Elsaß - Lothringen

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Elsaß - Lothringen
Zu Zeiten Julius Cäsars waren das Elsaß und Lothringen Teile der römischen
Provinz Germania Superior und gehörten für die nächsten Jahrhunderte zum
Römischen Reich. 406/407 nach Chr. fielen Landseteile des Elsaß und
Lothringens in die Hände der Allemannen (=Zusammenschluss von
Germanenstämmen). 500 eroberte der Merowingerkönig Chlodwig das Gebiet
(gehörte nun zu Austrasien), Metz wurde Lothringens Hauptstadt.
843 teilten die Enkel Karls dem Großen sein Reich im Vertrag von Verdun in drei
Reiche:
das Elsaß lag in Lothars Gebiet Lothringen (Lothar, Enkel Karls dem Großen,
erhielt den Landstrich, der sich von Mittelitalien bis an die Nordsee erstreckte),
in der Mitte zwischen dem germanischen Osten und dem romanischen Westen.
870 wurde das Elsaß und Lothringen im Frieden von Mersen dem germanischen
Ostreich als Teil des Herzogtums Schwaben einverleibt.
Bereits etwa um diese Zeit zerfiel das Gebiet in unzählige geistliche und
weltliche Herrschaften, was sich bis ins 18. Jahrhundert praktisch nicht
änderte. Damals bildete sich die über Jahrhunderte nahezu unveränderte
deutsch – französische Sprachgrenze heraus und die Maas war die Grenze des
Einflußbereichs des deutschen Kaisers und französischen Königs.
1048 fiel Lothringen an Graf Gerhard vom Elsaß, der Herzog von Lothringen
wurde.
Seine Nachkommen herrschten fast vier Jahrhunderte über Lothringen.
1152 erlangte Friedrich Barbarossa den Kaiserthron. Er war der geeignete Mann,
der der Monarchie zur Erholung nach dem Investiturstreit verhalf. Ein Teil
seiner Taktik war, zur Stärkung der Herrschaft Reichsländer zu begründen; so
wurde das Elsaß 1212 erstmals so geformt, wie wir es heute kennen. Es war eine
Provinz, die von nicht-adeligen Dienstmannen, sogenannten Ministerialen regiert
wurde. Die besondere historische Rolle Friedrichs II. für das Elsaß liegt darin,
daß er etwa ein Dutzend Städte gründete. Die Provinz hatte einen einzigen
Gerichtshof (Landgericht) und eine zentrale Verwaltung mit Sitz in Hagenau.
Während seiner Regierungszeit ernannte Friedrich II. den Bischof von
Straßburg zum Verwalter des Elsaß und Straßburg, das seit dem 4. Jahrhundert
Bischofssitz war, begann zu wachsen und wurde die bevölkerungsreichste und
wirtschaftlich bedeutendste Stadt der Region. 1262 erlangten die Bürger nach
einer langen Auseinandersetzung mit dem regierenden Bischof den Status einer
freien Reichsstadt. Als Haltepunkt auf der Handelsroute von Paris über Wien in
den Orient sowie als Hafen am Rhein, der Süddeutschland und die Schweiz mit
den Niederlanden, England und Skandinavien verband, wurde es das
wirtschaftliche und politische Zentrum der Region. Landwirtschaft und
Handwerk waren auf den Export ausgerichtet. Auch Städte wie Colmar und
Hagenau erlangten eine wirtschaftliche Bedeutung und gewannen eine Art
Autonomie innerhalb des 1354 begründeten „Zehnstädtebundes“, eines
Zusammenschlusses von 10 direkt dem Kaiser unterstehenden Städten.
Gegen Ende des Mittelalters war Lothringen in fünf zum Deutschen Reich
gehörende Herrschaftsbereiche zerrissen: das Herzogtum Lothringen, das
Herzogtum Bar und die Bistümer Metz, Verdun und Toul.
Etwa um diese Zeit nahm die Zentralgewalt im Deutschen Reich ab und die
Hegemoniestellung in Europa ging an Frankreich über, das schon lange
zentralistisch regiert wurde. Nun begann Frankreich eine aggressive
Expansionspolitik nach Westen, zunächst bis zur Rhone und Maas, und nachdem
diese Grenzen erreicht waren in Richtung Rhein. Die Mehrzahl der deutschen
Territorien litten unter den Kriegsauswirkungen. Zu den Gebieten die am meisten
betroffen waren, zählt insbesondere die Region Elsaß-Lothringen an der
westgrenze des Reiches. 1307 gelang es dem Grafen von Mömpelgard
(Montbéliard) erstmals, die Herrschaft über die elsässische Stadt Belfort zu
erlangen.
Im Hundertjährigen Krieg mit England wurde nun Frankreich militärisch schwer
angeschlagen, was es für einige Zeit an Aktivitäten in dieser Richtung hinderte.
Nach Beendigung des Krieges war Frankreich wieder frei, sein Streben zum
Rhein fortzusetzen. 1444 erschienen französische Truppen in Lothringen und im
Elsaß. Sie forderten die Unterwerfung von Metz und Straßburg; auch stießen sie
auf Basel vor.
Nach dem Frieden von St. Omer wurde das Oberelsaß von Herzog Sigismund dem
Münzreichen an Karl den Kühnen, Herzog von Burgund, verkauft. Die
Steuerzahlungen gingen aber an den deutschen Kaiser. 1477 verlor Karl der
Kühne in der Schlacht bei Nancy sein Leben. Burgund fiel seiner Tochter Maria
als Erbe zu, die Kaiser Maximilian I. heiratete, womit auch unter anderen das
Elsaß als Ganzes wieder an die Habsburger kam (ausgenommen die Freistädte,
aber einschließlich Belfort).
Zur Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert war Straßburg eine blühende
Stadt und seine Einwohner wurden bereits 1523 protestantisch. Bald wurde die
Stadt durch den Reformator Martin Bucer zu einer der Drehscheiben der
Reformation. Eine Folge der Gegenreformation unter Führung der katholischen
Kirche und der (katholischen) Habsburger war letztlich, daß konfessionelle
Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken, nnd die internationale
Einflussnahme der Großmächte, vor allem Frankreichs, einen Spaltungsprozess
bewirkten. An dieser Situation änderte sich bis zum Dreißigjährigen Krieg kaum
etwas.
Das Elsaß wird französisch
1639 wurden das Elsaß weitgehend von Frankreich erobert, um zu vermeiden, daß
es in die Hände der spanischen Habsburger fällt. 1646 sahen sich die
Habsburger, von ihren Feinden im Westen und auch in Ungarn von den Türken
hart bedrängt, gezwungen, den im Oberelsaß gelegenen Sundgau an Frankreich,
das ihn besetzt hielt, für eine Summe von 1.200.000 Talern zu verkaufen. Als die
Feindseligkeiten durch den Westfälischen Frieden 1648 schließlich beendet
wurden, kam der überwiegende Teil des Elsaß zu Frankreich, ausgenommen einige
Freistädte. Die Vertragsabmachungen bezülich des Elsaß waren ausgesprochen
verwirrend. Man nimmt an, daß die Absicht dahinterstand, daß weder der
franzöische König noch der deutsche Kaiser vollständige Kontrolle haben sollte;
auch entstünde durch das gegenseitige Ausspielen eine gewisse Autonomie für
das Elsaß.
Der Dreißigjährige Krieg (1618-48) war einer der schlimmsten Zeitabschnitte in
der Geschichte des Elsaß. Er führte zu Tod oder Flucht einer großen
Bevölkerungszahl insbesondere auf dem Lande, da das Land mehrfach und
wechselnd von französischen, schwedischen oder kaiserlichen Truppen besetzt
und verwüstet wurde. Zwischen 1648 und der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen
viele Einwanderer insbesondere aus der Schweiz, aber auch aus Deutschland,
Österreich und Lothringen. Frankreich festigte seine Besitzungen im Vertrag
von Nimwegen 1679, der auch die Städte unter seine Kontrolle brachte.
Überraschend besetzte und annektierte es 1681 Straßburg. Diese territorialen
Veränderungen wurden nach dem Pfälzer Erbfolgekrieg im Vertrag von Rijswijk
1691 bestätigt, aber vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bis 1697
nicht anerkannt. So wurde schließlich das ganze Elsaß französisch. Kriege
(Pfälzer, Spanischer und Österreichischer Erbfolgekrieg), ständige
Kriegsbedrohung, Naturkatastrophen, Hungersnöte und Überbevölkerung
veranlassten im 18. Jahrhundert Zehntausende Elsässer zur Auswanderung in die
durch die Habsburger von den Türken zurückeroberten und menschenleere
Gebiete des ehemaligen Südungarn, vorwiegend Banat und Batschka.
Lothringen wird französisch
Insbesondere während des 30-jährigen Krieges 1633, aber auch 1663 und 1670
fielen die Franzosen im Herzogtum ein und hinterließen ein verwüstetes und zu
40% entvölkertes Land; 80 Dörfer wurden ausgelöscht. Viele Zuwanderer aus
der Schweiz, aus Burgund, aus Savoyen, aus der Freigrafschaft und aus
Deutschland kamen darauf nach Lothringen.
Nach erneuten französischen Eroberungsversuchen zu Beginn des 18.
Jahrhunderts erreichte Herzog Leopold von Lothringen die internationale
Anerkennung einer Neutralität für sein Land. Sein Sohn Franz Stefan, der 1736
Maria Theresia heiratete und 1745 deutscher Kaiser wurde, mußte 1735 das
Herzogtum Lothringen gegen das Großherzogtum Toskana tauschen. Der
polnische Schwiegervater des französischen Königs, Stanislas Leszczynski,
wurde neuer Herzog von Lothringen. Damit schied Lothringen aus dem Deutschen
Reich aus, kam 1766 formell zu Frankreich und wurde 1801 völkerrechtlich als zu
diesem gehörig anerkannt.
Die Französische Revolution (Elsaß)
Das Jahr 1789 brachte die Französische Revolution und damit die erste
Aufteilung des Elsaß in die beiden Départemente Ober- und Unterrhein. Im
letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts opponierten viele Elsässer gegen die
Jakobiner und sympathisierten mit den eindringenden österreichischen und
preußischen Streitkräften, die die junge Revolution niederschlagen wollten. Nach
dem Sieg der französischen Revolutionsarmee am Rhein flüchteten
Zehntausende vor ihr nach Osten. Als später eine Rückkehr erlaubt wurde,
stellte sich oft heraus, daß ihre Habe konfisziert war. Diese Gegebenheiten
führten zu einer Massenauswanderung von Familien nach Rußland. Als Reaktion
auf die Wiedereinsetzung Napoleons wurde das Elsaß 1814/15 von fremden
Truppen besetzt, darunter 280.000 Soldaten und 90.000 Pferde allein im
Departement Niederrhein. Dies hatte starke Auswirkungen auf Wirtschaft und
Handel der Region, zumal die alten Handelsrouten neuerlich an die Häfen des
Mittelmeeres und Atlantiks angeschlossen waren. Um diese Zeit wuchs die
Bevölkerung rasch. Die Kombination all dieser Faktoren bedeutete Hunger,
Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit für die junge Generation. Deshalb wundert es
nicht, daß nun viele, wie erwähnt nach Rußland, aber auch nach Amerika
auswanderten, wo nach dem Verbot der Sklaveneinfuhr 1807 Arbeiter für die
Baumwollfelder gebraucht wurden. Viele der amerikanischen und russischen
Werber arbeiteten für Schiffseigner und machten den rastlosen Elsässern
maßlos übersteigerte Versprechungen. Wenn sie einwilligten und heimlich das
Elsaß verließen, fanden sie sich oft in eine große Abhängigkeit gezwungen. Dies
häufte sich derart, daß die Generalversammlung von Lousiana ein Gesetz zum
Schutz der Einwanderer erließ. Doch die Schiffseigner ließen sich etwas Neues
einfallen: sie verlangten überhöhte Summen für die Passage. Trotzdem
wanderten zwischen 1817 und 1838 mehrere Zehntausend Siedler nach Rußland
und Amerika aus.
Die Französische Revolution (Lothringen)
1790 wurde Lothringen in vier Departemente aufgeteilt: Meurthe, Meuse,
Moselle und Vosges. Durch die Französische Revolution 1789 und das
napoleonische Kaiserreich wurde schließlich Lothringen fest mit Frankreich
verschmolzen. In den napoleonischen Kriegen stellte es zahlreiche Soldaten.
1815 verlor es Saarlouis und Saarbrücken an Preußen. Als Folge von Mißernten
stieg in den Jahren 1816/17 der Brotpreis stark an und es kam zu Hungersnöten,
die zu Erhebungen führten. 1832 wurden in Nancy aus Protest gegen die hohen
Preise und die schlechte Qualität des Brotes die Bäckereien geplündert. Im
selben Jahr erreichte die aus Asien kommende Cholera Lothringen, durch die
viele Menschen, insbesondere arme, starben.
Im zweiten Kaiserreich begann ein großer industrieller Aufschwung, wobei
Lothringen an die Spitze der französischen Hüttenindustrie gelangte. Im Juli
1850 fuhr der erste Zug von Nancy nach Metz. Die Bevölkerung wuchs stetig.
Vom Reichland bis heute
Durch den Deutsch-Französischen Krieg wurde diese ruhige Entwicklung
unterbrochen. Nach diesem Krieg, der von 1870 bis 1871 andauerte, mußte
Frankreich das Elsaß (ausgenommen das Gebiet Belfort) und große Teile
Lothringens (Departement Mosel und Kreise im Departement Murte) an das neue,
das zweite Deutsche Reich abtreten.
Die Geschichte des Elsaß und Lothringens wurde nun die des Reichslandes ElsaßLothringen. 1872 wurde das Tal der Bruche, Teil des Departements Vogesen, an
Elsaß-Lothringen angegliedert. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ElsaßLothringen wieder Frankreich einverleibt. Im Zweiten Weltkrieg (1939-45)
wurde Lothringen und das Elsaß 1940 von Deutschland annektiert. Bis 1945
bildete das Elsaß zusammen mit Baden den Gau Oberrhein und Lothringen wurde
dem Gau Westmark angegliedert. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gehören das
Elsaß und Lothringen wieder zu Frankreich.
Insbesondere auf dem Lande des Elsaß wird noch das allmählich aussterbende
Elsässisch (ein dem Alemannischen und Schwäbischen verwandter deutscher
Dialekt) gesprochen, und es erscheinen im Elsaß zwei deutschsprachige
Tageszeitungen. Das Elsaß liegt im Herzen Europas; seine Hauptstadt Straßburg
ist eine der Hauptstädte des neuen Europa: Hier finden sich der Europarat, das
Europaparlament, der Europäische Gerichtshof der Menschenrechte und das
Europäische Jugendzentrum. Durch seinen Kontakt mit der französischen und
der deutschen Kultur fällt dem Elsaß im neuen Europa eine bedeutende
konstruktive Rolle zu.
1. Einleitung Mit dem Dreißigjährigen Krieg erreichte das Deutsche Reich, aber auch die
europäische Staatenwelt insgesamt, den Höhepunkt eines Prozesses allgemeiner kultureller,
ökonomischer und staatlich-politischer Umwälzungen, die bis weit ins 16. Jahrhundert
zurückreichen und an deren Ende ein neues Staatensystem in Europa entstanden ist. Die
wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieses Krieges waren aber gerade für das Deutsche
Reich, auf dessen Boden er weitgehend ausgetragen wurde, verheerend . Das allgemeine Bild
war geprägt durch Not und Elend der Bevölkerung. Doch kann dies nicht für alle Regionen
und Territorien des Reiches gleichermaßen behauptet werden. Vielmehr gab es auch Gebiete,
die vom Dreißigjährigen Krieg weitgehend verschont blieben und dadurch ihre eigene
Position im Vergleich zum Vorkriegszustand verbessern konnten. Hamburg beispielsweise
stieg aufgrund der handelspolitisch günstigen Lage während des Krieges zur reichsten Stadt
im deutschen Raum auf . Dies waren allerdings Einzelfälle. Die Mehrzahl der deutschen
Territorien litten unter den Kriegsauswirkungen. Zu den Gebieten, die am meisten betroffen
waren, zählt insbesondere die Region Elsaß-Lothringen an der Westgrenze des Reiches. 'Das
Schicksal Elsaß-Lothringens im Dreißigjährigen Krieg' - dieses Thema birgt einige
Mißverständnisse, die im Vorfeld geklärt werden müssen. Sowohl der Begriff Lothringen als
auch der Begriff Elsaß für den zu untersuchenden Raum müssen in diesem Zusammenhang
doppelt gedeutet werden. Einerseits kann man weder Lothringen noch das Elsaß als politische
Einheit während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auffassen. Yves Le Moigne hat dies
insbesondere für Lothringen hervorgehoben. Lothringische Geschichte während des
Dreißigjährigen Krieges bedeutet nicht allein die Geschichte des Herzogtums Lothringen.
Allzuoft wurde die Rolle der aufstrebenden lothringischen Bischofsstädte vergessen, die
schon früh unter französischem Einfluß standen und eine antiherzogliche Politik betrieben .
Dies gilt aber auch für das Elsaß, das nichts anderes darstellte als ein lockeres Konglomerat
der verschiedensten weltlichen und geistlichen Territorien. Feindseligkeiten und territoriale
Grenzstreitigkeiten untereinander bestimmten auch hier oftmals das Geschehen.
Konfessionelle Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken und die internationale
Einflußnahme der Großmächte, v.a. Frankreichs, forcierten diesen Spaltungsprozeß während
des 17. Jahrhundert. Andererseits wurden diese regionalen Gegensätze aber durch die
"Erfordernisse des täglichen Zusammenlebens" abgemildert oder überdeckt. Das Verhältnis
der Menschen untereinander konnte nur bis zu einem gewissen Grad durch Grenzen oder
Streitigkeiten zwischen rivalisierenden Obrigkeiten behindert werden. Letztendlich waren es
gerade die gemeinsam getragenen Schrecken und Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges,
die Leben und Verhalten der Bewohner Lothringens und des Elsasses grundsätzlich geprägt
haben. Die folgende Darstellung der Geschichte des elsässisch - lothringischen Raumes
während des Dreißigjährigen Krieges versucht dieser Sichtweise zu entsprechen. Dies
bedeutet: 1. Um die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf die regionale
Entwicklung zu verstehen, ist es notwendig, die Situation Elsaß - Lothringens am Vorabend
des großen Krieges zu verdeutlichen. 2. Die politische Entwicklung kann aufgrund der
Komplexität dieses Thema nicht umfassend dargestellt werden. Vielmehr sollen hier
generelle Entwicklungstendenzen aufgezeigt werden, insbesondere die Einbeziehung dieser
Region in den sich zuspitzenden Gegensatzes zwischen Habsburg und dem französischen
Königtum und deren Auswirkungen.
3. Schwerpunktmäßig sollen aber die Auswirkungen
des Krieges auf die Bevölkerung und das gesellschaftliche Leben im Elsaß und in
Lothringen dargestellt werden. In der neueren landesgeschichtlichen Forschung gewinnt
dieser letzte Aspekt immer mehr an Beachtung. Hervorzuheben für den lothringischen Raum
ist hier die Untersuchung von Stéphan Gaber, die sehr detailliert die unmittelbaren und
mittelbaren Folgen des Krieges beschreibt . Für das Elsaß können in diesem Zusammenhang
die Werke von Jean-Pierre Kintz über die demographische und soziale Entwicklung
Straßburgs während des 17. Jahrhunderts und von Bernard Vogler über den gesamten
elsässischen Raum genannt werden . Aber auch die etwas ältere, aber sehr detaillierte
Darstellung der Geschichte des Krieges im Elsaß von J. B. Ellerbach kann herangezogen
werden . Für die ältere Forschung allgemein ist allerdings festzustellen, daß dieses Thema
sehr stark unter dem Zeichen eines deutsch-französischen Gegensatzes stand und somit durch
diese Politisierung des Themas nicht selten an Objektivität verloren hatte. 2. Das ElsaßLothringen zur Zeit des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts Gegen Ende des 16. und zu
Beginn des 17. Jahrhunderts finden sich noch viele Zeugnisse und Reiseberichte über den
elsässisch - lothringischen Raum, die das Bild einer blühenden und reichen Landschaft
beschreiben. Die prunkvolle Bestattung Karls III., Herzog von Lothringen, im Jahr 1608
wurde von Zeitzeugen mit der Salbung des französischen Königs oder der Krönung des
Kaisers verglichen. Für den Pariser Anwalt Pierre Bergeron, der 1617 Erfahrungen und
Eindrücke über das Herzogtum Lothringen in seinem "itinéraire germano-belgique"
niedergeschrieben hat, kennzeichnen gerade Wohlstand, Unabhängigkeit und das "bewaffnete
Eintreten für die Rechtgläubigkeit den lothringischen
Staat" . Das Ansehen und
der Wohlstand
Lothringens waren also sehr eng verbunden
mit dem
Ansehen des Herzoghauses selbst,
das zumindest in der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts noch den größten Teil
Lothringens kontrollierte und seine Macht
stetig auszubauen versuchte. Begünstigt
wurde diese Entwicklung durch das
Ende der Kriegshandlungen 1609 in den spanischen Niederlanden, die auch den
lothringischen Raum beeinträchtigt hatten . Lothringen kann in der Folgezeit einen
bedeutenden Bevölkerungszuwachs vermerken, der seinen Höhepunkt schließlich zwischen
1625 und 1630 erreicht. Die Folge daraus war eine Ausbreitung der landwirtschaftlichen
Nutzfläche durch weitgehende Rodungen und eine gezielte Neuansiedlungspolitik der
ansässigen weltlichen und geistigen Herren. Zwischen 1600 und 1630 wurden ca. 30 Dörfer,
hauptsächlich an der Achse Zabern-Saarburg, neu gegründet . Nutznießer dieser Entwicklung
war hauptsächlich das lothringische Herzoghaus. Der herzögliche Hof in Nancy wird zu
einem Zentrum der lothringischen Politik, aber auch zu einem Mittelpunkt von Kunst und
Kultur. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts finden sich in Nancy eine Vielzahl von Künstlern, die
in Italien ausgebildet wurden und danach an den Hof zurückgekehrt waren . Daneben erlangte
die Jesuiten - Universität von Pont-à-Mousson, die von den Herzögen gegründet und
unterstützt wurde, einen bedeutenden Ruf über die Grenzen Lothringens hinaus. 1606 sind
insgesamt 2100 Schüler in dem Gymnasium und in den vier Fakultäten eingeschrieben. Aber
auch für das Elsaß finden sich im 16. Jahrhundert zahlreiche Berichte über Wohlstand und
Reichtum. Ob in der 1588 geschriebenen "Cosmographie" von Sebastian Münster oder in
einem Reisebericht von Michel de Montaigne aus dem Jahr 1580: das Elsaß wird als blühende
Landschaft umschrieben, die sich durch ihren landwirtschaftlichen, finanziellen und
kulturellen Reichtum auszeichnet . Es waren insbesondere die handelspolitisch günstigen
geographischen Gegebenheiten, die dem Elsaß auch während des 16. Jahrhunderts einen
allgemeinen Wirtschaftsaufschwung ermöglichten. Der Rheinhandel und die zentrale Lage
mit den verschiedenen Verkehrsknotenpunkten sowohl in Nord-Süd als auch in Ost-West
Richtung begünstigten die wirtschaftliche Schlüsselposition des Elsasses . Landwirtschaft und
Handwerk waren auf den Export ausgerichtet. So galt das Elsaß als 'Kornkammer' für weite
Gebiete des Rheintals und der Schweiz. Weine aus dem Elsaß wurden im gesamte
europäischen Raum gehandelt . Die elsässischen Städte waren bekannt für ihre
handwerklichen Produkte, insbesondere für das Kunsthandwerk. Straßburg galt als Zentrum
der Goldschmiedekunst und nicht zuletzt auch als Zentrum des Buchdrucks . Daneben
entwickelten sich die Städte des Elsasses auch zu einem künstlerischen und geistigen Zentrum
des nordeuropäischen Raumes. Die eigene elsässische Kunst verkörperte sich besonders in der
Architektur der Städte mit ihren prächtigen Rathäusern und den Wohnhäusern wohlhabender
Bürger . Aber auch das geistige Leben war über die Grenzen hinaus bekannt gewesen. Neben
den Schulen in Hagenau, Oberehnheim und Straßburg galt v.a. die Schule in Schlettstadt im
16. Jahrhundert zu den berühmtesten humanistischen Schulen des süddeutschen Raumes .
Trotzdem wurde auch die freie Reichsstadt Straßburg, deren Händler im gesamten
europäischen Raum tätig waren, durch die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise in
Mitleidenschaft gezogen. Seit 1572 mehren sich die Nachrichten über Konkurs und Bankrott
großer Straßburger Handelsfamilien und einer allgemeinen Preisinflation . 2.1 Die politische
Entwicklung Der Südwesten des Reiches war schon seit langem eine politisch instabile Zone,
denn die äußere Grenze, die das Reich von benachbarten Staaten trennte, entsprach nicht mehr
der inneren Grenze, d.h. die noch im vollen Umfang zum Reich gehörenden Stände . Die
Stände an der westlichen und südwestlichen Grenze hatten sich vom Reich gelöst. Verstärkt
wurde diese Tendenz noch durch die Reichsreform, die die Mitarbeit der einzelnen Stände in
den Reichskreisen und die Anerkennung des Reichskammergerichtes beinhaltete und damit
eine Stärkung der Reichsorgane zur Folge hatte. Für die Territorien an der Westgrenze des
Reiches, die von jeher eine gewisse Selbstständigkeit von der kaiserlichen Gewalt besaßen,
bedeutete dies eine Beschneidung ihrer eigenen Macht und forderte zum Widerstand auf .
Unter Ausnutzung der politischen Lage während des 16. Jahrhunderts, der Kaiser war sowohl
im Osten gegen die Türken als auch im Westen gegen den französichen König gebunden ,
gelang es dem Herzog von Lothringen im Nürnberger Vertrag 1542 eine fast vollständige
Unabhängigkeit vom Reich zu erlangen. Ebenso wie der Herzog in seinen westlichen
Gebieten Lehensmann des französichen Königs war, so nahm er an der Ostgrenze seines
Herzogtums nur noch einige Gebiete als Reichslehen. Der Großteil seiner Herrschaft wurde
aber im Nürnberger Vertrag als "liber et non incorporalis ducatus" anerkannt und war somit
weitgehend souverän . Mit dem Reich bestand nur noch ein Protektionsverhältnis. Für diesen
Schutz bezahlte der Herzog einen bestimmten Betrag in Form eines Schirmgeldes an das
Reich . Diese eigentümliche Stellung Lothringens zwischen Autonomie, Reich und dem
französischen König erlaubte dem Herzog in der folgenden Zeit seinen Einflußbereich weiter
auszubauen und sein Gebiet durch Neuerwerbungen zu vergrößern . Obwohl das Herzoghaus
seine Macht in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach außen erweitern konnte, so
begann doch im Zentrum des Herzogtums der Machtbereich der herzoglichen Familie zu
schwinden. Aufbauend auf mittelalterliche Schutzverhältnisse begann der französische König
gegen Ende des 16. Jahrhunderts seinen Einfluß auf die lothringischen Städte Metz, Toul und
Verdun zu intensivieren. Im Vertrag von Chambord 1552 erneuerte Frankreich die
Protektionsverträge über die lothringischen Städte . Gleichzeitig wurden diese
Protektionsverhältnisse sowohl quantitativ als auch qualitativ stetig erweitert und ausgebaut.
Die Protektionen wurden 1552 nur über die Städte beschlossen. Aber bereits 1601 mußte auch
der Bischof von Verdun und 1608 der Bischof von Toul den König als "seigneur et
protecteur" anerkennen . Qualitativ änderte sich das bloße Schutzverhältnis zu Herrschaft im
engeren Sinne. Der französische Gouverneur erweiterte in den Städten die administrativen
Rechte des französischen Königs. Begnadigungsrecht, Münzrecht und andere Regalien
wurden nur noch vom König wahrgenommen. Berufungen an die Reichsgerichte wurden von
den französischen Beamten weitgehend unterbunden. Bereits 1588 wurde in der Formel des
Treueides "seigneur et protecteur" durch "souverain seigneur" . Die Städte und Bistümer
Metz, Toul und Verdun gehörten zwar offiziell noch zum Reich, obwohl sie schon seit 1552
nicht mehr auf den Reichstagen anwesend waren, aber weder Kaiser noch der Herzog von
Lothringen hatten zu Beginn des 17. Jahrhunderts direkte Einflußmöglichkeiten auf dieses
Gebiet. Diese besondere Stellung des lothringischen Raumes mußte sich zwangsläufig zu
einer Konfliktzone entwickeln. Eine Auseinandersetzung zwischen dem französischen König
und dem aufstrebendem lothringischen Herzoghaus war unausweichlich. Daneben mußte ein
Konflikt zwischen Habsburgern und der französischen Krone, der sich zu Beginn des 17.
Jahrhundert verschärfte, unmittelbar auf den lothringischen Raum auswirken. Die politischen
Verhältnisse im Elsaß sind vergleichbar mit denen in den lothringischen Gebieten. Doch
fehlte hier - im Gegensatz zu Lothringen - eine herzogliche Gewalt, die im Laufe der
Jahrhunderte ein geschlossenes Territorium aufbauen konnte. Das Elsaß bestand aus einer
Vielzahl kleinerer weltlicher und geistlicher Territorien, die regional in Ober- und Unterelsaß
unterteilt waren und die meist ein Eigenleben führten. Im Unterelsaß dominierend waren
besonders das Stift Straßburg, die Grafschaft Hanau-Lichtenberg und die freie Reichsstadt
Straßburg, die zwar nur ein kleines Territorium besaß, aber aufgrund ihrer Rolle als
Wirtschafts- und Handelszentrum eine bedeutende Funktion in der Reichspolitik inne hatte .
Im Oberelsaß gelang es den Habsburgern dagegen ein größeres zusammenhängendes Gebiet,
die vorderösterreichischen Lande mit der Haupstadt Ensisheim, zu schaffen und einige
reichsunmittelbare Herrschaften in ihre Abhängigkeit zu bringen. Aber eine vollständige
Kontrolle des elsässischen Raumes erreichten sie jedoch nicht. Es waren gerade die
Reichsstädte des Elsasses, die den Machtbereich der Habsburger beschränkten. Bereits 1354
schlossen sich die Städte Hagenau, Schlettstadt, Weißenburg, Landau, Oberehnheim,
Rosheim, Colmar, Kaysersberg, Münster und Türkheim zu einem Städtebund, der Dekapolis
zusammen . Das Verhältnis der einzelnen Herrschaften untereinander war sehr locker. Allein
der "gesamtelsässische Land- oder Ständetag" war das einzige gemeinsame Organ der
Landstände, also der reichsunmittelbaren Fürsten, Grafen, Herren und der Reichsstädte des
Elsasses. Ihre Hauptfunktion war zum einen die Sicherung nach außen (Landesrettung) und
zum anderen die Sicherung nach innen, die das Münzregal und die Polizeiordnung umfasste .
Daneben gab es noch die regionalen ober- und unterelsässischen Landtage, die aber nur für
den regional begrenzten Bereich zuständig waren . Diese Landtage dienten zwar in erster
Linie zur Verteidigung des Landes und waren somit ein kollektives Sicherheitssystem, doch
waren die Möglichkeiten sehr begrenzt. Gerade während des Dreißigjährigen Krieges konnten
die Ständetage die Sicherheit des Landes nicht mehr gewährleisten . Als zentrale europäische
Region, die sowohl wirtschaftlich als auch strategisch bedeutsam war, lag das Elsaß auch im
Spannungsfeld der großen europäischen Dynastien. Angesprochen wurde bereits die
österreichische Linie der Habsburger, deren elsässischen Besitzungen ein Kerngebiet ihrer
Hausmacht darstellte und das sie zu erweitern versuchten. Aber auch die spanische Linie der
Habsburger versuchten die Verhältnisse im Elsaß zu ihren Gunsten zu beeinflußen. Sie
benötigten einen sicheren Verbindungsweg, die sogenannte "spanische Straße" , zwischen
ihren oberitalienischen Besitzungen und den spanischen Niederlanden, die geradewgs durch
das Elsaß führte. Zu beginn des 17. Jahrhunderts verschärfte sich dies Situation, als das
Herzogtum Savoyen, das für spanische Truppendurchzüge gesichert war, nach der Niederlage
gegen Heinrich IV. eine antispanische Wende in ihrer Außenpolitik durchführte. Damit eine
Landbrücke zu den spanischen Niederlanden gewahrt blieb, war Spanien auf die elsässischen
Gebiete als Korridor nach Norden angewiesen . Die spanische und österreichische Politik
zeigte also gerade in der Elsaßfrage weitreichende Divergenzen, die bis zum Beginn des
Dreißigjährigen Krieges nicht gelöst werden konnten . Als selbstverständliche Reaktion auf
die Bestrebungen der spanischen und österreichischen Habsburger im Elsaß verstärkte auch
Frankreich sein Engagement in den elsässischen Gebieten. Das Durchbrechen der
habsburgischen Umklammerung, die seit der Zeit Karl V. Wirklichkeit geworden war, gehörte
zu den obersten Zielen französischer Politik. Das Elsaß bot hier den gewünschten
Angriffspunkt, da die habsburgischen Positionen noch nicht umfassend gesichert waren. Für
Frankreichs Politik war dabei entscheidend, einige sichere Positionen im Elsaß zu erlangen,
die dann als "Einfallstore" in die benachbarten Territorien benutzt werden konnten. Dadurch
sollten die spanischen Verbindungswege gestört und die französische Grenze weitgehend
geschützt werden. Schon frühzeitig geriet Straßburg in das Blickfeld französischer
Protektionspolitik im Elsaß. Bereits 1552, nachdem die lothringischen Städte Metz, Toul und
Verdun unter französische Protektion gesetzt wurden, versuchte Heinrich II. im
anschließenden Elsaßfeldzug auch Straßburg zu besetzen. Aufgrund der starken
Befestigungsanlagen Straßburgs scheiterte allerdings dieses Unterfangen , aber das Elsaß
rückte seit diesem Zeitpunkt in die Schlüsselposition französischer Passagen- und
Protektionspolitik. Diese gefährliche Konstellation und internationale Verstrickung mußte bei
einer Verschärfung der Konfliktsituation, wie sie während des Dreißigjährigen Krieges
erfolgte, auch das Elsaß zwangsläufig mitziehen. 3. Konfessionelle Spaltungen und politische
Krisen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges Vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges
drohten in allen Gebieten, besonders in den Randgebieten des Reiches Kleinkriege zwischen
rivalisierenden Herrschaftsgruppen auszubrechen. Die Gründe hierfür waren regional
verschieden, standen aber doch meist unter den gleichen Vorzeichen. Der jahrhundertelange
Dualismus zwischen Kaisermacht und fürstlicher Libertät steigerte sich zu einem neuen
Höhepunkt. Es entbrannte ein Kampf um die immer knapper werdenden Ressourcen. Nicht
selten waren gerade kirchliche Güter zäh umkämpfte Objekte weltlicher und geistlicher
Machtpolitik. Der Gegensatz zwischen expandierendem Pro> Übertragung unterbrochen
lizismus um die Jahrhundertwende verschärfte diese Konflikte . Die konfessionelle Situation
im elsässisch-lothringischen Raum entsprach der politischen Zersplitterung. Die
habsburgischen Besitzungen, die den größten Teil des Oberelsasses umfassten, und die
Gebiete der Herzöge von Lothringen konnten als Verfechter des Katholizismus eine
Ausbreitung der neuen Religion weitgehend verhindern. Günstiger für die Aufnahme des
Protestantismus dagegen waren die Verhältnisse im Unterelsaß . Entscheidend hierfür war,
daß sich am 20. Februar 1529 der "große Schöffenrat" der Stadt Straßburg, der aus 300
Schöffen bestand, in überwiegender Mehrheit die neue Religion annahm . Die Reichsstadt
Straßburg entwickelte sich schnell zum Mittelpunkt der reformatorischen Bewegung in den
elsässischen Gebieten und förderte die Einführung der neuen Religion in der Umgebung. Bis
1585 wurde der größte Teil der unterelsässischen Reichsritterschaft und die Grafschaft
Hanau-Lichtenberg, sowie die Reichsstädte Weißenburg, Hagenau, Landau, Münster und
Colmar evangelisch . Zu diesem Zeitpunkt waren ungefähr ein Drittel der elsässischen
Gemeinden protestantisch. Dies bedeutete auch gleichzeitig die größte Ausdehnung der
reformatorischen Bewegung, denn gegen Ende des Jahrhunderts zeigte die Gegenreformation
der katholischen Kirche erste Erfolge im Elsaß. Ausgangspunkt der Gegenreformation waren
das Herzogtum Lothringen und insbesondere die habsburgischen Territorien im Oberelsaß.
Inhaltlich bedeutete das gegenreformatorische Programm zum einen die Behebung der
Mißstände innerhalb der katholischen Kirche, zum anderen sollte eine "protestantische
Unterwanderung" vermieden bzw. die Rückkehr zum alten Glauben erreicht werden.
Wichtigste Institution in Lothringen war hierfür die herzögliche Universität von Pont-àMousson, von der die katholische Erneuerungsbewegung im lothringischen Raum ausging.
Diese Reformbestrebungen richteten sich in erster Linie gegen die durch die Mißachtung der
Klosterregeln ausgehöhlten Orden. Bedeuteund hier waren v.a. seit 1600 die Reformen der
Klosterkongregation von Saint-Vanne durch den katholischen Geistlichen Didier de La Cour,
sowie der lothringischen Prämonstratenserorden durch Servais de Lairuels, beide Schüler der
Universität von Pont-à-Mousson . Die Gegenreformation war aber auch gleichermaßen
politisches Programm der weltlichen Fürsten. Denn die Bewahrung des alten Glaubens
bedeutete für die weltlichen Herrscher auch die Bewahrung der eigenen Machtposition. Hinter
der neuen Religion sahen die Fürsten vor allem "eine politische Rebellion in religiösem
Gewande" , die es zu unterbinden galt. Gerade für die oberelsässische Region wurde die
Gegenreformation hauptsächlich von der weltlichen Regierung, der habsburgischen
Regierung in Ensisheim unter Erzherzog Ferdinand, initiiert und druckvoll durchgeführt .
1592 berichtet die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim an Ferdinand über erste
Erfolge der Maßnahmen: " Sovil nun die Religion in Ellsaß in gemain betrifft", so ist zu
konstatieren, "daß die sachen der Zeitten (Gott lob) nit so böß oder gefährlich, als es zuvor
gewesen " . Unterstützt wurden die katholischen Reformbestrebungen der weltlichen und
geistlichen Fürsten durch die Jesuiten, die in vielen katholischen Städten, vor allem in
Molsheim und Ensisheim Kollegien gebildet hatten und die durch ihre Predigertätigkeit
missionarisch das Land bereisten . Dies führte in der Reichstadt Straßburg zu heftigen
Auseinandersetzungen zwischen den protestantischen Bürgern und den Jesuiten . Schließlich
war es auch der Konflikt zwischen der protestantischen Stadt Straßburg und dem Bischof von
Straßburg, der letztendlich zu einem offenen Krieg ausbrach und der das Elsaß schon im
Vorfeld des dreißigjährigen Krieges geschwächt hatte. Gespannt war hier schon seit längerem
das Verhältnis zwischen den protestantischen und katholischen Mitgliedern des Straßburger
Domkapitels . Nach dem Tod des Bischofs Johann von Manderscheid 1592 und der
darauffolgenden Bischofswahl eskalierte der Konflikt, indem nun auch die protestantischen
Kapitelmitglieder Anspruch auf das Bistum erhoben . Sie wählten den 15 Jahre alten
Markgrafen Johann Georg von Brandenburg, Sohn des Kurfürsten Joachim Friedrich zum
Administrator des Bistums. Die Katholiken ihrerseits suchten nun auch nach einem mächtigen
Verbündeten und wählten den Kardinal Karl von Lothringen, der sein Erscheinen an der
Spitze eines Heeres zugesichert hatte . Die militärische Konfrontation konnte nicht mehr
verhindert werden und zog sich schließlich - mit kurzen Unterbrechungen - bis 1604 hin, ohne
daß eine der beiden Parteien eine endgültige Entscheidung hätte erzwingen können . Es war
vor allem die Kriegsmüdigkeit eines durch die Folgen der Auseinandersetzung erschöpften
Landes, die das Ende der Kampfhandlungen ermöglichte. Im Hagenauer Vertrag von 1604
konnte auf Vorschlag auswärtiger Mächte, insbesondere des Herzogs von Württemberg ein
Kompromiß gefunden werden. Der Markgraf von Brandenburg verzichtete folglich gegen
eine finanzielle Entschädigung auf Straßburg und der Kardinal von Lothringen wurde als
Bischof bestätigt, während den protestantischen Domherren ihre Besitzungen und Pfründe auf
Lebenszeit zugesprochen wurden . Der Vertrag war auf 15 Jahre befristet. Die Straßburger
Probleme konnten durch diesen Vertrag nicht endgültig geregelt werden, da die Protestanten
immer noch im Domkapitel vertreten waren. Daneben entstand ein französischhabsburgischer Gegensatz um das Bistum Straßburg, da Heinrich IV. eine weitere
Einflußnahme der Österreicher, insbesondere in der Nachfolgefrage verhindern wollte . Die
Folgen für das Elsaß waren allerdings schwerwiegend. Weite Teile im Unterelsaß wurden
verwüstet. Besonders die Stadt Straßburg litt unter den finanziellen Belastungen des Krieges,
die Kriegsverschuldung belief sich insgesamt auf 800 000 Gulden . Die seit dem Ende 16.
Jahrhunderts bemerkbare Wirtschafts- und Finanzkrise wurde somit durch den "bischöflichen
Krieg" weiter verschärft. 4. Der Dreißigjährige Krieg in Elsaß-Lothringen Mit dem
Aufstand in Böhmen begann 1618 der Dreißigjährige Krieg im deutschen Reich. Durch die
Wahl Friedrichs von der Pfalz 1619 zum König von Böhmen verschärfte sich der Konflikt
zwischen Protestanten und Katholiken im Reich zunehmend. Kaiser Ferdinand bemühte sich
schon frühzeitig um ein Eingreifen der spanischen Hauses in den Konflikt. Durch einen
spanischen Vorstoß in die pfälzischen Erblande sollten die kaiserlichen Truppen in Böhmen
entlastet werden. Unter dem Oberbefehl Spinolas zogen im August 1620 spanische Truppen
aus den Niederlanden in die Pfalz ein . Durch die Schlacht am Weißen Berg vor Prag und die
Erfolge der Spanier in der Pfalz lag das Kriegsglück in dieser ersten Phase auf der Seite der
Kaiserlichen. Damit wurde auch gleichzeitig der elsässisch - lothringische Raum unmittelbar
in das Kriegsgeschehen einbezogen.(Karte) Dies führte zunächst zu Auseinandersetzungen
zwischen den katholischen und protestantischen Ständen . Die in den habsburgischen
Besitzungen durchgeführten Truppenkonzentrationen kaiserlicher Kontingente verursachte
allgemeine Besorgnis innerhalb der protestantischen Stände, die sich dadurch bedroht fühlten
und ihrerseits eigene Truppenanwerbungen zum eigenen Schutz durchführten. Straßburg
erhöhte beispielsweise die eigene Garnison um 800-900 Soldaten, ließ die Rheinbrücke
stärker bewachen und verbot den Verkauf von Kriegsmunition nach außen . Die allgemeine
politische Situation hatte sich aber nach der Niederlage der Protestanten am Weißen Berg
maßgeblich verändert. Das Unionsbündnis der protestantischen, deutschen Reichsfürsten
befand sich in der Auflösung. Auch die Reichsstadt Straßburg trat auf Betreiben des Kaisers
und des Erzherzogs Leopold, Bischof von Straßburg,1621 aus der Union aus und versicherte
dem Kaiser, sich zukünftig neutral zu verhalten . Ferdinand II. gewährte ihr dafür im selben
Jahr das "academici privilegii", mit der der protestantischen Akademie Namen und Rechte
einer Universität übertragen wurden . Von größerer Bedeutung für den elsässischen und
lothringischen Raum war allerdings die Gefahr, die von dem protestantischen Heerführer Graf
Ernst von Mansfeld ausging, der mit seiner Armee 1621 ins Elsaß eingefallen ist und
Plünderungszüge durchführte. Von seinem Stützpunkt in Hagenau aus verwüstete er weite
Teile der katholischen Herrschaften, insbesondere die Gebiete des Bistums Straßburg,
wohingegen die protestantischen Herrschaften und Städte durch Verhandlungen und
Geldzahlungen ihre Neutralität erreichen konnten und dadurch teilweise verschont blieben .
Im Januar 1622 beschlossen sowohl Kaiser Ferdinand II. als auch der Anführer der
katholischen Liga, Maximilian von Bayern Hilfe und militärische Unterstützung für die
bedrohten elsässischen Gebiete . Doch dem Kaiser mißlang es, Verbündete für ein
gemeinsames Vorgehen gegen Mansfeld zu gewinnen. Gleichzeitig waren die kaiserlichen
Truppen in der Pfalz gebunden, wo die protestantischen Söldnerführer Christian von
Braunschweig und Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach weiterhin Widerstand
leisteten . Erst durch die Niederlagen des Markgrafen bei Wimpfen und Christian von
Braunschweig bei Höchst im Mai/Juni 1622 war auch Mansfelds Position im Elsaß nicht mehr
zu halten. Im August setzte er sich mit seiner Armee in Richtung Generalstaaten ab . Die
kaiserlich-katholische Partei war nach dem mansfeldischen Zwischenspiel eindeutig Sieger im
Elsaß und begann sofort ihre eigene Position weiter auszubauen . Nach den militärischen
Auseinandersetzungen folgten die gegenreformatorischen Maßnahmen unter Erzherzog
Leopold. In Hagenau wurde bereits 1624 durch ein Edikt Ferdinand II. der evangelische
Gottesdienst und Schulunterricht verboten und alle Protestanten aus der Stadt ausgewiesen.
Dasselbe geschah 1627 in Schlettstadt. 1628 wurden schließlich in Colmar die Protestanten
aus allen öffentlichen Ämtern verwiesen . Auch wurden Eingriffe von kaiserlicher Seite auf
die Verhältnisse in Straßburg unternommen. Der Erfolg blieb aber weitgehend aus. Man
erreichte lediglich, daß auf kaiserliche Verordnung hin alle Einkünfte der protestantischen
Mitgliedern des Domkapitels - entgegen dem Hagenauer Vertrag von 1604 - eingezogen
wurden . Der Höhepunkt kaiserlicher Macht bedeutete allerdings das 1629 erlassene
Restitutionsedikt, das unter anderem die Herausgabe aller nach 1552 von den Protestanten
einbezogenen Kirchengüter vorsah . Bereits im selben Jahr wurden folglich Ensisheimer
Regierungsräte in Straßburg wieder tätig, um aufgrund des Ediktes die Rückgabe des
Straßburger Münsters, sowie der Kirchen Alt- und Jung-Sankt Peter zu fordern. Der
Straßburger Rat weigerte sich aber dieser Forderung nachzukommen. Zur Durchsetzung der
Forderung waren dem Kaiser aber die Hände gebunden, denn die politische Konstellation
hatte sich Ende 1629 zu seinen Ungunsten verändert. Zum einen drohte ein Kriegseintritt
Schwedens, zum anderen wurde die Gefahr eines französischen Einfalls an der Westgrenze
des Reiches akut, so daß auch ein gewaltsames Vorgehen gegen Straßburg nicht mehr
möglich war . Durch die Auflösung der protestantischen Union und die Machtverschiebung
in der Pfalz zugunsten der kaiserlichen Partei schwenkte die französische Politik endgültig zu
einer Unterstützung der antihabsburgischen Koalition um. Drei Ziele wurden dabei deutlich:
1. Der Aufbau einer katholischen, aber antikaiserlichen Partei im Reich durch
Unterstützung der Übertragung der pfälzischen Kur an Bayern.
2. Die Anbahnung
engerer Beziehungen zu den protestantischen Ständen.
3. Der Aufbau besonderer
Verbindungen zu den oberrheinischen Ständen mit dem Ziel, sie in Protektion zu nehmen
. Bereits 1621 bot sich für Frankreich die Möglichkeit einer engeren Einflußnahme auf die
elsässischen Gebiete. Die Unsicherheit der protestantischen Stände aufgrund des Vormarsches
Spinolas ausnutzend ließ Frankreich durch den Agenten Persot ein Protektionsangebot an die
Stadt Straßburg machen . Dieses Angebot wurde aber zu überstürtzt und ohne umfassende
Planung unterbreitet , so daß die Stadt Straßburg um ihre eigene Libertät bangend ablehnte.
Aber das Ziel der französischen Politik wurde nun deutlich . Für die französische
Protektionspolitik von besonderer Bedeutung war aber vornehmlich die Situation im
lothringischen Herzogtum. Herzog Karl IV. von Lothringen, der 1625 die herzogliche Macht
übernahm , wurde von beginn an konfrontiert mit einem verstärkten Engagement Frankreichs
unter Kardinal Richelieu im lothringischen Raum. Der französische König beanspruchte
wieder das Nominationsrecht im französischen Lehen des Barrais mouvant, das eine
Beschränkung der Herzogsmacht bedeutete. Durch den Erwerb der Herrschaft Malatour
erhielt der französische König eine strategisch wichtige Position in Lothringen. Einerseits
sichert er sich dadurch eine Landbrücke in das Protektionsgebiet Metz, andererseits
behinderte dieser unter französischem Einfluß stehende Landstreifen auch den freien
Durchzug spanischer Truppen von Flandern nach Burgund. Schlüsselbedeutung für die
französische Passagenpolitik besaß aber hauptsächlich das Bistum Metz. Richelieu verstärkte
seine Bemühungen, das Protektionverhältnis auf das Bistum auszudehnen, wodurch
Lothringen ernsthaft bedroht war . Um dieser Entwicklung entgegenzutreten konnte Herzog
Karl IV.die besondere Lage Lothringens als Grenzland ausnutzen. Es gab neben Frankreich
andere europäische Großmächte, die ebenfalls besonderes Interesse an den politischen
Verhältnissen im lothringischen Raum hatten und die der Herzog zu seinem eigenen Vorteil
ausspielen konnte. In erster Linie waren dies die Interessen Spaniens an der lebenswichtigen
Nord-Süd - Verbindung durch Lothringen, die durch die französische Politik gefährdet war.
Aber auch Kaiser und die katholische Liga waren auf die Hilfe des Herzogs angewiesen. Der
Kaiser beanspruchte und benötigte weiterhin das Bistum Metz zur westlichen Grenzsicherung.
Der Führer der katholischen Liga, Herzog Maximilian von Bayern suchte ein Bündnis mit
dem lothringischen Herzog, um die Unterpfalz umfassend zu sichern . Diese Konstellation,
auf der einen Seite Frankreichs Passagenpolitik, um eine habsburgischen, insbesondere eine
spanische Umklammerung zu vermeiden und auf der anderen Seite ein Bündnis der
verschiedenen katholischen Mächte des Reiches zur Eindämmung Frankreichs, spitzte sich in
den folgenden Jahren zu einem militärischen Konflikt zu. Nachdem Frankreich 1628 durch
die Eroberung von La Rochelle den Widerstand der Hugenotten gebrochen hatte,
konzentrierte die französische Monarchie ihre Kräfte nun an der Ostgrenze des Königtums.
Richelieu formulierte 1629 in einem Memorandum an den König die Grundzüge der neuen
französichen Außenpolitik für die folgenden Jahre. Unter anderem wurde als wichtiges Ziel
aufgeführt: "il falloit penser à se fortifier à Metz, et s'avancer jusqu'à Strasbourg s'il étoit
possible pour acquérir une entrée a l'Allemagne" . Zu diesem Zweck verstärkte Ludwig XIII.
seine Champagnerarmee unter dem Befehlshaber Marillac. Aber gleichermaßen operierten
auch kaiserliche Truppen im Gebiet des Stiftes Metz und besetzten mit Unterstützung Karl
IV. im Mai 1630 die Metzer Festungen Vic und Moyenvic. Eine militärische
Auseinandersetzung zwischen beiden Parteien schien sich nicht mehr vermeiden zu lassen (
Karte). Aber ein weiters Ereignis veränderte die politische Lage in Europa maßgeblich und
beeinflußte auch die Entwicklung im Elsaß und in Lothringen. Im Sommer 1630 landete
Gustav Adolf in Pommern und griff somit in den Krieg ein ( Karte ). Für die französische
Politik bedeutete der schwedische Siegeszug im Reich eine neue politische Situation, die das
Konzept Richelieus durcheinander brachte. Einerseits gelang es den Schweden die
habsburgische Position im Reich nachhaltig zu schwächen, was auch im Sinne der
französischen Politik geschah. Andererseits war Frankreich gleichzeitig gezwungen, die
Expansion der schwedischen Macht einzudämmen, um nicht Gefahr zu laufen, mit Schweden
einen neuen Konkurrenten um Reichsansprüche zu erhalten . Frankreich mußte nun auch
militärisch aktiv werden. Bereits 1631 bot sich dazu die Gelegenheit. Nach der Niederlage der
Kaiserlichen bei Breitenfeld eilte die lothringische Armee unter Karl IV. den Truppen Tillys
zu Hilfe. Richelieu nutzte diese Situation und marschierte in das ungedeckte Metzer Bistum
ein. Die Festungen Vic und Moyenvic kapitulierten am 27. Dezember 1631. Frankreich
konnte nun den lothringischen Herzog in die eigenen Pläne einbinden. Im Vertrag von Vic
wurde Karl IV. zu strikter Neutralität verpflichtet. Weiterhin mußte er sein Land für
französische Truppendurchzüge offenhalten . Richelieu hatte damit ein wichtiges Ziel
erreicht: Der Weg in das Reich, insbesondere ins Elsaß lag frei. Doch waren dort bereits die
Schweden tätig geworden. Der weitere Erfolg der schwedischen Kriegsführung hing sehr
stark davon ab, inwieweit Gustav Adolf die protestantischen Reichsstände an sich binden und
militärisch integrieren konnte. Das verbindende Mittel war dabei der Schutzgedanke, zu dem
sich der schwedische König als "christlicher evangelischer potentat" und "protector religionis"
gegenüber den verbündeten Ständen verpflichtete . Unterstützt wurde diese Protektionspolitik
vor allem durch die militärische Schlagkraft des schwedischen Heeres, das den bedohten
Ständen oftmals keine andere Wahl ließ als sich mit Schweden zu verbünden. In diesem Sinn
wendete sich der König an Straßburg.
Nach langen Verhandlungen wurde am 7.
Juni 1632 der Vertrag geschlossen. Die
Stadt Straßburg gab ihre Neutralität auf
und
verpflichtete sich, Proviant und Munition zu
stellen, sowie
schwedischen Truppen den
Durchzug zu erlauben . Erst dadurch
abgesichert, begann im September unter
dem Befehlshaber Horn der
schwedische
Vorstoß ins Elsaß. Besonders die protestantischen Stände hofften
auf die Schweden als Retter ihres Glaubens, obwohl auch die damit verbundenen
Kriegsauswirkungen Besorgnis verursachten . Ein Volkslied verdeutlicht die damalige
Stimmung unter den Protestanten: "Des Gustavi Adolphi Gesundheit wollen wir trinckhen, Es
soll ihm wohl ergehen. Der Papisten Glaub wird bald hinckhen, Es wird nicht lang bestehn.
Der Schwed, der wird ausreithen gar, Ausreithen wird er gar Die gantz papistsche Schaar". In
den folgenden Jahren wurden alle wichtigen Gebiete und Städte im Elsaß von den
schwedischen Truppen besetzt. Die innere politische Struktur konnte diesem Ansturm nicht
standhalten. Die Landtage, die in erster Linie die Verteidigung des Landes sichern sollten,
konnten eine schwedische Besetzung nicht verhindern. Im Elsaß dominierten von diesem
Zeitpunkt an nur noch das militärische Kalkül der verschiedenen Armeen . Für Frankreich
bedeutete dies, daß die die Passagenpolitik im Elsaß vorerst an den habsburgischen und den
schwedischen Positionen zum Stillstand gekommen war, da Frankreich einen offenen Bruch
mit dem Kaiser oder den Schweden noch vermeiden wollte. Diese Situation änderte sich
wiederum grundlegend durch die vernichtende Niederlage der Schweden gegen die
Kaiserlichen in der Schlacht von Nördlingen am 6. September 1634. Die Konsequenzen der
Niederlage waren im Elsaß direkt spürbar. Die schwedische Position im Elsaß war auf längere
Sicht nicht mehr zu halten. Gleichzeitig versuchten die Kaiserlichen die Niederlage und die
damit verbundenen Schwäche der Schweden auch im Elsaß auszunutzen. Eine kaiserliche
Armee unter dem Herzog von Lothringen und dem Heerführer Johann de Werth bedrohte die
schwedischen Besatzungen im Elsaß . Für die meisten elsässischen Städte, die schutzlos den
herannahenden kaiserlichen Truppen gegenüberstanden, bot sich als Alternative zur
Kapitulation die Übergabe und Anerkennung Frankreichs als Schutzmacht. Angesichts der
militärischen Bedrohung waren die meisten Städte dazu bereit und nahmen französische
Garnisonen auf . Hinzu kam, daß mit Zustimmung des schwedischen Ministers Oxenstierna
die schwedischen Stellungen im Elsaß durch den Pariser Vertrag vom 1. November 1634 an
Frankreich übergeben wurden . Bis Ende 1636 erstreckte sich die französische Protektion über
fast das gesamte Elsaß . Totzdem waren die Position der Franzosen im Elsaß nicht gefestigt.
Durch die Kriegseintritt Frankreichs 1635 verschob sich das Kriegsgeschehen endgültig in die
westliche Zone des Reiches. In den folgenden Jahren durchzogen vielfach spanische,
kaiserliche und französische Truppen das Land. Nach der Schlacht von Nördlingen war es
Frankreiche gelungen gegen eine Zusage auf selbstständige Landesherrschaft im Elsaß den
Söldnerführer Bernhard von Weimer zu verpflichten, der den Krieg im Elsaß zugunsten
Frankreichs entscheiden konnte und 1638 die Festung Breisach einnahm . Damit waren auch
die militärischen Operationen des Dreißigjährigen Krieges im Elsaß beendet. Frankreich
begann nun die militärische Protektionen in das allgemeine französische Verwaltungssystem
zu integrieren . Ungünstiger gestaltete sich die Situation Frankreichs in Lothringen. Dort
leistete der lothringische Herzog Karl IV. heftigen Widerstand gegen die französische
Besatzung. Obwohl Frankreich spätestens ab 1635 Herr des lothringischen Raumes ist, bricht
Karl IV. in regelmäßigen Abständen mit Unterstützung kaiserlicher und vor allem spanischer
Truppen in das Herzogtum ein. Diese Versuche das lothringische Herzogtum
zurückzugewinnen bleiben allerdings ohne größeren Erfolg, Ludwig XIII. behält die
Oberhand . Die französische Lothringenpolitik ist einerseits gekennzeichnet dadurch, daß sie
nicht die völlige Vernichtung Karl IV. beabsichtigte, sondern ihn in das politische Konzept
Frankreichs einzubinden versuchte . Dies gilt für sowohl für den Frieden von Charmes 1633,
als auch für den Frieden von Saint-Germain 1641 . Andererseits aber betreibt Frankreich den
inneren Ausbau der besetzten Gebiete. 1633 wird in Metz ein Parlament eingerichtet, das die
oberste Berufungsinstanz für bischöfliche und städtische Gerichtshhöfe ist. Durch Edikt
werden die besetzten Gebiete 1634 in die vier Amtsbezirke Metz, Toul, Verdun und Vic
eingeteilt, wodurch die politische Autonomie der Städte und der Bistümer untergraben wird .
Dies waren die Voraussetzungen, die Frankreich im Elsaß und in Lothringen geschaffen hat
und mit denen die französischen Gesandten aus gestärkter Position in die
Friedensverhandlungen eintreten konnte. Der Westfälische Friede 1648 brachte allerdings
weder für die elsässische noch die lothringische Frage eine klare Entscheidung . Aufgrund des
noch weiter bestehenden Gegensatzes zwischen Frankreich und Spanien wurde auch eine
endgültige Regelung der lothringischen Verhältnisse an einen französisch-spanischen
Friedenvertrag gebunden und somit vom Westfälischen Frieden ausgeklammert. Lediglich
wurde in Artikel 72 und 73 des Vertrages die Souveränität des französischen Königs über die
Städte und Bistümer Metz, Toul und Verdun anerkannt. Im Zentrum des Herzogtums
Lothringen ist somit ein "bistümliches" Lothringen entstanden und staatsrechtlich
festgeschrieben worden . Die Kämpfe in Lothringen gehen unterdessen weiter, da der
lothringische Herzog weiterhin mit spanischer Unterstützung Widerstand leistet. Erst 1661
legen sich die kriegerischen Auseinandersetzung im lothringischen Raum . Günstiger für
Frankreich waren die Bestimmungen des Westfälischen Friedens im Bezug auf das Elsaß.
Mazarin, der 1643 die Nachfolge Richelieus antrat, konnte dabei seine Forderungen
weitgehend durchsetzen. Frankreich erhielt den elsässischen Territorialbesitz der Habsburger,
die Landgrafschaft im Ober- und Unterelsaß, sowie die Landvogtei über die zehn elsässischen
Reichsstädte . In Artikel 87 wurde aber den elsässischen Reichsständen die
Reichszugehörigkeit und Reichsunmittelbarkeit garantiert . Die Bestimmungen waren
allerdings sehr unklar formuliert und gaben Spielraum für Interpretationen. Besonders die
Titel der Landgrafschaft und Landvogtei wurden unterschiedlich ausgelegt. Während die
Habsburger diesen Titeln eher symbolische Bedeutung zuschrieben, leitete der französische
König weitgehende Ansprüche und Rechte davon ab. Dies mußte zwangsläufig zu neuen
Konflikten führen. Letztendlich war es eine Machtfrage, die über das endgültige Schicksal des
Elsass entscheiden sollte . 5. Die Auswirkungen des Krieges So unklar die politischen
Verhältnisse während des Krieges und nach dem Ende der Kriegshandlungen waren, so
deutlich wurden allerdings die Auswirkungen, die der Krieg im Elsaß und in Lothringen
hinterlassen hatte und unter denen hauptsächlich die Zivilbevölkerung zu leiden hatte. Dabei
muß aber sowohl zeitlich, als auch von der Intensität her regional unterschieden werden.
Während das Elsaß durch die Eroberungszüges des Söldnerführers Graf Ernst von Mansfeld
1622/23 einen ersten Vorgeschmack auf das Kommende bekam, blieb der lothringische Raum
weitgehend unberührt. Dagegen kehrte im Elsaß spätestens ab 1640 wieder einigermaßen
Ruhe ein und dieser Friede wurde durch den Westfälischen Frieden garantiert, während der
lothringische Raum vom Friedensvertrag ausgeschlossen blieb und die Kriegshandlungen dort
bis 1661 weitergingen. Für beide Regionen gleichermaßen schrecklich waren die Kriegsjahre
1635 bis 1637. Der Marquis de Beauvais, der die Memoiren Karl IV. niedergeschrieben hat,
bemerkt, daß das Jahr 1635 "a plus causé de calamitez à la Lorraine que toutes les
précédentes, parce qu'elle fut inondée de toutes les bêtes dont parle l'Apocalipse, scavoir de
l'écume des Nations, Polonoises, Hongroises, Bohémiennes, Allemandes, Suédoises,
Lorraines, Francoises, Italiennes et Espagnoles à qui le Duc la laissa à l'abandon." Dies galt
sowohl für das flache Land als auch für die Städte. Lediglich Mühlhausen und Straßburg ist es
gelungen, aufgrund ihrer starken Befestigungsanlagen und ihrer weitgehend neutralen
Position die Auswirkungen im Vergleich zu anderen Städten zu begrenzen . Allgemein kann
man für das Elsaß und Lothringen einen Bevölkerungsverlust von 50% während des
Dreißigjährigen Krieges feststellen . Damit ist die Region Elsaß-Lothringen eine der am
schlimmsten betroffenen Regionen Europas. In der folgenden, näheren Erläuterung muß
allerdings zwischen unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgen unterschieden werden. 5.1
Die unmittelbaren Auswirkungen Unter den unmittelbaren Auswirkungen des Krieges
versteht man die Folgen, die direkt durch das Einwirken militärischer Kräfte verursacht
werden. Zeitgenössische Künstler haben oftmals dieses Thema zum Gegenstand ihrer
Kunstwerke gemacht. Bekannt ist vor allem die Kupferstichserie " Les Misères de la guerre"
des lothringischen Künstlers Jaques Callot, der in mehreren Werken die Greueltaten und den
Terror der Soldaten gegenüber der lothringischen Zivilbevölkerung schildert . In erster Linie
litt die Zivilbevölkerung unter der Quartiernahme und Proviantierung der operierenden
Truppen . Die Soldaten beschlagnahmten zu diesem Zweck Häuser und verlangten von der
Bevölkerung, die Nahrungsmittel zu stellen. Zwar wurden zu Beginn des Krieges diese
Lebensmittel noch bezahlt, doch fehlte
schon bald das nötige Geld dazu. 1635
befiehlt Frankreich seinen lothringischen
Besatzungstruppen, die zur
Ernährung
erforderlichen Mittel zu kontribuieren .
Die dazu
benötigte Menge war nicht
unerheblich. Mansfeld forderte
beispielsweise im Mai 1622 von der Stadt Straßburg zur Proviantierung seiner Armee 49500
Pfund Brot, 12600 Maß Wein und 750 Malter Hafer . Konnte diese Menge nicht bereitgestellt
werden, mußte der Rest durch Geldleistungen ausgeglichen werden. Die lothringische
Gemeinde Gerbéviller mußte zur Unterhaltung eines französischen Regimentes vom
Dezember 1644 bis zum März 1645 neben der Abgabe von Getreide und Hafer zuzüglich
9657 francs zahlen . Insbesondere von den Städten wurden regelmäßig hohe finanzielle
Summen gefordert. Diese außergewöhnlichen Belastungen waren aber nur bis zu einem
bestimmten Grad noch von der Bevölkerung zu ertragen. Die Folge war eine weitgehende
Verarmung der Bevölkerung. Im weiteren Verlauf des Krieges waren die Soldaten trotz
obrigkeitlichem Verbot zur Sicherung ihrer Versorgung gezwungen, Raub- und
Plünderungszüge in der Umgebung durchzuführen. In den Quellen finden sich hierfür viele
Beispiele. Insbesondere der bäuerlichen Landbevölkerung drohte dadurch der Verlust ihrer
Habe und der zur bäuerlichen Wirtschaft notwendigen Mittel wie Viehbestände, Zugpferde
und Saatgut . Oftmals verliefen diese Plünderungen gewaltsam, gerade dann, wenn sich die
Zivilbevölkerung zu wehren versuchte. Je größer die Not wurde, desto größer wurde auch die
Gewaltbereitschaft der Soldaten. Aus dem Jahr 1636 berichtet der Statthalter und Rat von
Thann, daß in verschiedenen Orten "Manns- und Weibspersonen über die maßen unerhörter
weiß gebeinigt, bei ihrer Mannheit und sonst aufgehenkt, geknebelt, Tränk eingegossen, unter
die Weibspersonen fueren [Feuer] gemacht" . Verstärkt wurde diese Gewaltbereitschaft durch
den konfessionellen Charakter des Krieges. So wurden von den Schweden vielerorts die
katholischen Kirchen und Kapellen geplündert . Aber auch die kaiserlichen und spanischen
Truppen zeigten die gleiche Härte gegen protestantische Einrichtungen und
Bevölkerungsteile. Die Flucht vor den herannahenden Truppen war meist die einzige
wirksame Möglichkeit der Bevölkerung, den bevorstehenden Plünderungen zu entgehen.
Fluchtplätze waren dabei die benachbarten Wälder und die umliegenden, befestigten Städte.
Bemerkenswert ist, daß zu Beginn des Krieges auf Befehl der Obrigkeit die ländliche
Zivilbevölkerung aufgefordert wurde, sich in die Städte zu evakuieren. 1619 ließ die
Ensisheimer Regierung durch ein "Flehnungspatent" in den umliegenden Dörfern bekannt
geben, " daß man seine bewegliche Habe, sein Bargeld, seinen besten Hausrat, sein
Silbergeschirr und andere Wertsachen, größerer Sicherheit wegen, in österreichische Städte
schaffen ("flehnen") solle, bis der Durchzug vorüber sei" . Gleichzeitig wurde die Untertanen
aber auch aufgefordert, "was das Kriegsvolk in den Quartieren zum Schlafen, Kochen usw.
benötige, in Bereitschaft zu halten, weil der Soldat, wenn er nicht vorfand, was man ihm zur
Verfügung zu stellen verpflichtet war, sich zu den gröbsten Ausschreitungen hinreißen lassen
konnte." Die immer weiter ansteigenden Flüchtlingsströme brachten aber den Städten große
Probleme und führten oftmals zu Konflikten mit der ursprünglichen Stadtbevölkerung . In
Straßburg wurden 1622 insgesamt 9812 Flüchtlinge gezählt, 1636 schätzte der Stadtrat die
Zahl auf über 30 000 Flüchtlingen aus der Umgebung . Ein weiteres, aber minder
erfolgreiches Mittel, Kriegsschäden durch plündernde Soldaten zu vermeiden, war der Kauf
von Schutzbriefen. Gegen eine bestimmte Geldsumme konnten kleinere Landesherren oder
Städte eine Schutzgarantie, sogenannte Salvaguardien von den Heerführern erhalten. Doch
war deren Wirksamkeit begrenzt, da sie oftmals nicht respektiert wurden. Henri Champlon,
Pfarrer von Ottonville, erhielt 1635 von Herzog Karl IV. einen solchen Schutzbrief, doch
erreichte er dadurch nicht, daß "les recoltes ne fussent saccagées et que la moitié du village ne
fût incendiée par les troupes du [...], qui semblables à une nuée de sauterelles, anéantirent tout
durant l'espace de trois jours" . Ein Schutz der ländlichen Bevölkerung durch Übergriffe des
Militärs waren also nur bedingt möglich. Das einzige wirksame Mittel war die Flucht, doch
die bedeutete meist der Verlust der Behausung und der wirtschaftlichen Grundlage.Die Städte
hingegen waren einigermaßen sicher gegenüber den gewalttätigen Übergriffen der Soldaten.
Die Überbevölkerung durch Flüchtlinge führte aber hier zu gefährlichen Ernährungskrisen,
die schwerwiegende Folgen hatten. Obwohl 1635 beispielsweise sieben Armeen zugleich in
Lothringen operieren, wurden die hohen Bevölkerungsverluste nicht allein durch die direkten
Kriegsauswirkungen verursacht. Das 'große Sterben' der Bevölkerung war hauptsächlich das
Resultat der mittelbaren Kriegsfolgen, in erster Linie waren dies Hungersnöte und
verschiedene Seuchen, die das Elsaß und Lothringen überzogen. 5.2 Die mittelbaren
Kriegsauswirkungen Der Wirtschaftsraum Elsaß-Lothringen wurde durch den
Dreißigjährigen Krieg grundlegend erschüttert. Die Verlagerung des Kriegsgeschehen in die
westlichen Reichsgebiete ab 1632 führten dort zu katastrophalen Wirtschaftsverhältnissen und
damit verbundenen Versorgungskrisen. Die ländlichen Gegenden waren weitgehend
verlassen. Die bäuerliche Bevölkerung war vor den herannahenden Truppen geflüchtet.
Folglich lagen weite Teile der landwirtschaftlichen Anbaufläche brach. Besonders betroffen
hiervon war der südliche Teil des Elsaß, der landwirtschaftlich intensiv genutzte Sundgau .
Die Ernteerträge fielen dementsprechend niedrig aus und das Getreide wurde auf den Märkten
der Städte immer knapper . In den Jahren 1623 und 1635-1639, die die schwersten
Krisenjahre waren, stiegen in Straßburg die Preise für Weizen, Roggen, Gerste und Hafer
durchschnittlich auf das Dreifache des Normalpreises . Eine Hungersnot konnte in den von
Flüchtlingen überfüllten Städten nicht verhindert werden. Der Straßburger Johann Walter
berichtet in seiner Chronik über die Verhältnisse in Straßburg 1622: "Comme plus personne
ne pouvait habiter la campagne, la ville avait été tant surpeuplée qu'il etait impossible de
trouver un gîte. La hausse de prix était si forte qu'un rézal de grains était vendu à douze
florins" . Die Maßnahmen, die der Rat der Stadt Straßburg zur Eindämmung einer Hungersnot
in Krisenzeiten durchführte, schienen solchen Flüchtlingsströmen nicht gewachsen zu sein.
Um die allgemeine Teuerung abzuschwächen, verkaufte die Stadt Gerteide zu einem
niedrigeren Preis aus ihren eigens dafür vorgesehenen Stadtspeichern. Im weiteren Verlauf
der Krise verteilte der Stadtrat Getreide an die Bevölkerung, beschränkte deren Export und
förderte das Backen von Brot. Diese Maßnahmen blieben aber während den Krisen des
Dreißigjährigen Krieges ohne wirksamen Erfolg. Die unübersichtbaren Verhältnisse in der
Stadt führten mehr zu einem Mißbrauch als zu einem Nutzen für die Gesamtbevölkerung, so
daß der Magistrat gezwungen war, diese Hilfsleistungen einzustellen bzw. waren nach kurzer
Zeit die städtischen Vorräte aufgebraucht . Sowohl auf dem Land als auch in der Stadt war die
Bevölkerung im Elsaß und in Lothringen der Hungersnot hoffnungslos ausgeliefert.
Besonders die Krisenjahre 1635-39 treffen die Bevölkerung hart. Die Chroniken Thann und
La Petite-Pierre berichten, daß sich die Bewohner nur noch von verschiedenen Gräsern und
Wurzeln ernähren konnten. Aber auch Ratten und Hunde wurden gegessen . Einige Quellen
berichten von auftretendem Kannibalismus unter der Bevölkerung . Obwohl keine genauen
Zahlen über die Opfer der Hungersnot vorliegen, war der Bevölkerungsverlust doch
beträchtlich. Sowohl in den Städten als auch auf dem Land sollen die Straßen und Plätze mit
toten Körpern übersät gewesen sein, so daß beispielsweise der Friedhof von Straßburg
zwischen 1636 und 1637 erweitert werden mußte . Eine Hungersnot äußerte sich allerdings
selten allein, sondern wurde gewöhnlich von Epidemien und Seuchen begleitet, die wiederum
viele Opfer unter der Zivilbevölkerung forderten. Diesen Epidemien wurden generell als Pest
tituliert, doch in Wirklichkeit sind neben der traditionellen Lungen- oder Beulenpest noch
verschiedene andere Seuchen, wie z.B. Typhus und Ruhr aufgetreten . Auch war das
Auftreten der Pest nichts außergewöhnliches, vielmehr traten Epidemien in regelmäßigen
Abständen auf. In Straßburg wurden während des 16. Jahrhunderts und zu Beginn des 17.
Jahrhunderts in einem bestimmten Zyklus - ungefähr alle zehn Jahre - erhöhte Sterberaten
festgestellt, die durch Epidemien verursacht wurden . Trotzdem wirkte sich die Pest während
des Dreißigjährigen Krieges gravierender auf die Bevölkerungsverluste aus als die üblichen
Epidemien. Die große Zahl der Flüchtlinge in den Städten und die daraus resultierende Enge
des Lebensraumes, sowie die schlechten hygienischen Verhältnisse stellen ein ideales Milieu
zur effekiven Verbreitung der Pest dar . Die gleichfalls schon durch den Hunger
geschwächten Menschen waren ein leichtes Opfer für die Pest. Dementsprechend hoch war
auch die Sterberate. Für den Zeitraum vom 14. September 1633 bis zum 30. Dezember des
gleichen Jahres wurden allein in Drusenheim 4018 Pestopfer gezählt . Aufgrund der fehlenden
Sterberegister für die Jahre 1634 bis 1638 können für diesen Zeitraum keine genauen
Angaben gemacht werden, doch ist davon auszugehen, daß die Pest 1636 ihren Höhepunkt
erreicht hatte . Die Reaktionen der Bevölkerung zur Verhinderung einer Infektion waren
verschieden. Besonders in den Städten wurden von der Obrigkeit umfassende
Abwehrmaßnahmen ergriffen, deren Erfolg aber meist zweifelhaft war . In erster Linie
versuchte sich die Stadt nach außen hin abzuschotten. Im lothringischen Nomeny beschloß
der Gouverneur "la fermeture des marchés et la suppression de tout trafic commercial avec
l'extérieur avec défense publique d'entrer dans la ville sous peine de gibet" . Oftmals wurden
auch die Flüchtlinge wieder aus der Stadt getrieben und die bereits Infizierten wurden, wie in
Epinal, Pont-à-Mousson und Verdun, in Verschlägen außerhalb der Stadt eingepfercht . Da
die Ärzte der damaligen Zeit, allen voran der Straßburger Arzt Jean Gonthier d'Andernach an
die Übertragung der Pest - teilweise zu Recht - durch den Atem glaubten, wurden von
medizinischer Seite hauptsächlich Ratschläge zur Prävention einer Ansteckung gegeben, die
dann in Form der sogenannten "Pestschriften" an alle Bevölkerungsschichten weitergegeben
wurden . Diese Pestschriften waren während des Dreißigjährigen Krieges sowohl im Elsaß als
auch in Lothringen sehr verbreitet. Eine wirksame Eindämmung der Pest konnte aber auch
dadurch nicht erreicht werden . Die einzige, effektive Lösung, der Pest zu entkommen, war
die Flucht aus den verseuchten Gebieten, doch wohin sollte man fliehen? 5.3 Die
demographischen Folgen des Dreißigjährigen Krieges Gegen Ende des Dreißigjährigen
Krieges war das Bild Elsaß-Lothringens geprägt durch Verwüstung und Verödung. Der Krieg
löste eine allgemeine Migrationsbewegung vom Land in die Städte aus. Dort wurde allerdings
der Großteil der Bevölkerung Opfer der Hungersnöte oder der Pest. Das Phänomen einer
allgemeinen Entvölkerung war sowohl im Elsaß als im lothringischen Raum deutlich spürbar.
Viele Dörfer waren teilweise oder vollständig verödet. Einige Beispiele sollen dies
verdeutlichen: Der elsässische Ort Bouxwiller zählte nach 1648 nicht mehr als acht
Einwohner. Die Herrschaft Niederbronn, die insgesamt sechs Dörfer im Elsaß umfaßte, war
nach 1641 menschenleer . Ähnliches war auch in Lothringen feststellbar. Die 14 Dörfer der
Grafschaft Vaudémont zählten vor Beginn der Kriegshandlungen 1630 noch 600 Haushalte.
1636 war die Zahl auf insgesamt 125 Haushalte gesunken . Aber auch die Städte waren stark
dezimiert. Das Schicksal der Stadt Epinal während des Krieges unterstreicht diese
außergewöhnlichen Belastungen: 1629 von der Pest heimgesucht, 1633 an den französischen
Marschall de la Force übergeben und anschließende Plünderungen, 1636 wütet wiederum die
Pest, 1641 neue Belagerung durch die Franzosen und Besetzung durch französische Truppen.
1648 wurden in Epinal nicht mehr als 150 Einwohner festgestellt . Erst nach dem Ende der
kriegerischen Auseinandersetzungen begann langsam eine Wiederaufbau und eine
Wiederbevölkerung des Landes. In Lothringen war dies aber erst ab 1661 möglich. Im
Gegensatz zu anderen Territorien, die bereits nach 1648 zur Ruhe kamen, war in Lothringen
erst 20 Jahre später der Friede für einen längeren Zeitraum eingekehrt . Die
Bevölkerungsstruktur nach dem Krieg setzt sich aus drei verschiedene Gruppen zusammen .
Die erste Gruppe war während des Krieges in die entlegenen Wälder der Umgebung
geflüchtet> Übertragung unterbrochen atzes in andere Regionen kehrten diese wieder in
ihre ursprünglichen Dörfer zurück und führten das dörfliche Leben weiter. Die zweite Gruppe
flüchtete in weiter entlegene Gegenden oder Städte und war dort für die Zeit des Krieges
ansässig geworden. Zwar kehrten diese nicht vollständig wieder zurück, doch waren die
Rückkehrer für den Wiederaufbau der Dörfer wichtig, da sie ihre Erfahrungen, die sie in
anderen Gegenden gemacht haben, innovativ einsetzen. Dies gilt auch für die dritte Gruppe.
Sie besteht aus Fremden, die durch landesherrliche Vergünstigungen zur Einwanderung in die
entleerten Gebiete aufgefordert wurden.
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