Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2007/08 Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 27-29, 45-49, 53-54, 56. y, s .y y* IX. Pflichtlektüre: f(k) Außenbeitrag und Kapitalimporte c* (n+δ)k s.f(k) Jarchow, H.-J. (2000), Monetäre Außenwirtschaft I: Monetäre Außenwirtschaft. 5. Aufl. S. 1-32. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 717-730. s.y* k* k 268 • Eine geschlossene Volkswirtschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Interaktion mit anderen Volkswirtschaften aufweist. • Dies beinhaltet insbesondere das Fehlen von Exporten und Importen. • Das beinhaltet das Fehlen von Einkommensströmen (Faktorströmen) über Landesgrenzen hinweg. • Auch fehlen Kapitalströme mit dem Ausland. 270 269 • Für viele makroökonomische Fragestellungen wird vereinfachend die Interaktion mit dem Ausland vernachlässigt. • Empirische Beispiele für geschlossene Volkswirtschaften sind dagegen seltener. • Nordkorea ist ein Beispiel einer geschlossenen Volkswirtschaft. • Daneben ist aber insbesondere die globale Wirtschaft selbst als geschlossene Volkswirtschaft zu verstehen. • Für alle anderen Fälle sind die vielfältigen Ströme von Leistungen und Zahlungen mit dem Ausland zu berücksichtigen. 271 8 • Die Europäische Union ist ein großer und offener Wirtschaftsraum – viele Importe und Exporte von Gütern und Diensten werden getätigt. • Allgemein gilt: je kleiner ein Land, desto mehr ist es auf eine Öffnung angewiesen, um - die notwendigen, vielfältigen Produkte den inländischen Konsumenten bereit zu stellen - sich in der Produktion auf seine besonderen Stärken konzentrieren zu können. • Dies bewirkt, dass große Länder wie die USA relativ wenig Handel treiben, kleine Länder wie Singapur oder Luxemburg dagegen bedeutend mehr. Bevölkerung (log.), 2001 6 4 2 0 -2 -4 -6 0.0 Prozent des BIP 15 Importe 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 Offenheitsgrad: Importe+Exporte rel. zu BIP 272 Die Bedeutung des Außenhandels für die USA 0.5 273 • Die Bedeutung der außenwirtschaftlichen Öffnung hat in den letzten fünf Jahrzehnten deutlich zugenommen. • Weltweit steigt der Handel stärker gestiegen als die Produktion. • Dies ist ein Indikator einer zunehmenden „Globalisierung“ der Weltwirtschaft. 40 10 35 Exporte (% vom BIP), Deutschland, WDI 30 Exporte 5 Importe (% vom BIP), Deutschland, WDI 25 20 1950 1955 1960 1965 1970 1975 2005 2003 2001 1999 1997 1995 1993 1991 1989 1987 1985 1983 1981 1979 1977 1975 1973 274 1980 1985 1990 1995 2000 1971 15 0 275 • Die Exporte setzen sich zusammen aus den Exporten von Gütern und Diensten (X) und den Exporten von Faktorleistungen (FAI). • Faktorleistungen werden exportiert, wenn ein Inländer ein Einkommen im Ausland erzielt, z.B. indem er als Grenzgänger im Ausland arbeitet oder Zins- oder Mieteinnahmen im Ausland erzielt. • Die Importe setzen sich zusammen aus den Importen von Gütern und Diensten (J) und den Importen von Faktorleistungen (FIA). • Inländische Produktionsbetriebe importieren solche Faktorleistungen, indem sie im Ausland wohnende Arbeitskräfte oder Zinsen für ausländisches Kapital bezahlen. 276 • Der Außenbeitrag wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst: - Den Konsumpräferenzen bezüglich inländischer und ausländischer Produkte. - Den Preisen der inländischen und ausländischen Produktion. - Dem Wechselkurs, also dem Preis der ausländischen Währung in Einheiten der inländischen Währung. - Dem Einkommen von Inländern und Ausländern. - Transportkosten. - Handelspolitik und Handelsbeschränkungen. 278 • Beim Auftreten von Netto-Exporten (X>J) erwirtschaftet ein Land einen Überschuss. • Ein Land baut dadurch Nettoforderungen gegenüber dem Ausland auf. • Sind die Importe hingegen größer als die Exporte, so akkumuliert ein Land Schulden oder verliert Vermögensobjekte an das Ausland. • Die jährlichen Überschüsse und/oder Defizite werden in der Handels- und Dienstleistungsbilanz eines Landes erfasst. • Dieser Wert wird auch als „Außenbeitrag“ bezeichnet. 277 • Kapitalexporte kennzeichnen den von Inländern getätigten Kauf ausländischer Vermögensobjekte (z.B. Aktien, Anleihen oder Bauten) oder die Vergabe von Krediten an das Ausland. • Kapitalimporte entsprechen dem Verkauf inländischer Vermögensobjekte an Ausländer oder der Aufnahme von Krediten aus dem Ausland. • Nettokapitalexporte sind Kapitalexporte abzüglich der Kapitalimporte. Sie entsprechen dem Saldo der Kapitalbilanz. • So erhöht ein Kauf von US-Anleihen durch einen EUInländer die Nettokapitalexporte der EU. • Kaufen Japaner Aktien in Deutschland, so verringern 279 sich die Nettokapitalexporte der EU. • Nettokapitalexporte werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst: - Den Realzinsen, welche für ausländische Vermögensobjekte bezahlt werden. - Den Realzinsen, welche für inländische Vermögensobjekte bezahlt werden. - Der erwarteten Entwicklung des Wechselkurses. - Den wahrgenommenen ökonomischen und politischen Risiken einer Anlage von Vermögen im Ausland. - Den politischen Rahmenbedingungen, welche einen Transfer von Vermögen ins Ausland ermöglichen oder behindern. 280 • Der Außenbeitrag und der Saldo der Kapitalbilanz stehen in einem engen Verhältnis zueinander. • Beide Bilanzen sind ein Teil der „Zahlungsbilanz“ eines Landes, also einer Zusammenstellung aller Transaktionen mit dem Ausland. • Ein Land verliert dadurch Vermögen oder akkumuliert Schulden, dass die Importe an Gütern und Diensten größer sind als die Exporte. • Im Gegenzug müssen in gleichem Ausmaß Nettokapitalimporte vorhanden sein. • Diese spezifizieren, in welcher Form Kapital in das Land fließt, als Kredit oder durch den Verkauf von Vermögensobjekten. 281 • Es gilt also, dass die Nettoexporte von Gütern und Diensten (X-J) den Nettokapitalexporten (NKE) entsprechen müssen: X-J =NKE. • Einem Verkauf von Gütern und Diensten an die USA (X-J>0) steht zunächst die Entgegennahme von US-$ gegenüber, also einem Vermögensobjekt (NKE). • Dieses Vermögensobjekt kann getauscht werden gegen andere Vermögensobjekte, oder aber es kann für den Import von Gütern aus den USA verwendet werden. • In jedem Fall behält die obige Gleichung ihre Gültigkeit. • Transaktionen mit dem Ausland sind in der volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu berücksichtigen. • Dort werden folgende Wirtschaftssubjekt als „Inländer“ bezeichnet: - natürliche Personen mit ständigem (mindestens ein Jahr) Wohnsitz im Inland und - alle anderen Wirtschaftssubjekte einschließlich rechtlich unselbständiger Produktionsstätten und Zweigniederlassungen, soweit der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Inland liegt. 282 283 • Daneben können Transferzahlungen stattfinden, also Übertragungen ohne entgeltliche Gegenleistung wie z.B. Entwicklungshilfe, Wiedergutmachungsleistungen, Beiträge an internationale Organisationen (Tr). Flussdiagramm für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit Ausland S 110 Einkommenskonto FI C G Ti-Z 945 700 225 100 Ib 250 Produktionskonto FAI 10 TrIA FIA J´ (netto) 20 300 20 Auslandskonto (aus Sicht des Inlands) 284 Vermögensänderungskonto D 160 X´ 350 KE (netto) 20 285 Aus der Graphik lässt sich das Nettoinlandsprodukt (NIP) zu Marktpreisen herleiten: YnM=C+G+In +X′– J′ YnM=FI+FIA+(Ti–Z) (1065) (Verwendungsseite) (1065) (Verteilungsseite gem. PK) Durch Zusammenfassung ergibt sich gemäß Produktionskonto: FI+FIA+(Ti – Z) = Investitionen 18% C+G+In+X′– Exporte-Importe 4% Konsum 59% Staatskonsum 19% J′. 286 287 Die USA zum Vergleich (1998) Investitionen 16% Staatskonsum 18% ExporteImporte -2 % Werden auf beiden Seiten der oben formulierten Gleichung die netto aus dem Ausland zugeflossenen Primäreinkommen hinzugezählt (FAI-FIA=-13 Mrd €), dann erhält man: FI+FAI+(Ti–Z) = C+G+In+(X’+FAI) – (J’+FIA). Volkseinkommen X J Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen (NNP) Konsum 68 % 288 • Auf der rechten Seite steht in Klammern der Leistungsbilanzsaldo. Dieser entspricht den Kapitalexporten. Das durch Umformung aus dem gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto hergeleitete Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen lässt sich auch aus dem gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto ermitteln. Eine Erfassung aller eingehenden und ausgehenden Buchungen erbringt: FI+FAI+(Ti – Z)=C +G+ S + TrIA. • Die Gleichung bringt zum Ausdruck, dass die heimische Ersparnis entweder in heimische Investitionen fließt oder in Kapitalexporte. • Ein positiver Leistungsbilanzsaldo setzt voraus, dass im Inland mehr gespart als investiert wird. (1055) Es folgt bei Vernachlässigung von Vermögensübertragungen: • Eine Verbesserung der Leistungsbilanz ist nur möglich, wenn die Ersparnis ansteigt oder die Investitionen sinken. C + G + In + (X – J) = C + G + S + TrIA Ù S=In + (X – J – TrIA). 289 290 291 • Die Ersparnis kann somit für inländische Investitionen verwendet oder im Ausland angelegt werden. • Ein hohes Leistungsbilanzdefizit (X-J=NKE<0) impliziert dabei, dass das Ausland für das Inland spart. • Dies könnte Symptom eines Problems sein: Ein Land spart nicht hinreichend, um für die Zukunft gewappnet zu sein. • Als Reaktion auf eine niedrige Sparquote ist es aber zumeist besser, mit hohen Kapitalimporten Investitionen durchzuführen als sinkende Investitionen in Kauf zu nehmen. • Ersparnis und Investitionen lassen sich in einen privaten und einen staatlichen Anteil zerlegen: Spr+ Sst – Inpr – Inst = (X – J – TrIA). • Da gilt Sst – Inst = – BD, folgt Spr – Inpr – BD = (X – J – TrIA) = KE. • Dies illustriert das, was als twin-deficit bezeichnet wird: Ein erhöhtes Budgetdefizit geht bei konstantem Verhalten inländischer Haushalte und Investoren mit Kapitalimporten einher, also einem Saldo in der Leistungsbilanz. 292 • Durch die Berücksichtigung des Auslands verändern sich auch das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto und das Einkommenskonto. • Die Faktorentlohnung im Produktionskonto unterscheidet sich nun von der im Einkommenskonto aufgrund internationaler Faktorströme. • Beide Konten lassen sich nun vollständig darstellen. Gesamtwirtschaftliches Einkommenskonto, Deutschland 2006 Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto, Deutschland 2006 Verwendung Importe Abschreibungen Indir. Steuern ./. Subventionen Faktorentlohnung An Inländer An Ausländer Verwendung Aufkommen 915 Privater Konsum 1349 334 Staatskonsum 425 (Brutto-) Investitionen 410 254 Exporte 1040 1549 172 Quelle: Stat. Bundesamt, Juli 2007, Angaben in Mrd. €, gerundet. 293 Transferzahlungen an das Ausland 38 Privater Konsum 1349 Staatskonsum 425 Ersparnis 200 294 Aufkommen Faktorentlohnung aus dem Inland 1549 Faktorentlohnung aus dem Ausland 198 Indir. Steuern ./. Subventionen 254 Transferzahlungen aus dem Ausland 11 Quelle: Stat. Bundesamt, Juli 2007, Angaben in Mrd. €, gerundet. 295 Exkurs 1: • Das Vermögensänderungskonto weist einen Finanzierungsüberschuss aus, also Kapitalexporte. • Wie wird ein Anstieg der Investitionen in einer offenen Volkswirtschaft mit konstanter Inflation finanziert? Wir können zeigen, dass auch hier alle Investitionen automatisch die zu ihrer Durchführung notwendigen Ersparnisse schaffen. • Wir betrachten einen autonomen Anstieg der Investitionen von der Finanzierungsseite. Gesamtwirtschaftliches Vermögensänderungskonto, Deutschland 2006 Verwendung Aufkommen (Brutto-) Investitionen Ersparnis 410 Abschreibungen Finanzierungsüberschuss 124 Quelle: Stat. Bundesamt, Juli 2007, Angaben in Mrd. €, gerundet. • Es gilt: Spr+Sst – Inpr – Inst = (X – J – TrIA) = KE. • Ferner gilt der folgende Multiplikator: 200 334 dY = 296 • Das verfügbare Einkommen steigt um (1-t)dY. • Damit steigt die private Ersparnis um (1-c)(1-t)dY. • Die Steuereinnahmen steigen um tdY; in diesem Ausmaß steigt also die öffentliche Ersparnis. • Die Importe steigen um m(1-t)dY. In diesem Ausmaß steigt der ausländische Beitrag zur Ersparnis. • Insgesamt steigt die Ersparnis um: dS = ⎡⎣(1 − c )(1 − t ) + t + m (1 − t ) ⎤⎦ dY = ⎡⎣1 − ( c − m )(1 − t ) ⎤⎦ dY , Also genauso stark, wie die Investitionen. 298 1 dI . 1 − ( c − m ) (1 − t ) 297