1 Einleitung - Martin-Luther-Universität Halle

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Einleitung
1 EINLEITUNG
1.1
Gentherapie
Die Gentherapie hat sich in den letzten Jahren zu einem der am intensivsten fortschreitenden Felder der klinischen Forschung entwickelt. Unter Gentherapie versteht man die gezielte Einführung genetischen Materials mit Hilfe geeigneter Übertragungsmethoden in Zellen
von Kranken mit dem Ziel der Heilung oder therapeutischen Besserung. Die Nukleinsäuren
dienen dabei als therapeutisch wirksame Stoffe (Arzneimittel). Neben der Gentherapie ist eine weitere Therapieform, die Proteintherapie definiert. Proteine sind die Funktionsträger in
lebenden Systemen und die meisten Krankheiten sind mit ihrer Unter-, Über- oder
Fehlfunktion verbunden. Auf Grund dessen stellen Proteine einen potenziellen Wirkstoff dar
und werden vielfältig in Therapien eingesetzt.
Bereits 1990 wurde die erste klinische Studie bezüglich eines gentherapeutischen Ansatzes
mit Kindern, die an Adenosindeaminase-Defizienz, einem starken kombiniertem Immundefizienzsyndrom, leiden, durchgeführt1. Seitdem wurden über 1000 klinische Studien durchgeführt oder befinden sich derzeit noch in klinischen Phasen (www.wiley.co.uk/genmed/clinical). Zahlreiche auf DNA-basierende Pharmaka sind in der Lage, den Fortgang von
Krankheiten durch Inhibition oder Induktion von Genen zu kontrollieren. Zu diesen Therapeutika gehören Transgene, Oligonukleotide für Antigen- und Antisense-Applikationen2, Ribozyme, Aptamere, DNAzyme und siRNA (small interfering RNA)3,4. Mit Ausnahme des Todes
eines Patienten im September 19995, sind die Nebenwirkungen der Gentherapieverfahren
eher selten und relativ schwach. Die Expression des Transgens konnte bei einigen Patienten
in vivo bereits nachgewiesen werden. Ein erster Durchbruch war die Heilung zweier Patienten, die an einer starken kombinierten Immundefizienz (auch bezeichnet als SCID, Severe
Combined Immunodeficiency Disorder) litten6. Derzeit befinden sich zwei DNA-Therapeutika
auf dem Markt: Vitravene, ein Antisense-Oligonukleotid (Markteinführung 1998, USA) und
Gendicine, eine adenovirale Gentherapie (Markteinführung 2003, China). Viele weitere Kandidaten befinden sich derzeit in klinischen Studien der Phase 3 und 4. Dazu zählen Advexin
(Adenovirus kodierend für Tumorsupressorgen p53), Affinitak (Inhibition der Proteinkinase
C-α), Alicaforsen (Inhibitor des intrazellulären Adhäsionsmoleküls-1), Macugen (Inhibition
des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors) und Genasense (Inhibition von Bcl-2), um
nur einige zu nennen. In der Abbildung 1-1 sind die verschiedenen Typen von Zielgenen
aufgeführt, die derzeit in klinischen Studien untersucht werden. Die häufigsten Zielgene
sind demnach Zytokine, Antigene und Tumorsupressorgene.
Die Wahl von Nukleinsäuren und deren Analoga als Therapeutika erfolgte auf Grund einer
reduzierten potentiellen Toxizität, die weniger Nebeneffekte verursacht und dadurch sicherer als herkömmliche Pharmaka sind. Die Reduktion der Nebeneffekte auf DNA-basierender
Therapeutika beruht auf ihrer selektiven Erkennung molekularer Ziele und somit einer sehr
hohen Spezifität. Somit stellen Nukleinsäuren mögliche Pharmaka für die Therapie von
Krankheiten, wie zystische Fibrose, Krebs, AIDS, Autoimmunerkrankungen, neurologische
Erkrankungen (Parkinson und Alzheimer) und kardiovaskuläre Erkrankungen dar.
2
Einleitung
Gen-Typen für den Gentransfer in klinischen Studien
Zytokine
20,4
Antigene
25,5
Tumor-Suppressorgene
0,8
Suizid-Gene
3,1
Defizienzen
Medikamentenresistenzen
Replikationsinhibitoren
3,7
Rezeptoren
5,2
15,1
6,5
7,6
12,3
Antisense-ODN
Andere
Angaben in %
(Journal of Gene medicine, 2005, John Wiley and Sons Ltd)
Abbildung 1-1: Typen von Zielgenen in gentherapeutischen Ansätzen, die derzeit in
klinischen Studien geprüft werden.
Im Falle einer genetischen Erkrankung, die durch die Mutation eines einzelnen Gens oder
seines Produkts verursacht wird, kann durch die Gentherapie eine funktionelle Kopie des
Gens in die Zielzellen oder –gewebe eingebracht werden, um einen therapeutischen Effekt zu
erzielen7. Gentherapie kann aber auch ein Werkzeug für die Behandlung nicht-genetischer
oder polygenetischer Krankheiten sein. Dabei können Gene, welche die Immunantwort stimulieren, den Zelltod verursachen, die zelluläre Information oder Entwicklung modifizieren
oder Gene, die ein therapeutisches Protein mit spezifischen Funktionen produzieren, in die
Zielzellen eingebracht werden8. Ein weiterer gentherapeutischer Ansatz ist die DNAVakzinierung zur Behandlung von Infektionskrankheiten. Durch das Einbringen und die
anschließende Expression der genetischen Information von z. B. immunogenen Virusbestandteilen, wird das entsprechende Epitop präsentiert und das Immunsystem auf diesen
Erreger trainiert9,10. Das Ziel aller dieser Ansätze ist das Erreichen einer stabilen Expression
eines Transgens mit einer angemessenen Regulation ohne Nebeneffekte, wie Toxizität oder
zelluläre karzinogene Transformation der Zellen.
An dieser Stelle seien auch Stammzellen als Ziel für eine Gentherapie erwähnt. Eine
Stammzelle besitzt die Fähigkeit, sich unendlich oft zu teilen und sich in andere Zelltypen
zu differenzieren. Man unterscheidet nach embryonalen Stammzellen, aus denen sich der
ganze Organismus entwickelt, oder Zellen, die nur noch bestimmte Zellarten bilden können,
z.B. Blutstammzellen. Durch die besonderen Fähigkeiten von Stammzellen wird angestrebt,
geschädigte Gewebe oder Organe durch passende Zellen zu reparieren bzw. zu ersetzen. Auf
Grund ihrer Fähigkeit zur Proliferation, Selbsterneuerung und Differenzierung könnten somit auch Stammzellen Zielzellen für die Gentherapie sein. Der Nachteil einer genetischen
Veränderung von Stammzellen besteht darin, dass nur Gewebe oder Zelltypen, die ständig
erneuert werden, wie z. B. das Blut, in dieser Weise verändert werden können.
Generell alle Verfahren zum Einschleusen einer fremden DNA in eukaryontische Zellen werden als Transfektion bezeichnet. Der Begriff der Transfektion leitet sich aus den Begriffen
Transformation und Infektion ab. Die Transformation ist die natürliche Fähigkeit einiger
Prokaryonten, freie DNA aus der Umgebung durch ihre Zellwand hindurch aufzunehmen.
Für die Transformation eukaryontischer Zellen sind dazu Hilfsmittel notwendig. So wurden
erstmals Tumorviren verwendet, virale genetische Informationen in Zielzellen einzubringen.
Dieser Prozess wurde Transfektion genannt, da es sich um eine Transformation als Folge einer künstlichen Infektion handelte. Für das Verständnis dieser Arbeit wird hier darauf hingewiesen, dass die Transfektion nicht die Expression oder Inhibition von Zielgenen einschließt, sondern ausschließlich das Einbringen fremder Nukleinsäuren umfasst. Wird die
3
Einleitung
Fremd-DNA mit Hilfe von Viren in eukaryontische Zellen eingebracht, so spricht man heute
auch von Transduktion. In der Literatur wird dieser Begriff oft weitgefächert verwendet und
schließt generell das Einbringen von Proteinen in eukaryontische Zellen ein. Da im Rahmen
dieser Arbeit Nukleinsäuren mit Hilfe eines Proteins in humane Zellen eingeschleust worden
sind, wird hier von Transfektion gesprochen.
Die Expression des Transgens, dessen genetische Information in die Zellen gebracht worden
ist, kann sowohl transient als auch stabil erfolgen. Bei der transienten Expression handelt
es sich um eine vorübergehende, nicht dauerhafte Expression eines Gens. Bei der transgenen Expression geht die genetische Information des Transgens im Laufe der Zeit durch z. B.
Zellteilung oder Abbau verloren. Die stabile Genexpression ist eine dauerhafte Expression
des eingebrachten Transgens. Hier wird die Integration in das Genom der Zielzelle vorausgesetzt, wodurch die Information dann auch an die Tochterzellen weitergegeben wird.
Zwei verschiedene Ansätze wurden bei der Entwicklung der Gentherapie definiert. Bei der
sogenannten Ex-Vivo-Gentherapie werden spezifische Zellen von einem Patienten isoliert
und gereinigt, genetisch modifiziert und dem Patienten wieder zugeführt11. Im Gegensatz
dazu erfolgt bei der In-Vivo-Gentherapie der direkte Gentransfer in das Gewebe eines Patienten mit Hilfe eines Vektors12.
Alle bisher genannten Beispiele beziehen sich auf die somatische Gentherapie. Bei der somatischen Gentherapie werden nur Körperzellen (somatische Zellen) in ihrer genetischen
Zusammensetzung verändert. So ist die Therapie auf ein Individuum beschränkt. Im Gegensatz dazu steht das Konzept der Keimbahntherapie. Zur Keimbahn zählen die Keimzellen
(Ei- und Samenzellen) sowie Vorläuferzellen des Körpers, aus denen Keimzellen hervorgehen.
Eine genetische Korrektur dieser Zellen soll Nachkommen vor dem Auftreten von Erbkrankheiten schützen. In Deutschland ist die Keimbahn-Gentherapie beim Menschen durch das
Embryonenschutzgesetz verboten, da durch sie dauerhaft in den humanen Genpool eingegriffen und die menschliche Evolution aktiv verändert wird. Trotzdem spricht einiges für die
Keimbahntherapie. Bei vielen Erbkrankheiten treten irreversible Schäden schon sehr frühzeitig während der embryonalen Entwicklung auf (z. B. Lesch-Nyhan-Syndrom). Eine somatische Therapie würde hier also zu spät eingreifen. Des Weiteren würde bei einer somatischen Behandlung die Krankheit in der nächsten Generation erneut auftreten. Eine Therapie jeder neuen Generation wäre erforderlich. Da aber die Folgen einer KeimbahnGentherapie heute noch nicht absehbar sind, wird eine Anwendung heute noch vermieden.
1.2
Barrieren des Gentransfers
Trotz aller Vorteile ist der Einsatz auf DNA-basierender Therapeutika heute noch sehr eingeschränkt und oft nur mit geringem Erfolgt verbunden3. Vektoren für den Gentransfer
müssen eine Reihe von Barrieren überwinden (siehe Abbildung 1-2).
Zunächst muss der Vektor die Zielzelle erreichen. Dies stellt eine der größten Herausforderungen dar, besonders wenn die Zielzellen im gesamten Körper verteilt sind. Nukleinsäuren
haben oft eine geringe biologische Stabilität und eine kurze Halbwertszeit in vivo. Bei einer
vaskulären Injektion muss der Vektor im Blutstrom stabil bleiben, sollte nicht mit anderen
Blutbestandteilen interagieren und nicht durch andere Zellen, gegen die der Vektor nicht
gerichtet ist, aufgenommen werden. Des Weiteren muss er klein genug sein, um am Ziel die
Gefäßwand der Blutgefäße zu durchdringen und sich durch das Interstitium zu bewegen,
um die Zielzellen zu erreichen. Eine der Hauptbarrieren stellt die Blut-Hirn-Schranke dar,
die zur Behandlung neurologischer Erkrankungen überwunden werden muss. Bei direkter
Injektion in das Zielgewebe sollte der Vektor in der Lage sein, zwischen den Zellen zu diffundieren ohne mit der extrazellulären Matrix zu interagieren. Auch hier sollte vermieden
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Einleitung
werden, dass der Vektor von anderen Zellen als den Zielzellen aufgenommen wird. Auf der
Strecke vom Applikationsort bis zum Wirkungsort stellt das Immunsystem eine Barriere dar,
da es die Vektoren als „Fremd“ erkennen und diese inaktivieren kann. Der Vektor muss anschließend in der Lage sein, die Zielzelle zu erkennen und in sie einzudringen, indem er die
negativ geladene Zellmembran oder die Endosomen der Zelle passiert und somit das Zytoplasma erreicht. Eines der Hauptprobleme der Gentherapie ist die schlechte zelluläre Aufnahme in vivo. Die Aufnahme in die Zielzellen ist unter normalen Bedingungen äußerst gering. Sollte der Vektor über Endozytose aufgenommen werden, muss man vermeiden, dass
dieser lysosomal abgebaut wird. Man sollte ein Entlassen aus den Endosomen erreichen,
bevor der Transfer zu den Lysosomen mit seinen agressiv-zerstörerischen Bestanteilen folgt.
Auch der Zugang zum Zellkern, dem Wirkungsort von therapeutischen Nukleinsäuren, ist
oftmals nicht gegeben. Wenn der Vektor ein zytoplasmatisches Expressionssystem, wie z. B.
mRNA enthält, dann ist somit das Ziel erreicht. Enthält der Vektor aber DNA, dann muss
diese durch die Kernmembran hindurch in den Nukleus und das in einer Form, die ein Einsetzen der Transkription erlaubt. Eine Markierung der Vektoren für die Transkriptionsmaschinerie im Kern wäre ideal, um die Expression des Transgens zu maximieren. Hier stellt
wiederum das Immunsystem eine Barriere dar. Sollte das synthetisierte Protein als fremd
erkannt werden, wird es durch das Immunsystem inaktiviert.
Markierung für
entsprechende Zielzellen
Membran-Rezeptoren
DNA-Liposomen-Komplex
n Interaktion von Ligand und
Rezeptor
o Endosomale
Aufnahme
Nucleus
p Entlassen aus den Endosomen und
Translokation in den Nukleus
Extrazelluäre Barrieren:
Intrazelluäre Barrieren:
• Degradation der DNA im Plasma
• Entlassen der DNA aus den
Endosomen
• Aufnahme der DNA durch das
retikuloendotheliale System
• Zielgerichtete Transfektion definierter
Organe
• Lysosomaler Abbau der DNA
• Stabilität der DNA im Zytoplasma
• Translokation der DNA in den Kern
• Hohe Ineffektivität über die orale
Aufnahme (außer für Immunisierung)
• Inhibition der Transfektion durch die
Mukosa
Abbildung 1-2: Intra- und extrazelluläre Barrieren des Gentransfers
1.3
Nukleinsäuren für den Gentransfer
Für die Expression eines Transgens in den Zielzellen des Gentransfers erfolgt üblicherweise
die Transfektion von Plasmid-DNA, die in E. coli hergestellt und gereinigt worden ist. Plasmid-DNA hat einige Nachteile, die im Folgenden diskutiert werden sollen. Eine Alternative
dazu bietet die Expression des Transgens über die Minicircle-DNA. Ein weiterer gentherapeutischer Ansatz kann auch die Inhibition eines bestimmten Zielgens sein. Das kann entweder über die Inhibition der Transkription oder der Translation erfolgen. Dafür wurden
verschiedene DNA- (Antisense-, Antigen-Oligonukleotide, DNAzyme) oder RNA-Moleküle
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Einleitung
(RNAzyme, siRNA, microRNA) oder deren Analoga (PNA) entwickelt, die in den nächsten Abschnitten kurz vorgestellt werden sollen.
1.3.1
Plasmid-DNA
Plasmide, die in Bakterien hergestellt worden sind und die Information für die Synthese von
therapeutischen Proteinen tragen, werden sehr häufig für den Gentransfer verwendet. Ein
Ziel einer effizienten Vakzinierung oder Gentherapie ist die effiziente Expression des Transgens in vitro oder in vivo. Die Intensität der Expression wird nicht nur über die Eigenschaften des Plasmids reguliert, sondern wird auch stark durch die Komposition und Qualität
des Transgens beeinflusst. Parameter wie Zellspezifität, Effizienz und Dauer der Expression
des Transgens können über transkriptionelle Regulationselemente bestimmt werden.
Unter anderem spielen die Effekte von Promotor/Enhancer-Elementen auf den Gentransfer
eine wesentliche Rolle13,14. Für nicht-virale Gentransfers wurden hauptsächlich sehr starke
Promotor- oder Enhancer-Elemente, wie der CMV- oder der SV40-Promotor eingesetzt. Die
Transkriptionsaktivität dieser Promotoren ist sehr hoch, wird aber mit zunehmender Verweildauer in Zellen, wie Hepatozyten oder Lungenepithelzellen, stark reduziert13-15. Bei dieser Inaktivierung des viralen CMV-Promotors, die auch in transgenen Mäusen beobachtet
wurde16, sind Zytokine, wie TNF-α und Interferon-γ beteiligt17. Auf Grund dieser Probleme
wurde nach anderen Promotoren gesucht. Unter anderem konnte gezeigt werden, dass ein
Hybrid-Konstrukt, bestehend aus dem CMV-Enhancer und dem humanen Ubiquitin-BPromotor, die Expression des Transgens in der Lunge bis zu drei Monaten18 und in der Leber bis zu 42 Tagen verlängern kann. Auch der Maus-Albumin-Promotor weist eine längere
Expression des Transgens in der Leber im Vergleich mit viralen Promotoren auf13.
Ein weiteres Problem stellen die unterschiedlichen Eigenschaften von Plasmid-DNA aus
Bakterien und Säuger-DNA dar. Verglichen mit DNA eukaryontischer Zellen (Frequenz 1:64),
hat bakterielle DNA einen höheren Anteil der Dinukleotidsequenz CpG (Frequenz 1:16)19.
Außerdem ist prokaryontische DNA im Gegensatz zu eukaryontischer DNA, wo ca. 80 % der
Cytosine methyliert sind, relativ unmethyliert. Diese Unterschiede helfen dem Immunsystem
der Säuger, fremde bakterielle DNA zu erkennen und auf diese zu reagieren20. Die Stimulation des Immunsystems ist zwar wünschenswert für die Immuntherapie von Tumoren oder
die Vakzinierung, nicht aber für Anwendungen in der Gentherapie21. Die inflammatorische
Immunantwort nach z. B. der Injektion Vektor-freier Plasmid-DNA in die Skelettmuskulatur
steht in direktem Bezug zu dem CpG-Motiv der Plasmid-DNA22 und somit zur Zytokinproduktion im jeweiligen Organismus23.
Für den Erfolg einer Vakzinierung oder Gentherapie kann es weiterhin sehr wichtig sein, ein
günstiges Mikroklima zu schaffen, z. B. durch die Bereitstellung ausgewählter Zytokine und
Chemokine, deren Synthese ebenfalls über das transfizierte Plasmid erfolgen kann, oder
durch den Einsatz immunmodulatorischer bzw. -stabilisierender Motive im Plasmidrückgrat.
1.3.2
Minicircle-DNA
Bei Minicircle-DNA handelt es sich um rekombinante DNA-Moleküle mit SupercoiledStruktur, die nur eine therapeutische Genexpressionskassette enthalten. Sie wurden von
Darquet et al. 199924 entwickelt. Es wurde nachgewiesen, dass Plasmide einem SilencingEffekt unterliegen, weil hier die Expressionskassette kovalent mit dem Replikationsstartpunkt, dem Startpunkt der Replikation des F1-Phagen und der Antibiotika-Resistenz verbunden sind25. Eine Erhöhung der Expression konnte durch die Verwendung einer gereinig-
6
Einleitung
ten Expressionskassette oder durch das Ausschneiden der Expressionskassette aus der
bakteriellen Plasmid-DNA in vivo in der Leber von Mäusen erreicht werden26.
Im Gegensatz zu Plasmiden besitzt Minicircle-DNA weder einen Startpunkt für die Replikation (Origin), noch einen Selektionsmarker für Antibiotika. Minicircle-DNA kann also nicht
repliziert werden und ist auch nicht in der Lage, Antibiotika-Resistenzen auf andere Mikroorganismen zu übertragen. Die bakteriellen Sequenzen sind sehr kurz, wodurch die Produktion von Antikörpern gegen bakterielle Proteine und die inflammatorische Immunantwort
auf die bereits erwähnten unmethylierten CpG-Sequenzen, wie sie in Plasmiden vorkommen,
reduziert oder verhindert wird27. Durch das Entfernen der CpG-Sequenzen in Plasmiden
konnte die Transgenexpression signifikant erhöht werden23,28. Somit kann für Minicirle-DNA
in vivo kein Silencing-Effekt, wie er bei Plasmiden auftritt, nachgewiesen werden. Auf Grund
der geringen Größe wird das Transgen mit höherer Effizienz exprimiert. Die Expression des
Transgens ist stabiler und ausdauernder, verglichen mit der Expression von Transgenen
über Plasmide29. Durch das Entfernen von ca. 3 kB bakterieller Sequenzen kann die VektorVerfügbarkeit stark erhöht werden, da die Diffusion, sowie der zelluläre und nukleäre Eintritt des Transgens zunehmen. Dies konnte für die Expression von Transgenen nach Injektion in Skelettmuskelzellen der Maus und in Transplantate humaner Tumore in Nacktmäusen gezeigt werden, wo eine 13- bis 50-fache Erhöhung des transgenen Produkts im Gegensatz zur Injektion von entsprechenden Plasmiden nachgewiesen werden konnte24,30,31.
Durch die Transfektion von Minicircle-DNA konnte z. B. eine 2- bis 10-fache erhöhte Luciferase-Aktivität in verschiedenen Zelllinien, verglichen mit einem nicht-rekombiniertem Plasmid gleicher Konzentration, erreicht werden30. Je kleiner ein Vektor ist, desto höher ist die
Transgenexpression, z. B. im Muskel der Maus in vivo oder in HeLa-Zellen in vitro32.
Minicircle-DNA ist das Produkt einer In-vivo-Exzision der Expressionskassette durch zielgerichtete Rekombination zwischen der attP- und attB-Sequenz, die durch die Integrase des
Bakteriophagen λ erfolgt30 (siehe Abbildung 1-3).
attP
Transgen
attB
Integrase
attL
Miniplasmid
- Resistenzgen für
Antibiotika
- Replikationsstartpunkt
attR
Minicircle-DNA
-Therapeutisches Gen
- minimale Größe
Abbildung 1-3: Synthese von Minicircle-DNA über die Rekombination der attP- und
attB-Sequenz durch die Integrase des Bakteriophagen λ.
Während des lytischen Zyklus des Bakteriophagen λ, vermittelt die exprimierte Integrase die
Integration des zirkulären Phagengenoms in das E. coli-Genom durch Rekombination der
attP-Sequenz des Phagen und der attB-Sequenz von E. coli. Diese Eigenschaft wird bei der
Synthese von Minicircle-DNA genutzt, indem die attP- und die attB-Sequenz in ein Plasmid
7
Einleitung
aufwärts und abwärts der Expressionskassette einkloniert werden. Das Ergebnis einer Minicircle-DNA-Synthese in E. coli ist einerseits die Minicircle-DNA mit der Expressionskassette
und der attR-Sequenz, sowie ein Miniplasmid mit dem Replikationsstartpunkt, dem Antibiotika-Marker und der attL-Sequenz (siehe Abbildung 1-3). Später wurde eine weitere Methode
zur Herstellung von Minicircle-DNA entwickelt. Hier erfolgt die Rekombination der DNA über
die Cre-Rekombinase33.
1.3.3
Oligonukleotide
Bereits 1978 wurden die Antisense-Oligonukleotide erstmalig beschrieben34. Antisense- oder
Antigen-Oligonukleotide in der Gentherapie sind kurze, synthetische DNA-Stränge, die
Komplementär- oder Antisense-Sequenzen von Zielgenen auf DNA oder RNA-Ebene darstellen mit dem Ziel, die Transkription, Translation oder das Splicen des Zielgens zu blockieren.
Oligonukleotide oder deren Analoge sind so strukturiert, dass sie komplementäre Strukturen erkennen und mit ihnen hybridisieren. Wird die Antigen-Strategie verfolgt, so interferieren die Oligonukleotide mit der Transkription eines Zielgens. Nukleinsäureanaloge können
auch so strukturiert sein, dass sie komplementäre mRNA Sequenzen erkennen und mit ihnen hybridisieren, wodurch die Translation des Zielgens inhibiert wird. In diesem Fall wird
die Antisense-Strategie verfolgt. Der Mechanismus der Inhibition durch unmodifizierte Oligonukleotide beruhte anfangs nicht darauf, dass bei Hybriden aus Oligonukleotiden und
mRNA (oder genetischer DNA) die Ribosomen oder Polymerasen gestoppt werden (HybridArrest), sondern darauf, dass die RNA durch die Interaktion mit den Oligonukleotiden durch
RNase H erkannt und abgebaut wird35-37. Da die verwendeten Oligonukleotide sehr schnell
durch Endo- und Exonukleasen im Blut und in den Zellen abgebaut werden, wurde das
Rückgrat der Nukleotide modifiziert, um sie vor der Degradation durch Nukleasen zu schützen38. Die einfachste und erfolgreichste Veränderung waren Phosphorothioate39. Dabei wird
ein nicht-verbrückendes Sauerstoffatom des Phosphatrückgrates durch Schwefel ersetzt,
wodurch die Degradierung durch Nukleasen aufgehalten wird40. Diese Modifikation stellt
zusätzlich ein Substrat für die RNase H dar39,41, wodurch der Abbau der Ziel-mRNA verstärkt wird. Ein Problem der Phosphorothioat-Oligonukleotide besteht darin, dass ihr Rückgrat chiral ist, wodurch bei ihrer Synthese ein racemisches Gemisch aus 2n Oligonukleotiden entsteht (n = Zahl der Phosphorothioat-Brücken). Die Schmelztemperatur dieses Gemisches ist geringer als die des entsprechenden Phosphodiester-Oligonukleotids42. Weitere
Probleme stellen die Affinität der Oligonukleotide für Proteine43 und deren Toxizität44 dar.
Eine weitere Modifikation stellen Nuklease-resistente Arme dar, wobei 2´-O-methylnukleoside den durch Phosphorothioate modifizierten Desoxyribosekern einfassen45. Durch diese
Modifikation konnte die Toxizität gesenkt und die Hybridstabilität sowie die Nukleaseresistenz erhöht werden46,47. Um die Strategie des Hybrid-Arrests weiter zu verfolgen, also Ribosomen und Polymerasen tatsächlich zu stoppen, wurden Oligonukleotide so modifiziert,
dass die Interaktion der Hybride verstärkt wird. Dazu gehören 2´-O-methylnukleoside48,
N3´-P5´-Phosphoramidate49, Peptidnukleinsäuren50, chiral reine Methylphosphonate51, Methylenmethylimino-verbrückte Oligomere52 und andere Verbindungen.
1.3.4
Peptidnukleinsäuren
Bei der Peptidnukleinsäure (PNA) handelt es sich um ein Nukleinsäureanalog, bei dem das
Phosphodiesterrückgrat der natürlichen Nukleinsäure durch ein synthetisches Peptidrückgrat ersetzt worden ist. Dabei sind gewöhnlich Einheiten aus N-(2-amino-ethyl)-glycin miteinander verknüpft53. Durch einen Methylcarbonyl-Linker sind die Nukleotidbasen mit den
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Einleitung
Stickstoffatomen der Aminogruppen verbunden. In der Abbildung 1-4 ist die chemische
Struktur der PNA im Vergleich mit DNA dargestellt.
PNA sind nicht-ionische, achirale Moleküle, die nicht für den enzymatischen Verdau durch
Nukleasen zugänglich sind. PNA sind schlecht wasserlöslich und können abhängig von ihrer
Länge und Sequenz aggregieren54. Trotz der Unterschiede zu natürlichen Nukleinsäuren
besitzen PNA die Fähigkeit, mit komplementärer DNA oder RNA über Watson-CrickWasserstoffbrücken sequenzabhängig zu interagieren55. Neben dieser Dimerstruktur ist
auch die Ausbildung einer Triplex-Struktur (2:1 PNA-DNA) über Watson-Crick- und
Hoogsteenbasenpaarung möglich56,57. Diese Hybridkomplexe besitzen eine sehr hohe thermische Stabilität.
OH
A
NH2
N
T
O
O
O P O
O
O
O
C
NH
G
O
O
O P O
O
N
O
O
G
NH
N
O
CONH2
PNA
C
O
O
O P O
O
DNA
Abbildung 1-4: Chemische Struktur von PNA und DNA.
Auf Grund ihrer Eigenschaften finden PNA Anwendung in gentherapeutischen Ansätzen, bei
denen die Antigen- oder die Antisense-Strategie verfolgt wird58-60. PNA sind in der Lage, die
Transkription zu inhibieren. Dabei werden entweder Triplex- oder Dimerstrukturen mit DNA
ausgebildet, die in der Lage sind, die Funktion der RNA-Polymerase zu inhibieren. Diese Inhibition wird ermöglicht über die Interaktion mit Promotorregionen, wodurch die RNAPolymerase keinen Zugang zur DNA erhält, oder durch die Ausbildung von geschlossenen
Strukturen abwärts der Promotoren, wodurch die Elongation inhibiert wird (z. B. SuizidTranskription61). Es konnte z. B. gezeigt werden, dass durch die Interaktion von PNA mit
dem HIV-I-Genom die Bindung der Transfer-RNA tRNA3Lys blockiert wird, wodurch in vitro
die Initiation der HIV-1-RT nicht stattfinden kann62. Soll Translation von Proteinen inhibiert
werden, so kann einerseits der Abbau der Heteroduplexe aus Oligonukleotid und RNA durch
die RNase H erfolgen, andererseits kann dieser Komplex die Translationsmaschinerie sterisch inhibieren63. Das ist z. B. möglich durch die Blockierung des Startkodons AUG der
mRNA oder durch die Blockierung der 5´-untranslatierten Region (UTR), wo die Assemblierung der Translationskomplexe stattfindet63,64. Des Weiteren kann durch den Einsatz von
PNA die Replikation der DNA durch die Elongation der DNA-Primer durch die DNAPolymerase blockiert werden. Eine effiziente Inhibition der Replikation extrachromosomaler
mitochondrialer DNA, die während der Replikation größtenteils einzelsträngig ist, konnte
bereits gezeigt werden65.
1.3.5
Ribozyme
Bereits 1981 stellten Cech und seine Mitarbeiter fest, dass nicht nur Proteine in der Lage
sind, zelluläre Reaktionen zu katalysieren66. Ribozyme sind natürlich vorkommende RNAMoleküle, die als Enzyme wirken und Reaktionen mit sich selbst oder anderen RNA-
9
Einleitung
Molekülen katalysieren können67-70. Sie spalten Phosphodiesterbindungen ohne die Mitwirkung eines Enzyms, das auf einer Proteinstruktur wirkt und auch unabhängig von der Aktivität der RNase H. Ribozyme binden an ihre Substrat-RNA über Watson-CrickBasenpaarung, wodurch Transkripte sequenzspezifisch gespalten werden. Erstmalig konnten Ribozyme aus Tetrahymena thermophila isoliert werden. Diese Ribozyme werden auch
als Introns der Gruppe I (selbst-spleißend) bezeichnet. Es wurde gezeigt, dass die Vorstufe
der ribosomalen RNA (rRNA), die vom rRNA-Gen transkribiert wird, selbst-spleißend ist. Für
das Spleißen bindet ein freies Guanosin an die Erkennungssequenz des RNA-Moleküls, das
Intron faltet sich, schneidet sich selbst heraus und spleißt die Exons zusammen. Bei
Introns der Gruppe II (trans-spleißend), die vorwiegend in Mitochondrien von Pilzen gefunden werden, wird durch sehr reaktive Adenosin-Nukleotide in der Intronsequenz selber das
Spleißen initiiert.
Eine Reihe von Modifikationen, wie z. B. 2´-Modifikationen, wurden in die Ribozyme eingeführt, um deren Stabilität zu erhöhen, ohne aber ihre katalytische Aktivität zu beeinflussen71. Ein Vorteil der Ribozyme ist, dass sie, anders als Antisense-Oligonukleotide, von Vektoren innerhalb der Zelle exprimiert werden können72,73. Ein Nachteil der Ribozyme ist, dass
sie für ihre Aktivität hohe Konzentrationen divalenter Metallionen benötigen, was ihren Einsatz in einer intrazellulären Umgebung einschränken kann74.
Die häufigsten heute verwendeten Ribozyme sind das Hammerhead- und das HairpinRibozym. Das Hammerhead-Ribozym besteht aus einem hochkonservierten katalytischem
Kern, der das RNA-Substrat am 3´-Ende der RNA Tripletts NUH spaltet (N = A, C, G oder U;
H = A, C oder U)75,76. Des Weiteren besitzt es Arme, die die zu spaltenden Sequenzen der
Ziel-RNA erkennen. Durch Einfügen spezifischer Sequenzen in die Arme des HammerheadRibozyms, die die zu spaltende Region der Ziel-RNA flankieren, kann es mit jeder beliebigen
RNA hybridisieren. Das natürliche Hairpin-Ribozym leitet sich von einem Negativ-Strang der
Satelliten-RNA des Tabakringflecken-Virus ab. Es spaltet die Phosphodiesterbindung am 5´Ende des Guanosin der Sequenz NGUC77. Das Hairpin-Ribozym besteht aus zwei Domänen,
die durch eine bewegliche Region miteinander verbunden sind. Eine der Domänen bindet
die Substrat-RNA, wobei zwei helikale Regionen ausgebildet werden, die durch zwei einzelsträngige Loops verbunden sind. Die Spaltung findet in dieser einzelsträngigen Region der
Substrat-RNA statt. Die zweite Domäne besitzt eine ähnliche Struktur, wobei sich die Helices aus dem Ribozym selbst bilden. Die wichtigste Region für die katalytische Aktivität liegt
in den hoch konservierten einzelsträngigen Regionen, während die helikalen Elemente jede
beliebige Sequenz besitzen können78. Neben der Aktivierung der katalytischen Aktivität der
Hairpin-Ribozyms durch divalente Metallionen, kann diese auch durch Polyamine, wie
Spermidin oder Spermin unterstützt werden. Der Fakt, das Spermin das häufigste Polyamin
in eukaryontischen Zellen ist, mag erklären, warum das Hairpin-Ribozym eine so hohe Aktivität in Säugerzellen aufweist79.
Eine noch recht neue Technologie, in der Introns der Gruppe II Anwendung finden, bietet
weitere vielversprechende Aussichten. Eine Unterklasse der Introns der Gruppe II besteht
aus mobilen genetischen Elementen, die an Intron-freie Allele des Genoms durch den Prozess des Retrohomigs eingefügt werden80. Diese Eigenschaft der Retrohomig-Inserts kann dazu genutzt werden, neue Sequenzen in DNA einzufügen81, um z. B. pathogene Gene zu unterbrechen oder neue genetische Informationen an eine definierte Stelle des Genoms einzufügen.
1.3.6
DNAzyme
Auf Grund der Ähnlichkeiten in der chemischen Struktur von RNA und DNA, wurden DNAMoleküle entwickelt, die wie Ribozyme, eine enzymatische Aktivität besitzen82. Das führte zu
10
Einleitung
der Entwicklung der sogenannten DNAzyme, die in der Lage sind, RNA zu spalten83. Eines
der ausgewählten Moleküle war das 10-23-DNAzym, das aus einer katalytischen Domäne
aus 15 Deoxynukleotiden besteht, die von zwei Substrat-erkennenden Domänen von jeweils
ca. 8 Deoxynukleotiden besteht. Durch Veränderung der flankierenden Regionen ist das
DNAzym in der Lage, nahezu jede RNA, die eine Purin-Pyrimidin-Brücke enthält, zu spalten.
Der Vorteil der DNAzyme liegt in ihrer erhöhten Stabilität im Gegensatz zu Ribozymen.
1.3.7
Small interfering RNA und microRNA
RNA-Interferenz (RNAi) ist ein Prozess, bei dem sequenzspezifisch post-transkriptional Gene
inhibiert werden (Gene silencing). RNAi wird ausgelöst durch doppelsträngige RNA (dsRNA),
die eine homologe Sequenz des Zielgens besitzen. Dieser Prozess wurde erstmalig in Caenorhabditis elegans 1998 entdeckt84 und konnte auch in Drosophila85, Trypanosoma86 und
Vertebraten87 nachgewiesen werden. Durch RNAi kann die Expression der meisten Gene bis
zu 90 % reduziert werden. Eine Funktion der RNAi besteht in der zellulären Abwehr von molekularen Parasiten, wie Viren und Transposons88. RNAi wird durch small interfering RNA
(siRNA) vermittelt, die von langer dsRNA mit exogenen oder endogenen Ursprung generiert
werden89,90. Dabei wird lange dsRNA durch eine Ribonuklease vom Typ III, Dicer, gespalten.
siRNA, die durch die Spaltung durch Dicer entstehen, bestehen aus einer kurzen, rund 22
nt langen Duplex mit einer Phosphatgruppe am 5`-Ende und einer Hydroxylgruppe am 3´Ende eines jeden Stranges. Diese siRNA werden in einen Nuklease-Komplex, den sogenannten RISC (RNA Induced Silencing Complex), eingebunden, durch den die mRNA, die homolog
zu der entsprechenden siRNA ist, erkannt und abgebaut wird. In C. elegans91 und N. grassa92 konnte eine andauernde RNAi beobachtet werden, nicht aber in D. melanogaster 93 und
Säugern94. In humanen Zellen ist RNAi transient und hält für gewöhnlich weniger als 5 Zellteilungszyklen an. Der Mechanismus der RNAi ist in Abbildung 1-5 dargestellt.
Dicer
dsRNA
Spaltung der dsRNA
19 nt-Duplex
siRNA
5´
3´
2 nt-Überhang
Formierung des RISC
RISC
Aktivierung des RISC
Antisense-Strang
RISC*
mRNA-Abbau
mRNA
5´
3´
Poly-(A)
Abbildung 1-5: Mechanismus der RNAi
MicroRNA (miRNA) konnten in C. elegans, D. melanogaster und Pflanzen nachgewiesen werden95-98. In ihren biochemischen Eigenschaften sind sie nicht von aktiven siRNA zu unterscheiden. Sie haben eine Länge von ca. 22 Nukleotiden und besitzen eine 5´-Phosphatgruppe und eine 3´-Hydroxylgruppe. Die Sequenzen der miRNA wurden im Stamm von Stamm-
11
Einleitung
Loop-Strukturen gefunden95,99, die sich von Haarnadelstrukturen mit einer Länge um die 70
nt ableiten, den pre-miRNA100. Diese pre-miRNA werden im Zytoplasma von Zellen durch Dicer zu 22 nt langen siRNA prozessiert101,102. miRNA spielen eine Rolle bei sehr vielen regulatorischen Mechanismen103.
Die Transfektion von kurzen siRNA ist insofern vorteilhaft, da die Transfektion langer dsRNA
(>30 bp) eine unspezifische Inhibition der Translation und RNA-Degradation auslöst104, was
dann zur Apoptose der Zellen führt. Synthetische siRNA sind zu kurz um eine solche unspezifische Inhibition zu induzieren105,106.
Da die RNAi nur transient in Säugerzellen auftritt, können neben der direkten Verwendung
von siRNA für die Transfektion von Zellen, auch DNA-Templates verwendet werden, von denen dann die Expression der siRNA direkt in den Zellen erfolgt. Hierbei erfolgt die Expression durch die RNA-Polymerase III über den U6-Promotor107-109, den H1-Promotor110,111 oder
den tRNAVal-Promotor112. Eine Möglichkeit ist die Expression von Short-Hairpin-RNA (shRNA),
wobei die beiden Stränge durch eine Loop-Region verbunden sind. ShRNA werden durch Dicer zu siRNA generiert. Oder der Sense- und der Antisense-Strang können separat über zwei
Expressionskassetten transkribiert werden109.
Der Mechanismus der RNAi soll für gentherapeutische Zwecke genutzt werden, wobei die
Behandlung von viralen Infektionen113, Krebs114 und dominant vererbbaren genetischen
Krankheiten in Betracht gezogen wird. So wurde unter anderem die Replikation des humanen Immundefizienzvirus (HIV) durch RNAi gegen virale Gene wie tat, rev, nef, und gag in
Zellkulturmodellen inhibiert115-117. Durch siRNA-produzierende Vektoren konnten RNA und
Protein des Hepatitis B-Virus in der Zellkultur118 und in der Mausleber119 reduziert werden.
Zur Behandlung von Leukämien wurden siRNA gegen M-BCR/ABL-mRNA in K562-Zellen
transfiziert, was zu einer Reduktion des onkogenen Fusionsproduktes führte120. Auch die
Expression von endogenem erbB1 kann durch die Anwendung von RNAi in humanen epidermalen Karzinomzellen (A431) inhibiert werden121, um nur einigen Beispiele zu nennen.
1.4
Vektoren und Transfersysteme in der Gentherapie
Derzeit gibt es viele verschiedene Ansätze für Transfersysteme von Nukleinsäuren oder deren Analoga in das Innere von Zellen. Grundsätzlich werden dabei virale und nicht-virale
Vektoren unterschieden. Zu den viralen Vektoren zählen unter anderem retrovirale, adendovirale und adeno-assoziierte Vektoren. Zu den nicht-viralen Gentransfersystemen gehören
die Applikation freier oder nackter DNA, die Lipofektion und die Polyfektion. In der
Abbildung 1-6 sind die verschiedenen Transfersysteme angeführt, die sich derzeit in klinischen Studien befinden. Daraus geht hervor, das retrovirale und adenovirale Vektoren neben der Applikation von nackter DNA am häufigsten zur Anwendung kommen.
12
Einleitung
Vektoren in klinischen Studien
1,2
1,9
3,3
3,1
Retrovirus
6,2
25,1
Adenovirus
Nackte DNA/Plasmid-DNA
4,4
Lipofektion
5,2
Pox-Virus
Vaccinia-Virus
Herpes-Simplex-Virus
Adeno-assoziierter Virus
8,6
Pox-Virus + Vaccinia-Virus
16,2
25
RNA-Transfer
Andere
Angaben in %
(Journal of Gene medicine, 2005, John Wiley and Sons Ltd)
Abbildung 1-6: Transfersysteme für Nukleinsäuren und deren Analoga in das Innere von Zellen, deren Anwendung derzeit in klinischen Studien geprüft wird.
1.4.1
Virale Transfersysteme
Virale Vektoren sind heute die am häufigsten verwendeten Vektoren in der Gentherapie122.
Viren sind intrazelluläre Parasiten, die in der Lage sind, Zellen zu infizieren, häufig mit hoher Spezifität für einen bestimmten Zelltyp. Sie transfizieren ihre eigene DNA mit sehr hoher
Effizienz in die Wirtszelle. Diese wird dann exprimiert, um neue virale Partikel zu produzieren. In der Gentherapie werden fremde Gene in Viren eingeführt, um anschließend die Eigenschaften des Virus zu nutzen und das Gen mit hoher Effizienz in die Zielzelle zu transferieren123. Durch genetische Modifikation von Retroviren, Adenoviren, Pockenviren, Parvoviren, Herpesviren und anderen erfolgte die Entwicklung von Vektoren für die Gentherapie124.
Für den Transfer therapeutischer Gene wurden die essentiellen Gene für die Replikation,
Assemblierung oder Infektion des Virus entfernt und durch ein therapeutisches Gen ersetzt.
Diese Vektoren sind nicht mehr in der Lage, sich in der Zielzelle zu reproduzieren. Die
Replikation dieser Vektoren kann nur in Zelllinien erfolgen, die die gelöschte Funktion ersetzen. Deshalb werden für die Produktion der Vektoren sogenannte Verpackungszelllinien
verwendet125,126. Viren, die als Transfervektoren verwendet werden, werden in zwei Klassen
unterteilt. Die nicht-lytischen Viren produzieren ihre Virionen aus der Zellmembran einer
infizierten Zelle, so das die Wirtszelle relativ intakt bleibt. Lytische Viren zerstören die infizierte Zelle nach ihrer Replikation und Virionenproduktion.
1.4.1.1
Adenoviren
Adenoviren sind hüllenlose Viren mit einem linearen doppelsträngigen DNA-Genom. Über
50 verschiedene Serotypen sind bekannt, wovon die meisten gutartige Infektionen des Atemtrakts auslösen. Die Serotypen 2 und 5 werden am häufigsten in der Gentherapie eingesetzt.
Der Zyklus der Adenoviren beinhaltet nicht die Integration in das Wirtsgenom, wodurch
keine Gefahr einer Mutagenese durch Insertion der Gene besteht. Das Genom des Adenovirus besteht aus 35 kB, wobei bis zu 30 kB durch Fremd-DNA ersetzt werden können127,128.
Es sind vier frühe transkriptionelle Einheiten (E1-E4) mit regulatorischen Funktionen und
ein spätes Transkript, welches für Strukturproteine kodiert, vorhanden. Die Aufnahme der
Adenoviren erfolgt über die Interaktion des Faserproteins des Virenmantels mit dem Coxsackie- und- Adenovirusrezeptor, sowie über die Interaktion der Arginin-Glycin-AspartatMotive der Penton-Base mit den zellulären Integrinen. Einen gezielten Gentransfer über die
13
Einleitung
Erkennung durch Zelltyp-spezifische Rezeptoren, kann durch die Modifikation des Kapsidproteins, des Faserproteins oder der Penton-Base erreicht werden129.
Mit dem Vorhaben, die zytopathischen Effekte und die Immunantwort zu reduzieren, wurden drei Generationen von Adenoviren entwickelt130. In der ersten Generation wurde die E1Region deletiert, welche die DNA-Synthese und die späte virale Expression kontrolliert. E1deletierte Adenoviren werden durch die Koinfektion mit anderen Viren (Papilloma-, Cytomegalovirus) komplementiert. Diese erste Generation ist nicht in der Lage, infektiöse Partikel in
der Zielzelle zu produzieren und besitzt eine sehr hohe Immunogenität. Daher wurden in
der zweiten Generation zusätzlich Deletionen in den Regionen E2 und E4 eingeführt. Auch
dadurch konnte keine Langzeit-Expression ohne zytopathische Effekte erreicht werden. Die
dritte Generation, die sogenannten Gutless-Vektoren, beinhaltet nur noch inverse, cisagierende, terminale Wiederholungen und ein Verpackungssignal. Die Gutless-Vektoren haben eine sehr reduzierte Immunogenität, sind aber ebenfalls nicht in der Lage sich zu replizieren bis sie komplementiert werden131.
Adenoviren sind in der Lage, sowohl ruhende als auch sich teilende Zellen mit hoher Effizienz zu infizieren132. Sie zeichnen sich durch ihre Komplexizität, Stabilität und breite
Zellspezifität aus. Da aber keine Integration des Virus in das Wirtsgenom erfolgt, ist die Expression des therapeutischen Gens nur transient129.
Beim Adenovirus-vermittelten Gentransfer spielt das Immunsystem des Empfängers eine
wesentliche Rolle133. Die Mehrheit der Menschen hatte bereits eine adenovirale Infektion
und trägt somit Antikörper gegen verschieden Serotypen. Das führt dazu, dass 90 % der injizierten Adenoviren innerhalb 24 h abgebaut werden, meist noch bevor sie die Zielzelle erreichen. Durch das Kapsidprotein kann eine Akute-Phase-Reaktion nach der Injektion ausgelöst werden134. Des Weiteren wird die durch B- und T-Zellen vermittelte inflammatorische
Immunantwort ausgelöst, was zu einer frühen Aktivierung von Zellen des Immunsystems
führt. Das beeinträchtigt die Effizienz des Gentransfers und die Gesundheit des Patienten135.
1.4.1.2
Retroviren
Retroviren besitzen eine Hülle und ihr Genom besteht aus einem einzelsträngigen RNAMolekül. Nach der Infektion wird diese RNA in doppelsträngige DNA transkribiert, die sich
dann in das Genom des Wirtes integriert und deren Proteine anschließend exprimiert werden. Das virale Genom ist ca. 10 kB lang und beinhaltet drei Gene: gag kodiert für Kernproteine, pol kodiert für die reverse Transkriptase und env kodiert für das virale Hüllprotein. An
den beiden Enden des Genoms befinden sich lange terminale Wiederholungen (Long Terminal Repeats, LTR), die Promotor/Enhancer-Regionen, sowie Sequenzen, die an der Integration beteiligt sind, enthalten. Weiterhin befinden sich dort Sequenzen, die notwendig für das
Verpacken der viralen DNA (psi) sind. Einige Retroviren enthalten Protoonkogene, die, wenn
sie mutieren, Krebs auslösen können. Sie können Zellen auch dadurch transformieren, dass
sie sich in der Nähe eines zellulären Protoonkogens integrieren, wodurch es von der LTRRegion aus exprimiert werden kann. Sie können aber auch durch ihre Integration ein Tumorsupressorgen zerstören. Dieses Ereignis wird als insertionale Mutagenese bezeichnet
und kann auch auftreten, wenn Retroviren als Vektoren benutzt werden. Auf Grund ihrer
Integration wird die virale Information auch während der Zellteilung weitergegeben136. Das
kann ein Vorteil bei der Behandlung von chronischen oder Erbkrankheiten sein. Eine Bedingung für die Integration und Expression von Retroviren ist, dass die Zielzellen sich teilen
müssen. Der Vorteil ist hier, dass bei der Behandlung von Krebs Tumorzellen bevorzugt als
Ziel angegriffen werden137,138. Retroviren finden deshalb auch Anwendung in der Ex-VivoGentherapie, wobei z. B. sich teilende CD34-positive Stammzellen des Knochenmarks oder
periphere Blutlymphozyten transduziert werden139.
14
Einleitung
Die meisten retroviralen Vektoren basieren auf dem Molony-Maus-Leukämie-Virus (MoMLV), welcher ein amphotrophischer Virus ist. Er ist also in der Lage sowohl Maus-, als
auch humane Zellen zu infizieren. Die viralen Gene gag, pol und env sind durch das Transgen ersetzt und werden von der Verpackungszelllinie exprimiert140. Die maximale Kapazität
retroviraler Vektoren liegt bei 7,5 kB128, was für viele Gene nicht ausreichend ist.
Die Art der Zielzelle wird über die Interaktion der retroviralen Hülle und einem spezifischen
zellulären Protein bestimmt. Über eine direkte Modifikation der Bindungsstelle zwischen Virushülle und dem zellulären Rezeptor kann also die Zielzelle spezifisch erreicht werden, was
aber mit der darauffolgenden Internalisierung des Virus zu interferieren scheint141,142. Es
konnte gezeigt werden, dass durch das Koppeln eines Antikörpers mit einer Affinität für einen zweiten zellspezifischen Antikörper über Streptavidin an die Virushülle, zwar die virale
Aufnahme erhöht wird, aber die anschließende Internalisierung zu einer Degradation des
Virus geführt hat143,144. Eine weitere Möglichkeit, die Zahl der Zielzellen zu erweitern, ist das
sogenannte Pseudotyping. Dabei wird das env-Gen durch das env-Gen eines anderen Virus
ersetzt145,146.
Auch Retroviren werden durch das Immunsystem abgewehrt, wodurch es sehr schwierig ist,
eine langanhaltende Expression zu erreichen. Sie werden durch das c1-Komplement-Protein
und einen Anti-Alphagalactosyl-Antikörper, welche beide in humanem Serum vorliegen, inaktiviert147,148. Die Expression des Transgens wird des Weiteren durch inflammatorische Interferone, wie IFN-α und IFN-γ, die gegen die viralen LTR agieren, inhibiert149.
Eine Unterklasse der Retroviren sind die Lentiviren, die im Gegensatz zu anderen Retroviren
in der Lage sind, sowohl sich teilende als auch ruhende Zellen zu infizieren. Sie besitzen
sechs zusätzliche Proteine tat, rev, vpr, vpu, nef und vif. Durch eine Reihe von Modifikationen der Lentiviren konnte eine Langzeit-Expression des Transgens und ein effizienter
Transfer ohne inflammatorische Reaktion erreicht werden150.
Trotz ihre Nachteile werden Retroviren bereits einer Reihe von klinischen Studien unterzogen151.
1.4.1.3
Adeno-assoziierte Viren (AAV)
Adeno-assoziierte Viren (AAV) sind nicht-pathogene humane Parvoviren ohne Virushülle. Sie
verursachen latente Infektionen humaner Zellen. Ihre Proliferation ist abhängig von der Anwesenheit eines Helfer-Virus. Als Helfer-Viren dienen Adenoviren, Herpes-Simplex-Viren
und der Vaccinia-Virus. AAV sind in der Lage, sowohl sich teilende, als auch ruhende Zellen
zu infizieren. Ist der Helfer-Virus nicht vorhanden, so können sich die AAV nicht replizieren152 und sie integrieren sie sich an einen spezifischen Punkt im Genom des Wirtes mit
sehr hoher Frequenz153. Das Wildtyp-Genom besteht aus einem einzelsträngigen DNAMolekül von einer Länge von 4,5 kB, was zwei Gene rep und cap beinhaltet. Rep kodiert für
Proteine, die die virale Replikation, strukturelle Genexpression und die Integration in das
Wirtsgenom kontrollieren. Cap kodiert für Proteine des Kapsids. An jedem der beiden Enden
des Genoms ist eine 145 bp lange terminale Wiederholungssequenz (LTR), die einen Promotor enthält.
Auf Grund des geringen Risikos insertionaler Mutagenese und der Tatsache, dass sie in der
Lage sind, viele verschiedene Säugerzellen zu infizieren, finden AAV Anwendung in der Gentherapie154. Die meisten AAV-Vektoren stammen von dem Adeno-assoziierten Virus der Serotyps 2 ab (AAV 2). AAV 2 ist nicht-pathogen und nach seiner Infektion von humanen Zellen integriert er sich zielgerichtet in den langen Arm des Chromosoms 19155. Werden die
AAV als Vektoren benutzt, so werden die rep- und cap-Gene, außer den LTR, durch das
Transgen und seine regulatorischen Sequenzen ersetzt156. Auf Grund des relativ kurzen
Wildtypgenoms darf die maximale Länge des Transgens nicht mehr als 4,7 kB betragen127.
15
Einleitung
Neuere Arbeiten zeigen aber, dass das Problem der limitierten Verpackungskapazität gelöst
werden kann157. Die Produktion der AAV-Vektoren erfordert die Bereitstellung von red und
cap, sowie der Genprodukte des Helfer-Virus. Dazu werden in der Regel das Plasmid mit
dem Transgen und ein Plasmid für rep und cap in eine Verpackungszelllinie kotransfiziert,
die mit dem Helfervirus infiziert ist158.
Auf Grund der Integration in das Wirtsgenom erfolgt die Expression des Transgens über einen langen Zeitraum, vorausgesetzt, das Transgen stammt aus dem gleichen Organismus.
Das konnte für vaskuläre Epithelzellen159, quergestreifte Muskelzellen160,161 und Leberzellen162 gezeigt werden. Neutralisierende Antikörper gegen das AAV-Kapsid konnten zwar detektiert werden, verhindern aber nicht die wiederholte Applikation des Vektors oder inhibieren die Promotoraktivität.
Adeno-assoziierte virale Gentransfersysteme für die Behandlung von zystischer Fibrose und
Hämophilie B wurden bereits erfolgreich in der klinischen Studie I getestet. Weitere klinische Studien bezüglich Hämophilie A, α-Antitrypsin-Defizienz und angeborener Amaurose
werden durchgeführt163. Auch präklinische Untersuchungen zur Behandlung humaner
Krankheiten, wie Herzinfarkt, Leberzirrhose oder Colon- und Pankreastumoren zeigen aussichtsreiche Fortschritte164.
1.4.1.4
Herpes-Simplex-Virus (HSV)
Das Herpes-Simplex-Virus (HSV) ist ein humaner neurotopischer Virus mit einer Virushülle.
Gentransfervektoren leiten sich vom Herpes-Simplex-Virus Typ 1 (HSV 1) ab. Bei HSV handelt es sich um ein humanes Pathogen, das sich in Epithelzellen repliziert, aber in ruhenden
Zellen, wie Neuronen einen latenten Status einnehmen kann. Latent infizierte Neuronen arbeiten normal und werden nicht durch das Immunsystem inaktiviert. Obwohl die Transkription des latenten Virus fast zum Erliegen kommt, besitzt er Neuronen-spezifische Promotoren, die auch während der Latenz aktiv sind. Die Genexpression während der latenten Phase erfolgt über Latenz-assoziierte Transkripte (LAT). LAT spielen eine Rolle bei der Reaktivierung des HSV 1 aus der Latenz165, sowie der Etablierung der Latenz166. Die LAT-Region
steht unter der Kontrolle von zwei Promotoren LATP1 und LATP2167. Antikörper gegen HSV1 sind beim Menschen sehr weit verbreitet, aber Komplikationen auf Grund einer HerpesInfektion, wie z. B. Enzephalitis, sind sehr selten.
Das Genom von HSV-1 ist eines der größten viraler Vektoren. Es besteht aus doppelsträngiger DNA mit einer Länge von 152 kB mit bis zu 81 Genen167, von denen rund die Hälfte
nicht-essentiell für das Wachstum in der Zellkultur sind. Drei Klassen von Genen sind bekannt, die sehr frühen Gene (α-Gene), die frühen Gene (β-Gene) und die späten Gene (γGene). Nach Entfernen der nicht-essentiellen Gene, können 40-50 kB fremder DNA in den
Virus eingebracht werden168. Für die Produktion von Gentransfervektoren basierend auf
HSV-1 gibt es zwei verschiedene Strategien. Die erste besteht darin, ein therapeutisches
Gen in ein Plasmid zu klonieren, das zusätzlich den HSV-1-Replikationsstartpunkt und ein
Verpackungssignal enthält. Mit diesem Plasmid werden dann die Zellen zusätzlich mit einem HSV-Helfer-Virus infiziert169. Die zweite Möglichkeit besteht darin, das Transgen in ein
Plasmid kloniert wird, wo es von spezifischen HSV-Sequenzen eingefasst wird. Dieses Plasmid wird dann mit dem HSV in Zellen kotransfiziert170. Die folgende Rekombination zwischen den homologen Sequenzen in dem Plasmid und dem Virus führt zur Einführung des
therapeutischen Gens in den HSV.
Auf Grund der Pathogenität des HSV, spielt die Konstruktion von Vektoren durch Inaktivierung der pathogenen Gene eine Schlüsselrolle bei der Herstellung von Vektoren für die Gentherapie171. Rekombinante Viren sind durch die Deletion eines der sehr frühen Gene nicht
in der Lage, sich zu replizieren. Obwohl sie damit weniger pathogen sind und zu einer
16
Einleitung
Transgenexpression im Hirngewebe führen, sind sie für Neuronen in der Zellkultur
toxisch167. Eine starke inflammatorische Immunantwort wurde nach der Injektion von HSV1-Vektoren beobachtet172 und ca. 20 % der Versuchstiere starben kurz nach der Injektion
des Vektors173. Erst das Entfernen weiterer sehr früher Gene führt zu einer Reduktion der
Zytotoxizität und ermöglicht die Expression von Promotoren, die im latenten Zustand des
Virus nicht aktiv wären. Diese Promotoren sind sehr hilfreich für die Etablierung einer
Langzeitexpression. Weitere Möglichkeiten zur Reduktion der Pathogenität sind die Deletion
der Gene für die Replikation und die Ausbildung der Virushülle, wozu die sehr frühen Gene
gehören, und die Deletion der Gene, die verantwortlich für das Wachstum in ruhenden
Zellen sind. Das erhöht die Sicherheit und die Effizienz des Gentransfers in ruhenden Zellen,
wodurch hier ein großes Potential für die klinische Neurologie entsteht174. Ein weiteres
Problem ist der latente Zustand des Virus, wobei die Expression aller Gene, auch die des
Transgens, nicht mehr erfolgt175. Diese Einschränkung kann durch die Klonierung des
fremden Gens in die LAT-Region gelöst werden, wo dann die Regulation der Expression über
die Promotoren LATP1 und LATP2 erfolgt176.
Mit HSV-Viren konnten vielsprechende Ergebnisse hinsichtlich der Gentherapie erzielt werden. In einem Zellkulturmodell für Tumore der Harnblase wurde nachgewiesen, dass die
onkolytische Wirkung eines HSV-Vektors durch den zusätzlichen Einsatz von Mitomycin-C,
einem Chemotherapeutikum, verstärkt wird, dass also der Vektor und das Medikament synergistisch wirken, wodurch die Dosis reduziert werden kann177. In einem Mausmodell für
das maligne Gliom konnte gezeigt werden, dass die Injektion von HSV-Viren, die die Information für die Expression von IL-12 enthalten, onkolytisch wirkt und die Zahl der Tumorzellen reduziert wird178. In einem Modell für Lungenkrebs wurde nachgewiesen, dass ein
HSV-1-Vektor mit dem Marker EGFP sich in vitro replizierte, EGFP in infizierten Zellen
exprimierte und Tumorzellen abgetötet hat. Auch in vivo im Mausmodell wirkte der Vektor
onkolytisch auf den Lungenkrebs und die Ausbildung von Metastasen wurde eingedämmt179.
1.4.1.5
Pocken- und Alphaviren
Pockenviren stammen vom Vaccinia-Virus ab. Ihre Herstellung geschieht durch direktes
Einführen des therapeutischen Gens in das Vaccinia-Genom, ohne diesen dabei zu inaktivieren180. Der Vektor besitzt eine sehr hohe Kapazität. Er integriert sich nicht in das Wirtsgenom, aber die Fähigkeit zu replizieren kann Nebeneffekte wie eine Immunantwort auslösen. Auf Grund dessen werden Pockenviren als Vakzine gegen infektiöse Organismen und
Tumore in der Gentherapie verwendet. Die Verstärkung der therapeutischen Immunantwort
ist das Prinzip, das hinter der Entwicklung von Pockenvirus-Vakzinen, z. B. gegen Colonkrebs steht. Einige von ihnen befinden sich derzeit in klinischen Studien181. Präklinische
Studien mit Tumortransplantaten in Wildtyp- und Antigen-exprimierenden Mäusen lieferten
vielversprechende Ergebnisse181.
Alphaviren gehören zur Familie der Togaviridae. Sie besitzen eine Hülle und ihr Genom besteht aus einzelsträngiger DNA. Drei verschiedene Alphaviren mit ähnlichen Eigenschaften
finden Anwendung in der Gentherapie: der Semliki-Forest-Virus, der Sindbis-Virus und der
Venezolanische Equin-Virus182. Die meisten Alphaviren, die in der Gentherapie eingesetzt
werden, sind nicht in der Lage, sich zu replizieren. Sie kodieren nur für die nichtstrukturellen Gene, während die strukturellen Gene, die für die Replikation notwendig sind,
im Genom des Helfer-Plasmids lokalisiert sind. Sind die Vektoren doch in der Lage sich zu
replizieren, so kann dies für einen intratumoralen Gentransfer vorteilhaft sein183,184. Replikationskompetente Vektoren haben neben dem therapeutischen Gen alle Gene des Wildtypgenoms und sind damit in der Lage, benachbarte und umgebende Tumorzellen zu infizieren.
17
Einleitung
Auf Grund ihrer sehr hohen Toxizität in der Wirtszelle und der Vielzahl unterschiedlicher
Zielzellen können Alphaviren in der Therapie verschiedener Tumore eingesetzt werde. In vielen klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass eine intratumorale Injektion zur Apoptose der Tumorzellen führt183.
Auf Grund ihrer Immunogenität und der Fähigkeit, eine zytotoxische T-Zellantwort auszulösen, werden Alphaviren auch für die Produktion von Vakzinen und die Immunisation gegen
infektiöse Agenzien und auch Tumoren eingesetzt185,186. Auf Grund ihrer Eigenschaften sind
Alphaviren ein gutes Werkzeug für die Immunisierung und den Schutz vor pathogenen Viren und Tumoren, für die Krebsgentherapie, den zielgerichteten Gentransfer und die Expression therapeutischer Gene.
1.4.2
Nicht-virale Gentransfers
Die Nachteile der viralen Gentransfersysteme bestehen darin, dass die viralen Proteine vom
Immunsystem erkannt werden, die infizierten Zellen zerstört werden und eine wiederholte
Applikation oft nicht möglich ist. Weitere Probleme liegen in der potentiellen insertionalen
Mutagenese in das Wirtsgenom, der beschränkten Größe des Transgens, das in den Vektor
eingebracht werden kann, und Schwierigkeiten bei der Produktion großer Mengen für klinische Studien. Eines der Hauptprobleme liegt aber in den geringen Transfektionsraten.
Die nicht-viralen Gentransfersysteme bieten eine einfache und sichere Alternative zu den viralen Vektoren. Diese Vektoren basieren auf einem präzise definierten DNA- oder RNAMolekül. Auf Grund ihrer relativ einfachen Produktion in größeren Maßstäben, ihrer geringen Immunogenität und Toxizität im Wirt, sowie ihrer theoretisch unbeschränkten Kapazität
bezogen auf die Größe des Transgens und der Möglichkeit der wiederholten Applikation,
sind nicht-virale Vektoren attraktive Werkzeuge in der Gentherapie187,188.
1.4.2.1
Transfer Vektor-freier Nukleinsäuren
Die einfachste Methode des Gentransfers ist die Applikation Vektor-freier oder nackter DNA,
die für das therapeutische Protein kodiert. Im Gegensatz zu Viren besitzt nackte DNA keine
Proteinhülle. Dadurch kann sie sich nicht frei von Zelle zu Zelle bewegen und sich nicht in
die Chromosomen integrieren. Auf Grund dessen sollte nackte DNA keine Immunreaktion
verursachen. Bei Nagern erfolgt der Transfer sehr häufig über die Injektion intravasal in die
Schwanzvene, in die Leber, intramuskulär oder direkt in den Tumor. Der intravaskuläre
Transport führt zu einem Gentransfer besonders in Leber und Muskel und bietet Möglichkeiten für die In-Vivo-Gentherapie und verschiedene Antisensestrategien mit Oligonukleotiden und siRNA. Während die einfache Inkubation von Zellen in vitro mit Vektor-freien Oligonukleotiden zu einer Aufnahme in das Zellinnere führen kann, sind hohe Transfektionsraten in vivo nur schwer zu erreichen.
Die schnelle Injektion von nackter DNA über hydrostatischen Druck in die Leber von Mäusen189-192 führt in 40 % der Hepatozyten zu einer Expression des Transgens. Durch die Injektion von linearer DNA im Gegensatz zu Plasmid-DNA kann eine persistente Transgenexpression bis zu 9 Monaten erreicht werden189. Diese Methode wird unter anderem dazu
genutzt, Transposon-DNA in das Genom adulter Mäuse zu insertieren192.
Die direkte intramuskuläre Injektion von Plasmid-DNA, die für spezifische Antigene kodiert,
wird häufig als Methode für eine spezifische Immunisierung genutzt. Durch die Vakzinierung mit Polynukleotiden konnten humorale und zelluläre Immunantworten gegen eine Reihe infektiöser Agenzien, wie Influenza, Hepatitis B, HIV und andere, erreicht werden193,193-196.
Auch die Anwendung von mRNA als ein Polynukleotid-Vehikel für die Immunisierung wurde
untersucht197. Eine Expression des Transgens direkt von der injizierten RNA konnte nach-
18
Einleitung
gewiesen werden. Ein Vorteil hierbei ist, dass die Wirtszellen keine endogene Reverse
Transkriptase besitzen, um mRNA in DNA umzuschreiben. Somit kann die mRNA nicht in
das Wirtsgenom integriert werden, was genetisch bedingte Nebeneffekte minimieren würde.
Die Erhöhung der Effizienz des Gentransfers kann unter anderem über die Erhöhung des
Drucks während der Injektion erfolgen, was durch ein größeres Volumen erreicht werden
kann. Damit konnten z. B. in 90 % der Zellen von Abschnitten einer humanen Vena saphena FITC-markierte Oligonukleotide nach der Injektion mit erhöhtem Druck nachgewiesen
werden198. Der erhöhte Druck während der Transfektion vermag die Bewegung der
Oligonukleotide im interstitiellen Raum zu erhöhen und somit mehr Kontakt zur
Zelloberfläche herzustellen199. Neben der Erhöhung der Transfektionsraten durch Erhöhung
des Drucks kann auch die Behandlung mit hyperbarischem Sauerstoff zu einer effizienteren
Transfektion führen200. Auch die Lösungsmittel, in denen die DNA gelöst ist, spielen eine
wichtige Rolle. So konnten erhöhte Transfektionsraten mit Saline, PBS und Sucrose erreicht
werden, nicht aber mit Wasser oder Glucose200.
In vitro erfolgt die Aufnahme von Oligonukleotiden über die Rezeptor-vermittelte Endozytose,
was zu einer lysosomalen Degradation der meisten Oligonukleotide führt201-203. Weitere Studien zeigten, dass die Aufnahme von Oligonukleotiden in das Zytoplasma von Zellen ohne
die Passage durch Endosomen oder Lysosomen, also nach direkter Mikroinjektion in die Zellen, zu einer schnellen Akkumulation der Oligonukleotide im Zellkern führt204.
Es wurde beobachtet, dass die Expression eines Reportergens nach der Injektion in den
Muskel (Myokardium) lebender Ratten in immunsupprimierten Tieren länger anhält als in
Nacktratten oder normalen Ratten, die Zyklosporin erhalten haben205. Auf Grund dessen
wurde ein immunologischer Mechanismus für das Nachlassen der Transgenexpression nach
der Injektion nackter DNA in das Myokardium von Säugern erwogen205.
Obwohl Vektor-freie DNA bereits in prä- und klinischen Studien verwendet wird206, werden
die geringe Transfektionseffizienz und die nur kurzzeitige Expression die Nachteile des
Transfers nackter DNA bleiben207.
1.4.2.2
Transfer von Nukleinsäuren mittels physikalischer Methoden
Calciumphosphat-Präzipitation:
Die Methode der Calciumphosphat-Präzipitation wurde bereits 1973 im Zusammenhang mit
dem Gentransfer erwähnt208. Kopräzipitate aus „Calciumphosphat“ (Calciumhydroxyapatit)
und DNA werden seit dem für den Transfer genetischer Informationen in eukaryontische
Zellkulturen verwendet209,210. Diese Methode hat sich zu einer der Haupttechniken für den
DNA-Transfer entwickelt211-213. Dabei gelangt die DNA als Teil eines Komplexes mit Calciumorthophosphat in den Nukleus. Durch diese Komplexe wird die Konzentration der DNA auf
der Zelloberfläche durch Präzipitation erhöht. In diesen Komplexen wird die DNA vor dem
Verdau durch Serumnukleasen geschützt. Durch Calciumphosphat wird die Phagozytose
der zu transfizierenden Zellen induziert, wodurch die Komplexe in die Zellen gelangen und
auch hier wird die DNA vor dem Verdau durch intrazelluläre Nukleasen geschützt.
Die Calciumphosphat-Präzipitation wird vorwiegend für die Transfektion von Zellen in Kultur, wie z. B. Leberzelllinien, verwendet, aber auch eine Anwendung in vivo ist bereits erfolgt.
Allerdings ist die Effizienz dieser Methode sehr gering, die Transfektionsraten liegen bei unter 1 %. Zusammen mit einem Adeno-viralen Vektor können Calciumphosphat-Präzipitate
die Transfektionseffizienz in Epithelzellen der Atemwege erhöhen214.
Elektroporation:
Die Elektroporation wurde erstmals 1982 für den Gentransfer eingesetzt215. Bei der Elektroporation werden Zellen mit kurzen elektrischen Impulsen mit hoher Spannung behandelt,
19
Einleitung
wodurch sich ein transmembranes Potential aufbaut. Dadurch wird die Ausbildung von Poren in der Zellmembran induziert, durch die DNA in das Innere der Zellen gelangt216,217. Die
Transfektionsraten sind abhängig von der Amplitude und der Dauer des elektrischen Impulses, sowie von der Konzentration und der Menge der verwendeten Nukleinsäure. Auch diese
Methode wird vorrangig in der Zellkultur angewandt. Unter In-Vitro-Bedingungen ist eine
Spannung von einigen Kilovolt und eine Pulsdauer von einigen Mikrosekunden für eine effiziente Elektroporation notwendig. In vivo erfolgt die Elektroporation direkt nach der Injektion von nackter DNA durch elektrische Impulse über eine Elektrode die sich in situ in den
Zielgeweben befindet. Dabei sind bis zu 100 Kilovolt mit einer Pulsdauer von einigen Millisekunden erforderlich218. Erfolgreiche Transfektionen mit Hilfe der Elektroporation konnten
im Muskel219, Hirn220, Haut221, Leber222 und Tumoren223 beobachtet werden.
Intrazelluläre Mikroinjektion und Biolistischer Partikeltransfer (Gene Gun):
Die direkte Mikroinjektion von Nukleinsäuren oder deren Analoga in Zellen oder Zellkerne
ist in Bezug auf die einzelne Zelle sehr effektiv, da eine verhältnismäßig große Menge pro
Zelle gebracht werden kann. Dabei wird die Exposition der DNA mit dem sauren Milieu der
Endosomen vermieden und umgangen. Trotzdem kann diese Methode nur ex vivo erfolgen.
Diese Methode wurde z. B. dazu benutzt, um DNA in embryonische Stammzellen zu bringen,
aus denen dann transgene Organismen entwickelt worden sind224. Auch zum Gentransfer in
Oocyten wird diese Methode verwendet. Zur Durchführung der Methode werden heute
Mikroinjektoren verwendet, mit denen definiert werden kann, ob die Injektion in das Zytoplasma oder den Kern erfolgen soll. Dabei werden ca. 500 Femtoliter pro Zelle mit einem
Druck von 50-100 hPa injiziert. Ein großer Nachteil ist die Ineffizienz der Methode in Bezug
auf die Zahl der Zellen, die durch Mikroinjektion behandelt werden können. Da jede Zelle
einzeln behandelt werden muss, ist die Mikroinjektion nicht für Anwendungen geeignet, für
die eine große Zahl transfizierter Zellen notwendig ist.
Eine ähnliche Methode ist der Biolistische Partikeltransfer. Hier werden die Nukleinsäuren
aber nicht über eine Kanüle in die Zellen gebracht, sondern mit hoher Geschwindigkeit über
Mikroprojektile in die Zielzellen „geschossen“225. Diese Methode wurde erfolgreich für die
Transfektion von Zellen in Kultur und von Zellen in vivo eingesetzt226. Die direkte Injektion
von DNA mittels der Gene Gun ist ein Partikel-vermittelter Gentransfer, bei dem die DNA
durch physikalische Kräfte transferiert wird227. Gewöhnlich wird dabei DNA auf Goldpartikeln immobilisiert. Durch Beschleunigung der Goldpartikel wird die DNA in Gewebe oder
Zellen transportiert. Das geschieht durch das Anlegen eines hohen Druckes der mit Hilfe
von komprimiertem Helium erzeugt wird. Im Inneren der Zelle erfolgt das Entlassen der
DNA in den Nukleus228. Die Gene Gun wurde in vitro für den Transfer immunmodulatorischer Gene in Säugerzellen229, Tumorzellen oder in Tiermodellen verwendet228,230,231. Wie die
Mikroinjektion ist diese Methode sehr ineffizient und es werden sowohl gesunde als auch
Tumorzellen transfiziert.
1.4.2.3
Lipofektion
Nukleinsäuren können durch die Bindung an Lipide organisierte Strukturen wie Liposomen
oder Mizellen ausbilden. Liposomen sind die wohl vielseitigsten Werkzeuge für den Transfer
therapeutischer Nukleinsäuren232,233. Liposomen sind Vesikel, die aus einem wässrigen
Kompartiment bestehen, dass durch eine Phospholipid-Bilayer-Schicht eingeschlossen wird.
Sowohl hydrophobe als auch hydrophile Agenzien können in Liposomen verpackt werden.
Der Vorteil von Liposomen gegenüber viralen Transfersystemen liegt darin, dass sie nicht
immunogen sind, da sie keine proteinogenen Bestandteile enthalten. Durch die Variation
der Zusammensetzung der Phospholipide kann die Größe, die Oberflächenladung und die
20
Einleitung
Morphologie der Liposomen bestimmt werden. Die Komplexe aus Nukleinsäure und Lipiden
werden als Lipoplexe bezeichnet234. Die Interaktionen von Liposomen und DNA sind abhängig von verschiedenen physikalischen Faktoren, wie pH und Ladung und den strukturellen
Eigenschaften der Liposomen. Die kationische Oberflächenladung der Lipide unterstützt die
Komplexierung und den Transfer der therapeutischen Nukleinsäuren. Außerdem schützen
sie sie vor Nukleasen und erhöhen somit deren biologische Stabilität. Der Mechanismus der
Transfektion mit Lipoplexen beruht auf der Endozytose durch die Wirtszelle, wobei Proteoglykane eine Rolle spielen. Das Endosom, das bei der Endozytose gebildet wird, wird in der
Zelle abgebaut, wodurch die Nukleinsäure in das Zytoplasma entlassen wird. Dieser Prozess
wird durch die Helfer-Lipide vermittelt, die in den Liposomen präsent sind. Ein weiter wichtiger Schritt ist das Entpacken der Nukleinsäure, da sie durch die Ummantelung in einem
Liposom biologisch nicht aktiv ist. Die Neutralisation der Komplexe erfolgt wahrscheinlich
durch die Interaktion der kationischen Lipoplexe mit den anionischen Zelllipiden, wodurch
die Nukleinsäure aus dem Komplex entlassen wird. Verschiedene kationische, anionische,
synthetisch modifizierte Lipide und Kombinationen aus ihnen werden für den Transfer von
Nukleinsäuren eingesetzt.
Kationische Lipide:
Bereits 1992 wurden kationische Lipide in der humanen Gentherapie eingesetzt. Derzeit
sind in 13 % der weltweiten klinischen Studien nicht-virale liposomale Vektoren zu finden.
Im Gegensatz zu anionischen und neutralen Lipiden bilden kationische Lipide einen natürlichen Komplex mit negativ geladener DNA. Kationische liposomale Formulierungen bestehen
aus kationischen und zwitterionischen Lipiden235-237. Kationische Lipide, die häufig verwendet werden, sind 1,2-Dioleyl-3-Trimethylammoniumpropan (DOTAP), N-[1-(2,3-Dioleyloxy)propyl-N,N,N-Trimethylammoniumchlorid (DOTMA), 2,3-Dioleyloxy-N-[2-(Spermincarboxamido)ethyl]-N,N-Dimehtyl-1-propanaminium (DOSPA), Di-Octadecylamidoglycilspermin
(DOCS) und 3,[N-(N1,N-Dimethylethylendiamin)-carbamoyl]cholesterol (DC-chol). Häufig
verwendete zwitterionische Lipide, die auch als Helfer-Lipide bezeichnet werden, sind Dioleoylphosphatidylethanolamin (DOPE) und Cholesterol. Die kationischen Lipide dienen der
Komplexierung und Kondensation der Nukleinsäure bei der Ausbildung der Lipoplexe. Ihre
positive Ladung erlaubt eine Interaktion mit der negativ geladenen Zellmembran, wodurch
das Eindringen in die Zelle erleichtert wird238. Die zwitterionischen Lipide unterstützen das
Eindringen und die Fusion mit der Membran.
Ein Hauptproblem der kationischen Lipide ist ihre Zytotoxizität, die in vielen Untersuchungen in vitro239,240 und in vivo241,242 beobachtet worden ist. In Lungengewebe konnten eine Zytokin-vermittelte Toxizität und die Induktion von TNF-α nachgewiesen werden243. Auch die
Transfektionsraten sind signifikant geringer als die viraler Vektoren. Die Ursache liegt in der
Heterogenität und Instabilität der kationischen Lipoplexe244. In der Gegenwart von Serum
erfolgt eine rasche Inaktivierung dieser Lipide237,245. Bereits 2 % fötales Kälberserum sind
für eine komplette Inaktivierung der Transfektion ausreichend. Untersuchungen in vivo haben gezeigt, dass die Ergebnisse, die durch die Transduktion von Gene mittels kationischer
Lipide erreicht werden konnten, nur transient und von kurzer Dauer sind246,247.
Anionische und neutrale Lipide:
Als Alternative zu den kationischen Lipiden, wurden anionische und neutrale Lipide für die
Konstruktion synthetischer Vektoren eingesetzt240,248-250. Obwohl sie sehr sicher, kompatibel
mit Körperflüssigkeiten sind und die Möglichkeit des Gewebe-spezifischen Gentransfers bieten, ist das Niveau der transduzierten Zellexpression relativ gering.
Ein Hauptproblem ist das Verpacken der negativ geladenen DNA in die Liposomen. Es wird
durch Kationen, wie Na+, K+ 249, Ca2+ 251 und Polykationen252,253 ermöglicht, die die Ladun-
21
Einleitung
gen der Nukleinsäure absättigen. Nachteile für den Einsatz als Vektoren, liegen in der ineffizienten Verpackung der Nukleinsäure250 und dem Fehlen von Toxizitätsdaten249. Trotzdem
wurden neue neutrale und anionische Liposomen für die In-vivo-Gentherapie entwickelt254.
pH-sensitive Liposomen:
pH-sensitive Liposomen können durch den Einbau von DOPE in Liposomen aus sauren Lipiden, wie Cholesterylhemisuccinat oder Oleylsäure generiert werden255. Bei einem neutralen pH liegen diese Liposomen in der Bilayer-Strukur vor. Nach der Aufnahme in die Endosomen werden sie protoniert und kollabieren. Dies führt zu einer Destabilisierung der Endosomenmembran, wodurch die Nukleinsäure schnell in das Zytoplasma entlassen werden
kann255.
Immunoliposomen:
Durch den Einbau von Antikörpern oder –fragmenten in die Lipidbilayer-Membran können
Immunoliposomen für den Gentransfer zielgerichtet gegen bestimmte Zelltypen eingesetzt
werden. Sie sind gegen definierte Rezeptoren gerichtet und werden über die Rezeptorvermittelte Endozytose in das Zellinnere aufgenommen.
Stealth-Liposomen:
Stealth-Liposomen sind sterisch stabilisierte liposomale Formulierungen, die Polyethylenglycol (PEG)-konjugierte Lipide enthalten. PEG verhindert die Erkennung der Liposomen durch
das retikuloendotheliale System, wodurch Stealth-Liposomen lange Zeit im Körper zirkulieren können, ohne dass sie abgebaut werden.
1.4.2.4
Polyfektion
Vektoren, die auf einem Komplex eines Polymers mit einer Nukleinsäure basieren, werden
Polyplexe genannt. Generell werden kationische Polymere bevorzugt eingesetzt, da sie sehr
leicht mit anionischen Nukleinsäuren einen Komplex ausbilden können256. Die Funktion
von Polyplexen beruht auf der Ausbildung positiv geladener Komplexe, die durch die elektrostatische Interaktion von anionischen Nukleinsäuren und Polymer gebildet werden257. Die
kationische Polyplex interagiert mit der negativ geladenen Zelloberfläche, wodurch die Aufnahme der Nukleinsäuren erfolgt. Die Vorteile der polymerischen Gentransfervesikel liegen
in ihren universellen physikochemischen Eigenschaften und in der relativ einfach möglichen
Manipulierbarkeit dieser Eigenschaften258. Eine Produktion im Großmaßstab ist zu relativ
geringen Kosten möglich. Häufig verwendete Polymere sind PEI259, PLL260, Chitosane261 und
Dendrimere258. Agenzien, wie Folate, Transferrin, Antikörper oder Zucker, wie Galaktose
und Mannose, können in die Polymere zu zielgerichtetem Gentransfer für bestimmte Zelltypen eingebaut werden258. Im Gegensatz zu Lipoplex-Formulierungen, sind einige Polyplexe (z.
B. Polylysin) nicht in der Lage, die gebundenen Nukleinsäuren in das Zytoplasma zu entlassen262. Auf Grund dessen ist die Kotransfektion endosomolytischer Agenzien notwendig. Andere Polymere, wie Polyethylenimin, haben Endosomen-disruptive Eigenschaften, so dass
keine zusätzlichen Endosomenbrecher verwendet werden müssen. Die Größe des Polymers
bestimmt die Transfektionseffizienz und ist für jeden Gentransfer spezifisch. Grundsätzlich
trifft folgende Aussage zu: je länger die Polymerkette ist, desto besser wird die DNA kondensiert und umso besser ist sie vor Abbau geschützt.
Nachteile der Polyplexe258 sind neben den geringen Transfektionsraten, Probleme in der
Kontrolle der Molekulargewichtsverteilung, die Dispersität der Polyplexe und andere Qualitätsmerkmale. Einige Polymere haben ungünstige pharmakologische Eigenschaften, wie z. B.
22
Einleitung
Hypocholesterolämie verursacht durch Chitosan, die für die Anwendung im Menschen von
Nachteil sind263.
Polytehylenimin (PEI):
PEI ist ein verzweigtes Polymer mit hoher Gentransfereffizienz in undifferenzierten Zellen.
Andererseits kann es auch sehr zytotoxisch sein und die Apoptose in den transfizierten Zellen induzieren264. Die Zytotoxizität und die Transfektionseffizienz von PEI sind direkt proportional zu seiner Molekularmasse235. Die Transfektionseffizienz ist auf die puffernde Wirkung des „Protonenschwamm-Effektes“ von PEI zurückzuführen, der durch die vorhandenen Aminogruppen des Moleküls ausgelöst wird265. Die N-Atome sind protonierbar, wodurch
ein Chloridüberschuss entsteht, der zu einer Erhöhung des osmotischen Drucks führt. Dieser Effekt führt zu einem Aufbrechen der Endosomen, worauf die Nukleinsäure in das Zytoplasma entlassen werden kann266.
Poly(L-Lysin) (PLL):
PLL ist ein natürlich abbaubares, kationisches Polymer, das für den Transfer von DNATherapeutika, wie Oligonukleotide, verwendet wird258. Durch PLL können nur geringe
Transfektionseffizienzen erreicht werden, da PLL-DNA-Komplexe nicht schnell genug in das
Zytoplasma entlassen werden. Die Komplexe verteilen sich in sauren Lysosomen, wo die
DNA abgebaut wird267. Auf Grund seines Aminorückgrates ist PLL immunogen und toxisch.
Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass PLL unspezifisch an Zellmembranen bindet, was
einen gerichteten Gentransfer erschwert268.
Chitosan:
Chitosan ist ein natürliches, abbaubares Polymer, das auf Grund seiner geringen Toxizität
als Alternative zu PEI verwendet werden kann266,269. Die Transfektionseffizienz in vivo von
Chitosan ist geringer als die von anderen Polymeren, wie z. B. PEI, wie in einer vergleichenden Studie mit intratrachealer Applikation von Chitosan-DNA-Polyplexen gezeigt werden
konnte266. In höheren Dosen kann Chitosan Hypercholesterolämie auslösen, was seine Anwendung limitiert263.
Dendrimere:
Polyamidoamin (PANAM)-Dendrimere sind eine weitere Gruppe polykationischer synthetischer Polymere270,271. Die dreidimensionale sphärische Struktur ermöglicht die Kontrolle der
Molekülgröße und Verzweigung bei der Synthese, wodurch ein geringer Grad an Polydispersität erreicht wird. Die geringe Polydispersität der Dendrimere ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Polymeren, da dadurch reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden können.
Die kationischen Aminosäurereste in der polymeren Struktur der PANAM-Dendrimere unterstützen die DNA-Kondensation und das Aufbrechen der Endosomen258. Dendrimere, die
die Oligonukleotide vor dem Verdau durch Serumnukleasen schützen232, wurden für den
Transfer von Oligonukleotiden verwendet272.
1.4.2.5
Gentransfer basierend auf implantierbaren Polymeren
Für den Einsatz von Nukleinsäuren in der Gentherapie ist es wichtig, eine Applikation über
einen längeren Zeitraum mit kontrollierten Raten zu erreichen. Dazu wurde ein System entwickelt, das eine langfristige Applikation und Expression einer Plasmid-DNA in vivo ermöglicht. In diesem System dienen biokompatible Materialien mit hoher Molekularmasse, wie z.
B. Kollagen oder seine Derivate als Träger für den Transfer von DNA-Vektoren. Nach der
Verabreichung von Biomaterialien mit Plasmid-DNA erfolgt ein graduelles Entlassen der
23
Einleitung
DNA in vivo, wodurch physiologisch relevante Konzentrationen der kodierten Proteine lokal
oder auch systemisch erreicht werden können. Ein weiterer Vorteil der Biomaterialien ist,
dass sie wieder entfernt werden können, wenn unerwartete Nebenwirkungen des Transgens
eintreten. Folgende Eigenschaften zeichnen die Biomaterialien aus273: (I) Die Polymere sind
biokompatibel und haben deshalb eine geringe Antigenität und Toxizität. (II) Die Materialien
sind löslich, leicht zu mischen, und können mit verschiedenen Genvektoren kombiniert
werden. (III) Die Materialien können biologisch abgebaut werden und können somit über einen definierten Zeitraum und Konzentrationsbereich entlassen werden. (IV) Die Materialien
können in vivo Nukleinsäuren vor einem enzymatischen Angriff schützen und behalten ihre
Struktur und Aktivität. Somit wird die schnelle Degradation von Nukleinsäuren, die ein großes Problem in der Gentherapie darstellt, reduziert. (V) Die Materialien besitzen eine gewisse
Plastizität, was bedeutet, dass die flüssige Phase nach der Applikation im Patienten fest
wird. (V) Die Materialien können sehr einfach wieder entfernt werden und das mit minimaler
Invasion in den Körper.
Die ersten Versuche wurden mit Polyethylen-Vinyl-Coacetat (EVAc) durchgeführt. Es konnte
gezeigt werden, dass DNA aus der EVAc-Matrix ohne Degradation entlassen wird und die
Fähigkeit behält, Zellen in vitro zu transfizieren274,275. Durch eine orale Applikation von Polyanhydrid-Kopolymeren der Fumar- und Sebacinsäure (poly(FA:SA) 20:80) mit hohen adhäsiven Eigenschaften konnte der Gentransfer von biologisch aktiven Molekülen in vivo erreicht werden276. Alginat, ein natürlich vorkommendes Biopolymer aus Algen, wurde ebenfalls als Matrix für den Transfer verschiedener biologischer Agenzien, unter anderem auch
Nukleinsäuren verwendet277,278. Biodegradierbares Alginat wurde als Transfervesikel für
DNA-Vakzine benutzt, wodurch eine Immunantwort erreicht werden konnte279. PlasmidDNA mit einem Fragment des humanen Parathormon-Rezeptors wurde in zu regenerierendes Zielgewebe mit Hilfe einer Matrix, der Gen-aktivierten Matrix (GAM), implantiert280,281.
Die Implantation von GAM führte zu einer Expression der Plasmid-DNA für einen längeren
Zeitraum, was zu einer Regeneration von Knochengewebe geführt hat. Eine besondere Eigenschaft besitzen Imidazol-enthaltende Polymere282. Sie ermöglichen das Entlassen der
Komplexe aus DNA und Polymer aus den endozytotischen Vesikeln in das Zytoplasma, was
dazu führt, das diese Komplexe nicht degradiert werden und ihre Aktivität im Zytoplasma
entfalten können283. Viele weitere Biopolymere finden Anwendung in der Entwicklung von
Gentherapiestrategien. Eine Auswahl ist in der Tabelle 1-1 dargestellt.
Tabelle 1-1: Biomaterialien in der Gentherapie
Material
Referenz
Polyethylen-Vinyl-Coacetat (EVAc)
274, 275
Polyanhydrid-Kopolymere der Fumar- und Sebacinsäure (poly(FA:SA)20:80)
276
Poly(lactid-Coglycolid) (PLCG)
284,285
Gen-aktivierte Matrix (GAM):
280,281
Fibrin
286
Kollagen
287-290
Poly[alpha-(4-aminobutyl)-L-glycolsäure] (PAGA)
291, 292
Imidazol-enthaltende Polymere
282
Alginat-Microsphären
277-279
Chitosan
293-299
Gelatin
300-302
Atelocollagen
303
24
1.5
Einleitung
Die Familie der HU-Proteine
Auf Grund der Abstoßung der negativ geladenen Phosphationen im Rückgrat der DNA
nimmt diese eine gestreckte Konformation in Lösung ein304. So würden menschliche Chromosomen eine Länge von 1,6 bis 8,2 cm einnehmen. Damit ist die Länge der Chromosomen
wesentlich größer als die Größe der sie beherbergenden Zellen. Auf Grund dessen wird die
DNA in der Zelle zu Chromatin kondensiert. In der Metaphase, in der die Kondensation der
DNA ihr Maximum erreicht, haben sie nur noch eine Länge von 1,3 bis 10 µm. Fast die Hälfte des Chromatins besteht aus den Histonen, kleinen basischen Proteinen von 11 bis 21
kDa Masse, wobei die Aminosäuren Arginin und Lysin ca. 20 % der Proteinmasse darstellen.
Mit ihrem hohen Anteil an positiv geladenen Aminosäuren können sie relativ unspezifisch
an die DNA binden und die negativen Ladungen der Phosphatgruppen des DNA-Rückgrats
kompensieren. Durch die asymmetrische Neutralisation der Phosphatgruppen der DNA wird
diese gebogen305. Somit ist das Packungsverhältnis chromosomaler DNA größer als 8000.
Prokaryontische Zellen sind ebenfalls in der Lage, DNA zu kondensieren. Sie synthetisieren
einen Satz kleiner Proteine, die in der Lage sind, mit DNA zu interagieren. Ihre
biochemischen Eigenschaften ähneln denen von eukaryontischen Histonen. Sie werden als
Histon-ähnliche oder HU-Proteine bezeichnet306-308. Die Bezeichnung HU leitet sich von der
Bezeichnung für das DNA-bindende und –kondensierende Protein Heat Unstable Nucleoid
Protein aus E. coli ab. HU-Proteine sind abundante, kleine, basische homo- oder heterodimere Proteine. Sie sind essentiell bei der Ausbildung von supramolekularen Nukleoproteinkomplexen und spielen eine wichitge Rolle bei verschiedenen DNA-metabolisierenden Prozessen,
wie Replikation, Transkription und Transposition309,310. Sie sind in der Lage, DNA zu
reparieren311,312 und können die Schmelztemperatur von DNA erhöhen313. Durch ihre
Interaktion mit dem Genom haben sie einen Einfluss auf die Genexpression, das Wachstum
und die Vitalität der Mikroorganismen. E. coli-Mutanten, die nicht mehr in der Lage waren
beide Untereinheiten des HU-Proteins zu exprimieren, zeigten schlechtes Wachstum und eine veränderte Zellteilung, was zur Bildung von Zellen ohne Nukleolid führte314. Mehr als 30
Mitglieder der HU-Familie sind bis heute bekannt. Sie alle haben eine Länge von rund 90
Aminosäuren und konnten in fast allen Familien der Eubaktieren, Archaebakterien,
Cyanobakterien, pflanzlichen Chloroplasten und Bakteriophagen gefunden werden.
Die Aminosäresequenz der HU-Proteine ist hochkonserviert306. Dadurch ergibt sich auch
eine ähnliche Supersekundärstruktur der HU-Proteine. Die Strukuren mehrerer Vertreter
der HU-Familie wurden durch Röntgenkristallographie, NMR, Raman- und UV-ResonanzRaman-Spektroskopie aufgeklärt315-319. Das Monomer besteht aus drei α-helikalen Regionen
und drei β-Faltblättern. Zwei Untereinheiten sind miteinander verwunden, wodurch der
kompakte Rumpf geformt wird, in dem sich vorwiegend die hydrophoben Aminosäuren
befinden. Im oberen Teil des Dimers wird durch zwei lange, flexible, antiparalle β-Faltblätter
eine konkave Oberfläche mit einem Durchmesser von ca. 2,5 nm ausgebildet. Diese
Oberfläche ist komplementär zu der Doppelhelix der DNA. Hier findet die elektrostatische
Interaktion mit der kleinen Furche einer rechtsgängigen DNA-Helix statt320,321. In der
Abbildung 1-7 sind die Strukturen eines HU-Monomers und –Dimers des HU-Proteins von
Bacillus stearothermophilus dargestellt und in Abbildung 1-8 ist der Komplex des HUProteins aus Anabaena mit DNA abgebildet.
25
Einleitung
A
B
Abbildung 1-7: Struktur von HU-Proteinen, hier HBst (HU-Protein aus Bacillus
stearothermophilus) nach [306], (A) HU-Monomer, die konservierten Aminosäuren
sind dunkel markiert, (B) HU-Dimer
Abbildung 1-8: Kokristallstruktur von des HU-Proteins von Anabaena im Komplex
mit DNA
Die Hauptaufgabe der HU-Proteine besteht in der Verpackung der DNA. Durch RamanSpektroskopie wurde festgestellt, dass die Biegung der DNA durch Bindung von HBst 70°
beträgt321, dadurch erfolgt die Kondensation der DNA zu kompakten Nukleosom-ähnlichen
Strukturen311. Die Bindungslänge des HU-Proteins aus E. coli beträgt 8,5 Basenpaare. Dadurch wird die gebundene DNA pro drei oder vier HU-Monomeren einmal gewunden322. In
anderen Publikationen sind Bindungslängen zwischen ca. 10 bp und 30 bp veröffentlicht323,324.
Die meisten HU-Proteine binden Sequenz-unabhängig in der kleinen Furche der DNA. Eine
Ausnahme bildet unter anderem IHF (Integration Host Factor) aus E. coli, der spezifisch an
die Sequenz von oriC bindet. Diese Interaktion wird in diesem Fall durch HU von E. coli moduliert und kann abhängig von seiner Konzentration die Interaktion von IHF mit der DNA
inhibieren oder aktivieren325.
Eher als die Sequenz wird die Struktur der DNA durch die HU-Proteine erkannt. EcoHU
bindet mit hoher Affinität an doppelsträngige DNA mit einem Strangbruch oder einer Lücke
von ein oder zwei Basen. Durch elektrophoretische Messungen wurden Bindungskonstanten
zwischen 8 und 2 nM bestimmt. Diese waren 100 mal höher als die Bindungskonstanten für
26
Einleitung
doppelsträngige DNA ohne Strangbrüche oder Lücken326. Auch für andere HU-Proteine wurden Bindungskonstanten im nanomolaren Bereich ermittelt324,326,327. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass das EcoHU mit hoher Affinität an DNA-Intermediate der DNA-Reparatur
und –Rekombination, wie DNA-Invasionen, Überhänge und Gabelstrukturen312, sowie doppelsträngiger RNA und Hybriden aus RNA und DNA328 bindet. Ein Beispiel für die Interaktion eines HU-Proteins mit RNA ist HBsu. Dieses Protein interagiert mit der Alu-Domäne der
kleinen zytoplasmatischen RNA, wobei die Erkennung der RNA wiederum nicht über die Sequenz, sondern über die Struktur erfolgt329.
Eine weitere Rolle der HU-Proteine besteht in der Regulation von biologischen Prozessen in
der Zelle. Das geschieht über die Strukturgebung von DNA durch die HU-Proteine, wodurch
regulatorische Elemente oder Proteine zusammengeführt werden. HU-Proteine spielen eine
wesentliche Rolle bei der Rekombination von DNA. So ist z. B. die β-Rekombinase Gramnegativer Bakterien ohne die Anwesenheit von HU, wie z. B. Hbsu, nicht in der Lage, die Rekombination von DNA zu vermitteln330. Auch bei Rhizobium leguminosarum kann die Nodulation (Knöllchenbildung) ohne das entsprechende HU-Protein nicht stattfinden. HU ist notwendig für die normale Expression der Nod-Gene331. Ein weiteres Beispiel ist die Erhöhung
der Expression des HU-Proteins von Mycobacterium smegmatis durch Kälteschock oder
Sauerstoffmangel, wodurch anschließend die Keimruhe induziert wird332.
1.6
Das histonähnliche Protein aus Thermotoga maritima,
TmHU
Proteine von hyperthermophilen Mikroorganismen sind von großem Interesse für die industrielle Biotechnologie, da sie bei hohen Temperaturen ihr Faltungsmuster behalten und somit stabiler sind als ihre Analoga von mesophilen Organismen333-336. In der Regel lassen sie
sich relativ einfach rekombinant exprimieren334,337 und auf Grund ihrer Thermostabilität
kann im ersten Reinigungsschritt eine preiswerte und effektive Präzipitation der Wirtsproteine durch Hitzefällung erfolgen. Auf Grund ihrer Eigenschaften stellen thermostabile Proteine auch geringe Anforderungen bezüglich der Lagerungsbedingungen und Kühlung während und nach der Reinigung.
TmHU ist das HU-Protein aus dem marinen hyperthermophilen Eubakterium Thermotoga
maritima. Wie andere HU-Proteine liegt TmHU als Homodimer vor319,338. Ein Monomer besteht aus 90 Aminosäuren, deren Sequenz hochkonservierte Bereiche bezüglich anderer
HU-Proteine enthält. In Abbildung 1-9 ist der Vergleich der Aminosäuresequenz von TmHU
mit den Sequenzen sechs anderer Vertreter der HU-Familie aufgeführt. Identische Aminosäuren sind gelb markiert, Aminosäuren mit gleichen Eigenschaften der Seitenketten sind
grau markiert. Die Homologie der einzelnen HU-Proteine ist sehr hoch. Mit dem Programm
PSORT konnten zwei zusammengesetzte Kernlokalisationssequenzen in der Sequenz von
TmHU nachgewiesen werden339. Dieses Programm sagt für TmHU eine 98 %-ige Wahrscheinlichkeit für die Lokalisation im Kern eukaryontischer Zellen voraus339.
Auf Grund seines höheren Anteils an positiv geladenen Aminosäuren hat TmHU einen höheren isoelektrischen Punkt (pI = 10,36) im Vergleich zu anderen HU-Proteinen. Der Schmelzpunkt von TmHU liegt bei 95 °C313,338, was 10 °C über der optimalen Wachstumstemperatur
von Thermotoga maritima liegt. Auf Grund seiner positiven Ladungen ist TmHU in der Lage,
mit DNA zu interagieren. Der KD für die Interaktion mit doppelsträngiger DNA konnte mit 73
nM bestimmt werden313, und liegt somit im Bereich anderer HU-Proteine326. Die Bindungslänge für doppelsträngige DNA liegt für TmHU bei neun bis zehn Basenpaaren338 und entspricht ebenfalls dem Bindungslängenbereich von HU-Proteinen, der in der Literatur angegeben wird323,324. Neben der Kondensation von DNA ist TmHU in der Lage, diese vor thermi-
27
Einleitung
scher Denaturierung und DNase-Abbau zu schützen338. Die hier aufgeführten Eigenschaften
von TmHU wurden für die Transfektion humaner Zellen mit DNA für gentherapeutische Ansätze genutzt. Als Reportergen wurde lacZ gewählt, das für die β-Galactosidase kodiert.
Nach der Ausbildung von Präzipitaten aus DNA und TmHU mit Hilfe von Calciumchlorid
und Hitze wurden Zellen mit dem für lacZ-kodierenden Plasmid transfiziert. Nach Aufnahme
der Präzipitate in die Zellen konnten Transfektionsraten von 10-20 % nachgewiesen werden338, 339.
TmHU: 1 MNKKELIDRVAKKAGAKKKDVKLILDTILETITEALAKGEKVQIVGFGSF 50
HBsu: 1 MNKTELINAVAETSGLSKKDATKAVDAVFDSITEALRKGDKVQLIGFGNF 50
Hbth: 25 MNKTDLINAVAEASSLSKKDATKAVDAVFDSILEALKQGDKVQLIGFGNF 74
YonN: 1 MNKTELIAKVAEKQGVSKKEGAPSVEKVFDTISEALKSGEKVSIPGFGTF 50
Hbst: 1 MNKTELINAVAETSGLSKKDATKAVDAVFDSITEALRKGDKVQLIGFGNF 50
NS-2: 1 MNKTQLIDVIAEKAELSKTQAKAALESTLAAITESLKEGDAVQLVGFGTF 50
NS-1: 1 MNKSQLIDKIAAGADISKAAAGRALDAIIASVTESLKEGDDVALVGFGTF 50
Hana: 1 MNKGELVDAVAEKASVTKKQADAVLTAALETIIEAVSSGDKVTLVGFGSF 50
TmHU:
HBsu:
Hbth:
YonN:
HBst:
NS-2:
NS-1:
Hana:
51
51
75
51
51
51
51
51
EVRKAAARKGVNPQTRKPITIPERKVPKFKPGKALKEKVK 90
EVRERAARKGRNPQTGEEMEIPASKVPAFKPGKALKDAVK 90
EVRERAARKGRNPQTGEEIEIAASKVPAFKPGKALKDAVK 114
EVRERAARKGRNPQTGEEIDIPATKAPAFKPAKALKDAVK 90
EVRERAARKGRNPQTGEEMEIPASKVPAFKPGKALKDAVK 90
KVNHRAERTGRNPQTGKEIKIAAANVPAFVSGKALKDAVK 90
AVKERAARTGRNPQTGKEITIAAAKVPSFRAGKALKDAVN 90
ESRERKAREGRNPKTNEKMEIPATRVPAFSAGKLFREKVN 90
Abbildung 1-9: Vergleich der Aminosäuresequenz von TmHU (HU-Protein aus
Thermotoga maritima mit HBsu (HU-Protein aus Bacillus subtilis), Hbth (HU-Protein
aus Bacillus thuringiensis serovar israelensis), YonN (HU-Protein aus Bacillus subtilis), HBst (HU-Protein aus Bacillus stearothermophilus), NS-2 (HU-α-Protein aus Escherichia coli), NS-1 (HU-β-Protein aus Eschericha coli) und Hana (HU-Protein Anabaena). Aminosäuren, die identisch mit der TmHU-Sequenz sind, sind gelb unterlegt, Aminosäuren, deren Seitenketten gleiche Eigenschaften (unpolar, ungeladen und polar, geladen und polar) besitzen sind grau unterlegt. Rot gekennzeichnet:
Bindungsmotiv für die Alu-Domäne der kleinen zytoplasmatischen RNA aus B. subtilis.
1.7
Zielstellung der Arbeit
Im Rahmen dieser Arbeit sollten vorerst die Synthese und Reinigung einer einheitlichen
Charge des HU-Proteins aus Thermotoga maritima, TmHU, durchgeführt werden. Die Vorarbeiten dazu wurden von Dipl.-Biologin D. Weidensdorfer (Fa. ACGT ProGenomics AG)
durchgeführt. Nach der Expressionsoptimierung wurde das Protein in E. coli durch Fermentation exprimiert und anschließend gereinigt. Nach der Übernahme der Arbeiten durch mich
erfolgte im letzten Reinigungsschritt der Wechsel des Puffersystems, die Endotoxinabreinigung im großen Maßstab und die Lyophilisation eines Großteils des gereinigten Proteins. Im
Anschluss daran sollte eine biochemische und physikochemische Charakterisierung bezüglich verschiedener Parameter der Proteinfraktion erfolgen. Unter anderem sollte die Bestimmung der Reinheit und der Konzentration sowie die Untersuchung der Struktur und des
Dimerisierungszustandes erfolgen.
Bei einem Sequenzvergleich von TmHU und Hbsu, dem HU-Protein aus Bacillus subtilis, hat
sich gezeigt, dass TmHU ein Bindungsmotiv für die Interaktion mit einer speziellen Domäne
einer kleinen zytoplasmatischen RNA aus B. subtilis besitzt. Dieses Bindungsmotiv ist in der
Abbildung 1-10 rot gekennzeichnet. Bei dieser Domäne handelt es sich um die sogenannte
Alu-Domäne329, wie sie in Abbildung 1-10 dargestellt ist. Auf Grund dessen sollte untersucht werden, in wie weit TmHU in der Lage ist, mit RNA zu interagieren. Die Interaktion
28
Einleitung
von TmHU und RNA sollte charakterisiert werden. Es sollte geprüft werden, ob das Bindungsmotiv für die Alu-Domäne dazu notwendig ist oder ob die Interaktion, wenn sie denn
stattfindet, eher unspezifisch erfolgt. Dazu wurden zwei verschiedene RNA-Konstrukte verwendet. Zum einen wurde eine 21 nt lange siRNA und zum anderen ein Konstrukt aus der
Alu-Domäne mit einem Anhang von einem 100 bp langen doppelsträngigen RNA-Fragment
eingesetzt. Das dsRNA-Fragment besteht aus einer Sequenz, die spezifisch gegen die mRNA
von Bcl-2 gerichtet ist. Durch das Einbringen dieses Konstruktes kann durch RNAi die Expression von Bcl-2 inhibiert werden. Das Konstrukt kann somit als Modul für unterschiedliche RNA-Sequenzen für die Inhibition verschiedenster Zielgene verwendet werden.
Des Weiteren sollte untersucht werden, ob TmHU in der Lage ist, RNA in humane Zellen zu
transportieren und in wie weit die Ergebnisse, wie sie bereits durch Dr. Dipl.-Biochem. D.
Esser (Institut für Biotechnologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) für den
Transfer von DNA erhalten worden sind338, 339, auf RNA übertragbar sind. Sofern eine Aufnahme von RNA in die Zielzellen erfolgt, sollte untersucht werden, in wie weit dieses System
funktional ist. Das soll heißen, in wie weit kann durch die transportierte RNA ein biologischer Effekt, in diesem Fall RNAi erreicht werden. Hierzu musste ein geeignetes Detektionssystem etabliert werden. Auch der Mechanismus der Aufnahme aus den RNA-TmHUKomplexen sollte untersucht werden.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, das Potenzial, sowie Vorteile und Grenzen
eines Vektorsystems für RNA basierend auf TmHU zu untersuchen (als Grundlage und Ansatzmöglichkeiten für weiterführende Arbeiten).
Sense
Antisense
100 nt dsRNA-Anhang
-3´
-5´
5´-CUGGGGGAGGAUUGUGGCCUUUU-3´
│││││││││││││││││││
3´-UUUUGACCCCCUCCUAACACCGG-5´
21 nt lange siRNA
Alu-Domäne
Abbildung 1-10: Alu-Domäne der scRNA aus Bacillus subtilis mit siRNA-Anhang
und 21 nt lange doppelsträngige siRNA.
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