Mittwoch - 24. Februar 2010 - Oberursel, Armin Wenz – 2. Bitte des Vaterunsers DIE ZWEITE BITTE Dein Reich komme. Was ist das? Gottes Reich kommt auch ohne unser Gebet von selbst, aber wir bitten in diesem Gebet, daß es auch zu uns komme. Wie geschieht das? Wenn der himmlische Vater uns seinen Heiligen Geist gibt, daß wir seinem heiligen Wort durch seine Gnade glauben und danach leben, hier zeitlich und dort ewiglich. Liebe Gemeinde! Vom Reich Gottes redet der Kleine Katechismus zuerst in Luthers Erklärung zum zweiten Glaubensartikel, die wir gerade miteinander bekannt haben. Das ganze Erlösungswerk des Gottesund Mariensohnes Jesus Christus hat das eine Ziel, daß „ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, gleichwie er ist auferstanden vom Tode, lebet und regieret in Ewigkeit.“ Das heißt ja: Das Reich, um dessen Kommen wir im Vaterunser nach Jesu Anweisung Gott Vater anrufen, hat Christus gegründet in seiner Passion. Zu dieser Passion Jesu gehören die Worte seiner Verkündigung und die Taten seiner allmächtigen Hand. Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium. So lautet das Grundmotiv der Verkündigung Jesu (Mk 1,15). Er selber stellt uns so vor Augen, wie wir Menschen Teilhaber an diesem Reich, wie wir Gottes Reichsgenossen werden können: allein durch Buße und Glauben an das Evangelium. Buße und Glaube aber sind in der Heiligen Schrift Wirkungen des Heiligen Geistes. Ohne ihn können wir nicht an Christus als unsern Herrn glauben, ohne ihn können wir daher nicht ins Reich Gottes kommen. Der Geist Christi aber wiederum wirkt allein durch das Wort und die von Christus gestifteten Gnadenmittel. Denn durch das Wort der Schrift und der schriftgemäßen Predigt malt uns der Heiligen Geist Christus vor Augen, Christus als den König, der regiert allein durchs Wort, und der sein Reich aufrichtet, indem er sein Leben in den Tod dahingibt. Das Wort der Schrift und der Predigt ziehen uns hinein in die Passion Jesu, machen uns zu Augen- und Ohrenzeugen von Dingen, die uns sonst verborgen blieben, weihen uns ein in die Geheimnisse des Reiches Gottes. Klare Worte und Bilder von Dingen, wie sie auch sonst in unserer Welt vorkommen, legen sich dabei gegenseitig aus. Zu den Bildern gehören Krippe und Kreuz, gehört der Esel, auf dem Jesus als König in Jerusalem einzieht, Krippe, Esel und Kreuz als Zeichen der Niedrigkeit, der Ohnmacht, des Leidens. Und doch sind diese Zeichen sozusagen Insignien eines Königs. Denn gerade in seiner Niedrigkeit, in seiner Passion ficht Christus die alles entscheidende Schlacht um die Menschheit aus. Er gibt sich selbst unter den Zorn seines Vaters und in die Hände des Verderbers. An ihm tobt sich der Zorn aus, der eigentlich der Menschheit gilt. An ihm beißt sich der Satan die Zähne aus. In der Versuchungsgeschichte hatte der Teufel Christus versprochen, ihm alle Macht über die Welt zu geben, wenn er ihn anbeten würde. Auch sonst bezeichnet das Neue Testament den Satan als Fürsten dieser Welt. Christus aber ist gekommen, ihm, dem altbösen Feind, die Macht zu entwinden. Das tut er schon in seinen Heilungen und vor allem, wenn er die bösen Geister austreibt. Das tut er durch seine Lehre, die er seinen Jüngern gibt, die sozusagen das Regierungsprogramm ist für sein Reich. Christi Lehre, Werke und seine Passion sind nichts anderes als ein Machtkampf mit den finsteren Mächten, die unsere Welt versklaven. Dieser Machtkampf führt ihn ins Sterben hinein, weil das Reich, das er bringt, nicht von dieser Welt ist. Im Johannesevangelium hören wir seinen Dialog mit Pilatus: Jesus sagt auf die Frage des Statthalters, was er denn getan habe, daß ihn die Hohenpriester ihm überantwortet haben: Mein 1 Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, daß ich den Juden nicht überantwortet würde; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt. Da fragte ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. (Joh 18,16f) Dieser König Jesus Christus regiert in seinem Gnadenreich nicht mit dem Schwert, sondern allein mit dem Wort. Das Wort aber ist auf den ersten Blick ohnmächtig, denn es verzichtet auf Gewalt. Auf Gewalt kann es verzichten, weil es Gott den Vater auf seiner Seite weiß. Im Vertrauen auf das Wort und die Verheißung des Vaters ging Christus in den Tod, ließ er sein Leben los, um es aus des Vaters Hand wieder zu empfangen. Und als der auferstandene Herr dann als Sieger über Tod, Hölle und Sünde seine Boten in die Welt hinausschickt, um sein Reich überall verkünden zu lassen und zu bauen, da vertraut er ihnen nichts anderes an als seine Lehre und seine Gnadenmittel. Damit allein soll es geschehen, nicht mit Schwert, nicht mit irdischer Macht. Überall, wo die Kirche das vergißt, ist es nicht das Reich Christi, das gebaut wird. Ohne Gewalt, allein durch das Wort soll die Kirche Jesu Christi gebaut werden, so heißt es daher auch im 28. Artikel des Augsburgischen Bekenntnisses. Darin gründet die sogenannte Lehre von den zwei Reichen oder Herrschaftsweisen Gottes. Ich zitiere den erwähnten 28. Artikel: „Denn die weltliche Gewalt geht mit völlig anderen Dingen um als das Evangelium. Sie schützt nicht die Seele, sondern Leib und Gut durch das Schwert und durch körperliche Strafen vor äußerer Bedrohung. Darum soll man die beiden Herrschaftsweisen, die geistliche und die weltliche, nicht miteinander vermengen und durcheinanderbringen. Die geistliche Vollmacht hat ihren eigenen Auftrag, das Evangelium zu predigen und die Sakramente zu reichen. Sie darf nicht in ein fremdes Amt greifen, Könige ein- und absetzen, weltliche Gesetze und den Gehorsam gegenüber den Regierenden aufheben oder zerrütten … denn Christus selbst spricht: Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (ELKG 1260) Trotz des Verzichtes auf Mittel weltlicher Macht bleibt es allerdings dabei: Christus ist ein König, ist der König, dem der Vater das Gottesreich anvertraut hat. Indem er sich als König eines besonderen Reiches offenbart, zeigt er nicht nur, was in seinem Reich anders ist als in den Reichen dieser Welt. Er macht auch erkennbar, daß es Parallelen und Analogien gibt zwischen seinem Reich und den Reichen der Welt. Zu diesen Parallelen gehört die die Tatsache, daß Christi Reich eine Gründungsurkunde hat, die der Herr selber seiner Kirche gibt, sozusagen das Grundgesetz. Das Grundgesetz ist die Heilige Schrift. Und wie ein Gesetz im Geiste der Verfasser auszulegen ist, so ist die Schrift im Geiste Gottes auszulegen. Mit dem Auftrag, seine Lehre zu bewahren, gibt Christus seinen Jüngern daher den Geist, der sie in die Wahrheit führen wird. So, durch die Schrift und den Geist regiert Christus bis heute seine Kirche. Es ist und bleibt ein Regiment des ohnmächtigen Wortes. Und doch ist es ein höchst wirksames Regiment. Denn hier werden Menschen, die gefangen sind in Sünde und Verdammnis, befreit durch das Wasser der Taufe. Sünder werden in der Beichte freigesprochen von ihrer todbringenden Sünde. Verbunden mit Brot und Wein schenkt Christus uns seinen Leib und sein Blut so ein, daß unsere durch Krankheit und Verfall gezeichneten Leiber mit seinem Auferstehungsleib verbunden und ewig gemacht werden. Und durch Fasten und Beten, so verheißt es Christus, kann es sogar passieren, daß blockierte, verbohrte, verbitterte und verstockte Menschenherzen frei und durch göttliche Liebe umgewandelt werden. Luther sagt einmal vom Reich Gottes: „Das Reich wird nicht zubereitet, sondern ist schon bereitet; vielmehr werden die Kinder des Reiches bereitet, nicht sie bereiten das Reich; das heißt: das Reich verdient die Kinder, nicht die Kinder das Reich.“ (Peters, 73) Zu verdienen gibt es also für uns nichts in diesem Reich. Wer meint, es sich erkaufen zu können, ist schon herausgefallen. Das Reich Gottes, das Reich des Königs mit der Dornenkrone ist 2 allein Gabe und Geschenk, übergroße Gabe, überfließendes Geschenk, unerschöpfliche Liebe und Barmherzigkeit. Nichts ist hier zu verdienen. Wer aber davon geschmeckt hat, wer davon ergriffen ist, der wird frei zum Dienen, frei zum Gehorsam gegenüber seinem König Jesus Christus. Und wer so frei wird, der hört auf, andere zu fesseln, andere zu erpressen, andere von sich abhängig zu machen. Solche wahrhaft freie Liebe pflanzt sich auch gegen größte Widerstände fort wie manche zarten Pflanzen sogar Felsen zum Zerspringen bringen können. Erlebt wird das werden, wo Christen die Gnade und Barmherzigkeit Jesu schmecken und daraus leben im ungetrübten Gehorsam gegenüber seinem Wort. Sein Wort wird nicht trügen, wird uns im Glauben erhalten, so daß wir das letzte Ziel erlangen, wofür Christus in die Passion gegangen ist, nämlich daß wir mit ihm, bei ihm und durch ihn leben, hier zeitlich und dort ewiglich. Amen. Lieder: E: 67 Gebet – Lesung - 55 – Predigt - 68 - Gebet und Segen - 57,7 Votum: Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. Gebet Lesung: Johannes In dieser Zeit gedenken wir des heiligen Leidens und Sterbens unsers Herrn Jesus Christus, den Gott in die Welt gesandt hat, um uns zu erlösen. So steht geschrieben in der Passion nach St. Johannes im 18. Kapitel 3