Forschungsstatistik I Prof. Dr. G. Meinhardt WS 2007/2008 Fachbereich Sozialwissenschaften, Psychologisches Institut Johannes Gutenberg Universität Mainz Thema der Stunde • Einführung in die Wahrscheinlichkeitslehre • Begriff der Wahrscheinlichkeit • Axiomatische Definition und Folgerungen aus den Axiomen Wahrscheinlichkeitslehre • Anfänge Mitte des 17. Jh. (Huygens, Pascal, Fermat, Bernoulli). Aufgaben des Glücksspiels. Nur arithmetische und kombinatorische Methoden. • Weiterentwicklungen im 18.-19. Jh. durch LaPlace, Gauss und Poisson: Fehlertheorie, Ballistik, Bevölkerungsstatistik. • Durchbruch zu Beginn des 20. Jh: Entwicklung der W-Theorie, Fundament in axiomatischen Aufbau (Kolmogoroff). Theorie der stochastischen Prozesse (Wiener, Markoff, Chintchin), Partikelphysik. • Heute zentraler Bestandteil wiss. Betätigung: Informations- und Kommunikationstheorie,Teilchenphysik, Bevölkerungsstatistik, Populationsdynamik,Epidemiologie, Dosis-Wirk-Diagnostik, Materialprüfung, Statik, Personalauswahl, psychologische Testung, Versuchsplanung und Stichprobentheorie. Wahrscheinlichkeitslehre Die Wahrscheinlichkeitslehre befasst sich mit zufälligen Ereignissen Für diese Zufallsereignisse gilt: 1. Sie sind wiederholbar. 2. Sie besitzen eine Stabilität in der relativen Häufigkeit ihres Auftretens. nA P ( A) := lim N →∞ N n A : Häufigkeit des Ereignisses A N : Gesamtzahl aller Versuche Wahrscheinlichkeitslehre Beispiel: Relative Häufigkeit für das Würfeln einer „6“ in Abhängigkeit Von der Anzahl der Würfelversuche: nA P ( A) := lim N →∞ N n A : Häufigkeit des Ereignisses A N : Gesamtzahl aller Versuche Begriffe: Stichprobenraum Zwei Ereignisse heissen paarweise unvereinbar (disjunkt), wenn gilt: A∩ B = ∅ („unmögliches Ereignis“) Gilt: A = B1 ∪ B2 ∪ … ∪ Bn Und sind die Bi paarweise unvereinbar, so lässt sich A in die Teilereignisse Bi zerlegen. Wenn stets mindestens eines der Bi eintritt, d.h. Ω = B1 ∪ B2 ∪ … ∪ Bn („sicheres Ereignis“) So bilden die Bi ein vollständiges System paarweise unvereinbarer Ereignisse (Elementarereignisse), den Stichprobenraum. Begriffe: Ereignisalgebra Zu einem Stichprobenraum kann man eine sog. Ereignisalgebra konstruieren, die ein abgeschlossenes System von Ereignissen darstellt. Regel: Bilde eine Menge U aus dem sicheren Ereignis, dem unmöglichen Ereignis und allen Ereignissen, die sich in Elementarereignisse zerlegen lassen. Beispiel: Zufallsdreieck mit 3 Seiten B1,B2,B3 U = {∅,{B1 }, {B2 },{B3 }, {B1 , B2 },{B1 , B3 },{B2 , B3 },{B1 , B2 , B3 }} Jedem Ereignis A, welches der Algebra U angehört, kann dann eine Wahrscheinlichkeit zugewiesen werden. Die Wahrscheinlichkeit ist also eine auf der Ereignisalgebra U definierte Funktion P(A). Die Kolmogoroff - Axiome Die auf U definierte Funktion P(A) besitzt folgende Eigenschaften: 1. Für jedes Ereignis A der Algebra U gilt : P(A) ≥ 0 2. Für das sichere Ereignis gilt: P(Ω) = 1 3. Läßt sich das Ereignis A in die unvereinbaren Teilereignisse B und C zerlegen (alle 3 Ereignisse gehören der Algebra U an), so gilt P(A) = P(B) + P(C) (Additionssatz der Wahrscheinlichkeiten). [Tafelbeispiele und Vertiefungen] Folgerungen aus den Axiomen P ( A ) = 1 − P ( A) (Wahrscheinlichkeit des Komplements ist 1 minus die WK des Ereignisses) Es gilt ja für den Stichprobenraum Ω: Und mit Axiom 2 folglich: Und mit Axiom 3 (Additionstheorem) dann: Woraus der Satz folgt. Ω = A∪ A 1 = P ( A ∪ A) 1 = P ( A) + P ( A ) Folgerungen aus den Axiomen Gilt A ⊂ B, so folgt P ( A) ≤ P ( B ) B lässt sich als Vereinigung der disjunkten Ereignisse A und B\A („B ohne A“) schreiben: B = A ∪ B\A Da P(B\A) ≥ 0 Folgt der Satz. A B\A Folgerungen aus den Axiomen P(A\B) = P(A) – P(A ∩ Β) A lässt sich als Vereinigung der disjunkten Ereignisse A\B und A∩B schreiben: A = (A\B) ∪ (A∩B) Wegen des Additionstheorems folgt sofort P(A) = P(A\B) + P(A∩B) Und hieraus folgt der Satz. A\B A∩B Folgerungen aus den Axiomen P(A ∪ B) = P(A) + P(B) - P(A ∩ B) (allgemeiner Additionssatz) A ∪ B lässt sich als Vereinigung der disjunkten Ereignisse A\B und B schreiben: A\B A ∪ B = (A\B) ∪ B Wegen des Additionstheorems folgt P(A ∪ B) = P(A\B) + P(B) Wir zeigten aber vorher: P(A\B) = P(A) – P(A ∩ B). Einsetzen gibt: P(A ∪ B) = P(A) – P(A ∩ B)+ P(B) Und dies ist der allgemeine Additionssatz. B