Psychologie in der Sozialen Arbeit Grundlagen Modul 2.5 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 1 Der praktische Aufgabenbereich und theoretische Bezugspunkt der Sozialen Arbeit sind soziale Probleme (Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit, Kindeswohlgefährdung, Jugendkriminalität, Drogenkonsum in der Gesellschaft, Migration ...). 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 2 Soziale Probleme sind Symptome, deren Ursachen in gesellschaftlichen Strukturen und in der Psyche von Menschen liegen. 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 3 Soziale Probleme erzeugen bei Menschen psychische Probleme. Psychische Probleme sind selbst die Ursache von sozialen Problemen. 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 4 Psychische und soziale Probleme werden auffällig durch • Verhaltensauffälligkeiten (Verhaltesexzesse, Blockaden) • außergewöhnliche Formen des subjektiven Erlebens (Wahrnehmungs-, Gefühls-, Denk-, Gedächtnisstörungen) • Zwischenmenschliche Konflikte (Paar-, Eltern-Kind-, Freundschafts-, Arbeitsbeziehungskonflikte) • Körperliche Erkrankungen (unspezifische und chronische Symptomatiken) 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 5 Die Soziale Arbeit verfügt über kein eigenständiges Modell zur Beschreibung, Erklärung und Behandlung psychischer Probleme. 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 6 1. Soziale Arbeit nimmt bei psychischen Problemen Bezug auf die vorhandenen Theorien anderer Disziplinen (v.a. Psychiatrie, klinische Psychologie, Sozial-,Lern- und Entwicklungspsychologie). 2. Sie integriert Bestandteile psychologischer Theorien, Diagnose- und Interventionskonzepte in ihr Methoden- und Handlungsrepertoire (z.B. Kommunikationstheorie nach Schulz von Thun; Verstärkerpläne in Anlehnung an die Verhaltenstherapie, nondirektive Gesprächsführung nach Rogers; systemische Funktionsanalysen im Sinne der Familientherapie; bindungs- und traumapädagogische Grundsätze). 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 7 3. Soziale Arbeit handelt im Kontakt mit psychisch belasteten Menschen nach ihren eigenen, allgemeinen fachlichen Grundprinzipien: • • • • • Sicherung von Überlebensnotwendigkeiten Nähe zum Alltag der Klienten Ressourcenerschließung Vernetzung von Hilfsangeboten Orientierung an den rechtlichen, institutionellen, finanzielle Rahmenbedingungen Sozialer Arbeit. 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 8 Anderen Menschen helfen zu wollen, ist naiv und führt zu Burnout • Wenn die Widerstände der Menschen nicht verstanden werden • Wenn blind auf deren Überlebensstrategien eingegangen wird • Wenn man sich mit den Klienten verstrickt • Wenn von eigenen Problemen dadurch abgelenkt wird • Wenn die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten nicht akzeptiert wird 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 9 Was ist Psychologie? • Alltags- und Hobbypsychologie (Fremdund Selbstbeobachtung, anderen helfen wollen …) • Akademisches Lehrfach (erstes Institut für experimentelle Psychologie gegründet 1883 durch Wilhelm Wundt in Leipzig) • Empirische Wissenschaft (Hypothesenprüfung, Experimente, statistische Verfahren) 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 10 Grundlagenfächer der Psychologie • • • • • • • • Wahrnehmungspsychologie Lernpsychologie Motivationspsychologie Kognitionspsychologie Sozialpsychologie Biologische Psychologie Persönlichkeitspsychologie Psychologische Methodenlehre 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 11 Themen der angewandten Psychologie u.a. • • • • • • • • • Pädagogische Psychologie Klinische Psychologie Arbeits- und Organisationspsychologie Verkehrspsychologie Umweltpsychologie Medizinische Psychologie Sportpsychologie Werbepsychologie Psychologische Diagnostik 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 12 Psychologische Schulen • Psychoanalyse (Freud, Adler, Jung, Kernberg) • Verhaltenspsychologie (Watson, Skinner, Pawlow, Seligman, Kanfer) • Humanistische Psychologie (Fromm, Reich, Rogers, Perls) • Systemische Psychologie (Richter, Stierlin, de Shazer, Minuchin, Selvini-Palazzoli, Watzlawick) • Bindungstheorie (Bowlby, Ainsworth, Brisch) • Psychotraumatologie (Herman, Fischer, van der Hart, Putnam, Huber, Reddemann, Ruppert) 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 13 Psychologen streben an, menschliches Erleben und Verhalten • • • • zu beschreiben zu erklären vorherzusagen zu ändern 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 14 Schwerpunktthemen der Vorlesung • • • • • • • Psychologie und Soziale Arbeit Psychologie der Bindung Psychotraumatologie exemplarisch verdeutlicht an ADHS und „Hyperaktivität“ bei Kindern Adoption von Kindern Sexueller Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen • Ursachen und Folgen von Drogenkonsum 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 15 Grundlagenbücher • Gerrig, R. J. & Zimbardo, P. G. (2008). Psychologie. Berlin: Springer Verlag. • Langfeldt, H.-P. & Nothdurft, W. (Hg.) (2007). Psychologie. Studienbuch für Soziale Berufe. Grundlagen und Perspektiven. Stuttgart: UTB Verlag. • Schermer, F. J. (2005). Grundlagen der Psychologie. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 16 Wortbedeutungen von Psyche und Seele • nefes (hebräisch) und • psyche (griechisch): Atmen, Hauch, Luft • saiwalo (altgermanisch): die aus dem See kommen und dorthin zurückkehren, d.h. Vorstellung, dass die Seelen der Menschen vor der Geburt und nach dem Tod in den Seen wohnen • Seele als das Innenleben eines Menschen 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 17 Idealistische Auffassungen über „die Seele“ • Die Seele ist immateriell • ist vom Körper losgelöst • existiert bereits vor der Geburt eines Menschen • existiert nach dem Tod weiter • ist etwas Ganzheitliches 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 18 Materialistische Auffassung von Psyche und Seele • Psyche und Seele gibt es nicht, das sind nur sprachliche Erfindungen • Es gibt nur biologische und physiologische Stoffwechselvorgänge, welche körperliche Reaktionen und veränderte biologische Zustände zur Folge haben • Mentale Zustände sind materielle Zustände/Gehirnzustände 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 19 Daseinsgrund für die „Psyche“? • Für den lebendigen Organismus („Hardware“) schafft „die Psyche“ („Software“), • verschiedene Zugänge zu seiner Außenwelt und • Zugänge zu seiner Innenwelt, • die ihm für seinen Selbst- und Arterhalt nützlich sind. 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 20 Psychische Hauptfunktionen • Wahrnehmen (sehen, hören, riechen, schmecken, tasten) • Fühlen (lieben, Angst haben, wütend sein, traurig sein, sich schämen, sich schuldig fühlen) • Denken (assoziativ, logisch-rational) • Erinnern (kurz- und langfristig, bildhaft, episodisch, semantisch, prozedural) • Selbstbewusstsein 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 21 Die menschliche Psyche ist … • Selektiv • Adaptiv • Ständig in Entwicklung (evolutionär und ontogenetisch gesehen). 20.03.2011 Daher kann es • zu falscher Informationsauswahl • zu Fehlanpassungen und • zu Fehlentwicklungen kommen. (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 22 Psychische Funktionen und Gehirn • Wahrnehmen, Ziele haben, Intelligenz ist nicht an Nervenzellen und Gehirn gebunden. • Dies kann auch auf der Ebene von Protein- und Zellstrukturen geschehen (vgl. z.B. Viren). • Notwendig sind nur Ströme von Energie, welche in einer Materie Zustandsveränderungen hervorrufen können. • Nervenzellen sind hoch spezialisierte Strukturen, welche energetische Zustandsveränderungen extrem differenziert modulieren können. 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 23 Die vier Hauptgehirne des Menschen • Das Reptiliengehirn: Friß oder stirb! Flucht oder Angriff! Angst oder Aggression • Das Säugetiergehirn: Fühle mit! Liebe, damit du geliebt wirst! Halte die Zugehörigkeit! • Die rechte Großhirnhälfte: Mache dir Bilder und Vorstellungen! Assoziiere! Erfinde deine Welt! • Die linke Großhirnhälfte: Spreche! Denke logisch rational! Wer bist du? Sei ich! 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 24 Gefahr für die menschliche Entwicklung: • Einzelne psychischen Prozesse verselbständigen sich, sie koppeln sich vom Gesamtgeschehen ab, sie werden nicht integriert verarbeitet • und der lebendige Organismus muss dann den einzelnen psychischen Programmen zu Diensten sein. 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert Makarova Sasa amor und psyche 25 Gegenstrategien • Ständiger Programm-Update • Innere Korrekturmöglichkeiten schaffen (aus Fehlern lernen, Selbstreflexion) • Äußere Korrekturmöglichkeiten nutzen (Feedback einholen, Beratung, Psychotherapie) • Beratung und Psychotherapie muss sich der Logik der verschiedenen psychischen Softwareprogramme und ihrer Gehirn-Hardware-Basis anpassen 20.03.2011 (c) Prof. Dr. Franz Ruppert 26