MERKBLATT - IHK München und Oberbayern

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MERKBLATT
International
AUSLANDSENTSENDUNG VON ARBEITNEHMERN
INHALT:
1. Vorbemerkung ................................................................................................................. 2
2. Wann liegt eine Arbeitnehmerentsendung vor? ................................................................ 2
3. Wie wirkt sich die Entsendung auf den Vertrag aus? ........................................................ 3
4. Ist der Betriebsrat zu beteiligen? ...................................................................................... 4
5. Wie wird die Entsendung beendet? .................................................................................. 4
6. Welches Recht ist anwendbar? ........................................................................................ 5
6.1.Rechtswahl durch die Parteien
6.2 Zwingende Vorschriften......................................................................................... 5
7. Wie sieht es mit der sozialen Absicherung aus?............................................................... 6
7.1 Ausstrahlung (§ 4 SGB IV – 4. Sozialgesetzbuch)................................................. 7
7.2 Pflichtversicherung auf Antrag oder freiwillige Versicherung ................................. 8
7.3 Entsendung innerhalb der EU (und EWR ) ............................................................ 8
7.4 Sozialversicherungsabkommen .................................................................................... 11
Name des ersten Verfassers: Jörg Conrad, Erstellungsdatum: 1. Mai 2004;
Neubearbeitung 2011 durch Roger Storp, Rechtsanwalt (München) und Avocat à la
Cour (Paris) - [email protected]
Merkblätter sind grundsätzlich nur als Orientierungshilfe zu verstehen; sie sind auf
den Regelfall zugeschnitten und können besondere Umstände des Einzelfalles
nicht berücksichtigen. Die Texte in diesem Merkblatt sind ohne Gewähr, sie sind
auch nicht erschöpfend und können eine fachliche Beratung nicht ersetzen.
Ansprechpartner: Ina Knausenberger
Durchwahl: 089 / 5116-1492
Fax: 089 / 5116-81492
E-Mail: [email protected]
Bearbeitet am: 18.09.2012
IHK-Service: Tel. 089 / 5116-0
Anschrift: Balanstr. 55-59
Homepage: www.muenchen.ihk.de
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1. VORBEMERKUNG
Die Internationalisierung greift immer mehr um sich und macht auch vor dem Arbeitsleben nicht halt. Die Entsendung von Arbeitnehmern in das Ausland gewinnt
immer mehr an Bedeutung. Hierdurch kann z.B. ein Mangel an qualifizierten Fachkräften behoben, die einheitliche Unternehmenspolitik vor Ort durchgesetzt, der
internationale Erfahrungsaustausch gefördert und Auslandserfahrung gesammelt
werden.
Bei der Entsendung von Arbeitnehmern ergeben sich insbesondere Probleme bei
der Vertragsgestaltung. Zugleich ist eine korrekte sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung für die Arbeitnehmer wichtig, um ihnen einen umfassenden Sozialversicherungsschutz zu gewährleisten. Außerdem birgt eine falsche sozialversicherungsrechtliche Beurteilung die Gefahr erheblicher Nachzahlungs-Verpflichtungen
für den Arbeitgeber in sich. Auch steuerliche Problemstellungen sind zu beachten.
Dieses Merkblatt soll Unternehmen einen ersten Überblick über die rechtlichen und
steuerlichen Fragen, die sich bei einer Entsendung von Arbeitnehmern durch Wirtschaftsunternehmen ins Ausland stellen, geben und eine Hilfestellung bei der Beurteilung anbieten. Nicht eingegangen wird auf die Sonderregeln, die z.B. für Arbeitnehmer, die in der Personen- oder Güterbeförderung oder in der Schifffahrt
beschäftigt sind, gelten sowie auf Besonderheiten, die sich bei Tätigkeiten eines
Arbeitnehmers in mehreren Staaten ergeben (dazu unter 7.3.2).
2. WANN LIEGT EINE ARBEITNEHMERENTSENDUNG VOR?
Eine Arbeitnehmerentsendung liegt grundsätzlich dann vor, wenn ein Arbeitnehmer
auf Wunsch seines inländischen Arbeitgebers (entsendendes Unternehmen) im
Ausland eine Beschäftigung für ihn ausübt. Eine Entsendung ist auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer im Inland eigens für eine Arbeit im Ausland eingestellt
wird.
Lebt der Arbeitnehmer jedoch bereits im Ausland bzw. ist dort beschäftigt und
nimmt von dort aus eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber auf,
handelt es sich um eine Ortskraft. Ein Fall der Entsendung liegt nicht vor.
Weiterhin muss die Beschäftigung im Ausland im Voraus zeitlich begrenzt sein..
Die zeitliche Begrenzung kann sich aus der Eigenart der Beschäftigung (z.B. Abwicklung eines bestimmten Projektes entweder unmittelbar für das Unternehmen
oder aufgrund eines Auftrags, den das Unternehmen von einem Dritten erhielt)
oder aus einer besonderen vertraglichen Vereinbarung ergeben. Für den Umfang
der Befristung gilt keine bestimmte feste Zeitgrenze. Der Zeitraum muss jedoch
„überschaubar“ sein. Allerdings können sich aus EU-Verordnungen konkrete zeitliche Begrenzungen für die Entsendung ergeben (siehe unten).
Beispiele:
In folgenden Fällen kommt eine Entsendung (auch Abordnung oder Delegation) in
Betracht:
•
Der Arbeitnehmer hat schon im Inland für das Unternehmen gearbeitet und
ist ins Ausland entsandt worden, um dort weiterhin für das Unternehmen
gegen Entgelt zeitlich begrenzt als Arbeitnehmer tätig zu sein.
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•
•
Der Arbeitnehmer war vorher bei einem anderen Arbeitgeber im Inland beschäftigt und wurde im Inland extra vom neuen Arbeitgeber für die Entsendung ins Ausland eingestellt.
Der inländische Arbeitnehmer war zuvor noch gar nicht als Arbeitnehmer
beschäftigt und wurde extra für die zeitlich begrenzte Beschäftigung im
Ausland eingestellt.
In folgenden Fällen handelt es sich nicht um eine Entsendung:
•
•
Der Arbeitnehmer ist schon vor Jahren ins Ausland ausgewandert (oder ist
dort wohnhaft). Er wird im Ausland vom deutschen Unternehmen eingestellt.
Der Arbeitnehmer war im Ausland bereits für einen anderen ausländischen
Arbeitgeber tätig. Das deutsche Unternehmen stellt den Arbeitnehmer im
Anschluss extra für eine Tätigkeit im Ausland ein.
Der inländische Arbeitnehmer wird langfristig ins Ausland „versetzt“, oft zu
einer Tochtergesellschaft oder unselbstständigen Niederlassung – hier
kann ggf. in einer Versetzungsvereinbarung mit dem inländischen Arbeitgeber ein bloßes Ruhen des alten Arbeitsvertrags vorgesehen werden.
3. WIE WIRKT SICH DIE ENTSENDUNG AUF DEN VERTRAG AUS?
Der Arbeitgeber kann die Entsendung nicht einseitig aufgrund seines Direktionsrechts anordnen; grundsätzlich ist eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages erforderlich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn im
Arbeitsvertrag die Entsendemöglichkeit bereits ausdrücklich vorgesehen ist oder
bei sehr kurzen Entsendungen (Dienstreisecharakter, Montagearbeiter; eventuell
Mitbearbeitung grenznaher Auslandskunden). Bei der Änderung des Arbeitsvertrages ist zu beachten, dass bei einer Entsendedauer von über einem Monat der
Arbeitgeber neben den wesentlichen Vertragsbedingungen, wie z.B. Arbeitsort,
Arbeitsentgelt, Kündigungsfristen, laut Nachweisgesetz (§ 2 II) Folgendes zusätzlich schriftlich niederzulegen hat:
•
•
•
•
Dauer der Auslandstätigkeit (genaue Angaben)
Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird,
mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes zusätzliches Entgelt und Sachleistungen,
vereinbarte Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.
Diese Bedingungen müssen dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise ausgehändigt
werden; Unterlassung führt nicht zur Unwirksamkeit, aber möglichen Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers.
Neben den nach dem Nachweisgesetz ohnehin schriftlich niederzulegenden Vereinbarungen (beispielsweise Beschreibung der Tätigkeit im Ausland, Arbeitszeit,
Urlaub usw.) ist es sinnvoll, insbesondere folgende Punkte bei der vertraglichen
Gestaltung zu regeln:
•
•
•
Feiertage
Gehaltskonto
Trennungsentschädigung
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•
•
•
•
•
•
Ausgleich von Mehraufwendungen (z.B. Reisekosten, Umzugskosten, Unterkunft, Heimreisen)
zusätzliche Unfallversicherung
Fortführung der betrieblichen Altersversorgung
Weiterbeschäftigung und Art der Tätigkeit nach der Rückkehr
Kostentragung bei vorzeitiger Rückkehr oder Vertragsbeendigung
auf den Vertrag anwendbares Recht, soweit disponibel (siehe nachfolgend)
4. IST DER BETRIEBSRAT ZU BETEILIGEN?
Unabhängig von der Frage, ob dem Arbeitnehmer im Rahmen der Entsendung
eine andere Aufgabe zugewiesen wird, ist ggfs. die Zustimmung des Betriebsrates
erforderlich, wenn die Entsendung länger als einen Monat andauert. In diesen Fällen liegt nämlich eine Versetzung im Sinne der §§ 99, 95 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz vor.
Eine Entsendung, die höchstens einen Monat andauert, erfordert die Zustimmung
des Betriebsrates nur dann, wenn eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände
vorliegt. Auch während des Auslandsaufenthalts bleiben in sozialen und personellen Angelegenheiten die Mitbestimmungsrechte bei bloßen Entsendungen weitgehend bestehen (z.B. bei Kündigung § 102 BetrVG). Im Übrigen gilt allerdings für
das Betriebsverfassungsgesetz das sogenannte Territorialitätsprinzip. Die Ausstrahlung auf das Arbeitsverhältnis im Ausland ergibt sich hier nur aus dem Fortbestand der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum inländischen Betrieb.
5. WIE WIRD DIE ENTSENDUNG BEENDET?
Insbesondere kommen folgende Beendigungsgründe in Betracht:
•
•
•
•
Ablauf des vorgesehenen Zeitraums
Abschluss des vorgesehenen Projektes
Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rückrufsrechts (Rückrufklausel)
Kündigung (anwendbare Kündigungsvorschriften bestimmen sich nach dem
anwendbaren Recht)
Wird die Entsendung vorzeitig beendet, ist zu klären, wer finanzielle Nachteile des
Arbeitnehmers zu tragen hat bzw. inwieweit der Arbeitgeber übernommene Kosten
zurückfordern kann. Hierbei gilt:
•
Der Arbeitgeber muss aufgrund seiner erweiterten Fürsorgepflicht bei Entsendung an einen weit entfernten Ort die Umzugskosten tragen. Mit „weit
entfernt“ ist gemeint, dass der neue Arbeitsplatz erheblich weiter entfernt ist
als der alte Arbeitsplatz und dem Arbeitnehmer ein Pendeln nicht mehr zuzumuten ist. Eine Vereinbarung über eine Rückforderung der Kosten durch
den Arbeitgeber bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers ist der
Höhe nach begrenzt (gewöhnlich höchstens der Betrag in Höhe einer Monatsvergütung).
•
Die vertraglich vereinbarte Verpflichtung des Arbeitgebers, die Umzugskosten zu übernehmen, umfasst auch die Kosten für den Rückumzug, wenn
dieser durch Rückruf des Arbeitnehmers oder Wegfall des Arbeitsplatzes im
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Ausland verursacht wird.
•
Der Arbeitnehmer hat bei vorzeitiger Beendigung der Auslandstätigkeit
durch außerordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers keinen Anspruch auf Ausgleich der dadurch entstandenen steuerlichen Nachteile.
6. WELCHES RECHT IST ANWENDBAR?
In der Regel bleibt das deutsche Recht anwendbar, wenn es sich nur um eine vorübergehende Entsendung handelt; dennoch sind daneben bestimmte ausländische Vorschriften zu beachten.
6.1 Rechtswahl durch die Parteien
Grundsätzlich können Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit das auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Recht vereinbaren (Art. 3 VO
Rom I = EU-Verordnung 593/2008 gültig seit 17.12.2009).
Fehlt eine derartige Vereinbarung, richtet sich das anwendbare Recht in erster
Linie nach dem gewöhnlichen Arbeitsort (Art. 8 Abs. 2 VO Rom I „Staat, in dem
oder von dem aus“ er tätig wird); bei Zweifeln, z.B. bei mehreren Arbeitsorten, kann
auch die einstellende Niederlassung ausschlaggebend sein. Ergibt sich aus den
Gesamtumständen, dass der Vertrag engere Bindungen zu einem anderen Staat
aufweist, ist dessen Recht anzuwenden. Im Normalfall bleibt der gewöhnliche Arbeitsort bei vorübergehenden Entsendungen ins Ausland der inländische Arbeitsort
(Deutschland).
Hinweis; Die Ausführungen in diesem Kapital orientieren sich im Wesentlichen an
den Vorschriften der VO Rom I, die in allen EU-Ländern (außer Dänemark) gilt.
„Vorübergehend“ im Sinne der VO ROM I ist die Entsendung, wenn vom Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach Beendigung des Arbeitseinsatzes wieder seine
Arbeit an alter Stelle bzw. im Herkunftsland aufnimmt – manche sehen hier eine
Grenze von 1 – 3 Jahren. Im Sozialversicherungsrecht, Arbeitnehmerentsendegesetz oder anderen Bereichen kann Abweichendes gelten.
6.2 Zwingende Vorschriften
Zu beachten ist jedoch, dass auch bei Vereinbarungen über das anwendbare
Recht oder bei Geltung des deutschen Rechts (gewöhnlicher Arbeitsort) bestimmte
Aspekte des Arbeitsverhältnisses (zusätzlich) durch ein anderes Recht geregelt
werden. Das betrifft insbesondere:
6.2.1 Öffentlich-rechtliche Vorschriften
Öffentlich-rechtliche Vorschriften des effektiven (ausländischen) Arbeitsortes gelten
in jedem Fall und zwar unabhängig vom auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren
Recht, wie z.B. Regelungen über Arbeitserlaubnis, gesetzliche Arbeitszeit, Nachtund Sonntagsarbeit, Mindestlöhne, Feiertage sowie Arbeitsschutz und Sicherheitsmaßnahmen.
Innerhalb der EU gelten außerdem allgemein bestimmte Mindestarbeitsbedingungen. Dadurch soll insbesondere die Gleichbehandlung der entsandten Arbeitnehmer mit denen im Beschäftigungsstaat gesichert werden. Nach der EU-
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Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG vom 16.12.1996, die Umsetzung für ausländische Arbeitnehmer in Deutschland erfolgte im Arbeitnehmerentsendegesetz –
AEntG) dürfen dem Arbeitnehmer etwaige für ihn günstigere Regelungen des Arbeitsortes nicht versagt werden. Betroffen sind insbesondere die Bereiche Höchstarbeitszeit und Mindestruhezeiten, bezahlter Mindestjahresurlaub, Mindestlohnsätze (einschließlich Überstundensätze), Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz, Schutzmaßnahmen für Schwangere, Wöchnerinnen, Jugendliche und Kinder, sowie
Gleichbehandlung von Männern und Frauen und andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen.
Hinweis: Informationen über die anwendbaren Vorschriften im jeweiligen Beschäftigungsland können Sie bei den Auslandshandelskammern erfragen vgl.
www.ahk.de.
6.2.2 Zwingende Arbeitnehmerschutznormen
Zwingende Arbeitnehmerschutznormen des „gewöhnlichen Arbeitsortes“, die günstiger sind als das eventuell gewählte Recht, behalten ihre Geltung (Art. 8 Abs. 1
VO Rom I). Diese Normen können dem öffentlichen oder privaten Recht angehören oder auch einem Tarifvertrag, dem die Parteien unterworfen sind („Ausstrahlung“). Beispiele für Arbeitnehmerschutznormen sind: Arbeitszeitrecht, Feiertagsrecht, Jugendschutz, Mutterschutz, allgemeiner Kündigungsschutz, Normen des
Urlaubsrechts, ggfs. solche über die Lohnfortzahlung, aber auch andere Vorschriften, welche die Rechtsstellung des Arbeitnehmers verbessern sollen.
6.2.3 Eingriffsnormen
Unabhängig von der Frage, welches Recht (nach den allgemeinen Regeln) anwendbar ist, können Eingriffsnormen (Art. 9 VO Rom I) der Staaten zu beachten
sein, in deren Anwendungsbereich der Vertrag fällt; es handelt sich jeweils um
grundlegende Vorschriften dieser Staaten zur Wahrung des Gemeinwohls und des
öffentlichen Interesses (lois de police, ordre public international). Soweit der EUStandard (s. 6.2.1.) im Beschäftigungsstaat gewahrt ist, bleibt wohl kaum Raum für
solche deutschen Normen (die ansonsten Fragen wie Kündigungsschutz für Betriebsverfassungsorgane oder nach dem Schwerbehinderten- und Mutterschutzgesetz u.a. betreffen könnten).
7. WIE SIEHT ES MIT DER SOZIALEN ABSICHERUNG AUS?
Achtung: Sie folgt teilweise anderen Regeln und Anknüpfungspunkten als das
Arbeitsrecht. Grundsätzlich werden die entsandten Arbeitnehmer in die soziale
Absicherung des Staats, in dem sie tätig sind, eingegliedert (sog. Territorialitätsprinzip).
Hier sind vier große Ausnahmen zu erläutern:
1.
2.
3.
4.
Ausstrahlung
Pflichtversicherung auf Antrag oder freiwillige Versicherung
Entsendung innerhalb der EU
Sozialversicherungsabkommen (insbes. mit Nicht-EU-Ländern)
Überstaatliche Regelungen oder EU-Verordnungen sowie zwischenstaatliche Abkommen haben stets Vorrang vor der nationalen Vorschrift zur Ausstrahlung in § 4
SGB IV.
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Hinweis: Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich als erster Anhaltspunkt.
Nähere Informationen finden sich in der „Besprechung des GKVSpitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzuges“ vom 30.03.2011
sowie in den „Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV)“ vom
02.11.2010, die unter www.deutsche-rentenversicherung.de (Suchbegriff: Auslandseinsatz) abrufbar sind.
Der „Praktischer Leitfaden“ der Europäischen Kommission kann über die Internetseite der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland heruntergeladen werden unter www.dvka.de.
7.1 Ausstrahlung (§ 4 SGB IV – 4. Sozialgesetzbuch)
Bei einer vorübergehenden Entsendung, die eine bestimmte Dauer (s. unten) nicht
überschreitet, bleibt der Arbeitnehmer weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig (sogenannte Ausstrahlung). Besteht dagegen das Arbeitsverhältnis
zu einer (rechtlich selbstständigen) ausländischen Tochtergesellschaft oder liegt
eine dauerhafte Auslandstätigkeit (Expatriierung, Versetzung) vor, so ist der Arbeitnehmer ausschließlich bei der ausländischen Sozialversicherung beitragspflichtig und leistungsberechtigt.
Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht in Deutschland sind
(kumulativ):
•
Beschäftigungsverhältnis im Inland
Es müssen arbeitsvertragliche Bindungen des Arbeitnehmers zu einem Arbeitgeber im Inland bestehen. Damit liegt eine Entsendung nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer von einem ausländischen Arbeitgeber für eine Tätigkeit im Ausland
angeworben wird. Der im Ausland Beschäftigte muss also organisatorisch in
den Betrieb in Deutschland eingegliedert bleiben. Die gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Vertrag müssen fortbestehen. Aufgrund des Erfordernisses
der fortbestehenden Inlandsintegration dürfen keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Arbeitnehmer nach dem Auslandseinsatz nicht nach Deutschland zurückkehrt. Wird ein Mitarbeiter eines deutschen Unternehmens an eine
selbstständige Tochterfirma im Ausland abgeordnet, bleibt die deutsche Sozialversicherungspflicht nur dann bestehen, wenn das Entgelt des abgeordneten
Arbeitnehmers weiter vom Mutterunternehmen gezahlt wird und dieses auch
(kraft Vertrags) weisungsbefugt bleibt.
•
Entsendung ins Ausland
Eine Entsendung nach § 4 SGB IV setzt voraus, dass sich der Arbeitnehmer
von seinem Beschäftigungsort in der Bundesrepublik in ein anderes Land begibt.
•
Zeitliche Begrenzung
Diese muss im Voraus erfolgen und sich aus Vertrag oder der Eigenart der Beschäftigung ergeben und überschaubar (siehe auch 7.3.1.) sein. Des Weiteren
muss gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer nach der Beendigung des
Auslandsaufenthalts beim entsendenden Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird.
Die Rechtsfolgen der Ausstrahlung nach § 4 SGB IV treten unabhängig von einer
möglichen Sozialversicherungspflicht im Ausland ein.
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7.2 Pflichtversicherung auf Antrag oder freiwillige Versicherung
Untersteht der Arbeitnehmer nach den o.g. Voraussetzungen nicht der deutschen
Sozialversicherungspflicht, bestehen folgende Möglichkeiten, den Versicherungsschutz in Deutschland aufrechtzuerhalten (ggf. ist jedoch auf eine Versicherungspflicht nach den ausländischen Vorschriften zu achten).
•
Rentenversicherung
Ist der Auslandsaufenthalt zeitlich begrenzt, kann der Arbeitgeber die sogenannte Pflichtversicherung für seinen Arbeitnehmer abschließen (§ 4 Abs. 1
SGB VI). Hierzu muss er einen Antrag an die DRV (Deutsche Rentenversicherung
Bund
(Kontakt
im
Internet:
http://www.deutscherentenversicherung.de) richten. Besteht keine zeitliche Begrenzung, gibt es
nur die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung, bei der die Beitragshöhe
individuell festgelegt werden kann (§ 7 SGB VI).
•
Krankenversicherung
Hier kann eine freiwillige Versicherung gemäß § 9 SGB V in Betracht
kommen; zu achten ist aber auf eine eventuell zwingende Versicherungspflicht im Ausland.
•
Pflegeversicherung
Die Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung setzt einen Antrag voraus, der spätestens einen Monat nach dem Ausscheiden aus der
Versicherungspflicht zu stellen ist (§ 26 Abs. 2 SGB XI).
•
Unfallversicherung
Es besteht keine Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Einige Berufsgenossenschaften bieten jedoch einen Auslandsunfallversicherungsschutz an.
•
zusätzliche freiwillige Versicherung für Invalidität und Tod
Eine solche Versicherung ist in vielen Fällen empfehlenswert, meist auch
als „Gruppenversicherung“ für Arbeitnehmer im Inland und Ausland möglich.
7.3 Entsendung innerhalb der EU (und EWR )
7.3.1 Voraussetzungen
Seit dem 01.05.2010 gilt eine neue EU-Verordnung (VO Nr. 883/04 vom
29.04.2004) für alle Entsendungen nach diesem Zeitpunkt, ansonsten bleibt die VO
1408/71 gültig.
Hinweis: Für die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gilt (vorläufig
weiterhin) die alte Verordnung (VO/EWR Nr. 1407/71 vom 14.07.1971).
Die neue VO will doppelte Sozialversicherungspflichten in zwei Staaten vermeiden
und stellt auf den normalen Tätigkeitsort des Arbeitnehmers ab (gleichgültig, wo er
wohnt oder wo sein Arbeitgeber ansässig ist). Sie sieht vor, dass der entsandte
Arbeitnehmer allen Zweigen der deutschen Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-,
Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung) unter folgenden Voraussetzungen
unterliegt:
•
Der Arbeitnehmer muss Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der EU
sein oder als Flüchtling oder Staatenloser in einem EU-Land wohnen.
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•
Es muss sich um eine Entsendung (nicht Versetzung, Expatriierung u.ä.)
handeln (Details siehe unter 2).
•
Die Entsendungsdauer darf in der Regel höchstens 24 Monate (statt bisher 12 Monate) betragen.
Dabei gilt eine vorübergehende, bis zu zwei Monate dauernde Unterbrechung der
Tätigkeit im Ausland nicht als Unterbrechung der Entsendung. Wenn also zum Beispiel ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in Deutschland für zehn Monate
nach Griechenland entsandt wird, nach acht Monaten seine Tätigkeit dort für drei
Wochen unterbricht und anschließend seine Arbeiten in Griechenland abschließt,
so handelt es sich um eine einheitliche Entsendung.
Wird der Beschäftigungszeitraum von 24 Monaten im ausländischen Mitgliedsstaat
überschritten, so kommt eine Ausnahmevereinbarung nach Art. 16 EUVerordnung Nr. 883/04 in Betracht.
Danach können die zuständigen Behörden beider betroffenen Länder als Ermessensentscheidung Ausnahmen, normalerweise bis zu insgesamt fünf Jahren, vereinbaren, um die Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften zu erreichen,
wenn das im Interesse des Arbeitnehmers liegt. Dazu ist ein Antrag in der Regel
über den Arbeitgeber an die „Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung –
Ausland“ (DVKA) zu richten. Weitere Informationen dazu sind im Internet in länderspezifischen Merkblättern unter http://www.dvka.de (auf “Als Arbeitnehmer im Ausland“ klicken, auf “Merkblätter und Arbeitshilfen für Anträge und Fragebogen“ klicken) abrufbar. Es empfiehlt sich, die Anträge möglichst vier Monate vor Entsendung bzw. Verlängerung zu stellen.
•
Ein Auswechseln eines vorher entsandten Arbeitnehmers ist nicht statthaft (Ablöseverbot – Ausnahme: Die Entsendung musste unplanmäßig,
z.B. wegen einer schweren Erkrankung, beendet werden.)
Eine Entsendung im Sinne des EU-Rechts liegt daher nicht vor, wenn der entsandte Arbeitnehmer die Arbeit eines anderen Arbeitnehmers, dessen Entsendezeitraum abgelaufen ist, übernimmt. Dagegen ist eine nachträglich notwendig gewordene Verlängerung der Entsendung innerhalb der Gesamtdauer von
24 Monaten auf Antrag möglich.
•
Die Verbindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht während
der gesamten Entsendung weiter.
Es muss ein inländisches (vertragliches) Beschäftigungsverhältnis in dem Sinne bestehen, dass der Arbeitnehmer weiterhin im inländischen Unternehmen
eingegliedert ist und von diesem sein Arbeitsentgelt erhält. Das ist z.B. der Fall,
wenn während der Entsendung das bisherige Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten bestehen bleibt und hierzu lediglich zusätzliche vertragliche
Vereinbarungen getroffen werden (siehe unter 2.).
•
Wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten des Arbeitgebers in dem Land,
von dem aus der Arbeitnehmer entsandt wurde (Deutschland), bestehen
fort.
Indizien dafür sind mindestens 25 % des Umsatzes (in Deutschland), weiterhin
z.B. eine Niederlassung, entsprechende Bilanzen sowie die Beschäftigung an-
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derer Arbeitnehmer im Inland.
•
Der Arbeitnehmer unterliegt bis unmittelbar vor der Entsendung dem inländischen System der sozialen Sicherheit.
7.3.2 Arbeitnehmer, die gewöhnlich in mehreren EU-Staaten tätig sind (z.B.
Deutschland und Frankreich).
Solche Arbeitnehmer werden in die Sozialversicherung gemäß EU-VO 883/04
des Landes eingegliedert, in dem sie ihren Wohnsitz haben, vorausgesetzt, ihre
Arbeitszeit und/oder ihre Bezüge in diesem Staat stellen mindestens 25 % ihrer
gesamten Arbeitszeit/Bezüge (ohne Berücksichtigung von unbedeutenden Tätigkeiten in einzelnen Ländern) dar. Diese Regelung gilt unabhängig von der
Dauer der Tätigkeit, denn es handelt sich hier nicht mehr um eine Entsendung.
7.3.3 Formalitäten
Um das Verfahren zu vereinfachen, haben die EU-Mitgliedstaaten die Verwendung
einheitlicher Vordrucke vereinbart. Eine Übersetzung ist daher nicht erforderlich.
Entsendeausweis (Bescheinigung A 1)
Ab 01.05.2010 sind die Formulare E 101 und E 102 durch ein Datensystem EESSI
(Electronic Exchange of Social Security Information) ersetzt. Die Staaten haben
zwei Jahre, um dieses System einzusetzen. Zwischenzeitlich gilt Formular A 1 (EU
VO 883/2004). Das neue vereinfachte Verfahren gilt grundsätzlich für eine maximale Entsendezeit von zwei Jahren (s. oben 7.3.1.). Für vor dem 01/05/2010 ausgestellte Formulare gilt das bisherige Formular E101 weiterhin (bis zu zehn Jahre;
Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen (Frachtverkehr) sind entfallen.
Der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer muss bei der gesetzlichen Krankenkasse
(privat krankenversicherte Personen bei der Deutsche Rentenversicherung Bund
(DRV) oder der zuständigen Landesversicherungsanstalt) einen Entsendeausweis
beantragen, der als Nachweis für die Fortgeltung des deutschen Rechts und der
deutschen Versicherungspflicht gilt. Die Bescheinigung sollte so rechtzeitig beantragt werden, dass sie bei Aufnahme der Tätigkeit im Ausland bereits vorliegt.
Ein Antragsvordruck für den Arbeitgeber auf Ausstellung des Formulars A 1 findet
sich auf den Internetseiten der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung
– Ausland DVKA unter http://www.dvka.de (auf „Arbeiten im Ausland“ klicken). Ist
der Arbeitnehmer nicht Pflicht- oder freiwilliges Mitglied einer deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, so stellt das Formular die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) aus.
Hinweis:
Rechtlich gesehen ist das Formular A 1 bei jeder Entsendung, d.h. auch schon bei
einer eintägigen Beschäftigung im Ausland, zu beantragen und mitzuführen. In der
Praxis wird jedoch bei kurzfristig anberaumten Dienstreisen wegen der Bearbeitungszeit des Antrags häufig darauf verzichtet.
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Die Adressen der Behörden im Ausland erfahren Sie ebenfalls über:
Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland
DVKA
Pennefeldsweg 12 c
53177 Bonn
Tel.0228/ 9530-0
Fax 0228/9530 – 600
e-mail [email protected]
internet: www.dvka.de
Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC)
Sie ersetzt die Formulare E 111 und E 128 (schrittweise seit 1.6..2004).
Die europäische Krankenversicherungskarte ist kostenlos und gültig für 2,5 Jahre.
Sie ermöglicht die Kostenübernahme der notwendigen medizinischen Behandlungen während des Aufenthalts der entsandten Arbeitskraft. Sie ist individuell, das
heißt, es gibt keine Familienkarte und jeder Angehörige der Familie muss seine
eigene Karte besitzen, selbst Kinder unter 16 Jahren.
Die europäische Krankenversicherungskarte erhält der Arbeitnehmer von seiner
zuständigen Krankenkasse.
7.4 Sozialversicherungsabkommen
Darüber hinaus hat Deutschland mit einigen Ländern (u.a. USA, Kanada/Quebec,
Schweiz, Chile, Israel, Türkei, ehemaliges Jugoslawien, Tunesien, Marokko) Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Diese Abkommen sehen u.a. vor, dass
aus Deutschland entsandte Arbeitnehmer nicht der ausländischen, sondern nur der
deutschen Sozialversicherung unterliegen. Hier sollte man sich genau informieren,
da die Reichweite der Abkommen unterschiedlich ist und zum Teil nur die Rentenoder Krankenversicherung betrifft.
Weitere Informationen finden Sie unter www.dvka.de Arbeiten im Ausland.
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