handbuch der urologie

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HANDBUCH
DER UROLOGIE
BEARBEITET VON
R. BACHRACH -WIEN • V. BLUM -WIEN· H. BOEMINGHAUS -HALLE A.S.. H. BROTT-HAMBURG
L. CASPER-BERLlN • TH. COHN-KöNIGSBERG I. PR. • F. COLMERS·MONCHEN • H. FLöRCKENFRANKFURT A. M.• P.FRANGENHE}M-KÖLN A.RH.· R.FREISE-BERLlN· H.GEBELE-MONCHEN
G. GOTTSTEIN-BRESLAU . G. B. GRUBBR-INNSBRUCK . TH. HEYNEMANN-HAMBURG • H. HOLTHUSEN-HAMBURG . R. HOTTINGER-ZQRICH • P. JANSSEN-DOSSELDORF . W.ISRAEL-BERLlN
E. JOSEPH-BERLIN . P. JUNGMANN-BERLIN . W. LATZKO-WIEN • A. LEWIN-BERLIN . A. v. L1CHTENBERG - BERLIN . TH. MESSERSCHMIDT - HANNOVER • E. MEYER - KöNIGSBERG I. PR.
FR.NECKER-WIEN . F OEHLECKER-HAMBURG . R.PASCHKIS-WIEN· E.PFISTERt-DRESDEN
ED. PFLAUMER-ERLANGEN . H. G. PLESCHNER-WIEN . C. POSNER·BERLIN • A. RENNERALTONA· P.F.RICHTER-BERLlN ·O.RINGLEB·BERLlN· E.ROEDELlUS-HAMBURG· P.ROSENSTEIN-BERLIN • H. RUBRITIUS-WIEN· O. RUMPEL· BERLIN • C.R.SCHLAYER-BERLIN
P. SCHNEIDER-DARMSTADT • O. SCHWARZ-WIEN TH. SCHWARZWALD-WIEN· R. SEYDERHELM-FRANKFURT A. M.. R. SIEBECK-BONN . F. SUTER-BASEL • F. VOELCKER-HALLE A. S.
H. WALTHARD-BERN • E. WEHNER-KÖLN A. RH.· H. WILDBOLZ-BERN
HERAUSGEGEBEN VON
A.. v. LICHTENBERG . F. VOELCKER
BERLIN
H. WILDBOLZ
HALLE A. S.
BERN
DRITTER BAND
SPEZIELLE UROLOGIE I
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1928
SPEZIELLE UROLOGIE
ERSTER TEIL
SPEZIELLE PATHOLOGIE UND THERAPIE
DER MISSBILDUNGEN· VERLETZUNGEN
DER HARN= UND GESCHLECHTSORGANE
STÖRUNGEN DER BLASENFUNKTION
NEPHRITIS· EKLAMPSIE· ENTZÜNDLICHE
ERKRANKUNGEN DER HARN- UND
GESCHLECHTSORGANE
BEARBEITET VON
TH. COHN . P. FRANGENHEIM . H. GEBELE . G. B. GRUBER
TH. HEYNEMANN· A. LEWIN· E. MEYER . F. NECKER
H. G. PLESCHNER . F. OEHLECKER . P. SCHNEIDER
R. SIEBECK . F. SUTER
MIT 434 ZUM TEIL FARBIGEN
ABBILDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1928
ISBN 978-3-642-51232-2
ISBN 978-3-642-51351-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-51351-0
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER OBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1928 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
SOFl'COVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1928
Inhaltsverzeichnis.
Entwicklungsstörungen der Nieren, Harnleiter und der Harnblase.
Von Professor Dr. G. B. GRuBER-Innsbruck. Mit 102 Abbildungen
Entwicklungsgeschichtliche Vorbemerkungen .
Entwicklung des Nierenbeckens und der Niere
Bildung der Harnleiter und der Harnblase . .
Stoffeinteilung . . . . . . . . . . . . . . .
1. Störungen des geweblichen Aufbaues der Nieren.
2. Störungen der Nierenform . . . . . . . . . .
A. Formabweichungen der einzelnen Nieren
.
B. Formabweichungen der verschmolzenen Nieren .
a) Bilaterale, symmetrische Verschmelzungsnieren. . .
b) Unilaterale, unsymmetrische Verschmelzungsnieren .
3. Störungen der Nierenlage
..................
Formale Genese der Nierendystopie und der Nierenverschmelzung
4. Störungen der Nierenzahl und Nierengröße . . . . . . . . . . .
5. Störungen der Harnleiterform . . . . . . . . . . . . .
6. Störungen der Harnleiterzahl und des Harnleiterverlaufes
7. Störungen der Lage der Harnleitermündungen
8. Störungen der Harnleiterlichtung . . . . . . .
9. Störungen der Harnblasen-Anlage und -Lage .
10. Störungen der Harnblasen-Form und -Lichtung
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Mißbildungen der männliehen Geschlechtsorgane. Anatomiseher Teil.
Von Professor Dr. P. SOHNEIDER-Darmstadt. Mit 36 Abbildungen.
A. Die Mißbildungen der männlichen Keimdrüse
1. Der Keimdrüsenmangel
.......
a) Doppelseitiger Keimdrüsenmangel . .
b) Einseitiger, spontaner Hodenmangel .
2. Die Kümmerformen der Hoden
3. Die Überzahl von Hoden
4. Die Hodenverschmelzung
5. Die Lageanomalien
I. Die Hodenretentionen
a) Retentio inguinalis
b) Retentio abdominalis
H. Die Hodenaberrationen (Dystopien) .
a) Dystopia testis perinealis .
b) Dystopia testis transversa
B. Die Mißbildungen der Samenwege .
1. Urogenitale Kombinationsmißbildungen .
2. Die Mißbildungen des Nebenhodens . .
3. Die Mißbildungen des Samenleiters
4. Die Mißbildungen der Samenblase . . .
a) Der angeborene Samenblasenmangel .
b) Die Samenblasenunterentwicklung . . . . . .
c) Die Samenblasen-Harnleiterkommunikationen.
d) Die Verdoppelungen der Samenblasen. . . .
5. Die Mißbildungen des Ductus ejaculatorius . . . . . . . . . . . . . .
Anhang: Mißbildungen aus Persistenz der unteren Abschnitte der Müllergänge
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VI
Inhaltsverzeiohnis.
Seite
C. Die Mißbildungen der äußeren Geschlechtsorgane
1. Die Mißbildungen der Prostata . . .
2. Die Mißbildungen der Cowperdrüsen .
3. Die Mißbildungen der Harnröhre
. . . . . . . .
I. Störungen der Lumenbildung und Gestaltung der Harnröhre
110) Mangel der Harnröhre. . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Angeborene Verschlüsse der Harnröhre . . . . . . . . .
c) Die angeborenen Verengerungen der Harnröhre . . . . .
a) Die glandären Stenosen. . . . . . . . . . . . . . . . . .
ß) Die Falten-, Klappen-, Membran- und Bänderstenosen der hinteren Harnröhre . . . . . . . . . . . .
y) Die selteneren tiefen Urethralstenosen
. . . . . . . ..
Sonstige Calliculusanomalien. . . . . . . . . . . . . . . .
d) Dia angeborenen Erweiterungen der Urethra. . . . . . . . . .
H. Die Verdoppelungen der Harnröhre und die akzessorischen Gänge 110m
Penis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110) Die doppelte Urethra (Kanäle im Dorsum penis) .
b) Die übrigen akzessorischen Gänge 110m Penis . . .
IH. Die abnormen Ausmündungen der Harnröhre.
110) Die Epispadie
. .
b) Die Hypospadie. . . . . . . . . . . . .
a) Die Eichelhypospadie . . . . . . . . .
ß) Die Penishypospadie . . . . . . . . .
y) Die perineale Hypospadie . . . . . . .
IV. Die abnormen EinmÜlldungen in die Harnröhre
Die abnormen Harnröhren-Mastdarmbeziehungen
4. Die Mißbildungen des Penis. . . . . . . . . ... . . . . . . . . . .
I. Mangel, Kümmerformen und angeborene Verunstaltungen des Penis.
11. Die Doppelbildungen des Penis . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anhang: Penisverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IU. Die Mißbildungen und Anomalien der Glans, des Frenulums und Praeputiums
............................
Anhang: Die angeborene Phimose . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Die angeborenen Cysten des Praeputiums, Penis und der Genitoperinealraphe
...........
V. Die Mißbildungen des Scrotums
Literatur
Klinik der Mißbildungen der Harn- und Geschlechtsorgane.
Von Professor Dr. P. FRANGENHEIM·Köln a. Rh. Mit 125 Abbildungen.
A. Die Mißbildungen der Harnorgane . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Die Entwicklungsstörungen der Niere . . . . . . . . . . . . . . .
1. Entwicklungsstörungen der geweblichen Zusammensetzung der Nieren
2. Entwicklungsstörungen der Nierenform . . . . . .
a) Formabweichungen der einzelnen Niere . . . . . .
b) Formabweichungen der Verschmelzungsnieren
a) Bilaterale, symmetrische Verschmelzungsnieren . .
ß) Unilaterale (unsymmetrische) Verschmelzungsnieren
3. Entwicklungsstörungen der Nierenlage . . . . . . . .
4. Entwicklungsstörungen der Nierenzahl und Nierengröße
a) Nierenmangel. (Doppelseitige und einseitige Abwesenheit der Nieren.)
b) Nierenkleinheit (Zwergniere) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Nierenüberzahl (Nierenvermehrung) . . . . . . . . . . . . . . .
5. Die Nierenbeckenerweiterung auf Grund von Entwicklungsstörungen der
Harnorgane (die sog. kongenitale Hydronephrose) . . . . . . . . .
6. Entwicklungsstörungen der Harnleiterzahl und des Harnleiterverlaufs
sowie der Lage der Uretermiindungen
7. Entwicklungsstörungen der Harnleiterlichtung
I1. Die Entwicklungsstörungen der Harnblase . .
1. Störungen der Harnblasenanlage und -lage
110) Der offene Urachus
. . . . . . . . .
b) Die Blasenspalte (Ekstrophia vesicae) .
c) Die Doppelblase . . . . . . . . . . . .
2. Störungen der Harnblasenform und ·lichtung
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Inhaltsverzeichnis.
B. Die Mißbildungen der Gesohlechtsorgane . . . . .
I. Die angeborenen Mißbildungen des Hodens. .
1. Angeborene Bildungsanomalien des Hodens.
2. Angeborene Lagerungsanomalien . . . . . .
3. Die Behandlung der Retentio testis . . . .
II. Die angeborenen Mißbildungen des Nebenhodens
III. Die angeborenen Mißbildungen der Samenblasen
IV. Die angeborenen Mißbildungen der Prostata . .
V. Die angeborenen Mißbildungen der Harnröhre. .
1. Der angeborene vollständige Harnröhrendefekt
2. Die angeborene totale und partielle Obliteration
3. Die angeborenen Verengerungen der Harnröhre
a) Die Verengerungen des Orüicium urethrae externum.
b) Die Verengerungen der Fossa navicularis . . . . . .
c) Die Verengerungen der tieferen Abschnitte der Harnröhre
a) Die ringförmigen und cylindrischen Verengerungen
ß) Die falten-, klappen- oder bandförmigen Verengerungen
4. Die angeborenen Erweiterungen der Harnröhre .
5. Die Doppelbildungen
.
6. Die Epispadie. . . . . . . . . .
7. Die Hypospadie. . . . . . . . .
Die Behandlung der weiblichen Hypospadie
VI. Die angeborenen Mißbildungen des Penis
1. Die angeborene Enge der Vorhaut (Phimosis congenita)
Folgeerscheinungen der Phimose. . . . . .
2. Angeborene Kürze des Frenulums
3. Angeborene Kürze des Praeputiums. . . .
4. Angeborene Cysten der Genito-Perinealraphe
VII. Die Mißbildungen der weiblichen Geschlechtsorgane
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verletzungen der Harn- und Geschlechtsorgane. Von Professor Dr. H. GEBELE-München.
Mit 26 Abbildungen
323
I. Verletzungen der Harnblase . . . . . . . . .
323
1. Blasenrupturen
.............
323
2. Verletzungen der Blase mit äußerer Wunde.
327
3. Instrumentelle Verletzungen der Blase
338
4. Verletzungen durch Fremdkörper
339
341
5. Blasenfisteln nach Verletzungen . .
342
11. Verletzungen der Niere . . . . . . .
1. Subcutane Nierenverletzungen . . .
342
2. Die offenen Verletzungen der Niere.
352
III. Verletzungen des Harnleiters . . . . . . . . .
357
1. Subcutane und offene Harnleiterverletzungen
357
2. Operative Harnleiterverletzungen . . . . . . . .
359
3. Verletzungen des Harnleiters durch Instrumente.
361
4. Verletzungen des Harnleiters durch Fremdkörper .
361
5. Urinfisteln nach operativen Harnleiterverletzungen .
362
IV. Verletzungen der Harnröhre . . . . . . . . . . .
363
1. Zerreißungen der Harnröhre . . . . . . . . . .
363
2. Instrumentelle Verletzungen der Harnröhre . . .
366
3. Verletzungen der Harnröhre durch Fremdkörper
368
4. Schnitt-, Stich- und Schußwunden der Harnröhre
369
5. Traumatische Verengerungen der Harnröhre.
372
a) Unblutige Methoden . . . .
374
b) Blutige Methoden . . . . .
378
a) Urethrot{)mia interna . .
378
(1) Urethrotomia externa . .
378
6. Traumatische Harnröhrenfisteln
380
V. Verletzungen des Penis
.
381
381
1. Subcutane Verletzungen. . . .
2. Offene Verletzungen des Penis.
382
VI. Verletzungen des Scrotums
384
VllI
Inhaltsverzeiohnis.
Seite
VII. Verletzungen des Hodens und Samenstranges . . . . .
1. Suboutane Verletzungen. . . . . . . . . . . . . .
2. Offene Verletzungen des Hodens und Samenstranges
VIII. Verletzungen der Prostata und Samenblasen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
385
385
387
387
388
Klinik der Störungen der Harnentleerung. Von Geheimrat Professor Dr. TH. COHNKönigsberg i. Pr.
. . . ..
....... . . . .
Der vermehrte Harndrang, das Oftharnen, Pollakisurie, Pollakiurie
Das Seltenharnen . . . . .
Das Sohwerharnen, Dysurie
Harnstrahlstörung . . . . .
Sohmerz . . . . . . . . . .
Harnverhaltung, Ischuria, Retentio
Plötzliohe Harnverhaltung (Retentio acuta)
Dauernde Harnverhaltung (Retentio chronica)
Das Einnässen, Incontinentia urinae, Enuresis
..
Literatur . . . . . . . . . . . . .
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Klinik der nervösen Störungen der Blase. Von Geheimrat Professor Dr. E. MEYERKönigsberg i. Pr. Mit einer Abbildung
A. Blasenfunktion . . . . . . . . . . .
B. Störungen der Blasenfunktion . . . .
1. Bei organisohen Nervenkrankheiten .
a) Des Gehirns . . . . . . . . .
b) Des Rückenmarks und der peripheren Nerven
0) DilS sympathischen und parasympathischen Nervensystems
2. Bei funktionellen Nervenkrankheiten . . . . . . . . . . . .
Enuresis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Bei psychischen Störungen, einschließlich Hysterie und Epilepsie
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Die BiuGHTSohen Nierenkrankheiten. Von Professor Dr. R. SIEBECK-Bonn.
Mit 6 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Yorbemerkungen über Abgrenzung und Gliederung des Gebietes . .
11. Atiologie der BRIGHTschen Nierenkrankheiten. . . . . . . . . . .
III. Grundlinien der pathologischen Anatomie der BRIGHTschen Nierenkrankheiten . . . . . . . . . . . . . .
1. Die Glomerulonephritis . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Degenerative Prozesse am Parenchym . . . . . . . . . . .
3. Die Nierenerkrankungen bei Veränderungen an den Arterien.
IV. Die krankhaften Erscheinungen (Symptomatologie) . . . . . .
1. Die Ausscheidung von Eiweiß, Zylindern, Epithelzellen und Leukocyten
im Harne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Hämaturie und Hämoglobinurie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Störungen der Anpassungsfähigkeit der Harnsekretion (Oligurie und Anurie,
Polyurie und Hyposthenurie)
...................
a) Die Starre der Harnsekretion bei akuten Nephritiden (Oligurie u. Anurie)
b) Die Starre der Harnsekretion bei chronischem Nierenleiden (Hyposthenurie, Zwangspolyurie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Die Stickstoffretention
......................
5. Störungen in der Ausscheidung der Elektrolyte und im Ionengleichgewichte,
besonders im Säure-Basengleichgewichte des Blutes
6. Die Wassersucht . . . . . . .
7. Die Erscheinungen am Kreislaufe. .
8. Die urämischen Erscheinungen . . .
V. Die klinischen Krankheitsbilder . . . .
I. Akute, infektiöse Nierenerkrankungen
2. Akute Nierenerkrankungen bei Vergiftungen
Die chronischen Formen des Morbus Brightii
Einfache, symptomarme KrankheitsbilderHypertonische Krankheitsbilder. . . .
Hydropische Krankheitsbilder
Krankheitsbilder mit Niereninsuffizienz
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50!!
Inhaltsverzeichnis.
IX
Seite
VI. Die Krankenbeurteilung . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512
1. Die Unterscheidung der verschiedenen Krankheitsformen (Differentialdiagnose) . . . . . . : . . . . . . . . . . . . . .
513
2. Die Beurteilung des einzelnen Kranken . . . . . .
520
VII. Die Krankenbehandlung . . . . . . . . . . . . . .
528
528
1. Die Behandlung bei akuten Nierenerkrankungen . .
536
2. Die Behandlung bei chronischen Nierenerkrankungen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
544
Chirurgische Behandlung der "Nephritis" (Glomerulonephritis, Nephrose und Nephrosklerose). Von Professor Dr. F. OEHLEOKER-Hamburg. Mit 7 Abbildungen.
A. Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die eitrige Nierenentzündung (Nephritis apostematoSa)
I. Nephritis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Akute Glomerulonephritis. . . . . . . . . . . . . . . .
2. Chronische Glomerulonephritis. (Sekundäre Schrumpfniere). . . . .
3. Die sogenannte Nephritis haemorrhagica und die sogenannte Nephritis
dolorosa oder Koliknephritis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
................
4. Herdförmige Glomerulonephritis
5. (Akute) interstitielle Nephritis. . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Eitrige Nephritis (Nephritis apostematosa) . . . . . . . . . . . .
7. Anhang zur Nephritis. Einseitige Nierenblutung aus unbekannter Ursache. . . . . . . . . . . . . . . . . .
11. Nephrosen . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Nephrosen bei Vergiftungen. . . . . . . .
2. Schwangerschaftsnephrose - Eklampsieniere
3. Amyloidnephrose. Lipoidnephrose
III. Nephrosklerosen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . .
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Eklampsie. Von Professor Dr. TB. HEYNEMANN-Hamburg. Mit 6 Abbildungen
..........
1. Pathologische Anatomie
2. Klinische Erscheinungen . . . . . . . . . . .
2. Status eclampticus (präeklamptisches Stadium)
4. Schwangerschaftsnephrose . . . . . . . . .
5. Hydrops gravidarum . . . . . . . . .
6. Rezidivierende Schwangerschaftsnephrose
7. Das Wesen der Eklampsie
8. Diagnose . . . . .
9. Differentialdiagnose
10. Prognose . . . . .
11. Behandlung.
Schluß. . .
Literatur . . .
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NierenabsceJl, Nierenkarbunkel, Peri-Paranephritis. Von Dr. H. G. PLEsCHNER-Wien.
Mit 3 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . .
I. Eitrige Nephritis, Nierenabsceß, Nierenkarbunkel . . .
II. Der Nierenkarbunkel . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Die Entzündungen der Nierenhüllen. Para-Perinephritis
1. Die Perinephritis
2. Die Epinephritis
Literatur . . . .
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653
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670
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Pyelitis, Pyelonephritis und Pyonephrose. Von Dr. F. NEcKER-Wien.
Mit 31 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A. Pyelitis und Pyelonephritis. . . . . . . .
1. Pathologische Anatomie . . . . . . .
2. Geschlecht, Alter und Seitenbeteiligung
690
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700
x
Inhaltsverzeichnis.
3. Bakteriologie . . . . . . .
4. Die Infektionswege zur Niere
a) Die endogene Infektion. .
a) Der hämatogene Infektionsweg . . . . . . . . . .
ß) Der lymphogene Infektionsweg vom Darm zur Niere
b) Die urinogene Infektion . . . . . . . . . . ." . . . .
a) Die intraureteral ascendierende Infektion . . . . . . . . . . . .
ß) Die in den Lymphbahnen der Harnleiterwand aufsteigende Infektion
y) Die per continuita:tem im Schleimhautgewebe selbst fortschreitende
Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Die hämatogene Infektion bei urinogenem Primärherd
c) Direkte Kontaktinfektion . . . . . . . . .
5. Die Verbreitung der Infektion im Nierengewebe
6. Die Begünstigungsfaktoren der Infektion
......
7. Symptome . . . : . .
8. Diagnose. . .
9. Therapie. . .
B. Die Pyonephrose
Literatur . . . . .
Die entzündlichen Krankheiten dcr Harnblase. Von Professor Dr. F. SUTER - Basel.
Mit 25 Abbildungen. .
1. Einleitung: Vorkommen. .
2. Ätiologie . . . . . . . .
3. Die Bakterien der Oystitis.
4. Monoinfektion und Mischinfektion, Florenwechsel
5. Pathogenese . . . . . . . . . .
A. Infektionsweg . . . . . . . .
a) Der urethrogene Infektionsweg
.
b) Der hämatogene Infektionsweg .
c) Der descendierende, nephrogene Infektionsweg
d) Infektion per continuitatem . . . . . . .
13. Prädisposition . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Häufigkeit der verschiedenen Infektionswege . . .
6. Die objektiven Veränderungen der Blase bei der Cystitis
A. Pathologisch-anatomische Veränderungen bei Cystitis
13. Cystoskopische Veränderungen bei der Cystitis .
C. Die Veränderungen der Funktion
7. Die Veränderungen des Urins bei Cystitis. . . . .
8. Objektive Allgemeinsymptome
.........
9. Die subjektiven Symptome der Blasenentzündung.
10. Die Diagnose. . . . . . . . . . . . . . . . .
11. Einteilung und verschiedene Formen der Cystitis
12. Verlauf und Prognose
13. Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A. Prophylaxe der Cystitis . . . . . . . . . .
13. Die verschiedenen therapeutischen Maßnahmen
a) Allgemeine, diätetisch-physikalische Maßnahmen.
b) Örtliche, physikalische Maßnahmen . . . . . .
c) Interne Desinfektionsmittel . . . . . . . . .
d) Die Spülbehandlung der Cystitis. . . . . . .
e) Einspritzungen und Instillationen in die Blase.
f) Symptomatische Mittel . . . . .
g) Verschiedenes. . . . . . . . . . . . . . .
h) Die Verweilsonde . . . . . . . . . . . . . .
i) Die operative Drainage der Blase . . . . . .
k) Andere operative Maßnahmen . . . . . . . .
1) Die Indikationen für die verschiedenen therapeutischen Maßnahmen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis.
XI
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Die entzündlichen Erkrankungen der Bindegewebshüllen der Blase. (Pericystitis,
Paracystitis, die Entzündung des Spatium praevesicale Retzii.)
Von Professor Dr. F. SUTER-Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886
1. Einleitung: .AJ;!.atomisches.
886
2. Pathogenese, Atiologie
887
3. Pathologische Anatomie
889
4. Symptomatologie . . . .
890
5. Diagnose . . . . . . . .
891
892
6. Verschiedene klinische Formen
a) Die Paracystitis . . . . . . . . . . . . . . . .
892
893
b) Die Entzündungen des Spatium praevesicale Retzii
7. Therapie
895
Literatur • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
895
Die entzündlichen Erkrankungen der Harnröhre und ihrer Adnexe.
Von Sanitätsrat Dr. A. LEWIN-Berlin. Mit 66 Abbildungen.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Anhangsgebilde der Harnröhre . . . . . . . . . .
TI. Untersuchungsmethoden der Harnröhre
.........
ITI. Endoskopie der gesunden und kranken männlichen Urethra.
1. Geschichte und Instrumentarium . . . . . . .
2. Untersuchungsmethodik . . . . . . . . . . .
3. Urethroskopie der normalen vorderen Harnröhre
4. Die Urethroskopie der hinteren Harnröhre
5. Endoskopische Therapie . . . . . . . . .
IV. Urethritis gonorrhoica . . . . . . . . . . .
1. Geschichtliches . . . . . . . . . . . . .
2. Bakteriologie und Biologie des Gonokokkus
..........
3. Klinische Einteilung
4. Diagnostik der verschiedenen Formen . . . . . . . .
5. Allgemeine therapeutische und diätetische Maßnahmen.
a) Spezüische Behandlung . . . . . . . . . . . . .
b) Unspezifische Behandlung . . . . . . . . . . . .
6. Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Follikulitis, Perifollikulitis . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Gonorrhoische Erkrankung präputialer und paraurethraler Gänge
...................
7. Feststellung der Heilung
V. Die gonorrhoischen Erkrankungen der männlichen Adnexorgane
1. Cowperitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Prostatitis gonorrhoica . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Spermatocystitis gonorrhoica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Feststellung der Heilung der Adnexerkrankungen. Latenz der Gonorrhöe.
Ehekonsens . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. Die nichtgonorrhoische Urethritis beim Manne
1. Einteilung der nichtgonorrhoischen Urethritiden
a) Urethritiden aus innerer Ursache . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Urethritiden aus äußerer Ursache . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Urethritiden auf venerischer Grundlage, d. h. durch geschlechtliche Übertragung. . . . . . . . . . . . .
2. Diagnose der verschiedenen Formen
3. Prognose . .
4. Therapie. . .
Literatur . . . . .
Namenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Entwicklungsstörungen der Nieren, Harnleiter
und der Harnblase.
Von
GEORG
B. GRUBER-Innsbruck.
Mit 102 Abbildungen.
Entwicklungsgeschichtliche Vorbemerkungen.
Die äußerst verwickelten Umstände, durch welche die Genese des menschlichen Harnapparates ausgezeichnet ist, macht das häufige Vorkommen von
Entwicklungsstörungen dieses Organsystems leicht erklärlich. Bedenkt man,
daß die fraglichen Entwicklungsvorgänge zum Teil innig mit der Differenzierung des Geschlechtsapparates verbunden sind, so sind jene Abweichungen
der Organaushildung hegreülich, welche Harn- und Geschlechtsapparat gemeinsam betreffen. Eine Erklärung des Wesens solcher Mißbildungen läßt die
Kenntnis der Entwicklungsgeschichte schon heute teilweise weitgehend zu.
Von den drei in der Phylogenese auftretenden Nierensystemen , dem
Pronephros (Vorniere), Mesonephro8 (Urniere) und dem Metanephros (Nachniere ) ist für den Menschen nur der letztgenannte als bleibendes Nierensystem
praktisch von Bedeutung. Bei der Entstehung des endgültigen Harnapparates
sind Teile des Urnierensystems bedeutungsvoll, während der Vornierenapparat
außer Betracht bleiben kann und Vornierenreste - etwa als Rudimente von
Vornierenkanälchen - kaum eine pathologische Rolle spielen. Jedenfalls wären
solche Reste nicht caudal vom 1. Thorakalsegment zu bestimmen.
Die Urniere bildet sich in Form kraniocaudal hintereinander liegender,
in ihrer Anordnung den Wirbelsäulensegmenten nicht entsprechender, sondern
zahlreicherer kleiner Wundernetzknäuel, welche von mesodermalem Epithel
hekleidet, ein abführendes Kanälchen zu einem schon in der Vornierenzeit
a,ngelegten kraniocaudal verlaufenden Hohlgang entsenden. Dieser Hohlgang
ist der als "primärer Harnleiter" oder "WOLFFscher Kanal", beim weiblichen
Geschlecht auch als GARTNERscher Gang benannte Urnierengang ; in axialer
Richtung strebt er nach dem Körperende und mündet in die Kloake, d. h_ in
eine nach außen zunächst völlig abgeschlossene Bucht des unteren Rumpfendes,
die als Entstehungsbett von Rectum und Harnblase später noch zu erwähnen ist.
(Über diese Vorgänge findet sich aus der Feder von FELIX eine klare Darstellung
sowohl in dem Handbuch der Entwicklungsgeschichte von KEIBEL und MALL,
als in dem Werk von OSKAR HERTWIG über die vergleichende Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere_) Auch die weiterhin kurz zu besprechenden Einzelheiten der Nierengenese sind dort ausführlich behandelt_ Ebenso kommt die
Studie von KAMPMEIER über die Entwicklungsgeschichte der bleibenden Niere
des Menschen hier in Betracht. (Zeitschr. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 73,
S. 439. 1925.)
Handbuch der Urologie. III.
1
2
GEORG B. GRUBER: Entwicklungsstörungen der Nieren, Harnleiter und der Harnblase.
Die Urniere wird im Bereich der hinteren Leibeshöhlenwand gebildet. Bald wirft sie
sich dort in Form eines kraniocaudal und etwas lateromedial verlaufenden, länglichen
Wulstes a.uf, der durch Einsenkung einer ihrer Längsachse parallel ziehenden mittleren
Rinne in zwei nur am kranialen und am caudalen Ende inniger verbundene Falten getrennt
wird, nämlich in die näher der Körperachse liegende Genital/alte und die mehr nach außen
liegende Urnieren/alte.
Bei der Differenzierung der Urnieren/alte entsteht lateral ein Drüsenabschnitt, medial
aber ein Anteil, in den sich kraniocaudal der sog. MÜLLERsche Gang = der Tubengang einhöhlt. Dadurch, daß der primäre Harnleiter entweder mehr im Drüsenabschnitt oder mehr
im Tubenabschnitt der Urnierenfalte entwickelt wird, kann man schon bei Embryonen
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Abb. 1 und 2. Linke Vornieren- und Uruiereuaulage eiues meuschlichen Embryos von 2,5 nUll
größter Länge und von 23 Ursegmentpaaren, rekonstruiert. (Sammlung Prof. ROB. MEYEH, Berlin.)
Die Vorniere besteht. aus 7 Kanälchen, von denen das vorderst<, (im 9. Ursegment gel€gene) in Rückbildung begriffen ist. Das 2. bis 5. Vornierenkanälchen sind miteinander zu einem Sammelgangverschmolzen, während das 6. nocb frei erscheint. Das 7. Kanälchen setzt sich im freien Endabschnitt
des primären Harnleiters fort.; dieser reicht bis in das unsegmentierte Mesoderm. Im Anschluß
"n das 7. Vornierenkanälchen beginnt der nephrogene Strang. Im Bereich des 13. bis 15. Segment.es
Aimt innerhalb derselbell Urnierenbläschen entwickelt. (Nach FFOLIX in K.;JBFOL-MALL.)
in der Größe von wenigen Millimetern mikroskopisch auf dem topographischen Querschnitt
dieser Gebilde die weibliche oder männliche Entwicklungsrichtung bestimmen. Diese
Urnierenanlage wird durch die jederseits medial von ihr einsetzende Bildung der Nebennieren und des Blastems der bleibenden Niere nach der Seite gedrängt und erleidet Richtungsverschiebungen. Dies gilt wesentlich von den kranialen Abschnitten, während in den
caudalen sich die Urogenitalfalten eina.nder nähern und im Sinne weiblicher Differenzierung
bei gewöhnlichen Verhältnissen miteinander verwachsen, was aber als unregelmäßiges
Vorkommen durch dazwischen getretenen Darm z. B. verhindert werden kann, ein Umstand, dem man das Vorkommen zweier Gebärmutterschläuche zuschreiben mag. Die
Verwachsung beider Urogenitalfalten im caudal gelegenen sagittal gerichteten Abschnitt
ihres Verlaufes bildet den sog. "Genitalstrang", ein frontales Septum im primitiven Becken.
Dieses Septum verschmilzt schließlich mit dem Boden der Leibeshöhle. Bei männlicher
Entwicklungsrichtung des Menschen nähern sich im unteren sagittalen Abschnitt die
Urnierenfalten nicht völlig und verwachsen dann mit der hinteren Blasenwand.
Im Laufe der weiteren Gestaltung der Urnierenfalte kommt an der Umbiegungsstelle vom
kranialen, sagittalen zum mittleren horizontalen Teil eine Verbindung mit der Leibeshöhlenwand seitlich zustande, welche als Urnierenleistenband bezeichnet wird. Die Entstehung
Entwicklung des Nierenbeckens und der Niere.
3
und Topographie dieses Bandes war in letzter Zeit noch viel umstritten; KERMAUNER
und FRANKL ließen es noch vor kurzem eaudal von der Urniere aus Endteilen des sog.
nephrogenen Stranges sich bilden (vgl. ROBERT MEYER: Zentralbl. f. Gynäkol. 1923. Nr. 15).
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A bb. 3. Modell der hiuteren llauehwand 0ines menseblicben l';mbryos von 19,4 mm größter Länge.
(Sammlung Prof. Dr. HOCHSTgTTRR.) Das viscerale Bauebfe!lblatt ist kurz abgeschnitten dargestellt;
man siebt den RcceHsus sup, saeei omcntalis, Die Urogenitalfalte ist bis auf ibr oberes und unteres
Ende in Urnierenfalte unr1 KeimfaIte getrennt. Die Uroierenfalte ist bajonettförmig gestaltet,
wir unterscheiden oberes sagittales. ein horizontales und ein unteres sagittales Stück, eine 1. und
eine 2. Knickungsstelle. An der 1. Kniekungsstellc steht die Urnierenfalte durch die Plica inguinO;lis
mit der vorderen 13auehwlmrl in Verbindung; zwischen den noch horizontal verlaufenden ArterJac
umbilicales befindet sich die Blasenplatte, (Nacb FI~LIX in KEIBEL-MALL.)
Entwicklung des Nierenbeckens und der Niere.
Das ganze Harnausscheidungssystem ist mesodermaler Abkunft, Die Nachniere mit ihrem Nierenbecken und dem Harnleiter entsteht aus zwei einander
entgegen wachsenden Gewebsquellen, nämlich aus dem primären oder Urnierenharnleiter und aus dem metanephrogenen Gewebe.
Der Harnleiter der bleibenden Niere (= Ureter, "KuPFFERscher Kanal")
ist eine röhrenförrnig verlängerte Ausstülpung aus dem Urnierenharnleiter ,
Diese Ausstülpung erfolgt als Knospung am W OLFFschen Kanal nahe dessen
Einmündung in die Kloake, und zwar in dorsaler Richtung. Möglicherweise
ist manchmal diese Ausknospung beim Menschen jederseits nicht einfach,
sondern mehrfach, wie dies Z. B. bei den Vögeln als Regel erscheint (FELIX).
Die Harnleiterknospe biegt dann in kranialer Richtung um und wächst retroperitoneal im Mesenchym gegen das metanephrogene Gewebe hinter der Urniere
hin. Bald differenziert sich das einfache blinde Ende der Hohlknospe zum
primären Nierenbecken um. Es bildet sich zuerst in Form eines plattgedrüekten
kranial geschlossenen Trichters, aus dem ein kranial und caudal gerichtetes
Polröhrchen hervorwächst. Zwischen diesen stülpt sich jederseits ein ebenfalls
blindes Zentralröhrchen aus. So sind die vier ersten Sammelrähren entstanden;
1*
4
GEORG
B.
GRUBER:
Entwicklungsstörungen der Nieren, Harnleiter und der Harnblase.
der sie aufnehmende Trichter ist das primitive Nierenbecken. In gleicher Weise
setzt. sich noch jeweils an den blinden Enden die Sprossung dichotomisch bis zum
5. Fetalmonat fort, so daß Sammelröhren 1. bis 13. Ordnung entstehen; hierbei
werden Sammelröhrchen niederer Ordnung in die Wandung des sich dehnenden
Nierenbeckens mehr oder weniger regelmäßig einbezogen. Beim Menschen
bleiben die Sammelröhren erster Ordnung bestehen, sie werden zu Calices majores,
die Sammelröhren zweiter Ordnung werden zu Calices minoris; die der 3. und
4. Ordnung werden dagegen durch Wandreduktion in die Wand der SammeIröhren zweiter Ordnung aufgenommen. Welchen Einfluß die Variationsmöglichkeit in der frühzeitigen oder späteren Entwicklung des Nierenbeckens und
die Verschiedenheit der Reduktion der ersten, zweiten und dritten Sammelröhrchen-Generationen für die Ausgestaltung einer geräumigen Nierenbeckenhöhle oder für deren schlechte räumliche Bildung, also auf die ganze Form des
definitiven Nierenbeckens hat, ist im Abschnitt über die Störungen der Nierenform an Hand der VON GAzAschen Skizzen näher gekennzeichnet. Als gröbste
Gegensätze dieser Entwicklungsmöglichkeiten werden das ampulläre und das
verästelte Nierenbecken genannt.
Die weitere Nierenentwicklung ist durch ein eigenartiges Gegenspielzwischen
Ureterknospen, bzw. blind vorgestülpten Sammelröhrchen und dem metanephrogenen Gewebsstrang bedingt, jenem mesenchymalen Blastemlager,
welches sich caudal vom Urnierengebiet abgesetzt hat, nachdem wahrscheinlich
zwischen dem mesonephrogenen und metanephrogenen Gebiet noch ein von
SCHREINER gesehenes Zwischenblastem ausgebildet worden ist. Bei nachbarlich enger Beziehung der ausknospenden Ureteranlage mit dem Nierenblastem legen sich die Zellen des mesenchymalen Nierenblastems wie eine
Haube um die blinden Sprossen der Nierenbeckenanlage. Deren Pol-, Zentralund Sammelrohrbildung zerreißen die zuerst einheitliche metanephrogene
Gewebskappe. So bildet jedes aussprossende Ureterbäumchen mit seiner Blastemkappe eine Art Nierenpyramide ; alle Pyramiden schmiegen sich eng nachbarlich aneinander, was aber äußerlich nicht ohne Furchenbildung vor sich geht,
dort wo sich die metanephrogenen Hauben benachbarter Pyramiden treffen.
Dadurch erklärt sich die fetale Lappung der fertigen Niere; daraus erklärt
sich auch, daß gelegentlich in der postfetalen Niere an ehemals eingebuchteten
Stellen der ursprünglich stark gelappten Nierenoberfläche, aber später tief
im Nierengewebe Reste entwicklungsfähigen Blastems sich finden können,
aus denen sich muskuläre und andere Differenzierungsprodukte zu entwickeln
vermögen, deren Anwesenheit im Nierengewebe somit ganz widersinnig erscheinen müßte. Die metanephrogenen Zwischenwände zwischen den Pyramiden
ergeben die BERTINI schen Säulen. Durch fortgesetzte Differenzierung und
Reduktion von Sammelrohrgruppen entstehen sekundäre Pyramiden und
sekundäre BERTINIsche Säulen.
Aus den metanephrogenen SCHREINERschen Blastemhauben bildet sich
sowohl das Parenchym der Niere diesseits der Sammelröhrchen, also ein ganz
spezifisch differenzierter epithelialer Anteil, als auch das Stütz- und Kapselgewebe der Niere. Und zwar geht diese Entwicklung stufenweise vor sich.
Es kommt zur Ausbildung von Harnkanälchen in zahlreichen verschiedenen
Generationen oder Ordnungen. Die letzte Generation ist oft bei dem geburtsreifen Kind noch nicht fertig gebildet. Und man erkennt an Schnitten solcher
Neugeborenennieren die zentral gelegenen Nierenelemente reifer und größer
als die peripher gelegenen. Die epitheliale Ausgestaltung der Harnkanälchen
geht unter Bildung von Epithelbläschen, Epithelinvagination, Krümmung,
Schlängelung und Ausziehung der gebildeten Epithelröhrchen in komplizierter
Weise vor sich, deren Einzelheiten für die Erklärung der makroskopischen
Bildung der Harnleiter und der Harnblase.
5
Nierenmißbildungen nicht wesentlich sind, während das Studium von Gewebsmißbildungen der Niere ihre genaue Kenntnis erheischt. Wichtig ist, daß wir
im metanephrogenen Gewebe die Matrix des sekretorischen Nierenparenchyms
ersehen, und daß im Lauf der ungestörten Entwicklung dies Parenchym sich
jeweils in Form von sog. Schaltstücken der Harnkanälchen an die ureterogenen
Sammelröhren öffnet. Unterbleibt dieser Anschluß oder bleibt das Harnkanälchen
solide, dann entstehen daraus Mißverhältnisse. KAMPMEIER hat jüngst dargetan, daß die Harnkanälchenanlagen der 1. und 2. Ordnung vielfach, - ob auch
die der 3. Anlage, das blieb unsicher - zurückgebildet werden, ohne sich an
Sammelröhrchen anzuschließen. Daraus erwächst eine gute Erklärungsmöglichkeit für das Vorkommen angeborener Cystchen in den Nieren.
Die endgültige Ausdifferenzierung des Nierenparenchyms ist, wie gesagt, mit
der Geburt nicht immer beendet, sondern läuft dann in den ersten Lebenstagen
bis -wochen noch weiter. Nach neueren Untersuchungen des Amerikaners
DONALD C. ME BANE an 162 normalen und 14 luetischen Feten müßte man
allerdings annehmen, daß die Anwesenheit einer sog. neogenen Wachstumszone
in der Nierenrinde eines Neugeborenen nur der Ausdruck allzufrüher Ausstoßung
des noch nicht reifen Kindes aus dem Mutterleib sei (Americ. journ. of dis. of
childr. VoL 28, 1924). Dagegen erreicht die scheinbare Höherwanderung der
Nieren ihren Stillstand erst im zweiten bis dritten Lebensjahre des Kindes. Dann
steht der untere Nierenpol, wie er soll, über dem Darmbeinkamm. "Scheinbar"
nenne ich diese Höherwanderung, weil in der Tat die kraniale Verlagerung der
Niere vor allem auf einer in caudaler Richtung erfolgenden, dem Längenwachstum dienenden Vorbeischiebung der Regio lumbalis beruht. Zu dieser Zeit
dreht sich auch der Nierenkörper mehr und mehr in seine endgültige Lage.
Öffnete sich zunächst die Nierenpforte mehr nach der ventralen Seite, lag sie
später genau medial, so bleibt sie nun zwischen diesen Richtungen stehen,
nachdem eine Zurückdrehung erfolgte.
Praktisch äußerst bedeutungsvoll ist das besonders durch FELIX zur klaren
Anschauung gebrachte Forschungsergebnis, daß die Niere auf dem Weg ihrer
Verschiebung aus dem kleinen Becken in die Lendengegend nach und nach
an verschiedene Gefäße angeschlossen wird. Sie hat in früherer Zeit offenbar
ihre Anschlußquellen im Gebiet der Art. sacralis media, dann der Art. mesenterica inferior. Bei der Verrückung in kranialer Richtung kommt es zum
Anschluß an Gefäße des arteriellen Netzes von Aortenzweigen, welche der Urniere
zunächst dienen sollten. Die überflüssig gewordenen caudalen Gefäßanschlüsse
veröden, kommen in Wegfall. Es ist bekannt, daß Arterienvariationen schon
im Bereich der normal liegenden Niere oft gegeben sind. Immerhin pflegen
zumeist die arteriellen Zuflußbahnen noch oberhalb der Art. mesenterica inferior
der Aorta zu entspringen. Anders ist es bei den verlagerten Nieren, worauf
in gesondertem Kapitel eingegangen wird. - Die Nierenvenen hängen in ihrer
Entwicklung sehr eng mit der schicksalsreichen Ausbildung der Vena cava
inferior zusammen. Im Fall von angeborenen Nierenverlagerungen spielen
persistierende Venenverhältnisse, welche früheren Entwicklungsstadien entsprochen hätten, sowie geringe Anpassungen an den dauernden dystopen Zustand
eine häufige Rolle.
Bildung der Harnleiter und der Harnblase.
Über die Ausstülpung und das dorsale, bzw. kraniale Vorwachsen der Harnleiter aus dem jeweiligen WOLFFschen Urnierengang ist oben schon berichtet
worden. Es handelt sich weiterhin darum, zu erfahren, wie der Harnleiter jeder
Seite seinen Anschluß an die Harnblase findet und wie das Trigonum vesicae
6
GEORG
B.
GRUBER :
Entwicklungsstörungen der Nieren, Harnleiter und der Harnblase.
zustande kommt. Es soll dieses Geschehnis als eine Einzelerscheinung im Laufe
der Harnblasenentwicklung später behandelt werden.
Eine Beschreibung der Harnblasenbildung hat von der Kloake auszugehen,
welche als Ausgangsstelle für die Gestaltung von Mastdarm, Harnblase, Harnröhre bzw. Sinus urogenitalis gelten
muß.
Die Kloake ist eine vorübergehende Erscheinung, ein Teil der
caudalen Darmanlage, welche gegen
den Nabel durch eine nur epitheliale
Kloakenmembran verschlossen ist.
Sie ist in offener Verbindung mit
dem ventral in den Haftstiel der
Embryonalanlage hinein abgehenden
9
Allantoisgang ; nach rückwärts von
Abb. 4. Menschlicher Embryo mit 7 Ursegmenten.
der Kloakenmembran zieht sich der
1 Rachenmembran. 2 Kraniales Ende der Medullarplatte. 3 Medullarplatte. 4 Primitivknoten. 5 Pri·
Primitivstreifen kranial und dorsal
mitivstreifen. 6 Allantoisgang. 7 Kloake. 8 Kraniale
gegen die Medullaranlage im Canalis
Darmpforte. 8a Caudale Darmpforte. 9 Herz und
Perikardialsack. (Nach DANDEY, aus ; CORNlNG.)
neurentericus und den Primitivknoten hin. In die Kloake münden
seitlich von oben die beiden Urnierengänge (= WOLFFschen Gänge). Die ektodermal-entodermal gebildete Kloakenmembran ist streifenförmig, sie verläuft
vom Ansatz des Haftstieles bis zur Anlage der Schwanzwurzel. Der einheitliche
Kloakenraum wird durch eine jederseitige von oben bis lateral ansetzende, sich
nach unten bogenförmig entgegen wachsende
frontale Scheidewand in einen mehr ventralen
2
/
und einen dorsalen Abschnitt getrennt; der
vordere ist die Anlage der Harnblase und des
Sinus urogenitalis, der hintere die Anlage des
Mastdarms, die Scheidewand das Septum
urorectale. Schließlich stößt dieses Septum
auf die Kloakenmembran, welche dadurch
in eine Membrana urogenitalis und in eine
Membrana analis getrennt wird.
Vor der Kloakenhaut hat sich unter mesodermaler Einwachsung von oben und der
Seite her gegen die epitheliale Membrana
cloacalis hin vorstrebend der Geschlechtshöcker (Kloakenhöcker) am vordersten (ventralen) Ende des Primitivstreifens angelegt.
Abb. 5. Trennung des Sinus urogenitalis
vom Rectum bei einem menschlichen
Durch diese mesodermale Einwachsung wird
Embryo von 6,5 mrn Länge. 1 Urachus.
2 Vesica urinaria. 3 Recturn. 4 Septum
eine vordere Bauchwand geschaffen, zugleich
urorectale. 5 Dorsaler Kloakenteil (Masteine vordere Wand der Harnblase und des
darm). 6 Ventraler Kloakenteil (Urogenitalsinus). 7WoLFFscherGang. 8 NachSinus urogenitalis. Ohne diese Mesodermeinnierenknospe. (Nach einem Modell von
KEIBEl., aus CORNlNG.)
wucherung würde die Membrana cloacalis als
hinfälliges streifenförmiges Gebilde bis in
den Basisbereich des Nabelstieles reichen, eine Überlegung, die für die Erklärung der sog. Spaltblasen von Bedeutung ist.
Diese Kloakentrennung beginnt schon in den ersten Schwangerschaftswochen.
Im zweiten Monat der Gravidität macht sich bereits eine schärfere Scheidung
zwischen der Harnblase und dem Sinus urogenitalis geltend. Die Grenze zwischen
beiden Abschnitten bildet jene Stelle oder Vorwölbung, welche als MÜLLERscher Hügel (Colliculus seminalis) benannt ist. Dort münden jeweils der
Bildung der Harnleiter und der Harnblase.
7
WOLFFsche Gang, bzw. später beim Weib auch die MÜLLERschen Gänge. Durch
seitliche und kraniale Wandverschiebungen, bzw. durch Ausweitungsvorgänge
wird jeweils das untere Urnieren-Ureterende mit der Ausknospungsstelle des
endgültigen Harnleiters in die hintere Blasenwand hereingezogen.
9
8
6
b
2
5
4
c
Abb. 6 a -co Ent.wicklung des Rectums und der Harnblase. 1 Peritoneum. 2 Uraehus. 3 Mesoderm
der vorderen Bauchwand unterhalb des Nabels. 4 Kloakenmembran, welche im 3. Bild zu einer
Epithelleiste an der Unterfläche des Genitalhöckers wird. 5 Analteil der Kloakenmembran. 6 Schwanzdarm. 7 Septum urorectale. 8 Geuitalhöcker. 9 Mündung der WOJ.FFschen Gänge in den Sinus
urogenitalis. (Schemata nach CORNING. )
Anfangs münden die Urnierengänge seitlich vorne neben der Kloakenmembran; sie werden dann durch Wachstumsvorgänge nach hinten verlagert,
wo sie ganz eng beisammen rückwärts in der Mittellinie auf dem MÜLLERSchen
Hügel ausmünden. Dann wird aber ihr enges Endstück trichterförmig zum
Kloakenhorn jeder Seite erweitert. Unter Einbeziehung der benachbarten
Wandabschnitte der W oLFFschen Gänge geht diese Erweiterung vor sich; dabei
rückt der definitive Harnleiter lateral; im Augenblick wo die Einbeziehung des
Urnierengangendes bis zur Abgangsstelle der Harnleiterknospe gediehen ist,
8
GEORG
B.
GRUBER:
Entwicklungsstörungen der Nieren, Harnleiter und der Harnblase.
liegt die Uretermündung unmittelbar lateral neben derjenigen des WOLFFschen
Ganges. Durch weitere Entwicklungsvorgänge auf Kosten von Wand teilen des
j ederseitigen W oLFFschen Ganges wird eine neue Blasenwandstrecke zwischen
die lateral und kranial sich entfernenden Uretermündungen und die endgültigen
Mündungen der Urnierenleiter geschaltet. Mehr und mehr ergibt sich dabei
eine Dreiecksfigur auf dem Blasengrund, bestimmt durch den MÜLLERschen
Hügel und die Mündungen der Harnleiter, nämlich das Trigonum vesicale
Lieutaudii, das also aus der Wand der Urnierengänge hervorgegangen ist.
Die Harnblase liegt ursprünglich völlig in der vorderen Leibeswand. Mit
dem Eintritt ihrer Erweiterung tritt sie unter Bildung eines ventralen Blasengekröses mehr in die Leibeshöhle ein, wobei sie kranial bis zum Allantoisstiel
bzw. zum Nabelansatz reicht. Dann verschmälert sich ihre Spitze mehr und mehr,
die Spitze wird zum Urachus, der vermutlich kein Produkt der Allantois, sondern
der Blase selbst ist. Sinkt später nach der Geburt die Blase allmählich tiefer,
kommt sie ins kleine Becken zu liegen, dann schmiegt sich die vordere Bauchwand zu beiden Seiten des Blasengekröses an und verschmilzt mit ihr bis an die
verödeten Stränge der Umbilicalarterien. Doch können diese eine freie Grenze
der Verwachsung bilden.
Von den Ureterenden ist noch zu sagen, daß sie ursprünglich die Harnblasenwand in senkrechter Richtung durchsetzen. FELIX gibt dies noch für ein Stadium
von 70 mm Kopf-Fuß-Länge an. Wann der beim Neugeborenen bereits vorhandene schräge Durchschnitt sich einstelle, sei unbekannt.
Sto//einteilung.
Die nun folgenden Hauptstücke über die Ergebnisse gestörter Entwicklung
im Bereich der Hacrnorgane berücksichtigen:
1. Störungen der geweblichen Zusammensetzung der Nieren.
2. Störungen der Nieren/orm.
3. Störungen der Nierenlage.
4. Störungen der Nierenzahl und -Größe.
5. Störungen der Harnleiter/orm.
6. Störungen der Harnleiterzahl und des Harnleiterverlau/es.
7. Störungen der Lage der vesicalen Harnleitermündung.
8. Störungen der Harnleiterlichtung.
9. Störungen der Harnblasenanlage und -Lage.
10. Störungen der Harnblasen/orm und -Lichtung.
1. Störungen des geweblichen Aufbaues der Nieren.
Gewebsmißbildungen sind in einem so kompliziert aufgebauten Organgewebe,
wie es die Nieren darstellen, naturgemäß recht vielfach möglich. Hier sollen
aber nur diejenigen gewürdigt werden, welche urologische Bedeutung erlangen,
während die anderen nur kurz zu nennen sind.
Als harmlose Fehlbildungen geIten die Entwicklungsstörungen der Glomeruli,
seien sie hypoplastisch oder seien sie als Zwillingsglomeruli in einer BOWMANschen Kapsel gebildet. Auch die häufigen kleinen Fibrombildungen der Markund Rindensubstanz sind harmlose, wenn auch theoretisch interessante Fehlbildungen.
Dagegen heischen ein großes praktisches Interesse die Cystenbildungen
im Nierengewebe, welche teils solitär, teils vielkammerig innerhalb einer großen
Gesamtblase, teils in vielen, eng gedrängten Bläschen und Blasen auftreten.
All diesen Formen von "Cystennieren" seien die folgenden Abschnitte gewidmet.
Störungen des geweblichen Aufbaues der Nieren.
9
Einzelne kleine epithelisierte Cystchen des Nierengetcebes gehen von den
Nierenkörperchen oder von Harnkanälchen aus; sie werden von RUCKERT,
G. HERXHEIMER und BRAVNWARTH 1) als Folgen angeborener Fehlbildung
gedeutet, während LUBARscH sie als Resultat andersartiger pathologischer
Vorgänge gedeutet hat, zumal diese Cysten in seinem Material mit dem höheren
Lebensalter stark zunahmen. DYCKERHOFF wies darauf hin, daß manche
Cystenbildungen auch Störungen in der Ausbildung und in der Unwegsamkeit
von Lymphgefäßen der Niere zu danken sind.
Selten sind jene Vorkommnisse, in denen nur eine größere Cyste - oft wie ein
Sack - an der ~iere hängt bzw. in der Niere sitzt und das Nierengewebe über.
ragt. Die Beurteilung ist nicht immer leicht. Zunächst ist die Bildung durch
genaue Berücksichtigung der Nierenbeckenverhältnisse zu prüfen: es könnte
nämlich eine ganz unscheinbare oder obsolet gewordene Verbindung mit
dem Nierenbecken darauf hinweisen, daß eine pyelogene Cystenbildung vor·
liegt; solche Cysten können auch als parapelvlcale Cysten imponieren. Mein
Lehrer HANS CHIARl hat, wie KERMAUNER ebenfalls berichtet, gelegentlich eine
solche pelvinc Cyste von mehr als Mannskopfgröße bei einer Frau gefunden; es
schien, als hinge die Niere an der blasigen Auftreibung des ~ierenbeekens;
zwischen beiden ,var ein eben noch mit einer Borste sondierbarer Gang. Natür.
lieh fragt man sich, ob hier nicht ein erworbener Zustand infolge Verschluß eines
Astes des Nierenbeckens, etwa durch inzwischen abgegangenes Konkrement
vorlag; die genaue Untersuchung läßt aber auch dic Annahme isolierter der·
artiger Cystenbildungen zu auf Grund von Fehlentwicklung, etwa weil eine der
Ausstülpungen, welche Hekundär und noch später an der Ureterknospe ent·
stehen, zur Weiterdifferenzierung und Organbildung zusammen mit dem Nieren·
blastem nicht in der Lage war (FISCHlCL), an Stelle dessen aber übermäßig
auswuchs. Nach KAMPMEIER kann aber auch eine Eehlbildung aus versprengtem
Material einer metanephrogenen Blastemhaube erster Ordnung vorliegen; das
wäre dann streng genommen eine parenehymatische Cyste.
Die pelviogenen Cysten dürften selten sein gegenüber den solitären par.
enchymatischen Blasen. Wie weit Retentionsprozesse an dieser Cystenbildung
beteiligt sind, wie weit Wachstumsvorgänge, ist oft schwer zu beurteilen.
Immerhin sollte der histologischen Prüfung solches Material nicht entzogen
werden. REIN ECKE führte neuerdings an, daß klinisch die solitäre, nicht para.
sitische Niereneyste selten Gegenstand der Untersuchung sei; ISRAEL habe
unter 217 chirurgischen Nierenaffekten sie nur einmal gesehen, SCHMIEDEN führe
sie gegenüber 2100 Nierenoperationen llmal auf; dagegen bestätige sich die
Annahme, daß Solitärcysten der Nieren auf dem Sektionstisch viel häufiger
sind - CAULK fand unter 2600 Sektionen 5 Fälle - , ich füge aber hinzu, daß
diesen Cysten ein erhöhteres und eingehenderes histologisches Interesse gebührte,
als es bislang geschah.
In der Arbeit REIXECKES finden die Eigenarten der Solitärcysten volle Berücksichtigung.
Sie sollen bei 'Yeibern häufiger als bei :\Iännern auftreten, meist einseitig, seltener doppel.
seitig sein und die Größe eines Hühnereies erreichen, aber auch wohl übersteigen, um'schließ.
lich den ganzen Bauchraum einzuengen. Ihre Oberfläche sei meist kugelig und glatt;
1) Im Literatur·Verzeichnis finden sich nicht alle zitierten Arbeiten angegeben; die
Auswahl der dort aufgeführten Autoren ist so getroffen, da.ß möglichst die grundlegenden
Arbeiten zur Nennung kamen, ferner solche Veröffentlichungen, die selbst wieder durch
reiche Beibringung von Literaturquellen ausgezeichnet sind,
\Vesentlich vermehrte Litcraturangaben sind zu finden in meiner Bearbeitung des
gleichen Gebietes im Handb. d. pathol. Anatomie und Histologie yon HExKE-LuBARscH,
Bd. 6, Tl. 1, S.l ff. 1925. Berlin: Julius Springer; ferner in der Bearbeitung der :\Iißbildungen
der Harnorgane im Rahmen der Morphologie der :\Iißbildungen des :\Ienschen und der Tiere.
Bd. 3, Teil 3, S. 157ff. Jena: Gustay Fischer 1927.
10
GEORG B. GRUBER: Entwicklungsstörungen der Nieren, Harnleiter und der Harnblase.
sie säßen dem Nierengewebe bald breitbasig, bald platt gestielt auf, und zWar mit Vorliebe
dem unteren Nierenpol. Wenn die solitäre Cyste nicht pelviogenen Ursprungs ist, hängt
sie mit dem Raum des Nierenbeckens nicht zusammen. Dem inneren Aufbau nach sind
solche Bildungen als einblasig und als mehrblasig befunden worden. REINECKE hat in
Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. Bd. 254, S. 427, eine "multilokuläre Solitärcyste"
abgebildet; es handelt sich dabei um eine Blase mit vollkommen abgeschlossenen Teilkammern; aber auch solche sind beschrieben worden, welche weit miteinander oder mit
einer zentralen Haupthöhle in Verbindung standen. Als Erklärung für das Zustandekommen all dieser Cystenbildungen greüt REINECKE auf das Problem der eigentlichen,
vielblasigen Cystennieren zurück und hält die Anschauung ihrer dysontogenetischen Entwicklung für das Gegebene. (Vgl. weiter über Einzelcysten bei Ga. B. GRUBER: Mißbildungen der Harnorgane in SCHWALBES Morphologie der Mißbildungen. Bd. 3, Teil 3, S. 193.)
Für die eigentliche Oystenniere ("Wabenniere"), jenes renale Organ, dessen
Gewebe durch unverhältnismäßig viel große bis kleinste epitheliale Blasen
verbildet ist, gelten noch folgende Bezeichnungen: "Hydatidenniere" ,
"Hydrops renum cysticus", "Cystoide Nierenentartung", "Angeborene Nierenwassersucht", "Multilokuläres Nierenadenocystoma", "Kongenitales Cystadenom" und "Fetale Riesenniere". Diese Namen sind meist nicht eindeutig,
ja meist sehr irreführend, da Bildungen mit anderer genetischer Wertung, teilweise wenigstens, unter ähnlichen oder ganz analogen Benennungen gebucht
werden. Bezeichnungen wie "polycystische Nierenentartung" müssen geradezu
als falsch bezeichnet werden.
Oystennieren sind relativ häutige Vorkommnisse. NAuMANN zählte unter
10 177 Sektionen 14 bilaterale und 2 unilaterale Fälle, während in Mainz an
3500 Leichen 8 doppelseitige Cystennieren gefunden worden sind.
Die Geschlechterbeteiligung am Vorkommen der Oystennieren wird verschieden beurteilt.
Angeblich übertreffen die Männer in diesem Punkt das weibliche Geschlecht bedeutend
(EBSTEIN). Dagegen scheinen die Frauen eher Anlaß zum operativen Eingreüen auf Grund
von Cystennieren zu geben. SCHMIEDEN zählt unter 22 wegen Cystenniere operierten
Kranken 18 Frauen und 4 Männer, ALBARRAN und IMBERT haben das Verhältnis zugunsten
des weiblichen Anteiles wie 35 zu 4 angegeben. Nach LEJARS und nach MrCHALOWICZ
ist die Verteilung der Cystennieren auf beide Geschlechter gleich. Diesen Forschern hat
sich neuestens OTTO MAlER angeschlossen.
Über das Alter der Oystennierenträger findet sich bei SIEBER, der die 2 ersten Lebensjahrzehnte unberücksichtigt läßt, folgende Tabelle:
Im Alter von 20-29 Jahren fand er 26 Cystennierenträger,
22
" 30-39
40-49
" 67
"
" 50-59
" 40
60-69
" 10
" 70-79
6
"
80-89
2
Diese Angaben sind großenteils aus Erfahrungen von chirurgischen Kliniken gewonnen;
daher vielleicht etwas einseitig. Der pathologische Anatom sieht in der Cystenniere kein
so erhebliches Vorkommnis, als daß er jeden derartigen Befund veröffentlichte. Würde
dies geschehen, dann müßte sich eine größere Statistik mit mehr Genauigkeit ergeben,
und zwar würden sich die Zahlen - auch der hohen Lebensalter - vermehren.
Man hat früher eine strenge Scheidung versucht zwischen den Cystennieren der Neugeborenen und denen der Erwachsenen. Man glaubte für sie teilweise verschiedene Pathogenese
erschließen zu können; auch verfügte man nicht über Cystennierenbefunde bei Kindern
und Menschen im Jünglingsalter. Jedoch ist inzwischen diese statistische Lücke ausgefüllt,
wie die Zusammenstellungen von ALBARRAN und IMBERT und von SIEBER erkennen lassen.
Meist treten die Oystennieren doppelseitig auf, es kommen aber auch die einseitige Cystenniere bei wohlgebildetem Organ der anderen Seite vor. SIEBER hat 9 solche Fälle gegenüber
150 Feststellungen doppelseitiger Cystennieren gezählt; dabei überwog die linke Seite.
Oft zeichnen sich die Träger von Cystennieren auch noch durch cystische Verbildung der
Leber aus, sehr selten durch polycystische Pankreasentwicklung.
Dem äußeren anatomischen Bild nach sind die Cystennieren meist stark
vergrößert, sie können bis 30 cm lang werden und ein Gewicht von 3000 g und
mehr erreichen. Ihre einzelnen Cysten sind in der Regel verschieden groß.
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