Kurzbeschreibung des Vorhabens 1. Betreiber Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie (MPI-MP), Am Mühlenberg 1, 14476 Golm. 2. Zweck der Freisetzung Zweck der Freisetzung ist es, durch Freilanduntersuchungen an gentechnisch veränderten Pflanzen zum weiteren Verständnis des Sauerstoffhaushalts in kompakten Pflanzenorganen und seiner Auswirkung auf den Kohlenhydratmetabolismus beizutragen. Dabei sollen Veränderungen des Sauerstoffpartialdrucks und der Stärkegehalte in den Knollen gentechnisch veränderter Kartoffelpflanzen, die im Gewächshaus beobachtet worden sind, bestätigt und ihre Auswirkungen auf die Ertragsbildung geprüft werden. Während der Wachstumsperiode einer Pflanze wird die von der Sonne eingestrahlte Energie zunächst in Form von Kohlenhydraten fixiert. Dieser als Photosynthese bezeichnete Prozess ermöglicht es der Pflanze, unabhängig von durch andere Organismen gespeicherten oder chemisch fixierten Energieformen zu existieren. Pflanzen sind daher autotroph. Während der Photosynthese, die hauptsächlich in den Blättern der Pflanze abläuft, wird von den photosynthetisch aktiven Organen mehr Energie in Form von Kohlenhydraten chemisch gebunden, als diese Organe für ihren eigenen Stoffwechsel benötigen. Diese ‚überschüssigen’ energiereichen Verbindungen werden über Leitungsbahnen aus den photosynthetisch aktiven Organen exportiert und unter anderem in Speicherorgane aufgenommen und gespeichert. Die Speicherung energiereicher Verbindungen erlaubt der Pflanze die Überdauerung von Phasen mit negativen Energiebilanzen, insbesondere Ruheperioden unterirdischer Organe oder Samen während Zeiten mit ungünstigen Umweltbedingungen. Typische Speichersubstanzen mit hohem Energiegehalt sind Fette und Stärke. Diese Speichersubstanzen können von Tieren und Menschen als Stoff- und Energiequelle für den eigenen Stoffwechsel sowie als technische Rohstoffe genutzt werden. Die Pflanzenzüchtung zielt darauf hin, den Anteil dieser Speichersubstanzen an der Gesamtpflanzenmasse zu erhöhen und ihre Eigenschaften im Hinblick auf die geplante Verwendung zu optimieren. Bei der Kartoffel ist die Erhöhung der Stärkemenge ein wesentliches Qualitätsmerkmal in der Züchtung. In gentechnisch veränderten Kartoffelpflanzen, deren Freisetzung geplant ist, wurde eine Veränderung des Stärkegehaltes durch gentechnische Beeinflussung der Transport- und Speichersystem für Sauerstoff herbeigeführt. Wie in tierischen Zellen wird Sauerstoff in allen pflanzlichen Zellen, die keine Photosynthese betreiben können, zur Aufrechterhaltung der Energiegewinnung durch die zelluläre Atmung benötigt. Hierzu zählen alle Zellen, die kein Chlorophyll enthalten, unter anderem die unterirdischen Knollen der Kartoffel. Energieverbrauchende Prozesse in diesen Zellen werden über ein Regulationssystem der Verfügbarkeit energiereicher, reduzierter Verbindungen angepasst. Dieses Regulationsprinzip wird als Redoxregulation bezeichnet. Dieses Redoxregulationssystem verändert die Aktivität des Enzyms ADP-Glucose-Pyrophosphorylase (AGPase), welches den ersten Schritt der Stärkebiosynthese katalisiert und als entscheidende Kontrollstelle des Stärkestoffwechsels funktioniert (Tiessen et al. 2002). Im Gegensatz zu höheren Tieren verfügen Pflanzen über kein Transportsystem für Sauerstoff. Die Gasverteilung erfolgt über Diffusion von Öffnungen in den Abschlussgeweben – Stomata und Lenticellen – durch gasgefüllte Zwischenräume (Interzellularräume) zwischen den Pflanzenzellen zu den Orten des Verbrauchs. In Organen, deren Oberflächen/Volumen-Verhältnis klein ist und die über englumige Interzellularräume verfügen, kann die Sauerstoffversorgung tiefer liegender Organschichten unzureichend sein. Die Sauerstoffversorgung wird dann zum begrenzenden Faktor für die Intensität energieverbrauchender Prozesse, u.a. der Stärkesynthese (Geigenberger et al. 2000). In gentechnisch veränderten Pflanzen wurde versucht, die Sauerstoffversorgung durch Expression des Gens für das pflanzliche Protein Leghämoglobin zu beeinflussen. Dieses pflanzliche Gen stammt aus der Leguminose Lotus japonicus und kodiert für ein Protein, welches den Proteinen ähnlich ist, die den Transport und die Speicherung von Sauerstoff in Wirbeltiergeweben leisten. In Lotus japonicus wird dieses Protein in den Wurzelknöllchen synthetisiert, wo es die Sauerstoffversorgung bei gleichzeitig minimalem Partialdruck an freiem Sauerstoff im Gewebe sicherstellt. Bei Expression des Leghämoglobingens unter einem knollenspezifischen Promotor in Kartoffelpflanzen wurde unter Gewächshausbedingungen eine Erhöhung des Stärkegehaltes in den Knollen beobachtet. Im Feldversuch soll überprüft werden, ob dieser Phänotyp auch unter Feldbedingungen festgestellt werden kann. 3. Kurze Beschreibung der freizusetzenden Organismen Bei den freizusetzenden Organismen handelt es sich ausschließlich um genetisch veränderte Kartoffelpflanzen (Solanum tuberosum L.) der Varietät Désirée. Zur Transformation der Pflanzen wurde der "Agrobacterium-vermittelte Gentransfer" eingesetzt. Bei dieser Art der Übertragung von Erbinformation auf Pflanzen wird die natürliche Fähigkeit des Bodenbakteriums Agrobacterium tumefaciens genutzt, einen bestimmten Bestandteil von Plasmiden, nämlich die sogenannte T-DNA (Transfer-DNA) der Ti-Plasmide, stabil in das Erbgut von Pflanzen einzubauen. Diese stabil eingefügten DNASequenzen werden wie die pflanzeneigene Erbinformation vererbt. Beim Transformationsprozeß werden nur wenige Zellen der Ausgangspflanze transformiert. Um diese Zellen von den übrigen unterscheiden zu können, werden sie mit einem "Marker", zumeist einem Antibiotika-Resistenzgen, transformiert. In Gegenwart des Antibiotikums können nur die transformierten Zellen überleben. Zur Herstellung der Kartoffelpflanzen mit verändertem Sauerstofftransport und Kohlenhydratstoffwechsel wurde das Plasmid ‚B33-LegHg-3´OCS’ verwendet. Dieses Plasmid trägt als Marker das Gen für eine Resistenz gegen das Antibiotikum Kanamycin. Die Expression des Resistenzgens wird durch Nopalin-Synthase Promotor und -Terminator aus Agrobacterium tumefaciens gesteuert. Das Genprodukt des Kanamycin-Resistenzgens, die Neomycinphosphotransferase nptII, ist gut untersucht, es besteht kein Hinweis auf Toxizität. Verschiedene transgene Pflanzen, die das Neomycinphosphotransferase-Gen tragen, wurden von der Food and Drug Administration sowie der Environmental Protection Agency der USA als ohne jegliches Gefährdungspotential eingestuft und sind in den USA in die normale Landwirtschaft integriert. Von der ZKBS (Stellungnahme vom 06.07.99; Az: 6790-10-62) wurde das nptII-Gen in die Gruppe I der Antibiotika-Resistenzgene eingestuft, deren Vorhandensein im Genom transgener Pflanze ohne Bedeutung für die Verbreitung der Resistenzgene in der Umwelt sei. Neben dem Marker-Gen enthält der Vektor die Kodierregion des Leghämoglobingens aus Lotus japonicus. Die Kodierregion befindet sich in „sense“ Orientierung hinter dem Promotor des Patatin-B33-Gens aus Solanum tuberosum, der in Kartoffelpflanzen eine bevorzugte Expression des Gens in Knollen bewirkt. Zur Steuerung der Transkriptionstermination befindet sich die Terminatorsequenz des Octopin-Synthasegens (OCS) aus Agrobacterium tumefaciens am 3´-Ende der jeweiligen Kodierregion. Das Leghämoglobingen aus der Fabaceae (= Leguminose, Schmetterlingsblüter) Lotus japonicus kodiert für ein Protein, welches den Proteinen ähnlich ist, die den Transport und die Speicherung von Sauerstoff in Wirbeltiergeweben leisten. In Lotus japonicus wird dieses Protein in den Wurzelknöllchen synthetisiert. Dort soll das Protein die Sauerstoffversorgung sauerstoffabhängiger Prozesse in einem Gewebe sicherstellen, in dem die freien Sauerstoffkonzentrationen zugunsten des Stickstofffixierungsprozesses sehr niedrig gehalten werden. Bei Expression des Leghämoglobingens in Kartoffeln unter dem Promotor des Patatin-B33-Gens wurden die folgenden Effekte beobachtet. Im Sprossphänotyp sind die Pflanzen von den unveränderten Ausgangslinien der Sorte Désirée nicht unterscheidbar. Die Lentizellen (= mit Korkzellen gefüllte Öffnungen in Abschlussgeweben von Pflanzen, welche dem Gasaustausch dienen) sind bei den Knollen der transgenen Linien größer als bei den Knollen der unveränderten Ausgangslinie. Bei den transgenen Linien wurde in einer Tiefe von 2 mm unter der Knollenschale ein höherer Sauerstoffgehalt als bei den Knollen der unveränderten Ausgangslinie festgestellt. Der Stärkegehalt der Knollen ist bei den transgenen Linien höher als bei den unveränderten Ausgangslinien. 3.1 Ort und Zeitraum der Freisetzung, Größe der Freisetzungsfläche Die Freisetzung soll auf einer ca. 7.7 ha großen, ehemals landwirtschaftlich genutzten Fläche in 14476 Golm, Flur 1, Flurstück-Nr. 955 (ehemals 576, nach der Zusammenlegung: alte Bezeichnung 160/6 tlw., 162/3 tlw., 163/2 tlw., 164/2 tlw., 165/3, 170/3 tlw., 166/2 und 169/3) erfolgen, die vom MPI für Molekulare Pflanzenphysiologie für Feldversuche genutzt wird und in direkter Nachbarschaft des Institutes Am Mühlenberg liegt. Die Freisetzung ist für die Vegetationsperioden der Jahre 2004 – 2008 geplant. Auf der angegebenen Fläche werden bereits weitere Freisetzungsexperimente mit veränderten Kartoffeln durchgeführt (Geschäftszeichen: FB 5-6786-01-102/103). Es wird gewährleistet, dass Kartoffeln nur in einem Umfang angebaut werden, der eine zweijährige Anbaupause auf den jeweiligen Flächen ermöglicht. 3.2 Anzahl der freizusetzenden Organismen Mit dem oben beschriebenen Plasmid wurde eine Kartoffeltransformation durchgeführt und Pflanzen mit erhöhter Expression des Zielgens selektiert. In mehreren Gewächshausversuchen wurden Veränderungen des Stärkegehaltes der Knollen nachgewiesen. Pro Transformation sollen vier unabhängigen Linien zur Freisetzung kommen, die sich in der Menge der Leghämoglobin-RNA unterscheiden. Hieraus ergeben sich graduelle Unterschiede zwischen den veränderten Linien einer Transformation. Es werden pro Jahr und pro Linie bis zu 200 Pflanzen ausgebracht, insgesamt maximal 800 transgene Kartoffelpflanzen pro Jahr. Die Pflanzdichte beträgt maximal fünf Kartoffelpflanzen pro m_. 3.3 Kurze Beschreibung der Versuchsdurchführung Die Kartoffelpflanzen werden entsprechend den in der Landwirtschaft üblichen Methoden angebaut. Die Knollen werden maschinell oder manuell gepflanzt. Sollten einzelne Linien als Stecklinge ausgebracht werden, erfolgt die Pflanzung manuell. Es wird eine Fruchtfolge auf den Flächen eingehalten, die gewährleistet, dass Kartoffeln sowohl aus sicherheitsrelevanten als auch aus phytosanitären Gründen heraus nur alle drei Jahre zum Anbau kommen. Während der auf den Anbau folgenden zwei Jahre können auflaufende Kartoffeln, die während der Ernte nicht beseitigt wurden, erkannt und beseitigt werden. Bis zur Grenze des Versuchsgeländes wird ein Abstand von mindestens 20 m eingehalten. Um eine erfolgreiche Durchführung des Versuchs zu sichern und auswertbare Ergebnisse zu erhalten, werden phytosanitäre Maßnahmen durchgeführt, die maximale Ernteerträge gewährleisten. Bei Trockenheit in der Vegetationsperiode wird eine Bewässerung der Fläche vorgenommen. Da die transgenen Test- und die Kontrollpflanzen im Verlauf des Versuchs zur Blüte kommen, ist ein Ansatz von Beeren möglich. Die Sorte Desireé ist zur Bildung keimfähiger Samen fähig. Da die Pflanzen vor dem Abreifen mit dem Kartoffelkrautschläger oder chemisch abgetötet werden, ist die Bildung keimfähiger Samen weitestgehend ausgeschlossen. Darüber hinaus bleibt das Kartoffelkraut nach Beendigung des Versuchs zur Verrottung auf den Freilandflächen liegen. Die Ernte der Kartoffelknollen erfolgt maschinell oder manuell. Sofern Knollen im Acker verbleiben sollten, ist eine Überwinterung dennoch wenig wahrscheinlich. In der folgenden Vegetationsperiode folgt entweder Brache oder Anbau einer Pflanzenart, die die Überwachung evtl. auflaufender Kartoffelpflanzen erlaubt. Auflaufende Durchwuchskartoffelpflanzen werden vernichtet. Die geernteten Knollen der transgenen Pflanzen werden in eine gentechnische Anlage überführt, nicht mehr benötigtes Knollenmaterial wird vernichtet. 3.4 Zusammenfassung der Risikobewertung Die Kartoffel wird in Europa seit 1570 angebaut und hat in dieser Zeit keine Tendenz zur Verwilderung gezeigt. Nach milden Wintern ohne längere Frostperiode können Kartoffelknollen im Boden überwintern und in den nachfolgenden Kulturen als Unkraut auflaufen. Die Pflanze ist jedoch in Europa nicht in der Lage, sich außerhalb der landwirtschaftlichen Anbaufläche zu etablieren. Studien zur Überlebensfähigkeit nicht veränderter und solcher Kartoffellinien, die durch gentechnische Veränderung Resistenz gegen das Antibiotikum Kanamycin erworben haben, zeigen, dass die gentechnische Veränderung keinen Selektionsvorteil verschafft, der die Kolonisierungskapazität des GVO gegenüber dem Wildtyp ändert (Crawley et al., 1991). Die gentechnisch veränderten Kartoffelpflanzen, die das Leghämoglobingen in den Knollen exprimieren, waren der unveränderten Ausgangslinie unter Gewächshausbedingungen hinsichtlich Spross-, Wurzelund Knollenwachstum nicht erkennbar überlegen. Dies gilt sowohl für Kulturen unter klimakontrollierten Bedingungen als auch für Pflanzen, die im Foliengewächshaus unter Klimabedingungen kultiviert wurden, die dem Freiland sehr ähnlich sind. Eine erhöhte Invasivität oder Konkurrenzfähigkeit gegenüber Wildpflanzen ist bei den transgenen Pflanzen im Vergleich zum Wildtyp nicht zu erwarten. Bei den gentechnisch veränderten Kartoffelpflanzen, die das Leghämoglobingen exprimieren, wird angenommen, dass die Redoxregulation der Stärkesynthese in den Knollen durch das Leghämoglobinprotein beeinflusst wird. Redoxregulation hat einen Einfluss auf zahlreiche Prozesse in der Pflanze. Es wird postuliert, dass Redoxregulation am Erwerb der Frosttoleranz im Rahmen der Frosthärtung u. a. bei frosttoleranten Wildkartoffel-Arten beteiligt ist (Kocsy et al 2001, Seppanen & Coleman 2003). Bei den im Freisetzungsversuch verwendeten Kulturkartoffeln der Art Solanum tuberosum ssp. tuberosum sind jedoch im Gegensatz zu den Wildkartoffelarten die Zielgene, die zum Erwerb der Frosttoleranz im Rahmen der Härtung exprimiert werden müssen, nicht vorhanden. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Beeinflussung des Redoxregulationssystems in den gentechnisch veränderten Kartoffeln zu einer Beeinflussung der Frosttoleranz führt. Eine Auswirkung der Expression des Leghämoglobingens auf den Schädlings- und Krankheitsbefall kann nicht ausgeschlossen werden. Die erhöhten Stärkegehalte der gentechnisch veränderten Leghämoglobin-Kartoffeln könnten zu einer veränderten Nahrungsqualität für Schädlinge und Pathogene der Kartoffelknolle führen. In bisherigen Feldversuchen mit gentechnisch veränderten Kartoffeln, die sich von der Ausgangslinie im Stärkegehalt unterschieden, wurde dies jedoch nicht beobachtet. Ferner können über die RedoxRegulationssysteme weitere Stoffwechselprozesse verändert werden, die eine veränderte Attraktivität der Kartoffel für Schädlinge und Pathogene zur Folge haben. Unter den Bedingungen des Gewächshauses und des Foliengewächshauses wurde keine Veränderung des Schädlings- und Pathogenbefalls bei den gentechnisch veränderten LeghämoglobinKartoffeln relativ zur unveränderten Ausgangslinie festgestellt. Ein erhöhter Pestizideinsatz im Feldversuch ist nicht vorgesehen. Eine Veränderung der transgenen Kartoffelpflanzen gegenüber den nicht genetisch veränderten Kartoffelpflanzen in bezug auf mögliche toxische oder gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe ist nicht zu erwarten, da die auf dem Plasmid enthaltenen Gene bzw. deren Genprodukte kein entsprechendes Potential besitzen. Leghämoglobin ist in den Knöllchen wild vorkommender Fabaceaen (Lotus-, Melilotus-, Medicago- und Trifolium-Arten) sowie landwirtschaftlich genutzter Fabaceaen (Luzerne, Weißklee) vorhanden und gelangt beim Abbau der Knöllchen nach dem Absterben der Pflanze in den Boden. Nachteilige Effekte auf Bodenleben oder unterirdische Fraßschädlinge sind daher nicht zu erwarten. In den Ernteprodukten landwirtschaftlicher Nutzpflanzen sind die leghämoglobinhaltigen Wurzelknöllchen nicht enthalten. In den gentechnisch veränderten Leghämoglobin-Kartoffeln ist das Leghämoglobin hingegen im Ernteprodukt enthalten. Direkte toxische Wirkungen des Leghämoglobins sind nicht bekannt. Pflanzen produzieren im Verlauf des Sekundärmetabolismus zahlreiche Inhaltsstoffe, die toxische oder mutagene Wirkungen entfalten können. Solanaceen enthalten das Alkaloid Solanidin und die daraus abgeleiteten Glycoalkaloide α−Chaconin und α−Solanin. Infolge der postulierten Beeinflussung des pflanzlichen Stoffwechsels über die Redoxregulationssysteme ist es möglich, dass die Leghämoglobin-Kartoffeln in den Knollen einen veränderten Gehalt dieser toxischen Alkaloide der Kartoffelpflanze aufweisen. Über eine Interaktion zwischen der Expression des Transgens und der Bildung kartoffeleigener Toxine liegen keine Daten vor. Es wird jedoch nicht erwartet, dass der Alkaloidgehalt der Knollen über dem von ergrünten Knollen liegt. Ferner liegt das Feld auf einem umzäunten Versuchsgelände, so dass der Verzehr der Knollen durch größere Wildtiere oder den Menschen so gut wie ausgeschlossen ist. Damit ergibt sich aus dem Anbau der Kartoffeln, die mit dem Leghämoglobingen transformiert sind, voraussichtlich keine Gefährdung des Menschen und der Umwelt. Kartoffel ist hauptsächlich windbestäubt und sowohl selbst- als auch fremdbefruchtend. Viele Linien zeigen eine geringe Fertilität bzw. sind steril. Die Vermehrung von Kartoffel erfolgt daher in der Regel vegetativ über die Knollen. Insbesondere in der Züchtung kann jedoch auch eine sexuelle Reproduktion herbeigeführt werden. Die Reichweite des Pollens von Kartoffel beträgt weniger als 20 Meter (Dale et al, 1992). Daher ist auch bei einer erhöhten Pollenproduktion, etwa bei vermehrter Blütenbildung, kein erhöhtes Risikopotential zu erwarten. Durch Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von 20 m zur Grenze der Versuchsfläche wird daher eine Pollenübertragung auf Kartoffelfelder außerhalb des Versuchsgeländes vermieden. Eine Übertragung von Fremdgenen auf mit Kartoffel kreuzbare Wildarten ist in den Ursprungsgebieten der Kartoffel (Bolivien, Peru) möglich. Die in unseren Breiten vorkommenden Wildspezies Solanum dulcamara (Bittersüßer Nachtschatten) und Solanum nigrum (Schwarzer Nachtschatten) bilden mit Solanum tuberosum keine lebensfähigen Hybride (Dale et al., 1992). Eine Übertragung in Pflanzen eingeführter Gene auf Organismen anderer Reiche, insbesondere auf Bodenmikroorganismen kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber unwahrscheinlich. Das Leghämoglobingen ist in Pflanzen, die in Mitteleuropa angebaut werden und wild vorkommen, vorhanden und gelangt an den Standorten dieser Pflanzen in den Boden. Durch den Anbau der Leghämoglobin-Kartoffeln wird diese Situation nicht wesentlich verändert. Für das nptII-Gen ist die Wahrscheinlichkeit einer Genübertragung von der Pflanze auf Bodenbakterien klein gegenüber der Wahrscheinlichkeit der Übertragung von bereits vorhandenen resistenten Bodenbakterien zu nicht resistenten Bodenbakterien. Das ausserhalb der T-DNA gelegende aadA-Gen (innerhalb des Tn7-transposons) verleiht Resistenz gegen die Antibiotika Streptomycin und Spectinomycin (Fling et al. 1985). Dieses Gen ist fast identisch zum aadA(Strep/SpecR)-Gen aus dem Escherichia coli-Plasmid R538-1 und weit verbreitet in Gram-negativen und –postiven Bakterien (Fling et al. 1985). Das aadAGen aus R538-1 wurde von der ZKBS (AZ: 6790-10-62) in die Gruppe II der ‚Antibiotika_Resistenzgene eingestuft, die (a) in Mikroorganismen verbreitet sind und (b) deren relevante Antibiotika nur noch in Teilbereichen der Human- bzw. Veterinärmedizin therapeutische Anwendung finden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass – wenn überhaupt – das Vorhandensein dieser Antibiotika-Resistenzgene im Genom transgener Pflanzen nur sehr geringe Auswirkungen auf die Verbreitung dieser AntibiotikaResistenzgene in der Umwelt zur Folge hat.’ Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Anwesenheit des Gens in den gentechnisch veränderten Kartoffelpflanzen zu keiner signifikanten Erhöhung der Gesamtfrequenz dieses Resistenzgens bei Mikroorganismen führen wird. Das ausserhalb der T-DNA gelegene tetA Gen kodiert ein Membranprotein, welches Antibiotika der Tetracylin-Gruppe aus der Zelle ausschleust und so die Zelle resistent gegen diese Antibiotika macht. Tetracycline haben ein breites Wirkungsspektrum und werden in der Humanmedizin gegen eine große Zahl bedeutender Krankheitserreger eingesetzt. Die ZKBS hat daher das tetA-Gen in die Gruppe III der Antibiotika-Resistenzgene eingestuft, deren relevante Antibiotika in der Humanmedizin von therapeutischer Bedeutung sind, und deshalb im Genom transgener Pflanzen – einem hohen Maß an Vorsorge folgend –vermieden werden sollten.’ (Stellungnahme der ZKBS vom 06.07.1999, Az.: 6790-10-62). Eine Integration des tetA-Gen in das pflanzliche Genom ist möglich. Alle zur Freisetzung beantragten GVOs sollen nur auf einer begrenzten Fläche für einen sehr begrenzten Zeitraum ausschließlich zu Forschungszwecken freigesetzt werden. Eine Verwendung der Pflanzen als Tierfutter oder menschliche Nahrung ist ausgeschlossen, ein In-Verkehrbringen ist nicht vorgesehen. Das tetA -Gen ist in Pflanzen nicht aktiv. Das Freilandexperiment wird durch den Projektleiter überwacht. Am Standort ist eine regelmäßige und fachkundige Betreuung unter der Verantwortung des Projektleiters gewährleistet. Die Erfassung unerwarteter Ereignisse wird durch regelmäßige Beobachtung des Versuchsfeldes gesichert. Bei Eintreten unvorhergesehener Entwicklungen kann der Versuch jederzeit durch eine Vernichtung der Pflanzen abgebrochen werden. Hierzu eignen sich bewährte pflanzenbauliche Maßnahmen. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass der Freilandversuch mit ökologischen Risiken behaftet ist.