Großhändler ist zudem kein Preisunterschied zum Discounter auszumachen. Die
Menge macht’s. Für kleinere Abnehmer ist
deshalb ein Einkaufs-Netzwerk sinnvoll, in
dem sich mehrere Einrichtungen zusammenschließen. Damit auch in größerem Umfang
bestellt werden kann, sind passende Lagermöglichkeiten erforderlich.
Vorurteil 3:
Bio macht Arbeit
Ja, die neue Art der Bestellung und Kalkulation bindet zunächst Ressourcen. Die
Küchenkraft benötigte anfangs Unterstützung in der Gestaltung des Speiseplans. Die
Verarbeitung der Lebensmittel ist ungewohnt
und die Mitarbeiter/innen der Einrichtung
stehen der Idee möglicherweise skeptisch
gegenüber. Unserer Erfahrung zeigt jedoch,
dass dieser Mehraufwand nach einiger Zeit
wieder zurückgeht.
Kinder müssen manchmal erst lernen, wie eine Tomate tatsächlich schmeckt.
Zudem wurden zusätzliche Küchengeräte
angeschafft, die die Verarbeitung (z. B. von
Rohkost) vereinfachen. Festzustellen war
auch, dass Fertigmahlzeiten immer teurer
als selbst zubereitete Speisen sind. Das Geld,
das hier gespart wird, kann in hochwertige
Lebensmittel oder sinnvolle Küchengeräte
investiert werden.
Foto: Benjamin Matzmorr, pixelio.de
Vorurteil 2:
Bio ist nicht immer Bio
können wir die Kinder für „Bio“ interessieren.
Ältere wissen mittlerweile genau, was das
Bio-Zeichen auf dem Speiseplan bedeutet.
Neu aufgenommene Kinder müssen sich
zunächst an den „fremden Geschmack“ der
KiVi-Küche gewöhnen und essen weniger.
Sie akzeptieren den Speiseplan schließlich
und entdecken, was und warum ihnen etwas
schmeckt. Unsere Kinder essen mittlerweile
eine erstaunliche Bandbreite an Gemüse
und Salaten, sie mögen Blaukraut und rote
Rüben, sie essen Bulgur-Auflauf, Blattspinat
und Couscous-Salat, Schwammerlsoße und
Semmelknödel. Geduld lohnt sich also.
Vorurteil 4:
Bio schmeckt Kindern nicht
Nein. Kinder sind allerdings geschmacklich
konservativ und lehnen Neues oft ab. Dass
das Essen bio ist, war den Kindern zunächst
egal – Hauptsache es schmeckt. Erst über
die geschmackliche Zustimmung zum Essen
Claudia Mayer,
Kindervilla Theresia, KJR
Ernährung in der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
„Gscheit essen –
mit Genuss und Verantwortung1“
Dem Begriff der Nachhaltigkeit begegnet man heute in allen Lebensbereichen. Diese Präsenz hat verschiedene
Folgen: Die inflationäre Verwendung
des Wortes höhlt einerseits dessen
Bedeutung aus. Andererseits zeigt uns
dieses Phänomen, dass nachhaltige
Denkmuster in vielen Bereichen wichtig und zeitgemäß sind und uns eine
Vielzahl von Ansatzmöglichkeiten bieten, unsere Lebensführung in diesem
Sinne zu verändern.
BNE – Es geht nicht um mehr oder weniger als unsere Lebensgrundlagen
Foto: s.media, pixelio.de
In Zeiten des Klimawandels und weltweiter
sozialer Ungerechtigkeit geht es nicht nur darum, den eigenen Lebensstil zu überdenken.
Wir stehen außerdem in der pädagogischen
Verantwortung, Kindern und Jugendlichen
Kompetenzen zu vermitteln, die ihnen die
Möglichkeit eröffnen, ihr Leben unter dem
Aspekt der Nachhaltigkeit zu reflektieren
und gegebenenfalls zu verändern.
Vor diesem Hintergrund hatten die Vereinten Nationen die Jahre zwischen 2005 und
Mädchen (14) - ganzer Tag:
Hähnchen süß-sauer vom Chinesen
2014 zur Weltdekade „Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)“ ausgerufen. Für diesen Zeitraum wurde ein jährlich wechselndes
Schwerpunktthema formuliert – 2012 ist das
„Jahr der Ernährung“. Dieses Thema berührt
einen existenziellen Bereich des Menschen
– damit selbstverständlich auch die Kinderund Jugendarbeit. Es bieten sich in diesem
Zusammenhang zahllose Möglichkeiten,
das Thema BNE mit bereits bestehenden
Angeboten zu verknüpfen. So sind die geschlechtsspezifische oder interkulturelle
Arbeit ebenso Ansatzspunkte wie Fragen von
Partizipation oder Inklusion.
Heute für morgen handeln
Im Brundtland-Bericht von 1987 wurde der
Begriff Nachhaltigkeit erstmals definiert:
„Nachhaltige Entwicklung ist jene, die die Le2|12
Essen und Trinken
Foto: Gabriele Planthaber, pixelio.de
14
Monokulturen zerstören Lebensraum, Verbraucher/innen können etwas dagegen tun.
bensqualität der gegenwärtigen Generation
sichert und gleichzeitig künftigen Generationen Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung ihres
Lebens erhält2.“ Die Definition enthält zwei
Aspekte von BNE. Zum einen geht es darum,
die Lebensgrundlagen aller Menschen, die
gegenwärtig auf der Erde leben, zu sichern
und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu
ermöglichen. Hierfür sind Aktionen denkbar,
in denen sich Kinder und Jugendliche mit der
Lebenssituation anderer Völker beschäftigen
und sich in deren Lage versetzen. Auf dieser
Grundlage können sie Handlungsmöglichkeiten entwerfen, um die Situation dort
verbessern zu helfen. Im Bereich Ernährung
können beispielsweise Kochaktionen oder
Feste durchgeführt werden, die unter anderem Lebensweise, Hauptnahrungsmittel
oder das Wirtschaftssystem einer fremden
Kultur thematisieren. Meist geht es darum,
den eigenen Konsum kritisch zu reflektieren.
Je nach Zielgruppe der pädagogischen Arbeit
sind auch Projekte zur Lebensweise und/oder
Geschlechterhierarchie von Mädchen und
Frauen bzw. Jungen und Männern denkbar.
Die politische Situation, Auswirkungen der
Globalisierung oder Kinderrechte können
außerdem als Themen behandelt werden.
Der zweite Teil der Definition von Nachhaltigkeit fordert eine Lebensweise ein, die
künftigen Generationen die Grundlagen für
ein gesundes und selbstbestimmtes Leben
bewahrt. Dieser Aspekt wird im engeren
Sinne durch den Begriff „Nachhaltigkeit“
beschrieben, mit dem wir allerdings oft nur
die Stichworte Klimaerwärmung, Ressourcenknappheit oder Atomausstieg assoziieren.
BNE – gibt’s bei uns schon lange
Hier rückt Umweltbildung in den Fokus.
Innerhalb dieses pädagogischen Handlungsfeldes konnten bereits langjährige Erfahrungen gesammelt werden, die in weiten
Teilen jetzt die Grundlage für BNE bilden.
In der Vergangenheit wurden beispielsweise
verschiedene Praxisprojekte zum Thema Ernährung entwickelt und erprobt. So sind die
bewährten Exkursionen zum Thema „Woher
kommt unsere Nahrung?“ für Großstadtkinder
aktueller denn je. Das können sowohl Ausflüge
zu einem Bauernhof, zum Gärtner oder in eine
Bäckerei als auch Aktionen wie „Vom Korn
zum Brot“, „Gemeinsam kochen – Bio-Essen
für wenig Geld“ oder „Mein eigener Kräuter2|12
garten“ sein. Kinder und Jugendliche erleben
dabei selbst den langen und aufwändigen Weg
der Nahrungsmittelproduktion. Themen wie
biologische Lebensmittel, Massentierhaltung,
Lage der Anbaugebiete von Obst und Gemüse
und deren Auswirkungen auf die Natur sowie
der Zusammenhang zwischen Transportwegen, CO2-Ausstoß und Klimaerwärmung sind
denkbar. Abseits klassischer Umweltbildung
bieten auch der Aspekt der Esskultur sowie
Partizipationsstrukturen rund um das Thema
Essen Ansatzpunkte für Bildungsangebote.
Weitergehende pädagogische Anregungen
sowie Links und Literaturhinweise hat die
Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bayern e. V. (ANU) im Auftrag des
Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit zusammengetragen
(www.umweltbildung-bayern.de/uploads/
media/Recherche_Ernaehrung.pdf).
Mitarbeiter/innen in
Vorbildfunktion
Mitarbeiter/innen aus der pädagogischen
Praxis könnten angesichts der Vorschläge
einwenden, dass viele Maßnahmen einen
hohen Zeit- und Arbeitseinsatz fordern.
BNE zeichnet sich jedoch nicht durch spektakuläre Einzelprojekte aus. Vielmehr ist
es wichtig, das Thema kontinuierlich in die
pädagogische Arbeit einfließen zu lassen.
Wie bei allen Bildungsveranstaltungen in der
Kinder- und Jugendarbeit sollten sich alle
Teilnehmenden einbringen können. Besonders im offenen Bereich wird das oft nur in
sehr niederschwelligen Angeboten möglich
sein. Das eigene Erleben steht in jedem Fall
vor purer Wissensvermittlung. Kinder und
Jugendliche erwerben so Kompetenzen, die
ihnen später nachhaltig wirkende Entscheidungen ermöglichen.
Den Mitarbeiter/inne/n von Freizeitstätten oder in Jugendverbänden kommt in diesem Zusammenhang Vorbildfunktion zu. So
können der Einkauf von fair gehandelten oder
Bio-Produkten, Mülltrennung oder einfache
Regeln zum Energiesparen beispielhaft sein
und bereits im Vorfeld von entsprechenden
Aktionen und Projekte zu Diskussionen mit
Kindern und Jugendlichen anregen.
Um BNE-Aktionen zum Thema Ernährung zu
bündeln, hat die ANU Bayern eine Kampagne
unter dem Titel „Gscheit essen – mit Genuss
und Verantwortung“ initiiert. Unter diesem
Motto sind unterschiedliche Programmpunkte
geplant. So werden von 15. bis 17. Juni an vielen Stellen in ganz Bayern sogenannte „Eatins“ stattfinden, bei denen sich Gruppen zum
„Frühstücken für Klima und Gerechtigkeit“
zusammenfinden und im öffentlichen Raum
gemeinsam nachhaltige Gerichte essen. Auch
der Kreisjugendring München-Stadt plant,
sich mit einem Eat-in zu beteiligen. Darüber
hinaus findet von 15. bis 19. Oktober eine
Woche der nachhaltigen Ernährung an bayerischen Schulen sowie ein Jugendwettbewerb
mit dem Titel „Was gibt´s denn heute?“ bzw.
eine Plakatausstellung statt.
Werdet Dekade-Projekt!
Alle erfolgreichen Projekte zum Thema
nachhaltige Ernährung, die in diesem Jahr
stattfinden, können grundsätzlich von der
UNESCO-Kommission als Dekade-Projekt ausgezeichnet werden. Informationen dazu sind
bei der Fachstelle BNE ([email protected])
oder unter www.bne-portal.de erhältlich.
Das Jahresthema Ernährung, das bei allen
Aktionen in der Kinder- und Jugendarbeit
bedacht wird und schon seit Jahren in vielen
erfolgreichen Angeboten bearbeitet wurde,
bietet die Möglichkeit, BNE als wichtiges Thema dauerhaft in der Kinder- und Jugendarbeit
zu verankern. Denn: Die Kompetenzen zur
Gestaltung ihrer eigenen Zukunft dürfen wir
den Entscheider/inne/n von morgen nicht
vorenthalten.
Claudia Seidel,
Sachstelle BNE, KJR
Literaturangaben
Mädchen (13) - Frühstück: ein
Marmeladen-Brot; Pause: ein
Nutella- und zwei Salami-Brote;
Abendessen: (selbstgemachte)
Lasagne, Schokoriegel und Gummibärchen
1 Umweltbildung Bayern Kampagne 2012,
www.umweltbildung-bayern.de
2 Volker Hauff (Hrsg.): Unsere gemeinsame
Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung.
Eggenkamp Verlag, Greven 1987
Essen und Trinken
15
Esskulturen und die Interkulturalität von Ernährung
Eine interkulturell orientierte nachhaltige Ernährungsbildung bietet vielfältige Möglichkeiten für den Erwerb
von Kompetenzen. Darüber hinaus
eröffnet sie die Chance, statische
Kulturkonzepte zu überwinden. Das
Lernfeld Ernährung kann dabei die
Funktion eines Türöffners einnehmen.
Im Essen drückt sich der Mensch aus,
schafft sich Kultur und setzt sich ins
Verhältnis zur Welt.
Der Mensch muss essen, um zu leben. Wie er
dies tut, unterscheidet sich jedoch mitunter
deutlich. Daran wird erkennbar: Essen ist
mehr als Nährstoffaufnahme; was und wie
wir essen, ist Ausdruck von Identität. Mit der
Art und Weise, wie wir Esskultur praktizieren,
sind vielfältige Folgen verbunden: auf die
Umwelt, auf unsere Gesundheit und die anderer, auf den Erhalt und Verfall traditionellen
Wissens und gewachsener Versorgungsstrukturen. Beim Blick auf unsere Esskultur lassen
sich also stets mehrere Perspektiven beleuchten. Vor diesem Hintergrund bilden Essen und
Ernährung ein paradigmatisches Lernfeld,
in dem sich die Nachhaltigkeitsproblematik
und das Verständnis von Kultur mit jungen
Menschen idealtypisch bearbeiten lassen.
Um diese Art von Bildung nachhaltig zu gestalten, müssen didaktische Anforderungen
einer Bildung für nachhaltige Entwicklung
(BNE) berücksichtigt werden. Drei wesentliche Aspekte dabei sind ein breites Verständnis von Esskultur, ein mehrperspektivisches
Bildungsverständnis und die Verbindung von
Kopf, Herz und Hand.
Esskultur als Lernfeld
Menschen essen – bewusst oder unbewusst – nach kulturellen Mustern. Essen ist
zugleich eine natürliche und eine kulturelle
Angelegenheit. Ess-Kultur umfasst prinzipiell jede Ernährungsweise. Ein solches Kulturverständnis entspricht einem modernen
Verständnis von Kultur als Summe aller materiellen und immateriellen Errungenschaften.
Wie Menschen Essen kulturell ausgestalten,
regulieren und reglementieren, wird von drei
Faktoren geprägt:
■ kulturelle Bestimmung von essbar und
nicht essbar (religiöse Verbote, kulturelle
Tabus, soziale Angemessenheit)
■ Küche als kulturelles Regelwerk der Speisenzubereitung (aus gleichen Zutaten
entstehen unterschiedliche Gerichte)
■ Mahlzeit als soziale Situation (Gemeinschaftsbildung, soziale Unterscheidbarkeit)
Individuelle Vorlieben sind innerhalb
dieser Bahnen akzeptiert. Hierdurch ergeben
sich aber auch innerhalb einer Gesellschaft
verschiedene Auslegungen der Regeln, die
sowohl Abbild ethnischer bzw. regionaler
Transkulturalität im Bereich Ernährung:
Das Ganze ist auch dort mehr als die
Summe der Einzelbestandteile
Eigenarten als auch Ausdruck sozialer Unterschiede sind. „Ess-Kultur“ wird zum „sozialen
Total-Phänomen“, in dem sich die gesamte
Gesellschaft ‚in klein’ widerspiegelt.
Die Auseinandersetzung mit verschiedenen
Esskulturen wird damit ein Fall interkulturellen Lernens. In der pädagogischen Diskussion
werfen Kritiker dem Begriff vor, dass er von
abgeschlossenen Kulturen ausgehe. Wenngleich sich interkulturelle Pädagogik um
Verständigung bemühe, würde sie dennoch an
einem statischen Kulturkonzept festhalten,
das dynamische Übergänge zwischen und
die Konstruiertheit von Kulturen vernachJunge (18) - ganzen Tag:
Kaugummi
lässige. Aus dieser Kritik ist der Begriff des
transkulturellen Lernens entstanden, der
Differenzen zwischen und innerhalb von
Gesellschaften beschreibt. Interkulturelles
Lernen im Handlungsfeld Ernährung befasst
sich in dieser Perspektive nicht mit scheinbar in sich abgeschlossenen Esskulturen,
sondern mit der Frage, wie sich verschiedene
kulturelle Einflüsse in uns überlagern und
zu neuen Praktiken führen. Esskultur rückt
damit nicht als „nationale Küche“ in den
Blickpunkt, sondern wird als dynamische
Praktik aufgefasst, mittels der Menschen
ihre Beziehung zu Ort, Zeit und zueinander
verhandeln.
Was sind also Lernziele einer so verstandenen interkulturellen BNE im Bereich Ernährung? Eine wesentliche Aufgabe besteht
in der Bewusstmachung und Reflexion der
kulturellen und damit menschengemachten
Grundlagen von Ernährung. Einseitigkeit und
Begrenztheit aufzubrechen, Handlungsspielräume und Toleranzen zu erweitern, wird zum
Leitmotiv nachhaltiger Ernährungsbildung.
Problemorientierte
Mehrperspektivität
Das Handlungsfeld Ernährung ist mehrperspektivisch strukturiert wie das Leitbild
von Nachhaltigkeit selbst (siehe Abbildung).
Mehrperspektivische Bildungsprozesse zielen
Foto: Maren Beßler, pixelio.de
Warum wir essen, wie (und was) wir essen
darauf ab, Antworten zum Thema Nachhaltigkeit auch hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen mit allen relevanten Dimensionen zu
verstehen. Dies wird u. a. in einer Empfehlung
der Heinrich-Böll-Stiftung deutlich, die das
Modell der Schlüsselqualifikationen um
„Kompetenzen zum verantwortlichen und
wertorientierten Handeln im normativen
Kontext“ – die Fähigkeit also, mit Interessenkonflikten umzugehen – erweitern will.
öklogisch
kulturell
gesundheitlich
politisch
sozial
ökonomisch
Inhaltliche Zugangsdimensionen zu einer
nachhaltigen Ernährungsbildung
Mehrdeutige oder sich widersprechende
Informationen, Ziel- und Interessenkonflikte sind ständige Begleiter im Bemühen,
nachhaltig zu handeln. Nachhaltiger Konsum kann als Dilemma-Situation aufgefasst
werden. Beispiel: Ist ein Getränk in Mehrwegflaschen, das aber mit hohem Transportaufwand geliefert wird, der Einweg-Dose aus
der Region vorzuziehen? Das Aufgreifen,
Austragen und Aushalten entsprechender
Interessenkonflikte kann ein lebensnaher
Aufhänger sein, um mit Jugendlichen über
Fragen nachhaltiger Entwicklung ins Gespräch zu kommen.
Essen mit Kopf, Herz und Hand
Essen ist sinnlich besetzt, und auch Kompetenzen gehen über reines Wissen hinaus.
Emotional-affektiv-sensorische und kognitive Aspekte der Ernährung müssen daher
beide ihren Platz in einer nachhaltigen
Ernährungsbildung finden. Sinnlichkeit
und Sinnesschulungen werden allerdings
noch immer zu wenig beleuchtet, sind aber
unverzichtbar für nachhaltige Bildung. Ziel
einer nachhaltigen Ernährungsbildung, die
nicht lediglich ein Erziehungsprogramm zur
Nachhaltigkeit sein will, muss es sein, unter
Nutzung solch verschiedener Lernkanäle zu
kultureller Selbstreflexion und zum Lernen
übereinander, aneinander, voneinander und
miteinander anzustiften und damit zur Bildung mündiger Persönlichkeit beizutragen.
Daniel Fischer, Marko Junghänel
Der Beitrag basiert auf dem Aufsatz
„Esskulturen und die Interkulturalität von
Ernährung“ von Daniel Fischer. Fischer ist
Mitarbeiter am Institut für Umweltkommunikation (INFU) an der Leuphana Universität
Lüneburg.
2|12
16
Essen und Trinken
Konsumverhalten beeinflusst nicht nur den Füllstand des Kühlschranks
Der Blick über den Tellerrand
Die Jugendorganisation Bund Naturschutz
(JBN) ist der größte Jugendumweltverband
Bayerns und beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema kritischer Konsum. Der Jahresschwerpunkt 2012 der JBN
lautet deshalb nicht zufällig „Landwirtschaft
und Ernährung“. In zahlreichen Projekten
und mit bunten Aktionen sollen Jugendliche
und junge Erwachsene die Problematik der
weltweiten Ernährungssituation beleuchten
und hinterfragen. Darüber hinaus sollen sie
– wie im Januar bei der „Wir-haben-es-satt!“Demo in Berlin bewiesen – aktiv werden. Die
Mitglieder der JBN setzen sich mit der Frage
auseinander, wie sich der Lebensmittelkonsum auf uns selbst und die Welt insgesamt
auswirkt.
Wir produzieren für die Tonne
Im Hinblick auf Nahrungsmittel hat sich
unser Konsumverhalten geändert – besonders stark seit der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts. Inzwischen ist der globale
Lebensmittelmarkt auf eine gigantische
Größe angewachsen, es wird über den tatsächlichen Bedarf hinaus produziert. 20
Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen
etwa 80 Prozent der natürlichen Ressourcen
– das sind vor allem wir in den westlichen
Industrienationen.
Auf dem Weg vom Feld bis zum/zur Verbraucher/in werden unsere Lebensmittel
begutachtet und scheinbar nicht Verwertbares aussortiert. Entsorgt wird alles, was
nicht der Norm entspricht. Die industriMädchen (6) - Frühstück:
Semmel mit Milch
alisierte Landwirtschaft gewinnt weiter
an Bedeutung, Gentechnik und Pestizide
wachsen dazu proportional und Anlagen
zur Massentierhaltung entstehen in allen
Landesteilen neu. Diese Form der Produktion
von Lebensmitteln bewirkt seit Jahren einen
dramatischen Preisverfall für diese Produkte
in ganz Europa. Gleichzeitig heizt man damit
den Konsum weiter an. Das Ergebnis: Im Supermarkt findet sich eine unüberschaubare
2|12
(Selbst-)kritischer Konsum ist der erste Schritt auf dem Weg, ein „Freund der Erde“
zu werden
Fülle preisgünstiger Lebensmittel, die dazu
führen, dass wir meist mehr kaufen, als wir
verzehren können. Der „überschüssige Rest“
landet auf dem Müll. Etwa 50 Prozent der
Lebensmittel in Deutschland werden weggeworfen, obwohl sie eigentlich genießbar sind
– weltweit betrachtet landet ein Drittel aller
Nahrungsmittel im Abfall. Die Menge produzierter Lebensmittel könnte laut Jean Ziegler,
ehemaliger UN Sonderberichterstatter für das
Recht auf Nahrung, 12 Milliarden Menschen
satt machen. Trotzdem müssen nach wie vor
eine Milliarde Menschen hungern.
Verzicht ist der erste Schritt
Es gibt viele Ursachen für diese widersprüchliche und kaum nachvollziehbare SituMädchen (10) - Abendessen:
Brote und Tee
ation. Der entscheidende Grund, auf den wir
zudem selbst Einfluss nehmen können, liegt
in unserem eigenen Konsumverhalten. Dabei
gibt es Möglichkeiten, dieses Verhalten dauerhaft zu verändern. Wichtig ist jedoch, sich
zunächst seinen eigenen täglichen Verbrauch
an Lebensmitteln bewusstzumachen.
Exemplarisch hierfür steht der Verzehr
von Fleisch-, Fleischprodukten und Wurst.
Wir beißen gedankenlos in einen Hamburger,
ohne über die Konsequenzen nachzudenken.
Wurst muss auf die Semmel und Hackfleisch
in die Nudelsoße. Doch unser Fleischkonsum
birgt zahlreiche Umweltprobleme und ist
weit entfernt davon, nachhaltig zu sein. In
Deutschland werden pro Jahr und Person
etwa 80 kg Fleisch verzehrt; weltweit liegt
der Durchschnitt bei knapp 40 kg. Für das
Weltklima ist die Herstellung von Fleisch
jedoch problematisch. Umgerechnet verursacht die Herstellung von einem Kilo Fleisch
etwa 36 Kilogramm Kohlendioxid. Das entspricht einer Autofahrt von 300 Kilometern.
Ein einziges Produkt zieht also Folgen nach
sich, die uns auf den ersten Blick verborgen
bleiben, die wir sogar häufig überhaupt nicht
in Verbindung zu unserem Konsumverhalten
setzen würden.
Für einen nachhaltigen Konsum ist es
daher u. a. von Bedeutung, den eigenen
Fleischkonsum zu reduzieren. Es ist dabei
nicht zwingend erforderlich, die Ernährung
sofort und vollständig auf rein vegetarische
Kost umzustellen. Auch kleine Veränderungen, wie der Verzicht auf das gewohnte Steak
sind ein erster wirksamer Schritt und wirken
nachweislich. Auch Bio-Fleisch, am besten
aus der Region, trägt zu einer positiveren
Klimabilanz bei.
Um tatsächlich nachhaltig zu konsumieren, sollte man grundsätzlich weniger,
sorgfältiger und vorausschauender einkaufen. Regionale, saisonale und ökologisch
angebaute Lebensmittel wirken sich in jedem
Fall förderlich auf die Umwelt aus. Spätestens
Junge (6) - Abendessen:
Suppe mit Brot
bei den Erdbeeren aus Marokko im Januar
sollte man sich (selbst-)kritisch fragen, ob
ein Kauf tatsächlich sinnvoll ist oder ob der
gute Apfel aus heimischem Anbau nicht auch
für ein gutes Geschmackserlebnis sorgt.
Transparenz ist schwer herstellbar
Ein Großteil unserer Nahrungsmittel wird
importiert. Wir haben deshalb kaum einen
vollständigen Überblick darüber, unter welchen Umständen die Produkte hergestellt
werden und schließlich auf unserem Tisch
landen. Bei all diesen Produkten gilt: auf die
Herstellungsbedingungen achten, so gut es
Foto: JBN
Konsum – bei diesem Wort denken
viele an pralle Einkaufstaschen und
einen vollen Kühlschrank. Doch jenseits von reich gedeckten Tischen und
überquellenden Supermarkt-Regalen
besteht eine Welt des Produzierens und
Konsumierens, des globalen Handels
und der Verflechtungen, die sich für
Normalverbraucher/innen häufig nicht
erschließt. Wieso sollten wir auch den
Kauf eines Salatkopfs mit etwas anderem in Verbindung bringen als mit
einem gesunden Abendessen?
Essen und Trinken
geht. Oft werden Obst und Gemüse massiv mit
Chemikalien behandelt, wobei die Arbeiter/
innen meist kaum oder gar nicht geschützt
sind. Die Arbeitsbedingungen in einigen
Erzeugerländern, zum Beispiel bei der Schokoladen- und Kaffeeproduktion, sind nicht
selten menschenunwürdig. Dabei handelt
es sich entweder um Kinderarbeit oder die
Beschäftigten werden schlecht entlohnt. Um
dem entgegenzuwirken, sollte man auf das
Fair-Trade- und/oder das Bio-Siegel achten,
die unter anderem gerechte Arbeitsbedingungen garantieren bzw. in der Produktion
wirklich auf Nachhaltigkeit setzen.
Wir sind uns der Welt bewusst
Die JBN hat hierzu das Projekt „Weltbewusst“ (www.weltbewusst.org) zu Globalisierung und nachhaltigem Konsum von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ins Leben
gerufen. Es wird von der JBN in München für
die ganze Bundesrepublik umgesetzt (Infos
unter www.jbn.de). Das Projekt besteht vor
allem aus kritischen Stadtrundgängen: Quer
durch die Innenstadt werden die Geschäfte
selbst, die eigentlichen Produkte sowie
deren weltweite Herstellungs- und Transportbedingungen unter die Lupe genommen.
Den Teilnehmenden wird erklärt, wie wir als
Verbraucher/innen selbst Einfluss nehmen
17
können, aber auch, wie oft wir von Konzernen
manipuliert werden. „Weltbewusst“ wird bereits in vielen deutschen Städten angeboten.
Die Führungen sind in mehrere Stationen
aufgeteilt. Von Kleidung über Handys und
Papier bis zu Schokolade und Fleisch sind alle
wesentlichen Handelsbranchen berücksichtigt. Ziel des Projekts ist, die Gruppen darüber zu informieren, welche Konsequenzen
ihr tagtäglicher Konsum – lokal und global
betrachtet – hat und welche Alternativen
es dazu gibt.
Prinzipiell liegt es in der Verantwortung
jedes/r einzelnen, wie und was er/sie konsumiert, wie er/sie selbst mit der Umwelt
verfährt und wie er/sie den kommenden
Generationen unseren Planeten hinterlassen will. Es ist schließlich auch eine Frage
sozialer Gerechtigkeit, die sich jede/r im
Zusammenhang mit dem eigenen Konsum
stellen muss – zuhause und weltweit.
Elisabeth Sieber,
Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN)
Kinder- und Jugendtreff Trudering frei.raum ist GUT DRAUF
GUT DRAUF ist eine deutschlandweite
Jugendaktion der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
und zahlreicher regionaler Partner.
Ziel dieser Aktion ist, die gesundheitliche Situation von Jugendlichen im
Alter von 12 bis 18 Jahren nachhaltig
zu verbessern. Im Zentrum steht ein
integriertes Konzept für Ernährung,
Bewegung und Stressregulation.
Das Konzept von GUT DRAUF sieht vor, dass
den Jugendlichen direkt in ihnen wichtigen
Lebens- und Freizeitbereichen – zum Beispiel
im Jugendverband oder im Jugendtreff – attraktive Angebote gemacht werden, die nicht
nur Spaß machen, sondern auch Anstöße
geben, gesunde Ernährung, ausreichende
Bewegung und bewusste Stressregulation
selbstverständlich in das eigene Alltagshandeln aufzunehmen.
Modernes Haus – gesunde Besucher
Der Kinder- und Jugendtreff Trudering
frei.raum war in diesem Zusammenhang
die erste Einrichtung des Kreisjugendring
München-Stadt (KJR), die 2006 mit dem GUTDRAUF-Qualitätssiegel ausgezeichnet werden
konnte. Inzwischen sind zehn Einrichtungen
des KJR zertifiziert.
Vor diesem Hintergrund und im Sinne der
Philosophie eines modernen und sportbewussten Hauses wurde die Ernährung im frei.raum
während der letzten Jahre komplett umgestellt. Christian Lorenz, Leiter der Einrichtung: „Tiefkühlpizza, Spezi und Cola
gibt es bei uns nicht mehr. Wir legen Wert
auf frische und gesunde Lebensmittel. Wir
Bei so vielen Vitaminen auf einen Schlag muss man ja im frei.raum GUT DRAUF sein
bieten frisches Obst, Rohkost und Gemüse,
das die Kinder und Jugendlichen oft schon
wegnaschen, während es noch angerichtet
wird.“ Obst, Mineralwasser und Sirups werden
bei Veranstaltungen kostenlos angeboten.
Für Naschereien, die sich auf Müsli-Riegel,
Schokolade und Gummibärchen beschränken,
muss hingegen bezahlt werden.
„Die Jugendlichen wissen, was es bei uns
gibt, und sind zufrieden. Sie haben sich an
das gesunde Sortiment gewöhnt und greifen
besonders beim Obst kräftig zu“, berichtet
Christian Lorenz. „Neulich stand an der
Theke eine Schüssel Knabberzeug neben dem
Obstteller. Die Apfel- und Birnenschnitze
waren aber tatsächlich begehrter als die
Knabbereien.“
Lorenz betont, dass es nicht nur wichtig
sei, was es zu essen gebe, sondern woher die
Lebensmittel stammten und unter welchen
hygienischen Bedingungen sie auf den Tisch
kommen. Die Einrichtung kauft ihr Fleisch
Foto: © William Berry - Fotolia.com
Wo gesunde Ernährung Programm ist
ausschließlich frisch beim Metzger – Obst
beim Händler, wobei der Schwerpunkt auf
regionalen und saisonalen Produkten liegt.
„Gesunde Ernährung hat auch etwas mit Hygiene zu tun. Unsere Jugendlichen schätzen,
dass es bei uns so sauber ist und das Essen
deshalb noch besser schmeckt.“
Obst und Gemüse
schmecken tatsächlich
Vielfalt und das gemeinsame Essen sind
weitere wichtige Bestandteile der frei.raumErnährungsphilosophie. Knigge-Einmaleins,
Kochkurse, Grillnachmittage und Themenabende (z. B. indisch kochen) sind Beispiele
dafür, wie den Jugendlichen Achtsamkeit
gegenüber gesunden Lebensmitteln vermittelt wird. Wenn dann auch mal Burger
selbst gemacht werden, kommt man damit
auf gesunde Weise dem Bedürfnis nach etwas
Deftigem nach.
Der Mittagstisch variiert zwischen Bio-,
Vollwert-, Fleisch-, Fisch- und vegetarischen
Gerichten. „Klar kommt es schon mal zu
Quengelein, wenn das Essen zu lasch gewürzt
2|12
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Essen und Trinken
ist oder Spinat auf dem Speiseplan steht“,
scherzt Lorenz. Trotzdem ist zu beobachten,
dass die Stammbesucher/innen das gesunde
Ernährungsangebot überwiegend positiv
annehmen und das Sortiment der Einrichtung kennen. Bei neuen Jugendlichen kann
es hingegen vorkommen, dass sie ein ColaMixgetränk an der Theke ordern. Aber sie
lernen schnell, dass es neben Zuckerwasser
und Chips andere schmackhafte Getränke
und Leckereien gibt. Man hört aber leider
Junge (14) - Frühstück: NutellaBrot und Hot-Dog; Pause: MüsliRiegel; Mittag: Fastfood-Burger;
Abendessen: Müsli
noch immer oft, dass zuhause eigentlich nie
Obst gegessen wird. Im frei.raum schmeckt es
ihnen aber gut: „Das ist so erfrischend.“
Wie konsequent die GUT-DRAUF-Philosophie von den Jugendlichen außerhalb des
Kinder- und Jugendtreffs gelebt wird, lässt
sich schwer beurteilen. Eines ist allerdings
sicher: Dass die Heranwachsenden im Haus
gesunde Nahrungsmittel als schmackhafte
Alternative zu Fastfood und minderwertigen
Produkten erleben, ist ein guter Schritt in
Richtung Nachhaltigkeit – genau wie das
ganz überwiegend positive Feedback der
Jugendlichen.
Tanja Wirth, Öffentlichkeitsarbeit, KJR
Gemeinsam einkaufen, zusammen kochen, miteinander essen
„Is heut Kochgruppe?“
An jedem Mittwoch jeweils am frühen
Abend machen wir uns auf die Suche nach
hungrigen und vor allem interessierten Jugendlichen, die gemeinsam kochen wollen.
Lange dauert es meist nicht; bald ist man
von neugierigen Köchinnen und Köchen
umringt und plant wild drauf los. „Ich mag
keinen Fisch.“, „Fleisch muss schon dabei
sein.“, „Wie wäre es mal mit einer Suppe?“,
„Warum Gemüse?“, „Ich esse aber kein
Schwein.“ „Können wir auch eine Nachspeise
machen?“ Wir wälzen Kochbücher, es gilt,
verschiedenste Ansprüche und Wünsche
zusammenzutragen und aufzuarbeiten, um
einen kompromissfähigen Menüvorschlag zu
finden. Der berücksichtigt übrigens auch die
Jahreszeit: Im Winter gibt es bei uns einfach
keine frischen Erdbeeren.
Vitamine – mal offen, mal versteckt
Wenn im Ergebnis ein Gericht entsteht,
das gesund, überraschend anders, nahrhaft und mit saisonalen Produkten gekocht
wurde – schmecken sollte es natürlich auch
allen, dann haben wir gute Arbeit geleistet
und viel Spaß gehabt. Manchmal ist es gar
nicht so einfach, doch die „ungeliebten“
Vitamine kann man auch gut in den Beilagen
Das gemeinsame Essen am Tisch ist wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts.
alle Zutaten, dann bereiten wir alles vor und
die Aufgaben werden verteilt. Den Tisch zu
decken, ist natürlich beliebter, als Zwiebeln
zu schneiden. Jemand, der in der Pfanne
rührt, findet sich schneller als ein paar Hände
zum Abspülen. Irgendwie geht es aber immer
und nach scheinbar endlosem Schnippeln und
Brutzeln sitzen wir in gemütlicher Runde am
Tisch und staunen über unseren Kocherfolg.
Begeisterungsstürme und Lob wechseln
mit Kritik – aber auch das ist normal, denn
„… bei meiner Mama schmeckt es vielleicht
2|12
Eine wunderbare Mahlzeit
und viel Spaß
Ein paar Grundregeln am Tisch gelten für
alle: jede/r probiert alles, die KopfhörerStöpsel kommen raus und beim Essen telefoniert niemand. Selbstverständlich gehört
zum Kochen auch das Aufräumen. Wie man
eine Spülmaschine richtig einräumt, kann
man durchaus lernen. Sogar die Jungs bedienen bei uns eine Spülbürste und erzielen
damit bemerkenswerte Erfolge.
Junge (12) - Frühstück:
Brot mit Käse und Tee
Wir wollen unseren Besucher/inne/n mit
den Kochgruppen die Möglichkeit bieten,
etwas Neues auszuprobieren, Selbstgekochtes zu schmecken, gemeinsam am Tisch zu
essen, Kochfertigkeiten zu erlernen, dabei
vielleicht sogar ein neues Hobby zu entdecken und gemeinsam in der Küche viel Spaß
zu haben.
Mädchen (6) - Abendessen:
Lasagne
oder im Obstsalat verstecken. Meist sind
es übrigens die jüngeren Besucher/innen,
die aufgeschlossener gegenüber gesunden
Lebensmitteln sind.
Vor dem Kochen steht der Einkauf: Eine
Liste wird geschrieben und die Ausgaben
kalkuliert. Die Jugendlichen besorgen allein
eben doch noch ein bisschen besser.“ Doch
darauf kommt es nur in zweiter Linie an.
Erst die Arbeit, dann das
(Ess-)Vergnügen
Jeanette Nölle, FEZI – Kinder- und
Jugendtreff am Wettersteinplatz, KJR
Fotos: Fezi
Kochgruppen im Fezi sind der Hit! Der
großen Nachfrage danach kommen wir
im Kinder- und Jugendtreff am Wettersteinplatz mit drei Kochgruppen
nach. Nach Alter getrennt, brutzeln
am Montag die Teenies, dienstags sind
die Kinder dran und am Mittwochabend
dürfen Jugendliche ab 14 Jahren an
die Töpfe.
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