Praxis & Versorgung Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen? Kosten eines Zivilprozess können nur dann als „zwangsläufig“ von der Steuer abgesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren Aufwendungen eines Steuerpflichtigen können als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen sein. Außergewöhnliche Belastungen sind größere Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen und die höher liegen als bei der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes. Zwangsläufig sind Aufwendungen, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Das Finanzamt erkannte die Anwaltskosten des Steuerpflichtigen nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Die hiergegen erhobene Klage des Steuerpflichtigen vor dem Finanzgericht Münster war erfolgreich. Der Bundesfinanzhof hat zunächst in seiner langjährigen Rechtsprechung grundsätzlich die Zwangsläufigkeit bei den Kosten eines Zivilprozesses verneint. Nur ausnahmsweise war nach der Rechtsprechung die Zwangsläufigkeit gegeben, wenn der Zivilprozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich des menschlichen Lebens berührte. Diese Rechtsprechung hatte der Bundesfinanzhof zwischenzeitlich aufgegeben und die Zwangsläufigkeit bejaht, wenn der Zivilprozess hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Nun hat der Bundesfinanzhof seine Rechtsansicht erneut geändert, ist zu seiner alten Rechtsprechung zurückgekehrt und hat die Revision des Steuerpflichtigen abgewiesen, so dass die Anwaltskosten des Steuerpflichtigen sich nicht steuermindernd ausgewirkt haben. 12 | 2016 Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind existenzielle Bereiche oder der Kernbereich des menschlichen Lebens berührt, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. In diesem Fall können die Kosten zwangsläufig sein, sodass der Steuerpflichtige aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gezwungen ist, einen Zivilprozess zu führen, auch wenn die Erfolgsaussichten des Rechtstreits unsicher sind. Im vorliegenden Rechtsstreit sah der Bundesfinanzhof zwar eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gegeben, aber nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen berührt, sodass keine außergewöhnliche Belastung vorlag. Bei Scheidungsverfahren hat der Bundesfinanzhof in der Vergangenheit die Kosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich als zwangsläufig anerkannt. Die darüber hinaus gehenden Kosten, die außerhalb des gerichtlichen Zwangsverbundes oder außergerichtlich entstehen, waren nicht als außergewöhnliche Kosten abziehbar. In weiteren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof erklärt, dass er diese Rechtsansicht zumindest für die Rechtslage bis 2012 fortführt. Dem Bundesfinanzhof liegen zahlreiche Verfahren für den Zeitraum nach 2012 vor. Eine Entscheidung bleibt daher abzuwarten und entsprechende Steuerbescheide für die Jahre ab 2013 sollten offen gehalten werden. Dr. Jörg Schade, Dipl.-Kfm., Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und Jürgen Tobergte, Steuerberater, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, beide BUST-Steuerberatungsgesellschaft mbH, Hannover 49 Foto: creative collection Ein Steuerpflichtiger machte in seiner Einkommensteuererklärung Anwaltsgebühren für einen Zivilprozess in Höhe von ca. 6.250 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Ehe des Steuerpflichtigen war rechtskräftig geschieden. Beide waren Eigentümer eines Zweifamilienhauses. In einem Zivilrechtsstreit begehrte der Steuerpflichtige, dass seine geschiedene Frau sich an bestimmten Kosten beteilige, die nach Auszug der gemeinsamen Kinder entstanden waren. In der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht schlossen die Parteien einen Vergleich, insbesondere hinsichtlich der Nutzungsentschädigung, der Darlehensverbindlichkeiten und der Übernahme des Miteigentumsanteils durch die geschiedene Frau.