11. Lineare Gleichungssysteme 11.1 Beispiele 11.2 Definition (LGS) (1) Eine Gleichung in den Unbekannten x1 , ..., xn der Form a1 x1 + a2 x2 + ... + an xn = b mit gegebenen ”Koeffizienten” ak ∈ R und ”rechter Seite” b ∈ R heißt lineare Gleichung. Die Menge aller Tupel (x1 , ..., xn ) ∈ Rn , die die Gleichung erfüllen, heißt Lösungsmenge der Gleichung. (2) Eine Zusammenfassung von m linearen Gleichungen in n Unbekannten: a11 x1 .. . + a12 x2 + ··· + am1 x1 + am2 x2 + ··· + amn xn a1n xn .. . = b1 .. . = bm heißt lineares Gleichungssystem (LGS). Die Lösungsmenge des Systems ist der Durchschnitt der Lösungsmengen aller Gleichungen. 11.3 Beispiele (Lösungsmengen) (1) Lösungsmenge der (einzelnen) linearen Gleichung 5x − 2y + z = 4 ist L = { (x, y, 4 − 5x + 2y) | x, y ∈ R beliebig} . (2) Wir beschränken uns nun auf 3 Gleichungen und 3 Unbekannte. Gegeben 5x − 2y 11y + z − 13z 25z = 4 = −17 = 75 Die Lösungsmenge L = {(1, 2, 3)} kann leicht bestimmt werden. LGS haben aber keineswegs immer eine und keineswegs immer nur eine Lösung. Das Lösungsverfahren für LGS besteht darin, ein gegebenes System durch Umformungen auf die Gestalt von 11.3.(2) zu bringen. Dabei sind nur die drei ”elementaren Umformungen” erlaubt (die die Lösungsmenge nicht ändern): (U1) Vertauschung von zwei Gleichungen. (U2) Multiplikation einer Gleichung mit α = 0. (U3) Addition einer Gleichung zu einer anderen. (Es bleiben aber zwei Gleichungen, die eine Gleichung wird nicht geändert!) –35– 11.4 Definition (Matrix) Eine Anordnung von m · n reellen Zahlen zu einer rechteckigen Tabelle mit m Zeilen und n Spalten heißt m × n–Matrix. Bei einem LGS der Form 11.2.(2) heißt die folgende m × n–Matrix Koeffizientenmatrix des LGS a11 a12 · · · a1n .. , .. ... . . am1 am2 · · · amn die folgende m × (n + 1)–Matrix heißt Systemmatrix des LGS b1 a11 a12 · · · a1n .. . .. .. ... . . . am1 am2 · · · amn bm 11.5 Beispiel (Matrix) Das LGS 11.3.(2) hat die Systemmatrix 5 −2 1 0 11 −13 0 0 25 4 −17 . 75 Stehen wie hier unter der ”Hauptdiagonalen” a11 − · − a22 − · − a33 der Matrix nur Nullen, sprechen wir von ”Dreiecksform”. Ziel des Verfahrens zur Lösung von LGS ist, die Systemmatrix durch die Umformungen (U1)–(U3) auf Dreiecksform zu bringen. Ohne die Lösungsmenge zu ändern, kann man in der Systemmatrix (U1) zwei Zeilen vertauschen, (U2) eine Zeile mit α = 0 multiplizieren, (U3) eine Zeile zu einer anderen addieren (die eine bleibt bestehen !). 11.6 Gauß-Algorithmus (zur Lösung von LGS) Gegeben ein LGS mit 3 × 4–Systemmatrix, die Zeilenvektoren (∈ R4 !) bezeichnen wir mit ak = (ak1 , ak2 , ak3 , bk ) für k = 1, ..., 3. Wenn x wirklich vorkommt, ist ein ak1 = 0 für k=1,2 oder 3. (1) Gegebenenfalls (U1) anwenden, damit a11 = 0 ist. (2) Addiere passende Vielfache der ersten Zeile a1 zu a2 und a3 : a21 a2 = (− ) · a1 + a2 , a11 a31 ) · a1 + a3 , a3 = (− a11 beide neue Zeilen beginnen mit 0. –36– Die Systemmatrix hat jetzt die Form a11 a12 a13 0 a22 a23 0 a32 a33 b1 b2 , b3 falls a32 = 0 ist, sind wir schon fertig! Wenn nicht, geht es so weiter: (3) Gegebenenfalls (U1) anwenden, damit a22 = 0 ist. (4) Analog zu Schritt (2) addiere passendes Vielfaches von a2 zu a3 : a3 = (− a32 ) · a2 + a3 , a22 dann ist die Dreiecksform erreicht. Beachte, dass die Nullen in der ersten Spalte bei diesem Schritt erhalten bleiben. Zur Vereinfachung der Handrechnung kann man zusätzlich (U2) einsetzen. Zur Kontrolle der Rechnung und Fehlersuche ist eine ”Buchführung” über die Operationen unerlässlich! 11.7 Beispiel (Lösung LGS mit Gauß) Gegeben LGS 5x − 2y + z = 4 3x + y − 2z = −1 . −2x + 3y + 2z = 10 Dazu gehört die Systemmatrix mit den Umformungen 4 5 −2 1 3 −1 1 −2 10 −2 3 2 ↓ 4 −17/5 −3/5 · (1) + (2) 58/5 2/5 · (1) + (3) 5 −2 1 0 11/5 −13/5 0 11/5 12/5 ↓ 5 −2 1 0 11 −13 0 11 12 5 −2 1 0 11 −13 0 0 25 4 −17 5 · (2) 58 5 · (3) ↓ 4 −17 75 (−1) · (2) + (3) Die Lösungsmenge des LGS ist also wie in 11.3.(2): L = {(1, 2, 3)}. –37– 11.8 Lösbarkeitskriterium Die Systemmatrix eines LGS sei mit elementaren Umformungen auf Dreiecksform gebracht. Ist in der Dreiecksform a22 = 0 und a23 = 0, so forme um, bis a33 = 0 ist. An dieser Form kann die Lösbarkeit des LGS abgelesen werden: 1.Fall Sind alle Hauptdiagonalelemente = 0, hat das LGS genau eine Lösung. 2.Fall a) Es gibt (mindestens) eine Zeile der Form (0, ..., 0 | b) mit b = 0. Dann hat das LGS keine Lösung. b) In allen anderen Fällen gibt es unendlich viele Lösungen, man kann eine oder mehrere Variable frei wählen. 11.9 Beispiele (Lösungsmengen) 11.10 Definition (lineare Abhängigkeit) Es seien a1 , ..., an Elemente eines Vektorraumes V . Gibt es Zahlen α1 , ..., αn , die nicht alle Null sind, so dass α1 a1 + α2 a2 + ... + αn an = 0 , so heißen a1 , ..., an linear abhängig (l.a.), sonst linear unabhängig (l.u.). 11.11 Beispiele (lineare Abhängigkeit) 11.12 Definition (Determinante) Die Determinante einer 2 × 2–Matrix A ist a11 a12 = a11 a22 − a21 a12 . det A = a21 a22 Die Determinante einer 3 × 3–Matrix A wird definiert durch a22 a23 a21 a23 − a12 + a13 a21 det A = a11 a31 a33 a31 a32 a33 a22 . a32 11.13 Satz (Determinante und l.a.) Zwei Vektoren im R2 (bzw. drei Vektoren im R3 ) sind genau dann l.a., wenn die Determinante, die sie als Zeilen (oder Spalten) hat, Null ist. 11.14 Beispiel (Determinante) 11.15 Satz (Determinante und Lösbarkeit von LGS) Gegeben ein LGS mit 2 × 2– oder 3 × 3–Koeffizientenmatrix A. Dann gilt: Ist det A = 0, sind die Zeilenvektoren von A l.u., es tritt Fall 1 von 11.8 ein: Das LGS hat genau eine Lösung. Ist det A = 0, sind die Zeilenvektoren von A l.a., es tritt Fall 2 von 11.8 ein: Das LGS hat keine oder unendlich viele Lösungen (je nach rechter Seite). –38–