Eastern European Outlook

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Eastern European
Outlook
Economic Research – Oktober 2014
Allmähliche Erholung trotz des
Russland-Ukraine-Konflikts
Thema: Die Eurasische
Wirtschaftsunion (EAWU)
Inhalt
Auf einen Blick
5
Die Weltwirtschaft
6
Estland
7
Lettland
9
Litauen
11
Polen
13
Russland
15
Ukraine
19
Thema:
Die Ukraine durchkreuzt Russlands Pläne für eine Eurasische Wirtschaftsunion
21
Wirtschaftsdaten und -prognosen
23
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 3
SEB Economic Research
Die Publikation Eastern European Outlook erscheint zweimal pro Jahr. Dieser Report wurde am 8. Oktober 2014 fertiggestellt.
Die Analysen stammen von Mikael Johansson (Chefredakteur), Andreas Johnson, Dainis Gaspuitis, Ruta Arumäe und Vilija Tauraite.
Robert Bergqvist
Chief Economist
+ 46 8 506 230 16
Elisabet Kopelman
Head of Economic Research
+ 46 8 506 230 17
Håkan Frisén
Head of Economic Forecasting
Schweden
+ 46 8 763 80 67
Daniel Bergvall
Economist
Eurozone, Finnland
+46 8 763 85 94
Mattias Bruér
Economist
USA, Japan, Großbritannien
+ 46 8 763 85 06
Ann Enshagen Lavebrink
Editorial Assistant
+ 46 8 763 80 77
Mikael Johansson
Economist
Head of CEE Research, Baltikum, Polen
+ 46 8 763 80 93
Andreas Johnson
Economist
China, Indien, Ukraine, Russland
+46 8 763 80 32
Ruta Arumäe SEB Tallin
Estland
+ 372 6655173
Dainis Gaspuitis
SEB Riga
Lettland
+ 371 67779994
Vilija Tauraite
SEB Vilnius
Litauen
+ 370 52682521
SEB Economic Research, K-A3, SE-106 40 Stockholm
Verantwortlich für die deutsche Ausgabe: Thomas Köbel, Merchant Banking Frankfurt/Main
Siehe auch Disclaimer auf Seite 25
4 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Auf einen Blick
IIn Polen/Mitteleuropa und den baltischen Staaten setzt sich die allmähliche Erholung der Wirtschaft 2015/2016 trotz des Russland-UkraineKonflikts fort; Russlands Wirtschaft stagniert dieses Jahr und in der Ukraine bricht das BIP ein. Polen, Lettland und Litauen verzeichnen ein
mäßiges Wachstum. In Estland, das auch unter der Stagnation in Finnland leidet, bleibt es schwach. Kurzfristig wird das Wachstum auch von
einer vorübergehenden Flaute in Deutschland und der Eurozone gedämpft. Wir erwarten für das 2. Halbjahr 2014 ein Nullwachstum in der
Eurozone, das teilweise auf die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise zurückgeht.
Der steigende Privatkonsum und der 2015 wieder einsetzende Aufschwung in Deutschland/der Eurozone gleichen die verlorengegangenen
Ausfuhren nach Russland und in die Ukraine sowie aufgrund geopolitischer Sorgen rückläufige Investitionsausgaben aus. Die Privathaushalte profitieren von weiterhin guten Realeinkommen (insbesondere im Baltikum) und niedrigen Zinsen – beides vor allem dank der weiterhin sehr niedrigen Inflation. Die direkten Handelsbeziehungen der einzelnen mittel- und osteuropäischen Länder mit den Konfliktparteien
sind zudem vergleichsweise schwach, außer im Fall der baltischen Länder und einiger anderer früherer Sowjetrepubliken.
Wir erwarten, dass der Russland-Ukraine-Konflikt lange anhält. Unsere Wachstumsprognose unterstellt, dass der Konflikt nicht militärisch
eskaliert, dass es keine ernsthaften Störungen der russischen Energielieferungen an Europa gibt und die Handelssanktionen zwischen dem
Westen und Russland nicht weiter verschärft werden. Unserer Einschätzung nach werden die aktuellen Sanktionen, die unserer Ansicht
nach keine allzu großen direkten Auswirkungen haben, den größten Teil des Jahres 2015 aufrecht erhalten.
Nachfolgend unsere BIP-Prognosen für die sechs im Eastern European Outlook betrachteten Länder. Insgesamt liegen die Einschätzungen
der SEB für 2015 unter den allgemeinen Annahmen.
ƒƒ D
as BIP Russlands wächst 2014 um 0,4 %, sinkt 2015 um 0,2 % und wächst 2016 um 1,0 %. Schwache Investitionstätigkeit, geringerer
Zuwachs der Realeinkommen der Privathaushalte und 2015 deutlich niedrigere Ölpreise belasten die Wirtschaft. Der Rubel verliert weiter an Wert, was die hohe Inflation langsamer sinken lässt. Der Rückhalt Präsident Putins in der Bevölkerung ist im Zuge des UkraineKonflikts gewachsen. Wir erwarten jedoch, dass er mit der Zeit wieder zurückgeht.
ƒƒ D
ie Ukraine steckt in einer tiefen Rezession und die lokale Wirtschaft wird lange Zeit brauchen, um sich wieder zu erholen, trotz einer
umfangreichen Währungsabwertung, die ihre Exportaussichten verbessert. Das BIP geht in diesem Jahr um 8 % zurück; 2015 liegt das
Wachstum bei null und kehrt erst 2016 mit schwachen 2 % zurück. Die Inflation ist hoch, die Bankenbranche unter Druck. Umfangreiche
Finanzhilfen von Seiten der EU und des IWF könnten nötig sein. Die Entwicklung im Land geht hin zu einer stärkeren Föderalisierung;
trotz des Assoziierungsabkommens mit der EU ist die Anbindung der Ukraine an den Westen noch keine Selbstverständlichkeit.
ƒƒ P
olen weist relativ geringfügige Ungleichgewichte auf und zeigt sich wenig anfällig für die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts. Die Flaute in Deutschland in diesem Jahr ist ein wichtiger Grund für die vorübergehende Abschwächung der polnischen Wirtschaft
in diesem Herbst. Umfangreiche EU-Mittel und neue Leitzinssenkungen kurbeln die Inlandsnachfrage bald an. Das Thema Euro könnte
von der Politik 2015-2016 aufgegriffen werden. Das BIP legt 2014 um 2,7 % zu, 2015 um 3,0 % sowie 2016 um 3,5 %.
ƒƒ D
ie stark exportabhängige Wirtschaft Estlands leidet nicht nur unter der Wachstumsschwäche Russlands sondern auch unter der
schleppenden wirtschaftlichen Entwicklung Finnlands und unter schwacher Investitionstätigkeit. Estlands Wirtschaftsleistung wächst
2014 und 2015 um glanzlose 1,2 %; erst 2016 nähert sich das Wachstum wieder 3 %.
ƒƒ L ettland weist seit zwei Jahren die höchste Wachstumsrate aller EU-Länder auf; sein BIP steigert sich 2015 um 2,7 % und 2016 um
3,4 %; in diesem Jahr werden es nur 2,5 % sein. Hauptmotor bleibt der inländische Konsum. Die Koalitionsregierung wurde kürzlich
wiedergewählt; wir erwarten keine nennenswerten politischen Richtungswechsel.
ƒƒ L itauen geht einer breiten Erholung der Inlandsnachfrage entgegen: die Bautätigkeit und die Immobilienmärkte beginnen sich zu
beleben, später als in den anderen baltischen Ländern. Das BIP steigt 2014 um 2,7 %, 2015 um 3,2 % sowie 2016 um 4 %. Die wichtige
Energiebranche gewinnt Ende 2014 an Sicherheit, wenn das neue litauische Gasterminal eröffnet wird, das die 100 %ige Abhängigkeit
des Landes vom russischen Gas radikal reduziert.
Ein gesonderter Themenartikel in dieser Ausgabe befasst sich mit Russlands Bestrebungen, mit einer Eurasischen Wirtschaftsunion
(EAWU) ein Gegengewicht zur Europäischen Union aufzubauen. Die EAWU startet 2015 geschwächt mit nur drei Mitgliedsländern: Russland,
Weißrussland und Kasachstan. Die Ukraine, ein großer potenzieller Mitgliedstaat, schloss kürzlich ein Assoziierungsabkommen mit der EU,
was dem russischen EAWU-Vorhaben einen Schlag versetzt.
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 5
Die Weltwirtschaft
Erholung setzt sich fort, aber größere Risiken nach unten
ƒƒ
Weltweiter Aufschwung unter US-Führung
ƒƒ
Vorübergehende Stagnation in der Eurozone
ƒƒ
Mitteleuropa trotzt der Ukraine-Krise
Die Erholung der Weltwirtschaft steht auf tönernen Füßen. Die USKonjunktur zieht nach einer vor allem vom Wetter verursachten Flaute Anfang 2014 nun auf breiter Front an. Chinas Wirtschaftswachstum
hat sich trotz der Schwäche des Immobilienmarktes nahe am amtlichen Wachstumsziel stabilisiert. Japans Wachstumsmotor kommt
nach der Mehrwertsteuererhöhung des vergangenen Frühjahrs nur
stotternd in Gang. Westeuropa bietet ein uneinheitliches Bild: die
Wachstumsdynamik der britischen Wirtschaft hält an, während in
der Eurozone negative Signale überwiegen.
Das BIP der Eurozone stagnierte im 2. Quartal. Seit dem Frühjahr sind
die Stimmungsindikatoren für die Industrie und die Privathaushalte
gesunken, haben sich jedoch jüngst stabilisiert. Der Einkaufsmanagerindex für die verarbeitende Industrie lag im September an der Wachstumsschwelle von 50 – in Italien und Spanien etwas darüber, in Frankreich darunter. Die Unsicherheit im Zusammenhang mit der UkraineKrise sowie Bilanzbereinigungen in krisengeschüttelten Ländern sind
zwei Gründe für die nachlassende Zuversicht. Wir rechnen für das
2. Halbjahr weiterhin mit null Wachstum in der Eurozone. 2015
geht es mit der üblichen zeitlichen Verzögerung, getrieben vom Aufschwung in den USA, dem schwächeren Euro und geldpolitischen
Maßnahmen langsam wieder aufwärts. Eine wichtige Annahme
ist, dass der deutsche Wirtschaftsmotor weiterhin ordentlich läuft.
Die Konjunkturdelle der letzten sechs Monate hängt mit der verarbeitenden Industrie und den Ausfuhren zusammen. Die Einzelhandelsumsätze sind weiter gestiegen. Die geringen wirtschaftlichen Ungleichgewichte und der rekordverdächtig starke Arbeitsmarkt in Deutschland legen nahe, dass die Flaute nur von kurzer Dauer ist.
In den nächsten zwei Jahren bleibt das Wachstum der Weltwirtschaft uneinheitlich, wird aber schrittweise kräftiger; die Wachstumslücke zwischen den USA und der Eurozone schrumpft erst 2016.
Der Aufschwung wird von einer zunehmend robusten US-Konjunktur
und einer weiterhin sehr lockeren Geldpolitik in den OECD-Ländern
angekurbelt, die nach dem vorausgegangenen Sparkurs fiskalpolitisch
nun einen neutraleren Kurs einschlagen. Das Wachstum der Schwellenländer beschleunigt sich etwas und leistet einen positiven Beitrag.
Das weltweite Wirtschaftswachstum steigert sich von 3,4 %
2014 etwa auf Trendniveau: 3,8 % im Jahr 2015 und 3,9 % 2016.
Die Inflation bleibt aufgrund umfangreicher ungenutzter Kapazitäten
und dem jüngsten Abwärtsdruck auf Rohstoff- und Lebensmittelpreise niedrig. Der Preis der Erdölsorte Brent sinkt 2015 auf durchschnittlich USD 85/Barrel, teilweise infolge der sogenannten „Schieferöl-Revolution“. Die EZB leitet Anfang 2015 eine neue QE-Phase
(Quantitative Easing) ein und lässt ihren Leitzins unverändert. Die
6 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Federal Reserve der USA beginnt Mitte 2015 mit schrittweisen Zinserhöhungen. Der USD wertet gegenüber dem Euro weiter auf, im
nächsten Jahr steht der EUR zum USD bei 1,20.
Seit dem Frühjahr haben die Risiken unserer BIP-Prognose nach
unten zugenommen. Dies liegt an größeren geopolitischen Sorgen
wie der Ukraine, dem Vormarsch des Islamischen Staats in Irak und
Syrien und den Ereignissen in Libyen sowie an der Schwäche der Eurozone. Wie in der Märzausgabe des Eastern European Outlook prognostiziert hat der Russland-Ukraine-Konflikt die Stimmungsbarometer in ganz Europa gedrückt. Wenn dieser Konflikt nicht militärisch
eskaliert und nicht zu breit angelegten Handelssanktionen oder ernsthaften Unterbrechungen der russischen Gaslieferungen nach Europa
kommt, dürfte die negative Wirkung auf die Stimmung bald nachlassen. Wir bleiben bei unserer im Frühjahr geäußerten Einschätzung,
dass der Konflikt sich nur geringfügig negativ auf das weltweite
Wachstum auswirkt. Die direkten Handelsbeziehungen zwischen
Russland und den einzelnen Ländern sind außer im Fall des Baltikums,
Finnlands und einiger benachbarter früherer Sowjetrepubliken schwach
ausgeprägt, doch wir gehen davon aus, dass die Investitionsneigung
nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft der Krise, sondern in ganz
Europa nachlässt.
Eckdaten der Weltwirtschaft
BIP, Veränderung zum Vorjahr in %
2013
2014
USA
2,2
2,3
Eurozone
-0,4
0,7
Weltwirtschaft
3,3
3,4
Öl USD/Barrel
108,7
105,0
EUR/USD, Dez
1,38
1,24
2015
3,4
0,9
3,9
85,0
1,20
2016
3,1
1,5
4,0
90,0
1,20
Quelle: SEB
Wir unterstellen, dass die Wirkung der Sanktionen begrenzt bleibt, und
gehen weiterhin davon aus, dass die allmähliche Erholung, die im
2. Halbjahr 2013 vor allem in Mitteleuropa einsetzte, sich über die
nächsten zwei Jahre fortsetzt. Im 2. Halbjahr 2014 erwarten wir
eine vorübergehende Delle. Die Erholung fällt mäßig aus. Der zunehmende private Konsum und der Konjunkturaufschwung in Deutschland und Westeuropa gleichen die ausgefallenen Exporte nach Russland und die rückläufigen Investitionen in den Ländern nahe des Konfliktherds aus. Die großen mitteleuropäischen Länder exportieren vergleichsweise wenig nach Russland. In Polen, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn fiel das Wachstum im 2. Quartal im
Jahresvergleich robust aus und lag in etwa gleichauf mit dem 1. Quartal. Der private Konsum bleibt ein wichtiger Wachstumsmotor.
Die Haushalte profitieren von guten Zuwächsen der Realeinkommen,
die den stabileren Arbeitsmärkten und anhaltend niedriger Inflation
zu verdanken sind. Dies macht weiterhin niedrige Zinsen wahrscheinlich, was die Kreditnachfrage der Privathaushalte steigert und zu
mehr Konsum beiträgt.
Estland
Zögerliches Wachstum – nur teilweise geopolitisch bedingt
ƒƒ
Exporte und Investitionen schwächeln
ƒƒ
Konsumgetriebenes Wachstum
ƒƒ
Vorübergehende Deflation
Estlands Wirtschaft hat an Schwung verloren; seit über einem Jahr
liegt die Wachstumsrate nur knapp über null. Im 2. Quartal verbesserte sich das BIP im Jahresvergleich zwar um 2,4 %, was allerdings
kein Indiz für ein anhaltend stabileres Wachstum ist, denn dahinter
stehen im Wesentlichen rückläufige Einfuhren infolge schwacher
Investitionstätigkeit. Obschon der Export ebenfalls schwächelte, war
das Nettoexportergebnis positiv, denn die Importe brachen
noch stärker ein. Auf Jahresbasis legte das BIP zwar in einigen
Quartalen um ca. 2 % zu, aber die Struktur dieses Wachstums ist
eher Ausdruck der Schwäche als der Stärke der Wirtschaft. Die Quartalszuwächse des BIP sind daher kaum von Dauer.
BIP-Wachstum und Außenhandel langfristig schwach
Veränderung zum Vorjahr in %
2014 erwarten wir einen Anstieg des BIP von 1,2 %, 2015 von
1,3 % und 2016 von2,8 %; dann steht das Wachstum auch auf
einer stabileren Basis.
Auch 2015 ist der relativ konstant anziehende private Konsum
Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Nach einem leichten
Einbruch 2013 legt er in diesem Jahr wieder etwas zu. Offenbar halten die Verbraucher die aktuelle leichte Deflation für vorübergehend, denn sonst würden sie sich stärker zurückhalten und auf
weiter sinkende Preise hoffen. Wir gehen davon aus, dass die Deflation im 3. Quartal 2014 den Tiefpunkt überschreitet und Basiseffekte für eine Rückkehr der Inflation im 4. Quartal sorgen. Die Erhöhung
der Verbrauchssteuern zum Jahresbeginn 2015 treibt die Teuerung
an, andererseits halten die globalen Rohstoffpreise die Inflation auf
relativ niedrigem Niveau. Sinkende Verbraucherpreise bremsen das
Lohnwachstum und schwaches Wirtschaftswachstum könnte zu
einer Lohndeflation führen.
Starkes Wachstum der Reallöhne und Gehälter
Veränderung zum Vorjahr in %
zurück und die Reallöhne sind im Jahresvergleich um stattliche 5 %
gestiegen; beides wirkte sich auf den Konsum sehr positiv aus. Allerdings ändert sich dies in Zukunft geringfügig. Die Nominallöhne
steigen nicht mehr so rasch an und die Inflation kehrt zurück; dadurch geraten die Reallöhne etwas mehr unter Druck. Darüber hinaus pendelt sich die Beschäftigungsquote ein oder geht zurück, da
die Unternehmen versuchen, steigenden Löhnen und schwachem
Wirtschaftswachstum durch Produktivitätsverbesserungen zu begegnen. Da die Zahl der Erwerbstätigen weiter zurückgeht und die
Arbeitslosigkeit unter ihr Gleichgewichtsniveau von ca. 8 % gesunken ist, spricht jedoch einiges dafür, dass die Löhne weiter steigen.
Das Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung führt dazu, dass Arbeitslosigkeit und Beschäftigung in einer seltenen Kombination gleichermaßen zurückgehen.
Obwohl die estnische Wirtschaft vor allem von der Binnennachfrage getrieben wird, hat sich der Außenbeitrag nicht verschlechtert.
Im 2. Quartal war sogar ein Leistungsbilanzüberschuss im Umfang
von 0,9 % des BIP zu verzeichnen. Der Zuwachs des Konsums fiel
in diesem Zeitraum relativ bescheiden aus, während gleichzeitig
die Investitionen stagnierten.
Das schwache BIP-Wachstum ergibt sich aus der Entwicklung der Ausfuhren und Investitionen. Die Exporte – insbeson-
Gleichzeitiger Rückgang der Arbeitslosigkeit und der
Beschäftigung
Mehrere Faktoren stützen den privaten Konsum, darunter der
Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote ging im 2. Quartal auf 6,9 %
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 7
Estland
dere die seit einem Jahr rückläufigen Warenausfuhren – sind nach
wie vor die Schwachstelle der estnischen Wirtschaft. Die geringe
Nachfrage, vor allem aus Finnland und Russland, steht einer
Erholung des Exports im Wege. Moskaus Einfuhrbeschränkungen für Nahrungsmittel aus Ländern, die Russland wegen seines
Vorgehens in der Ukraine mit Sanktionen belegten, schmälern die
Nachfrage aus Russland und Umgebung. Da Estlands Handelsbeziehungen zu Russland nicht sehr ausgeprägt sind, bleiben die Folgen – zumindest anfangs – gering. Die negativen Auswirkungen
auf die estnischen Exporte halten sich im Rahmen, anders sieht
es jedoch im Transportsektor aus. Seit April 2014 gingen die Ausfuhren Estlands nach Russland insgesamt um ca. 20 % zurück; solche Schwankungen sind im Handel mit Russland allerdings nicht
unüblich. Trotz der sinkenden Ausfuhren nach Russland und Litauen hat sich das Exportaufkommen Estlands kaum verändert; seit
vier Jahren liegen die Zuwachsraten bei ca. null. Auch 2015 dürfte
die Auslandsnachfrage kaum anziehen. Positiv dürfte sich hingegen der erwartete Rückgang des realen effektiven Wechselkurses
auswirken. Hier dürften sowohl die niedrige Inflation wie auch der
nominal sinkende Eurokurs den Exporten zugutekommen.
Zwar wies die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für das 1. Halbjahr 2014 einen realen Anstieg der Kapitalausgaben aus; die Unternehmensinvestitionen verzeichnen allerdings einen Rückgang. Die
Investitionen der öffentlichen Hand sind weiter rückläufig und
erholen sich vermutlich erst 2016. Die Investitionstätigkeit der
Unternehmen dürfte erst 2015 wieder allmählich zunehmen.
Die Investitionen in Maschinenanlagen lagen zuletzt sogar unter
denen des besonders anfälligen Bausektors. Die schwachen Wachstumsaussichten und der sinkende Zustrom ausländischer Mittel
hemmen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Andererseits gibt es bei der Kreditvergabe an Unternehmen wieder etwas
mehr Spielraum.
Die Bauproduktion ging im 1. Halbjahr 2014 zurück, wenn auch nur
geringfügig. Mehr Wohnungsbau gleicht die sinkende Zahl an Infrastrukturprojekten aus. Anfang 2014 lag die Zahl der fertiggestellten
Neubauten wieder etwas über dem niedrigen Niveau der letzten
Jahre. Die Zahl der Baugenehmigungen stieg im 2. Quartal steil an,
ein Hinweis auf eine anhaltende Erholung des Wohnungsbaus.
Der erstarkende Wohnungsbau bewirkte im Jahresvergleich zudem
einen um 15 % geringeren Preisanstieg für Wohnraum; dieser Trend
dürfte sich vorerst fortsetzen.
Das Wachstum tendiert in allen Wirtschaftssektoren generell gegen
null. Allerdings geht es einigen Branchen etwas besser als anderen;
dementsprechend könnten sich die Unterschiede bei den Wachstumsraten erneut ausweiten. In einer vom Binnenkonsum getriebenen Wirtschaft profitieren vor allem der Einzelhandel und die Dienstleistungsbranche. Transport- und Landwirtschaft und der Bausektor haben hingegen mit Problemen zu kämpfen. Stimmungsindikatoren bestätigen dieses Auseinanderdriften. Die Aussichten
für die Bau- und Transportwirtschaft sind eindeutig negativ, beim
Einzelhandel und der verarbeitenden Industrie hingegen recht
stabil.
Bei der Kreditvergabe bessert sich die Lage langsam. Das Gesamtvolumen ausstehender Kredite an Privatpersonen liegt um 2,2 %
über dem Niveau des Vorjahres; Unternehmen erhielten im Vergleich zum Vorjahresstand 5 % mehr Kredite. Bei einem nominalen
8 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Unterschiedliche Stimmung in den einzelnen
Wirtschaftsbereichen
absolute Veränderung
Wirtschaftswachstum von 4,4 % im 2. Quartal ist dieses Kreditwachstum ausgeglichen.
Die im März 2014 gebildete neue Regierung aus Reformpartei und
Sozialdemokratischer Partei ist nach wie vor beliebt, allerdings sind
ihre Popularitätswerte in den letzten Monaten leicht rückläufig.
Schwerpunkt des Programms der Koalitionsregierung ist die weitere Erhöhung der Sozialausgaben im nächsten Jahr und die Senkung
des Einkommensteuersatzes Anfang 2015. Die Finanzpolitik stützt
also auch weiterhin den privaten Konsum. Dank des Konsumwachstums, das besser verlief als die Wirtschaft insgesamt, und des
unverändert starken Arbeitsmarkts war das Steueraufkommen gut,
so dass die Aussicht auf weitere Ausgabensteigerungen besteht.
Mitte 2014 war der Staatshaushalt ausgeglichen, und die Regierung
musste keine neuen Schulden aufnehmen.
Am rechten Flügel formieren sich gerade zwei neue Parteien, deren
Ziel die Teilnahme an der Parlamentswahl 2015 ist. Da beide aus
bestehenden Rechtsparteien entstanden sind und sich von diesen
kaum unterscheiden, wird ihnen bei der nächsten Wahl wohl wenig
Erfolg beschieden sein.
Lettland
Geopolitik belastet Wachstum
ƒƒ
Regierung setzt Förderungsmaßnahmen um
ƒƒ
Unternehmen suchen Exportalternativen
ƒƒ
Inlandskonsum hält Schritt
Die lettische Wirtschaft ist in den letzten zwei Jahren innerhalb der
EU am schnellsten gewachsen. Seit dem 3. Quartal 2013 verlangsamt sich das Tempo allmählich, von damals 4,6 % auf bescheidene 2,5 % im 1. Halbjahr 2014. Der Rückgang hängt vor allem mit
dem Russland-Ukraine-Konflikt zusammen. Der Bausektor legt
weiterhin kräftig zu, und auch der Einzelhandel entwickelt sich stabil. Überraschend ist die Stagnation im Dienstleistungssektor. Auch
hier könnte der Ukraine-Konflikt ausschlaggebend sein.
BIP-Wachstum und Beitrag zum Wachstum
Veränderung zum Vorjahr in %, Prozentpunkte
In den kommenden Monaten bläst vermutlich ebenfalls ein kräftiger
Gegenwind. Abgesehen von den Spannungen zwischen Russland
und dem Westen lässt der Aufschwung der Eurozone zu wünschen
übrig. Die Exporte legen nur schwach zu. Die Verbraucher spielen in diesem fragilen Umfeld eine stabilisierende Rolle. Das Verbrauchervertrauen ist auf einem historischen Höchststand und erweist sich auch angesichts der Krise in der Ukraine als ziemlich robust. Der private Konsum bleibt stabil. Die Unternehmer sind weiterhin äußerst vorsichtig, die ohnehin schwache Investitionstätigkeit geht daher weiter zurück. Wir erwarten, dass die Regierung die Mobilisierung von EU-Mitteln beschleunigt. Dies ist ein
Schwerpunkt der gerade wiedergewählten Regierung. 18 % der lettischen Exporte gingen 2013 nach Russland. Die lettische Wirtschaft
spürt zwar die russischen Sanktionen und den dortigen Konjunktureinbruch, aber insgesamt wird das Wachstum nicht zum Stillstand
kommen. Wir erwarten 2014 ein BIP-Wachstum von 2,5 %,
2015 von 2,7 % und 2016 von 3,4 %.
Die direkten Auswirkungen der Sanktionen halten sich in Grenzen, während indirekte Folgen in vielen Branchen spürbar sind.
Zwar machen die Nahrungsmittelausfuhren nach Russland schätzungsweise nur 0,8 % der lettischen Gesamtexporte aus, doch die
indirekten Folgen der russischen Einfuhrbeschränkungen sind nicht
zu vernachlässigen, z. B. der Rückgang der Milchexporte nach Litauen, der Rückgang in den Bereichen Transport und Logistik sowie
wachsende Unsicherheit bei anderen in Russland aktiven Branchen.
Es gibt aber auch Lichtblicke. So scheint abzusehen, dass den lettischen Milcherzeugern in naher Zukunft der Durchbruch auf dem
chinesischen Markt gelingt. Damit könnten sie Marktverluste ausgleichen und der gesamten lettischen Landwirtschaft ganz neue
Möglichkeiten eröffnen. Der Transportsektor konnte sich bisher gut
behaupten. Trotz der potenziellen Risiken stieg zwischen Januar und
August 2014 das Frachtaufkommen in den lettischen Häfen im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2013 um 3,9 %. Bei wichtigen Frachttransportbranchen sahen die Zahlen ähnlich aus. Der Konjunktureinbruch der russischen Wirtschaft betrifft vor allem die Straßenfracht.
Sinkende Exporte nach Russland
in EUR, Veränderung zum Vorjahr in %
Die Unternehmen brauchen für die Anpassung an diese neuen Bedingungen Zeit und staatliche Hilfe. Das lettische Gesamtexportvolumen ist relativ gering. Alternative Märkte sollten somit leicht zu
finden sein. Am stärksten betroffen wäre wohl die Rentabilität
der Unternehmen. Möglicherweise werden in Anbetracht der in
Russland spürbaren Auswirkungen Ausnahmen eingeräumt, so
dass bestimmte Firmen trotz Sanktionen weiter dorthin exportieren dürfen. Es ist jedoch auch denkbar, dass sie mit neuen staatlichen Restriktionen rechnen müssen. Die Unternehmen operieren
also in den betroffenen Märkten unter unsicheren Rahmenbedingungen.
Der Staat räumt den von den russischen Sanktionen betroffenen Unternehmen Steuerbefreiungen ein. Voraussetzung dafür
ist, dass die betreffenden Firmen über 10 % ihres gesamten Umsatzvolumens auf dem russischen Markt erzielen. Zudem unterstützt
der Staat Unternehmen, die sich um die Erschließung neuer Exportmärkte bemühen, mit 4 Mio. EUR. Dies gilt auch für deren Zulieferfirmen. Zusätzlich gibt es staatliche Kreditbürgschaften für die von
den Sanktionen betroffenen Unternehmen. Der Höchstbetrag dafür
liegt bei 1 Mio. EUR pro Unternehmen.
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 9
Lettland
Wir rechnen nicht mit einer expansiveren Finanzpolitik als
Reaktion auf die negativen Auswirkungen des Ukraine-Konflikts
und die schwächere russische Nachfrage. Angesichts des geringeren Wirtschaftswachstums sind zusätzliche Haushaltsausgaben
kaum vertretbar. Die aktuelle geopolitische Lage zwingt Riga zur
Aufstockung seines Verteidigungsbudgets. In Anbetracht der ernsten Lage wäre es vernünftig, in den kommenden beiden Jahren
Budgetabweichungen gering zu halten.
2014 ging die Industrieproduktion in den ersten sieben Monaten
um 1,5 % zurück. Die verarbeitende Industrie legte immerhin um
0,5 % zu, Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden um 5,6 %.
Die Lage bleibt angespannt, aber nicht bedrohlich. Wir rechnen
mit einer uneinheitlichen Entwicklung der verschiedenen
Branchen. Holzverarbeitung, Chemie, Computer, Elektronik und
Optikfertigung dürften weiterhin robust wachsen. Auch die Aussichten der Nahrungsmittelindustrie sind längerfristig immer noch
gut. Trotz der schwachen russischen Konjunktur und der trüben
Exportaussichten stieg das Gesamtexportvolumen Lettlands in den
ersten sieben Monaten 2014 um 2,5 %; die Einfuhren gingen um
1 % zurück.
Bis Ende Juli legte der Einzelhandelsumsatz um beachtliche 3,8 %
zu. Bei niedriger Inflation und dem erwarteten recht ordentlichen
Anstieg der Nominallöhne trägt die Entwicklung der Reallöhne auch
in Zukunft zu wachsendem Inlandskonsum bei.
Dank eines allmählichen Anstiegs des Exports 2015, einer Ausweitung der derzeit schwachen Investitionstätigkeit und eines leicht
steigenden Konsums bleibt das lettische Leistungsbilanzdefizit weiterhin überschaubar. Das vorübergehend relativ hohe Defizit von
3,6 % des BIP im 1. Halbjahr 2014 führen wir vor allem auf die
schwachen Exporte zurück.
Gesamtstaatlicher Haushalt und Staatsverschuldung
in % des BIP
Die Arbeitslosigkeit ging im 2. Quartal weiter zurück und lag bei
durchschnittlich 10,7 %, d. h. 1,2 % unter der Quote des 1. Quartals.
Wir erwarten trotz der geringeren Wachstumsaussichten ein weiteres Sinken der Arbeitslosigkeit.
Der Rückgang der Arbeitslosigkeit führte in den letzten Jahren zu
einem allmählichen Ansteigen der Lohnzuwachsraten. Im
2. Quartal lagen die Bruttolöhne und -gehälter 6,4 % über dem
Vorjahresniveau. In der Privatwirtschaft zogen sie etwas rascher an
als im öffentlichen Sektor. Allerdings ist der Durchschnittslohn in
der Privatwirtschaft niedriger. Die Nettolöhne und -gehälter stiegen sogar um 8,4 %. Die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer sanken von 11 % auf 10,5 %; zudem trat dieses Jahr eine
Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags in Kraft.
10 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Wachstum der Löhne und Gehälter nach großen
Schwankungen wieder auf relativ starkem Niveau
Veränderung zum Vorjahr in %
Der Preisdruck bleibt weiter moderat. Im August lag die Inflation im Jahresvergleich bei 0,8 %. Ausschlaggebend für die Inflation
sind derzeit die steigenden Preise für Dienstleistungen. Die Warenpreise hingegen verändern sich kaum. Kurzfristig halten niedrigere
Nahrungsmittel- und Ölpreise die Inflation in Schach. 2015-2016
dürfte die Inflation allmählich anziehen. Wichtige Faktoren sind der
wachsende Lohndruck und der Preis für Haushaltsstrom, der im
Januar 2015 erhöht wird. Unsere Inflationsprognose liegt 2014 bei
0,7 % und bei jeweils 2,1 % in den Jahren 2015 und 2016.
Am 4. Oktober fanden in Lettland Parlamentswahlen statt. Die
Mitte-rechts-Koalition wurde wie erwartet wiedergewählt. Die Regierungsparteien gewannen 58 % der Stimmen und kontrollieren
damit 61 der 100 Parlamentssitze. Bei der Wahl von 2011 gewannen sie lediglich 47 Sitze. Ein politischer Kurswechsel ist daher
nicht zu erwarten. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten sind
solide, ebenso die Staatsfinanzen und der Außenbeitrag; dies trägt
auch künftig zur politischen Stabilität bei.
Litauen
Stabiles Wachstum, geopolitische Sorgen
ƒƒ
Binnenmarkt fängt Exportprobleme auf
ƒƒ
Russland-Ukraine-Konflikt drückt auf Stimmung
ƒƒ
Bessere Energieversorgung greifbar nahe
Hohe Reexporte nach Russland
Die 10 wichtigsten Absatzmärkte Litauens
in % der Gesamtexporte
Russland
Lettland
Polen
Im 1. Halbjahr 2014 stand die litauische Wirtschaft recht gut da. Das
BIP-Wachstum lag im Jahresvergleich bei sehr stabilen 3,1 %. Die
Binnennachfrage treibt das Wachstum an; das gilt für die Investitionen ebenso wie für den privaten Konsum. Derweil schwanken die
Ausfuhren; der Export hat deutlich an Schwung verloren. In den
nächsten ein bis zwei Jahren hält die Wirtschaft den Herausforderungen von außen stand und entwickelt sich dank zunehmender Investitionen und stärkerer Auslandsnachfrage weiter stabil.
Ausfuhren nach Russland werden zwar schwierig, aber die erwartete Erholung der Eurozone kann dies teilweise abfedern. Wir erwarten 2014 ein BIP-Wachstum von 2,7 %, 2015 von 3,2 % und
2016 von 4,0 %.
Für Export und Industrie war 2014 bisher ein schwieriges Jahr. Zum
einen wirkte sich das sinkende Produktionsvolumen des landesgrößten Exporteurs, der Ölraffinerie Orlen Lietuva, negativ auf
Export- und Industriewerte aus. Die Raffinerie bestritt bisher bis zu
einem Viertel der gesamten Warenexporte. Nach der Schieferölrevolution in den USA konnte das Unternehmen auf dem europäischen Markt schwer mit den niedrigeren Preisen für amerikanische
Ölprodukte mithalten und fuhr seine Produktion daher drastisch
zurück. Dieser Druck von außen wird kaum nachlassen und belastet den Export sogar stärker als die russischen Einfuhrbeschränkungen für litauische Nahrungsmittelprodukte.
Sollte die von Russland im August 2014 verhängte Einfuhrsperre
für Nahrungsmittel über den geplanten Zeitraum Bestand haben,
wird dies die Exportzahlen Litauens ein Jahr lang negativ beeinflussen. Innerhalb der EU ist Litauen das Land, das am stärksten
von den russischen Sanktionen betroffen ist. Der Anteil litauischer Exporte nach Russland ist hoch (21 % der Gesamtexporte im
1. Halbjahr 2014), und der Anteil sanktionierter Produkte ist einer
der höchsten innerhalb der EU. Die Auswirkungen der Sanktionen halten sich jedoch in Grenzen. Das Embargo betrifft lediglich 4 % der litauischen Exporte insgesamt, dank höherer Umsätze
in anderen Märkten vielleicht sogar noch weniger. Hinzu kommt,
dass es sich bei 87 % der Exporte nach Russland um Wieder
ausfuhren handelt; vermutlich ist der Transportsektor stärker
betroffen als die Industrie. Die meisten auf dem russischen Markt
tätigen Unternehmen waren sich des Risikos bewusst, und viele
verfügen über Alternativpläne. Die größten Milcherzeuger, die bisher 15-30 % ihrer Produktion an Russland verkauften, schätzen die
Sanktionen nicht als existenzbedrohend ein, gehen allerdings von
einem Einbruch ihrer Rentabilität aus.
Deutschland
Exporte litauischer Herkunft
Weißrussland
Reexporte
Estland
Niederlande
Großbritannien
USA
Schweden
0
5
10
15
20
25
Quelle: Statistikamt Litauen, SEB
Nahrungsmittel und andere landwirtschaftliche Produkte machen
die Hälfte der nach Russland exportierten Produkte litauischer Herkunft aus, und mit Ausnahme von Maschinen und Geräten gibt es
kaum noch andere Exportgruppen, die sanktioniert werden könnten. Außerdem soll die Einfuhrsperre nur bis August 2015 gelten;
danach ist sogar ein positiver Effekt möglich. 2014-2015 bewirkt
das derzeitige Einfuhrverbot für Nahrungsmittel und andere
landwirtschaftliche Erzeugnisse eventuell einen Rückgang
des litauischen BIP um bis zu 1 %. Eine Drosselung russischer
Energieexporte könnte die litauische Wirtschaft weitaus mehr beeinträchtigen als Importverbote.
Der Energiesektor entwickelte sich 2014 positiv. Anfang Juli
senkte Gazprom den Gaspreis für den größten litauischen Gasversorger im Endverbrauchermarkt und mehrere weitere Unternehmen
bis 2016 um über 20 %. Die Heizperiode in diesem Winter wird somit die billigste seit 2007. Zudem eröffnet Litauen im Dezember 2014
sein eigenes LNG-Terminal in Klaipėda. Dies ist ein großer Schritt
hin zu einer sicheren, diversifizierten Gasversorgung zu Marktbedingungen (derzeit bezieht Litauen 100 % seines Gasbedarfs von
Gazprom). Die Mindestmenge zur Deckung des jährlichen Bedarfs
an LNG bezieht Litauen dann von der norwegischen Statoil; zusätzlich schloss Vilnius allgemeine, unverbindliche Rahmenverträge
mit sieben LNG-Lieferanten weltweit ab. 2015 wird das Terminal
vollständig in Betrieb genommen. Seine Kapazität deckt dann den
litauischen Eigenbedarf komplett, und das Land wird darüber hinaus in der Lage sein, am internationalen LNG-Spotmarkt zu handeln. 2015 gehen Stromverbindungen nach Polen und Schweden
ans Netz, so dass Litauen Zugang zu neuen Energiemärkten erhält.
Derzeit importiert Litauen Strom aus Lettland, Estland, Russland
und Weißrussland.
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 11
Litauen
Im 1. Halbjahr 2014 legte die Binnennachfrage zu, basierend auf
soliden wirtschaftlichen Grunddaten sowie guten Zukunftsaussichten. Der private Konsum stieg im Jahresvergleich um 5 %. Dahinter
stehen höhere Reallöhne, steigende Beschäftigung, niedrige Inflation und die Zunahme von Überweisungen aus dem Ausland. Anfang 2014 war das Verbrauchervertrauen so hoch wie zuletzt
Anfang 2008. Im Sommer verschlechterte es sich aber spürbar,
vor allem aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten. Die Einzelhandelsumsätze kletterten zwar weiter, aber der Umsatz von langlebigen Gebrauchsgütern verlangsamte sich oder war sogar rückläufig.
Vertrauen infolge Ukraine-Krise gesunken,
Einzelhandelsumsätze steigen trotzdem
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wird auch künftig
das Finanzverhalten der privaten Haushalte stark beeinflussen.
Dennoch steigen die Reallöhne 2015-2016 um 4-5 %, und auch
die Mindestlöhne werden erhöht. Günstigere Heizkosten fördern
den Konsum, vor allem in den Haushalten mit den niedrigsten Einkommen.
Die Arbeitslosigkeit geht weiter zurück, wenn auch langsamer. Im
2. Quartal 2014 lag sie bei durchschnittlich 11,2 %. Der Arbeitsmarkt steht in zwei Bereichen vor Problemen. Zum einen ist die
strukturelle Arbeitslosigkeit nach wie vor ein heikler Punkt. Zum
anderen verbreitet sich die Praxis der gezielten Abwerbung von
Mitarbeitern sehr rasch, vor allem im Bau-, Transport- und Dienstleistungsgewerbe. Paradoxerweise könnten die russischen Sanktionen den Arbeitskräftemangel im Transportsektor entschärfen.
Im 1. Halbjahr 2014 legte der Bausektor am schnellsten zu, und der
Wohnimmobilienmarkt kam nach fünf Jahren Stillstand wieder in Bewegung. Im 1. Quartal 2014 wurden im Vergleich zum
Vorjahr 44 % mehr Wohnimmobilien verkauft. Als Folge zogen die
Preise wieder etwas an. Allerdings war der Aufschwung von kurzer
Dauer. Im 2. Quartal wurden nur noch 14 % mehr Wohnimmobilien
als im gleichen Zeitraum des Vorjahres verkauft, und im Juli-August
ging die Zahl der Abschlüsse im Jahresvergleich um 2 % zurück.
Insgesamt fiel der Preisanstieg recht moderat aus. Im August 2014
lagen die Preise für Eigentumswohnungen in den größten Städten
um 5 % über dem Tiefstand.
Dieser Rückfall in der Erholung des Wohnimmobilienmarkts hat
vermutlich mehrere Gründe. Erstens finanzierten die meisten Käufer 2014 den Kauf aus Eigenmitteln und nicht über Hypotheken.
Die Lust, einen Kredit aufzunehmen, ist trotz günstiger Kreditkonditionen und sehr niedriger Zinsen nach wie vor wenig ausgeprägt.
Zweitens glaubten einige Litauer Anfang 2014, die Einführung des
Euro könne die Preise für Wohnimmobilien in die Höhe treiben.
12 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Die in den Medien verbreiteten rationalen Wirtschaftsargumente
bremsten jedoch den Enthusiasmus bei den meisten wieder. Auch
die geopolitischen Spannungen dämpften die Erwartungen bezüglich des Wohnungsmarkts. Bauunternehmer schlugen einen zurückhaltenden Ton an, vor allem im Vergleich zur Blase 2005-2007,
unmittelbar vor der Krise. Wir erwarten 2015-2016 eine allmähliche
und moderate Erholung des Wohnimmobilienmarkts.
Die Investitionsbereitschaft verbessert sich bisher nur zögerlich, insbesondere aufgrund der anhaltend unsicheren externen
Wirtschaftsbedingungen und politischen Lage. Im 1. Halbjahr 2014
stiegen die Anlageinvestitionen zu konstanten Preisen im Jahresvergleich um 12 % und erreichten damit ein Volumen von lediglich
zwei Dritteln des Vorkrisenniveaus. Die Kapazitätsauslastung in der
verarbeitenden Industrie hingegen stieg auf ein Rekordhoch von
76 %. Der derzeit schwache Zuwachs der Investitionen und die hohe
Ressourcenauslastung lassen eine moderate Wiederbelebung der
Investitionstätigkeit in den kommenden beiden Jahren erwarten.
Die Inflation ist sehr niedrig; die HVPI-Rate lag im August 2014 im
Jahresvergleich bei nur 0,4 %. Es bleibt auch in den kommenden
beiden Jahren bei geringen Preissteigerungen. Aufgrund sinkender internationaler Rohstoffpreise, niedrigerer Gas- und Heizkosten
und des großen Angebots an Nahrungsmittelprodukten infolge der
von Russland verhängten Einfuhrsperre bleibt der Kostendruck vor
allem kurzfristig schwach. Wie es in anderen Ländern auch der Fall
war, wird erwartet, dass Preisaufrundungen nach der Einführung
des Euro im Januar 2015 einen Anstieg von 0,2-0,3 % bewirken.
Insgesamt liegt die durchschnittliche HVPI-Inflation 2014 bei
0,1 %, 2015 bei 0,7 % und 2016 bei 1,0 %. Der Aufwärtstrend in
den Jahren 2015-2016 erklärt sich vor allem aus einem allmählich
entstehenden Nachfragesog.
Die bevorstehende Einführung des Euro wirkt sich bereits positiv
auf die Kreditkosten und die Bonität des Landes aus. Auch die Einstellung der Allgemeinheit gegenüber dem Euro ist in den letzten
Jahren etwas freundlicher geworden. Laut der Eurobarometer-Erhebung im September 2014 sind 47 % der Litauer für die Euroeinführung; im April 2013 waren es nur 41 %. Die Zahl der Eurogegner
ging von 55 % auf 49 % zurück.
Polen
Kurze Wachstumsflaute wegen Instabilität im nahen Umfeld
ƒƒ
Grund ist der Wachstumsrückgang
in Deutschland und Russland
ƒƒ
Lage für Inlandsnachfrage günstig
ƒƒ
Unsicherheit und Deflation
führen zu Zinssenkung
Polen weist im 2. Halbjahr 2014 eine leichte Wachstumsdelle
auf. Grund ist ein kurzzeitiger Rückgang der Nachfrage aus Deutschland, die Abschwächung des Wachstums in Russland und ein kurzfristiger Rückgang der Investitionstätigkeit aufgrund der erhöhten
Unsicherheit in der Region wegen des Russland-Ukraine-Konflikts.
Anfang 2015 zieht das Wachstum jedoch wieder schrittweise an,
gestützt von der Erholung der Konjunktur in Deutschland und in
Westeuropa insgesamt; dann werden die Stimmungsbarometer
wieder steigen. Auch zusätzliche geldpolitische Stimuli in diesem
Herbst tragen zur Stärkung der Inlandsnachfrage bei. Dank vergleichsweise geringer wirtschaftlicher Ungleichgewichte ist Polen
weiterhin gut für eine solide Erholung in den nächsten zwei Jahren
aufgestellt. Wachstumstreiber sind der steigende private Konsum und öffentliche wie private Investitionen, während die
Ausfuhren unter der anhaltenden Wirtschaftsschwäche in Russland und der Ukraine leiden. In diesem Jahr wächst das BIP um
2,7 %, 2015 um 3,0 % sowie 2016 um 3,5 %; unsere Prognosen
liegen unter den allgemeinen Erwartungen.
Wachstum bis zum 2. Quartal dieses Jahres
BIP, Veränderung zum Vorjahr in %
Polen war das einzige EU-Land, das in der letzten weltweiten Krise
– sowohl in der von den USA als auch in der europäisch geprägten
Phase 2010-2013 – einer Rezession entging. Auch dieses Jahr begann ordentlich. Das BIP-Wachstum zum Vorquartal betrug im
2. Quartal unverändert 3,3 % im Jahresvergleich. Allerdings waren
Anzeichen einer bevorstehenden Abschwächung erkennbar.
Der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zufolge halbierte sich
das Wachstum im Quartalsvergleich im 2. Quartal auf 0,6 %.
Hauptgrund waren die geringeren Nettoausfuhren. Die amtlichen
Monatsstatistiken zeigen, dass die Ausfuhren sowie die Einzelhandelsumsätze im Juni und Juli spürbar zurückgingen. Auch die absakkenden Stimmungsindikatoren deuten für das 2. Halbjahr auf
sinkendes Wachstum. So ist beispielsweise der Einkaufsmanagerindex (EMI) für die verarbeitende Industrie nach einem vorigen kräftigen Anstieg von seinem 38-Monats-Hoch von 55,9 im Februar
2014 auf ein 15-Monats-Tief von 49,0 im August gefallen – unter
die Wachstum anzeigende Schwelle von 50. Im September stieg
er minimal auf 49,5. Hinter dem niedrigeren EMI steckt vor allem
die schwächere Auslandsnachfrage. Die Verbraucherstimmung
trübte sich weniger ein; im September erholte sie sich und
machte den Rückgang wieder wett. Des Weiteren ist erwähnenswert, dass das Stimmungsbarometer für die Baubranche den monatlichen Erhebungen der Europäischen Kommission zufolge stetig
stieg (wenn auch in geringem Umfang); gleiches gilt für die Stimmung der Gesamtindustrie. Der Index für die verarbeitende Industrie ist vermutlich deswegen gesunken, weil sich die internationale
Konjunktur auf diese stärker auswirkt. Deutschland und andere
westeuropäische Länder weisen ein ähnliches Muster sinkender
EMIs auf. Wir folgern, dass vor allem die Flaute in Deutschland,
aber auch in Russland auf Polen übergesprungen ist; rund
25 % der Ausfuhren gehen nach Deutschland, davon ein großer
Anteil an Kunden in der verarbeitenden Industrie, und 5 % nach
Russland.
Die Aussichten für einen Anstieg der Inlandsnachfrage sind
günstig. Der private Konsum wird von dem anhaltend kräftigen Zuwachs der Realeinkommen der Haushalte angekurbelt.
Aufgrund der prognostizierten geringeren Teuerung steigern wir
unsere Prognose für die Reallohnzuwächse für 2014/2015 von 2 %
in unserer Märzausgabe auf ca. 3 % jährlich. Die Zahl der Arbeitsplätze steigt seit Ende 2013, wenn auch in bescheidenem Umfang.
Die in Polen vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit von rund 10 %
wird leicht zurückgehen. In unserem Szenario mäßigen Wachstums
verbessert sich der Arbeitsmarkt allmählich. Die Zinsen bleiben
niedrig. Der erwartete leichte Anstieg der Inflation 2015 und weltweit leicht anziehende Zinsen deuten auf eine geringe Zunahme
der kurzfristigen Zinsen und der langfristigen Renditen in den nächsten 1-2 Jahren. Dies regt die Kreditnachfrage an; in den letzten Jahren war diese vor allem wegen der vergleichsweise restriktiven Kreditkonditionen für Privathaushalte und Unternehmen verhalten.
Das polnische Bankensystem erwies sich in der internationalen
Krise als durchaus robust, wurde aber vom Schuldenabbau bei den
westeuropäischen Mutterhäusern beeinträchtigt, die die Branche
hier bestimmen. Dank der nachlassenden Eurozonenkrise haben
sich die Kreditkonditionen in den letzten Jahren schrittweise
gelockert. Diese Entwicklung fand auf breiter Front statt, doch wie
aus der jüngsten Erhebung der Zentralbank unter den Geschäftsbanken hervorgeht, wurden die Bedingungen für Eigenheimkredite
in den letzten Quartalen wieder restriktiver. Die Nachfrage nach
Krediten nahm in vielen Bereichen zu, insbesondere bei Verbrau-
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 13
Polen
cherkrediten. Die besseren Aussichten für die polnische Wirtschaft
sind mit Abstand der häufigste Grund, den die Banken für die anhaltende Lockerung ihrer Kreditkonditionen nennen. Dies zeigt,
dass sie die Krise der Eurozone nicht mehr als Hindernis ansehen.
Wie erwartet sind die Investitionsausgaben 2014 angestiegen,
nachdem sie zwei Jahre lang rückläufig waren. Im Jahresvergleich
legten sie im 1. Quartal um vergleichweise kräftige 10,7 % und im
2. Quartal um 8,4 % zu. Bislang lassen sich kaum mehr als nur minimale negative Auswirkungen der Ukrainekrise erkennen, doch
wir erwarten zumindest im 2. Halbjahr eine gewisse Abschwächung der Investitionstätigkeit. Derweil legen verschiedene Faktoren für die nächsten zwei Jahre ein gutes Investitionsklima sowohl in der Privatwirtschaft als auch seitens der öffentlichen Hand
nahe. Die Investitionsquote ist relativ schwach, die Kapazitätsauslastung in der Industrie hoch und die Zinsen sind niedrig. Außerdem sind Polen im EU-Haushalt 2014-2020 neue Strukturfondsmittel zugewiesen; Polen ist größter Empfänger. Nominal erhält es
eine höhere Summe (EUR 105,8 Mrd) als 2007-2013, obwohl die EU
ihren Gesamthaushalt gestrafft hat.
Die Inflation hat seit Mitte 2012, als sie bei über 4 % im Jahresvergleich lag, erheblich nachgelassen. Seit Oktober 2013 beträgt sie
weniger als 1 % und fiel im vergangenen Sommer unter null. Auch
die Herstellerpreise sind gesunken; im EMI des Monats August sank
der Preisindex für Fertigwaren im 21. Monat in Folge. Unsere BIPPrognose unterstellt, dass Polen im nächsten Jahr sein Potenzialwachstum von rund 3 % erreicht, die Teuerungsrate jedoch nur
langsam anzieht und im Schnitt 2015 bei 1,3 % sowie 2016 bei
2,0 % liegt. Die Entgeltzuwächse beschleunigen sich moderat. In
Verbindung mit größerer ökonomischer Aktivität und Basiseffekten
lässt dies die Inflation steigen. Allerdings schließt sich die Outputlücke wegen weiterhin freier Kapazitäten am Arbeitsmarkt erst 2016.
Wir gehen von einer leichten Aufwertung des Zloty aus, die einen
Anstieg der Einfuhrpreise verhindert. Auch weltweit bleibt die Preisinflation schwach; wir erwarten für das nächste Jahr rückläufige
Ölpreise, und bei anderen Rohstoffen dämpft die mäßige weltweite
Nachfrage den Preisanstieg. Kurzfristig drücken die niedrigeren
Obst- und Gemüsepreise in Folge des russischen Einfuhrverbots
die Teuerungsrate.
Während die Inflation stark zurückging, senkte die polnische Nationalbank ihren Leitzins drastisch: von 4,75 % im November 2012
auf rekordverdächtig niedrige 2,50 % im Sommer 2013. Das Protokoll der jüngsten geldpolitischen Sitzung am 3. September, bei der
der Leitzins unverändert blieb, lässt deutlich eine akkommodierende Haltung erkennen. Auch lässt sich die spürbar gewachsene Sorge um das – teilweise durch die Ukraine-Krise bedingte – schwächere Wachstum in Polen und der Eurozone und die viel zu niedrige Inflation herauslesen. Wir rechnen in diesem Herbst mit zwei
Zinssenkungen um 25 Basispunkte auf 2,00 %; die erste dürfte
auf der Sitzung am 8. Oktober beschlossen werden. Eine Senkung
um 50 Basispunkte ist nicht auszuschließen. Wir unterstellen, dass
die Inflation 2015 weiterhin erheblich unter dem Ziel von 2,50 %
liegt, so dass erst 2016 ein geldpolitischer Richtungswechsel und
eine erste Zinserhöhung anstehen.
Die volkswirtschaftlichen Fundamentaldaten Polens sind weiterhin relativ solide. Das Leistungsbilanzdefizit sank aus konjunkturellen und strukturellen Gründen von 5,0 % des BIP 2011 auf 1,3 %
im vergangenen Jahr. Ein Hinweis auf strukturelle Ursachen ist,
14 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Rascher Inflationsrückgang und Leitzinsen
in %, Veränderung zum Vorjahr in %
dass der Marktanteil der Ausfuhren mehrere Jahre lang ordentlich
ausgebaut wurde. Wir rechnen in den nächsten zwei Jahren mit geringfügigen Leistungsbilanzdefiziten (1 bis 2 % des BIP). Die Staatsverschuldung erreichte im letzten Jahr bei 57 % des BIP ihren Höchststand und dürfte ab diesem Jahr bei rund 50 % liegen: unterhalb
des Maastricht-Kriteriums von 60 %. Der umfangreiche Rückgang
der Verschuldung Polens in diesem Jahr ist fast vollständig auf die
Übertragung eines großen Anteils der Vermögen privater Pensionsfonds auf den Staat zurückzuführen. Weitere jährliche Zuweisungen werden folgen. Der staatliche Haushalt wechselte von einem
Defizit von 4,3 % des BIP im letzten Jahr zu einem Überschuss von
rund 5 % in diesem Jahr, wiederum vor allem wegen des „PensionsDeals“. Doch im September dieses Jahres traten neue EU-Regeln
für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung in Kraft (das ESVG
2010 ersetzte das ESVG 95), nach denen solche Übertragungen
nicht mehr möglich sind. Somit wird Polen 2015 wieder ein Haushaltsdefizit ausweisen. Unterstützt durch Konsolidierungsmaßnahmen dürfte das Defizit schließlich rund 3 % des BIP ausmachen,
die Maastricht-Obergrenze für EU-Mitgliedstaaten.
Die Mitte-Rechts-Koalition unter Führung der Bürgerplattform hatte während des letzten Jahres mit sinkendem Rückhalt in der Bevölkerung zu kämpfen. Zu den Ursachen zählen u.a. die vorausgegangenen Sparmaßnahmen, Spannungen in der Partei über bestimmte
Themen und „Waitergate“ (ein Skandal um Minister, deren Gespräche bei Restaurantbesuchen aufgezeichnet wurden). Wir gehen jedoch davon aus, dass die Regierung – seit der Wahl 2011 in ihrer
zweiten Amtszeit – bis zur Wahl im Herbst 2015 hält. Wahrscheinlich profitiert sie von einer allmählichen Besserung der wirtschaftlichen Lage. Der Wechsel an der Regierungsspitze – Ewa Kopacz ersetzte Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rates
wurde – wird nichts an der Ausrichtung der Regierungspolitik
ändern. Ewa Kopacz, frühere Gesundheitsministerin und Parlamentspräsidentin, gilt bei politischen Beobachtern generell als dem
Parteifreund Tusk politisch nahestehend. Das Thema Euro könnte
während unseres Prognosezeitraums durchaus aufgegriffen werden, denn Kopacz gilt als Euro-Befürworterin. Seit einiger Zeit sind
wir der Ansicht, dass die Regierung die Wirtschaft darauf vorbereitet, sich für die Eurozone zu qualifizieren, ohne sich jedoch auf einen
Zeitplan für den Beitritt festzulegen.
Russland
Längere Stagnation
ƒƒ
Ukraine-Konflikt
verschärft strukturelle Schwächen
ƒƒ
Energiesektor unter Druck
ƒƒ
Große Unterstützung in der Öffentlichkeit
für Putin, aber langfristig wachsendes
politisches Risiko
Der Ukraine-Konflikt und die drastisch gestiegenen Spannungen
mit dem Westen fügen der strukturell schwachen Wirtschaft Russlands erheblichen Schaden zu. Nach der Annexion der Krim durch
Moskau und dem Inkrafttreten der ersten vom Westen verhängten
Sanktionen gegen Russland kam es zu enormen Kapitalabflüssen.
In der Folge sank die Bereitschaft in- und ausländischer Unternehmen in Russland zu investieren noch weiter, was den Abwärtstrend
zusätzlich verschärfte. Börse und Währung wurden hart getroffen.
Die Abwertung des Rubel trieb die Inflation in die Höhe und zwang
die Zentralbank zu einer härteren zinspolitischen Gangart. Zugleich
stiegen die Risikoaufschläge für langfristige Anleihen, was die Wirtschaftsleistung weiter schmälerte.
Im Mai und Juni sah es zeitweilig nach militärischer und diplomatischer Entspannung aus, doch der Abschuss einer malaysischen
Passagiermaschine Mitte Juli ließ die Lage wieder eskalieren. Ende
August, als Russland begann, die separatistischen Kräfte in der Ostukraine zunehmend offener zu unterstützen, verschärfte sich der
Konflikt noch weiter. Der Kapitalabfluss beschleunigte sich, der Rubel und die Börse schwächten weiter ab und der Westen sah sich
veranlasst, Moskau mit schärferen Sanktionen zu belegen. Nach
der am 5. September vereinbarten – fragilen – Waffenruhe sind die
harten Kämpfe vom Sommer jedoch etwas abgeflaut.
Russlands Wirtschaft schwächelte schon seit längerem, der UkraineKonflikt hat die Lage noch verschärft. Trotz schwachen Wachstums
ist die Inflation hoch und der Arbeitsmarkt stark (die Arbeitslosen-
Abschwung zieht sich hin
quote fiel unter 5 %): ein deutliches Zeichen, dass der Abschwung
strukturelle Ursachen und keine konjunkturellen hat. Der Abschwung ist vor allem das Ergebnis mangelnder Investitionstätigkeit. Der Grund für die Investitionszurückhaltung ist in den
wohlbekannten strukturellen Problemen zu suchen: schlechtes Geschäftsklima, exzessive Einflussnahme der Regierung auf die Wirtschaft, ungünstige demografische Entwicklung und starke Abhängigkeit von Energieausfuhren. Es herrscht dringender Reformbedarf. Einige Reformschritte wurden bereits gesetzt (z. B. das neue
Haushaltsgesetz und die Festlegung eines Inflationsziels durch die
Zentralbank), doch weitere müssen folgen wenn die im Vergleich
zu anderen Schwellenländern niedrige Investitionsquote steigen
soll. Leider deutet sich jedoch ein Nachlassen der Reformbemühungen an.
Das BIP-Wachstum hat sich seit letztem Jahr verringert. Im ersten
Halbjahr 2014 nahm die Wirtschaftsleistung im Jahresvergleich nur
um 0,8 % zu, im Gesamtjahr 2013 waren es noch 1,3 %. Wirtschaftsindikatoren wie die Stimmungsbarometer für Einkaufsmanager und
Verbraucher sind so niedrig wie nie und deuten eher auf Stagnation
denn auf Erholung hin. Das ohnehin schlechte Wirtschaftsklima
hat sich weiter eingetrübt. Die Wirtschaftssanktionen des Westens
verursachen große Unsicherheit und senken die Investitionsbereitschaft der Unternehmen noch weiter. Im August gingen die Investitionen im Jahresvergleich auf 3 % zurück. Die geringe Investitionsneigung findet ihren Widerhall in der holprigen Entwicklung der
Industrieproduktion. Der Export schwächelt, dürfte aber von der
Abwertung des Rubel etwas profitieren. Derweil ist der Ölpreis in
den letzten Monaten gefallen und dürfte im kommenden Jahr noch
weiter sinken. In den letzten Jahren erwies sich der private Konsum als wichtigster Wachstumstreiber, doch auch er schwächt
sich jetzt ab. Der Einzelhandel meldet seit einigen Monaten deutlich rückläufige Umsätze und Zuwachsraten unter denen von 2013.
Der Hauptgrund sind geringere Reallohnsteigerungen.
Geringere Zuwachsraten im Einzelhandel
Veränderung zum Vorjahr in %
BIP, Quartalswerte, Veränderung zum Vorjahr in %
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 15
Russland
Der Westen verhängte Sanktionen, die er mehrfach verschärfte. Die
Sanktionen der EU haben mittlerweile die höchste Stufe (Stufe 3)
des Aktionsplans erreicht. Zunächst richteten sich die Maßnahmen
nur gegen einzelne Personen (Einreiseverbote und Einfrieren von
Konten) und Unternehmen. Die verschärften Sanktionen sollen nun
in größerem Umfang den Finanz-, Energie- und Verteidigungssektor treffen. Konkret wird ausgewählten Banken und Unternehmen
der Zugang zum europäischen und US-amerikanischen Kapitalmarkt
verwehrt und die technologische Zusammenarbeit von EU und USA
mit großen russischen Ölfirmen ist auf Eis gelegt. Die Sanktionen
sind eindeutig so angelegt, dass russische Energielieferungen nach
Europa nicht tangiert sind. Trotz dieser Eskalation sind die direkten Auswirkungen der Sanktionen auf das Wirtschaftswachstum bislang relativ überschaubar, wenngleich einzelne Unternehmen sie schmerzhaft spüren werden. Die stärkste Wirkung ist
eine indirekte: die Sanktionen erhöhen die Unsicherheit in Bezug
auf die künftigen Entwicklungen in Russland und nähren Spekulationen über mögliche weitere Verschärfungen. Darüber hinaus
bremsen sie die ohnehin schwache Investitionsbereitschaft und
tragen so zur weiteren Abschwächung des Wachstums bei. Wir gehen davon aus, dass die aktuellen Sanktionen, einschließlich
der von Russland verhängten Einfuhrsperre für Nahrungsmittel, 2015 in Kraft bleiben, aber nicht weiter verschärft werden.
Ferner erwarten wir keine wesentlichen Einschränkungen der
russischen Energielieferungen nach Europa. Beide Seiten haben
kein Interesse an einem ausgedehnten Handelskrieg, denn der Aufschwung in der Eurozone ist noch nicht gefestigt und Russlands
Wirtschaft sehr schwach.
Solange der Ukraine-Konflikt nicht eskaliert und die Sanktionen
nicht weiter verschärft werden, bricht das Wachstum in Russland
u. E. nicht ein. Denkbar ist ein Rückgang der Investitionen 2015;
der schwache Rubel und die stärkere Auslandsnachfrage könnten
die Wirtschaft dank der sich daraus ergebenden höheren Nettoausfuhren in gewissem Umfang stützen. Wir prognostizieren ein
BIP-Wachstum von 0,4 % 2014 und 0,2 % 2015. 2016 sehen
wir Potenzial für eine zaghafte Erholung und erwarten daher
ein BIP-Wachstum von 1 %. Unsere Einschätzung liegt unter der
allgemeinen Erwartung. Wenn der Westen seine Sanktionen aufhebt, sehen wir Chancen für ein rascheres Wachstum.
Nach seiner Abwertung 2013 verlor der Rubel weiter an Wert.
Seit Jahresbeginn büßte er gegenüber dem USD 20 % ein und ist
derzeit die schwächste Währung aller Schwellenländer. In jüngerer
Zeit schwächte er noch weiter ab; die geopolitischen Ereignisse, sinkende Ölpreise und die Zurückhaltung der Zentralbank drückten
ihn auf ein Rekordtief.
Rubel auf Talfahrt
Realer effektiver Wechselkurs (re.)
Trotz des Wertverlusts ist der reale effektive Wechselkurs des Rubel
nach wie vor höher als vor fünf oder sechs Jahren; dies schadet der
Wettbewerbsfähigkeit Russlands. Wir halten den Rubel immer noch
für überbewertet und gehen davon aus, dass er weiter abwertet.
Langfristig betrachtet sind die Verschlechterung der Leistungsbilanz, schwache Wachstumsaussichten und Kapitalflucht als Ursache für den Verfall des Rubel erkennbar. Wir sehen den Kurs des
Rubel zum USD Ende 2014 bei 40,2 und Ende 2015 bei 43,0;
Ende 2016 liegt er bei 40,0.
Die Inflation stieg von 6 % Anfang 2014 auf 8,1 % im September.
Dies ist großenteils auf die Abwertung des Rubel und die daraus
folgende Verteuerung der Importgüter zurückzuführen. Der Preisanstieg für Nahrungsmittel infolge der von Moskau verhängten Einfuhrsperre treibt die Inflation ebenfalls in die Höhe. Die Zentralbank
sah sich gezwungen, ihr Inflationsziel anzupassen. Wir glauben
nicht, dass das mittelfristige Inflationsziel von 4 % während unseres Prognosezeitraums erreichbar ist. Der Verfall des Rubel und die
Einfuhrsperre für Nahrungsmittel veranlassen uns, unsere Inflationsprognose gegenüber dem Frühjahr anzuheben. Wir erwarten nun
für 2014 eine Inflation von 7,4 %. 2015 verringert sich die Teuerungsrate auf 6,5 % und 2016 auf 5,5 %.
Rubel-Abwertung treibt Inflation in die Höhe
Veränderung zum Vorjahr in %
Die Zentralbank bereitet weiterhin die Freigabe der Wechselkurse
und die Festlegung von Inflationszielen 2015 vor, allerdings in einem sehr schwierigen Umfeld mit steigender Inflation, rückläufigen
Wachstumsraten und unruhigen Finanzmärkten. Seit Februar 2014
hat sie den Leitzins um 250 Basispunkte angehoben, auf derzeit
8 %. Ein gewichtiger Grund für diesen Schritt ist der Versuch, den
Kapitalabfluss einzudämmen. Allein im 1. Halbjahr 2014 flossen
ca. 75 Mrd. USD aus dem Land heraus; im Gesamtjahr 2013 waren
es 60 Mrd. USD. Im 2. Quartal verlangsamte sich der Kapitalabzug
etwas, doch im 3. Quartal beschleunigte er anscheinend wieder.
Dank der vorhandenen enormen Währungsreserven und der niedrigen Schulden der Zentralregierung droht Russland dennoch keine
akute Leistungsbilanzkrise. Mit der Erhöhung des Leitzinses soll
auch der Abschwächung des Rubel und der daraus resultierenden
Verteuerung der Importe begegnet werden. Die Vorgehensweise
der Zentralbank zeigt ihre Absicht, die Inflation einzudämmen und
ihren Verlautbarungen sind keine Pläne zu entnehmen, die Wirtschaft mithilfe einer lockereren Geldpolitik anzukurbeln. Wir glauben, dass der Leitzins bis zum Jahresende auf seinem jetzigen
Stand von 8 % bleibt. 2015 wird er um weitere 50 Basispunkte
erhöht. Gegen Ende 2015 dürfte eine vorsichtige Lockerung der
Geldpolitik einsetzen.
Russlands Bankensystem ist stabil; angesichts der aktuellen, allgemeinen Unruhe an den Finanzmärkten ist dies von großem Vor-
16 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Russland
teil. Die Banken verfügen über ausreichend Kapital und der Anteil
fauler Kredite in ihren Bilanzen ist mit ca. 6% relativ niedrig. Der
rasante Anstieg der Verbraucherkredite – eines der größten systemischen Risiken – hat sich entschleunigt und der kurzfristige Refinanzierungsbedarf der Banken ist nicht besonders groß. Zudem
hat die Zentralbank ihre Finanzaufsicht verschärft. Dennoch schafft
der Wachstumsrückgang in Verbindung mit den Folgen der Sanktionen und höheren Zinsen Probleme. Die Sanktionen des Westens
gegen einige ausgewählte russische Banken machen es diesen
praktisch unmöglich, Geld im Ausland aufzunehmen; dementsprechend knapp wird Liquidität in USD, was zur Abwertung des
Rubel beiträgt. Außerdem besteht eindeutig Reformbedarf. Der
Markt wird von einer Handvoll staatseigener Banken beherrscht
und dem System mangelt es an Tiefe – bezogen auf das BIP ist das
Kreditvolumen gering; zudem tut es sich im Allgemeinen schwer,
Spareinlagen in produktive Investments zu kanalisieren.
Niedrigere Ölpreise
bringen den Energiesektor unter Druck
sich 2016 auf 1,0 % erhöhen. Dank seiner hohen Währungsreserven kann Russland die Verschlechterung seiner Leistungsbilanz
jedoch verkraften, ohne in eine akute Krise abzugleiten.
Niedrigere Ölpreise bringen den Energiesektor, der bereits seit
einiger Zeit mit großen Problemen kämpft, unter Druck. Die Gesamtproduktion an Öl und Gas stagniert. Viele Gas- und Ölfelder in Russland sind alt und die dortigen Fördermengen sinken. Wie
in allen anderen Branchen wurde auch hier viel zu wenig investiert.
Hinzu kommen weitere Probleme: Bei der sogenannten „Schiefergasrevolution“ hinkt Russland hinterher und der Sektor ist in der
Hand weniger großer, staatseigener Betriebe (in erster Linie Gazprom und Rosneft), die wenig geeignet sind, den Bedarf an Investitionen und neuen Technologien zu decken. Deshalb hat Russland
die Kooperation mit ausländischen Energieunternehmen gesucht.
Stagnierende Fördermengen bei Öl und Gas
Jahreswerte
Nach einem Höchststand von 115 USD/Barrel im Juni sind die Ölpreise unter 100 USD/Barrel gefallen. Wir schätzen, dass der Ölpreis
(Rohöl der Sorte Brent) aufs Jahr hochgerechnet 2014 bei 105 USD/
Barrel liegt. Die SEB hat ihre Ölpreisprognose für 2015 drastisch
gesenkt: Wir erwarten 2015 einen Preis von 85 USD/Barrel und
2016 von 90 USD/Barrel. Ein Preis von 100 USD/Barrel ist vor
allem deswegen nicht zu halten, weil die Nachfrage aus Europa
und China sinkt. Zudem fördern die USA immer mehr Schieferöl,
was ebenfalls dazu beiträgt, den Ölpreis zu drücken.
Fallende Ölpreise sind schlecht für die nach wie vor stark vom Öl
abhängige russische Volkswirtschaft. Um aus der Abhängigkeit
von Energieexporten herauszukommen wäre eine Diversifizierung
dringend nötig, doch ernsthafte Bemühungen in diese Richtung
sind derzeit nicht erkennbar. Öl macht ca. 60 % der russischen Ausfuhren und über die Hälfte der Haushaltseinnahmen aus. Schwankungen des Ölpreises haben gravierende Auswirkungen, insbesondere auf den Export und die Steuereinnahmen. Derzeit benötigt
Russland einen Ölpreis von ca. 105 USD/Barrel, um einen ausgeglichen Staatshaushalt vorweisen zu können; 2007 reichten dafür
40 USD/Barrel. Unser Eindruck ist, dass sich die Regierung mit dem
rapiden Anstieg der Ausgaben des föderalen Haushalts in den
letzten Jahren ernsthaft auseinandersetzt und daher keine Lockerung ihrer Fiskalpolitik plant, solange das Wachstum nicht deutlich
heftiger zurückgeht als von uns prognostiziert.
Russlands Ölpreisprognose für 2015 liegt deutlich über der Einschätzung der SEB: 100 USD/Barrel gegenüber 85 USD/Barrel. Bestätigt sich unsere Annahme, halten wir es für noch unwahrscheinlicher, dass die russische Regierung ihre Fiskalpolitik in Reaktion
auf einen weiteren Wachstumsrückgang lockert. Die Abschwächung
des Rubel hat haushaltstechnisch einen positiven Effekt, denn er
erhöht die Öleinnahmen des Staates in Landeswährung. Allerdings
reicht er nicht aus, um den Rückgang der Wirtschaftsleistung völlig
auszugleichen. Wir gehen davon aus, dass der föderale Haushalt
in diesem Jahr ausgeglichen ist. 2015 erwarten wir ein Haushaltsdefizit im Umfang von 1 % des BIP, das sich 2016 auf 1,5 %
erhöht. Zudem dürften niedrigere Ölpreise die erwartete Umkehr
der Leistungsbilanz ins Negative beschleunigen. Wir glauben, dass
die Leistungsbilanz 2014 einen Überschuss von nur noch 0,5 %
des BIP aufweist und 2015 ein Defizit von 0,5 %; letzteres dürfte
Neben stagnierenden Fördermengen kämpft die Energiebranche
auch mit sinkender Nachfrage. Die zunehmenden Spannungen mit
Moskau veranlassen den Westen, sich nach Alternativen umzusehen,
die seine Abhängigkeit von russischem Erdgas verringern. U. a. strebt
er eine Erhöhung der Bezugsmengen aus anderen Ländern an. Die
Ukraine bemüht sich ebenfalls, der langfristigen Abhängigkeit von
russischen Gaslieferungen zu entkommen und hat eine Vereinbarung mit Royal Dutch Shell über die Erschließung von Schiefergasvorkommen geschlossen; diese Maßnahmen brauchen jedoch Zeit,
so dass die EU ebenso wie die Ukraine vorerst weiterhin auf russisches Gas angewiesen sind.
Der Westen hat es vermieden, seine Sanktionen auf den russischen
Gassektor und russische Gaslieferungen auszudehnen. Westlichen
Firmen wurde jedoch untersagt, der russischen Ölindustrie Technologie und Dienstleistungen zu liefern. Kurzfristig hat diese Sperre
kaum Auswirkungen, langfristig kann sie jedoch erhebliche Probleme verursachen. Einige solcher Fälle gibt es schon jetzt. So ist
beispielsweise die US-amerikanische Ölfirma Exxon dabei, sich aus
der geplanten Zusammenarbeit mit Rosneft zur Erschließung von
Ölfeldern in der Arktis zurückzuziehen. Ohne Möglichkeit der Kooperation mit ausländischen Unternehmen im Bereich Technologie
und Finanzierung wird es die russische Energiebranche ungleich
schwerer haben, den Abbau von Schieferölvorkommen und die Erschließung neuer Ölfelder in unzugänglicheren Regionen wie der
Arktis voranzutreiben.
Eine Neuorientierung nach Osten in Richtung China bietet keine einfache Lösung, denn China ist bei der Fracking-Technologie ebenfalls im Rückstand und kämpft mit ähnlichen Schwierigkeiten wie
Russland. Zudem können weder China noch der Rest von Asien
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 17
Russland
die europäische Nachfrage nach Gas in absehbarer Zeit ersetzen.
Daran ändert die Tatsache nichts, dass Gazprom mit dem chinesischen Energieunternehmen CNPC im Mai ein Lieferabkommen für
russisches Gas mit einer Laufzeit von 30 Jahren unterzeichnet hat.
Der wirtschaftliche Nutzen dieses Abkommens für Russland bleibt
begrenzt, denn die jährlichen Liefermengen sind relativ gering und
der vereinbarte Preis liegt deutlich unter demjenigen, den europäische Abnehmer an Gazprom zahlen. Das Abkommen hat daher vor
allem symbolischen Wert, doch es zeigt klar die Absicht Russlands,
in Asien neue Absatzmärkte zu erschließen.
sehr beunruhigt. Der Westen reagierte vor allem mit Sanktionen,
die schrittweise verschärft wurden, und in gewissem Umfang auch
mit der Erhöhung seiner militärischen Bereitschaft. Dies scheint
Moskau jedoch nicht sonderlich zu beeindrucken. Präsident Wladimir Putin ist offenbar bereit, im Interesse seiner sicherheitspolitischen Ziele einen hohen wirtschaftlichen Preis und diplomatische
Isolation in Kauf zu nehmen.
Insgesamt ist schwer ersichtlich, wie es Russland gelingen könnte,
seine Gas- und Ölproduktion zu steigern. Am wahrscheinlichsten
dürfte sein, dass die Fördermengen in den nächsten zwei bis drei
Jahren gleich bleiben und dann allmählich sinken. Schwache
Wachstumsperspektiven des Energiesektors dürften das BIPWachstum langfristig behindern.
Der Ukraine-Konflikt hat Präsident Putins Popularität enorm gesteigert. Breite Teile der Bevölkerung heißen die Annexion der Krim gut
und die überwiegende Mehrheit der Russen unterstützt seine Haltung im Ukraine-Konflikt. Die vom Westen verhängten Sanktionen
treffen den Mann auf der Straße kaum, doch die von Moskau selbst
verhängte Einfuhrsperre für Nahrungsmittel wird auch dort spürbar sein, denn einige importierte Güter werden aus den Ladenregalen verschwinden und die Inflation könnte infolge des Embargos
steigen. Die Sanktionen und die gestiegene Spannung scheinen
indes die Bevölkerung gegen den Westen aufzubringen und Putin
zusätzlich zu stärken, zumindest kurzfristig. In Umfragen liegen
Putins Popularitätswerte bei 80-90 %, deutlich höher als vor
der Ukraine-Krise; damals lagen sie stabil bei ca. 60 %.
Besorgniserregende Verhärtung
der Außenpolitik
Im Zuge des Ukraine-Konflikts wurde deutlich, welche Ziele Moskau
verfolgt. Wie wir bereits früher vermuteten, will Moskau die Ukraine
stärker in seinen Einflussbereich ziehen und eine engere Anbindung
Kiews an den Westen verhindern. Als letztes Frühjahr Präsident Viktor Janukowitsch durch eine westlich orientierte Regierung abgelöst wurde, verlor Russland einen Großteil seines Einflusses auf die
Ukraine. Wir glauben, dass Russland eine Föderalisierung der
Ukraine erzwingen will, um sich auf diese Weise mehr Einfluss
auf deren Entwicklung zu sichern und es Kiew zu erschweren, sich
der EU stärker anzunähern. Das bestätigt unsere Einschätzung, dass
der Konflikt zwischen Moskau und der Kiew sowie die Unruhe
im Osten der Ukraine noch lange nicht beendet sind. Da Schritte in Richtung Föderalisierung der Ukraine unternommen wurden
– Pläne für eine größere Eigenständigkeit der beiden Regionen im
äußersten Osten der Ukraine – dürfte Moskau mit der Entwicklung
des Konflikts zufrieden sein. Daher wird Moskau die Einhaltung der
Waffenruhe – eine Vorbedingung für die Aufhebung der westlichen
Sanktionen gegen Russland – bis auf weiteres unterstützen.
Die Haltung Moskaus in der Ukraine-Krise steht beispielhaft für die
Verhärtung der russischen Außenpolitik. Russland übt zeitgleich
diplomatischen, militärischen und wirtschaftlichen Druck aus, um
auf verschiedene Weise Einfluss in den angrenzenden Staaten zu
gewinnen und die eigene Sicherheitslage zu verbessern. Russland
hat auf die Sanktionen des Westens mit Gegensanktionen geantwortet. So verhängte Moskau am 7. August eine einjährige Einfuhrsperre für Nahrungsmittel aus Ländern, die sich an den Sanktionen beteiligen. Erwogen wurde auch ein Verbot der Nutzung des
russischen Luftraums für ausländische Fluggesellschaften, doch
so weit kam es nicht. Eine andere Maßnahme könnte einzelne ausländische Unternehmen hart treffen: Moskau bereitet ein Gesetz
vor, das die Enteignung ausländischen Vermögens in Russland ermöglichen soll. Dahinter steht der Gedanke, auf diesem Weg russische Bürger und Unternehmen zu entschädigen, deren Vermögen
im Ausland eingefroren wurde. Es ist jedoch ungewiss, ob dieses
Gesetz angewendet wird; klar erkennbar ist allerdings die Tendenz,
die Gangart gegenüber den in Russland tätigen ausländischen
Unternehmen zu verschärfen.
Die Vorgehensweise Moskaus hat zu starken Spannungen mit dem
Westen geführt. Etliche an Russland angrenzende Staaten sind
18 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Kurzfristig mehr Rückhalt für Putin,
doch langfristig nimmt politisches Risiko zu
Derzeit gibt es keine ernstzunehmenden Alternative zu Putin und
die politische Opposition ist zersplittert. Derweil weitet die Regierung die Kontrolle über die Medien aus. Ein Gesetzentwurf, der ausländische Beteiligungen an russischen Medienunternehmen auf
maximal 20 % begrenzt, wird die Duma wahrscheinlich passieren,
und die Kontrolle des Internets wird verschärft. Bis zu den nächsten Wahlen (zur Staatsduma Ende 2016 und die Präsidentenwahl
2018) ist es noch weit hin. Im Großen und Ganzen sehen wir kurzfristig ein nur geringes innenpolitisches Risiko.
Auf etwas längere Sicht zeichnet sich aber erhebliche politische
Unsicherheit ab. Ungeachtet seiner jüngst gestiegenen Popularität
glauben wir weiterhin, dass Putins Rückhalt in der Bevölkerung
mit der Zeit schwinden wird; es ist kaum denkbar, dass es ihm
gelingen könnte, die derzeit außerordentlich breite Unterstützung
auf Dauer aufrecht zu erhalten. In den Jahren 2000-2012 verbesserte sich der Lebensstandard in Russland zusehends; das BIP pro
Kopf verdoppelte sich annähernd. Doch die Perspektive langfristigen schwachen Wirtschaftswachstums bedeutet auch, dass die
Zeit rasch steigender verfügbarer Haushaltseinkommen endet und
der Lebensstandard stagnieren wird. Putin wird wahrscheinlich
weiterhin versuchen, nationalistische Gefühle zu wecken, um von
der schwachen Wirtschaft abzulenken. Die Frage ist, ob diese Strategie auch langfristig greift. Denkbar wäre, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wieder zunimmt, sobald die Euphorie um
die Annexion der Krim verflogen ist und innenpolitische Probleme
erneut in den Vordergrund rücken. Dann entstünde Raum für eine
politische Opposition.
Die für die künftige politische Entwicklung alles entscheidende Frage lautet: Was macht Putin? Wie lange will er weitermachen? Wer
kommt nach ihm und wie wird die Übergabe vonstattengehen?
Bisher deutet nichts darauf hin, dass Putin aus der Politik auszusteigen beabsichtigt und wir glauben, dass er sich 2018 erneut zur
Wahl stellen wird.
Ukraine
Tiefe Rezession – langer Weg zurück
ƒƒ
Ukraine wird zur Föderalisierung gedrängt
ƒƒ
Hilfskredite verringern Gefahr
einer Leistungsbilanzkrise
ƒƒ
Schwache Hrywnja
belastet Haushalte und Banken
Im Osten der Ukraine, wo seit dem Sommer Kämpfe zwischen Armee und Separatisten toben, herrscht derzeit eine fragile Waffen
ruhe. Die politische Lage ist weiterhin schwer einzuschätzen und
der wirtschaftliche Abschwung hat sich beschleunigt. Finanzielle
Hilfe von Seiten des IWF und der EU versetzt Kiew in die Lage, seine
Auslandsverbindlichkeiten zu erfüllen; dies mindert die Gefahr einer
Zahlungsunfähigkeit, kann jedoch nicht den drastischen Rückgang
von Industrieproduktion, Investitionen und Einzelhandelsumsätzen
auffangen. Trotz drastischer Abwertung der Hrywnja reichen die
Ausfuhren nicht aus, um die schwache Inlandsnachfrage auszugleichen. Im Jahresvergleich hat sich der BIP-Rückgang im 2. Quartal
2014 auf 4,6 % beschleunigt; im 3. Quartal dürfte er aufgrund der
heftigen Kämpfe im Osten des Landes, wo die meisten Industrieanlagen angesiedelt sind, noch deutlicher sein. 2014 erwarten wir
einen BIP-Rückgang um 8,0 %, 2015 Nullwachstum und 2016
einen schwachen Anstieg des Wachstums auf 2,0 %.
Im August sah es so aus, als würde die ukrainische Armee die Separatisten besiegen, doch die Situation kehrte sich rasch um als Russland begann, die Separatisten offener zu unterstützen. Eine militärische Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Stattdessen sieht sich die
Ukraine gedrängt, dem Osten mehr Autonomie zuzugestehen, um
eine politische Lösung des Konflikts zu ermöglichen. Mitte September verabschiedete das ukrainische Parlament ein Gesetz, das den
Regionen um Donezk und Luhansk für einen Zeitraum von drei Jahren nach den Regionalwahlen vom 2. November 2014 mehr Autonomie einräumt.
Dieses Gesetz ist wahrscheinlich ein erster Schritt in Richtung Föderalisierung. Die Waffenruhe verhindert viel menschliches Leid
und materielle Zerstörung, aber die Föderalisierung des Landes
verschafft Russland Einfluss, der es ihm ermöglicht, die Bemühungen der Ukraine um eine Annäherung an den Westen und die EU
zu blockieren oder erheblich zu erschweren. Der Preis, den die Regierung für die Waffenruhe zahlen muss, ist somit ein deutlicher
Kontrollverlust über den Osten des Landes. Unser Hauptszenario
ist, dass die Regierung in Kiew einer stärkeren Föderalisierung zustimmt und es im Osten keine weitere Großoffensive
gibt. Mehr Autonomie für die Ostukraine spricht für unsere Annahme, dass der Konflikt zwischen Moskau und Kiew noch lange
nicht zu Ende ist. Wenn die Waffenruhe hält, besteht die Chance,
dass sich die wirtschaftliche Lage 2015 stabilisiert und 2016 ver-
haltenes Wachstum einsetzt. Die langfristigen Wachstumsaussichten werden jedoch durch die Föderalisierung schlechter.
Am 26. Oktober wählt die Ukraine ein neues Parlament. Der
Ausgang der Wahl ist ungewiss. Weite Teile der Bevölkerung waren
für eine militärische Niederschlagung der Separatismus-Bewegung
in der Ostukraine. Eine politische, mit Föderalisierung einhergehende Lösung könnte dazu führen, dass die nationalistischen Kräfte
die Mehrheit im Parlament gewinnen. Dies könnte die Spannungen
mit Russland verschärfen, aber auch die Durchführung unpopulärer Wirtschaftsreformen in Frage stellen.
Das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU
wurde derweil vom Europäischen Parlament verabschiedet und von
der Werchowna Rada, dem ukrainischen Parlament, ratifiziert. Es
tritt zunächst nur provisorisch in Kraft, da formal noch alle 28 EUMitgliedsstaaten zustimmen müssen. Dem Abkommen kommt eine
bedeutende Rolle zu, denn es öffnet den Weg für Dialog und Zusammenarbeit und zwingt die Ukraine, Reformen durchzuführen.
Der Freihandelsteil tritt aber erst Ende 2015 in Kraft; die Verschiebung ist eine Konzession an Moskau; sie soll den Friedensprozess
unterstützen und einen totalen Handelskrieg mit Russland verhindern. Außerdem bleibt den ukrainischen Unternehmen so etwas
mehr Zeit, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, bevor die
Zollschranken für Einfuhren aus der EU fallen.
Hohes Leistungsbilanzdefizit schrumpft,
Währungsreserve ist weiterhin besorgniserregend
niedrig
Der IWF und die EU gewähren Kiew eine Finanzhilfe i. H. v. 30 Mrd.
USD mit einer Laufzeit von zwei Jahren; damit hat sich die Gefahr
einer akuten Leistungsbilanzkrise erheblich verringert. Die erste
Tranche wurde im Mai ausgezahlt. Kiew senkte die Gaspreis-Subventionen, doch davon abgesehen kommen die Wirtschaftsreformen nicht so recht in Gang. Der IWF warnte aber bereits, die gewährte Hilfe könnte noch nicht ausreichend sein. Die Steuereinnahmen sind infolge der sich beschleunigenden Rezession, der
Eskalation des Konfliktes im Sommer und der Kämpfe in der Ostukraine stark eingebrochen. Das Bruttoinlandsprodukt geht deutlicher
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 19
Ukraine
zurück als vom IWF angenommen. Die Lage der Ukraine bleibt sehr
ernst. Die Währungsreserven sind nach wie vor besorgniserregend
niedrig und die Zentralbank ist gezwungen, einen sehr straffen geldpolitischen Kurs zu fahren, um den Abfluss von Kapital und eine
weitere Schwächung der Hrywnja zu verhindern. Seit Jahresbeginn
hat sie den Leitzins um 6 Prozentpunkte auf 12,50 % angehoben.
Wir glauben, dass IWF und EU die zugesagten Kredite in weiteren Tranchen auszahlen. Angesichts der schwierigen politischen
Lage, in der sich die Ukraine befindet, sind sie darüber hinaus wahrscheinlich bereit, ihre Finanzhilfen im Bedarfsfall aufzustocken.
Das Defizit in der Leistungsbilanz ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich geschrumpft: 2013 entsprach es noch ca. 9 % des BIP, 2014 erwarten wir ca. 3 % des BIP. Diese Entwicklung ist das Ergebnis der
kräftigen Währungsabwertung und gesunkener Gasimporte; letzteres ließ die Handelsbilanz von einem deutlichen Minus in ein kleines Plus drehen. Der Export war trotz des Verfalls der Hrywnja
schwach, denn ukrainische Stahlprodukte waren im Ausland wenig
gefragt und der Export nach Russland, der normalerweise ein Viertel der Gesamtausfuhren ausmacht, brach aufgrund des Wachstumsrückgangs in Russland und neuer Handelsbarrieren ein. Die
Verbesserung der Handelsbilanz ist somit in erster Linie auf eine
erhebliche Drosselung der Einfuhren zurückzuführen. Wir erwarten
jedoch, dass der Währungseffekt 2015 zu einer allmählichen Erholung der Exporte beiträgt.
Seit die Ukraine die Bindung ihrer Währung an den USD im Februar
aufgab, verfiel die Hrywnja zusehends; Ende August erreichte sie
bei 14 zum USD vorübergehend einen neuen Tiefstand. Seit Jahresbeginn hat sie fast 40 % eingebüßt. Die größte Bedrohung für die
Hrywnja ist politischer Art und steht im Zusammenhang mit dem
Konflikt mit Russland und der Gefahr von Zahlungsunfähigkeit. Die
Kapitalkontrollen der Zentralbank bieten zwar einen gewissen Schutz,
können die Auswirkung der tiefgreifenden geopolitischen Erschütterungen jedoch nicht auffangen. Wir sehen die UAH Ende 2014
bei 13,0 und Ende 2015/2016 bei 14,0.
Die Abwertung der Hrywnja ließ die Inflation erwartungsgemäß in
die Höhe schießen. 2012 und 2013 lag die Teuerungsrate meist bei
null, im August 2014 betrug die Inflation im Vergleich zum Vorjahr
mehr als 14 %. Neben der deutlichen Verteuerung von Importgütern infolge der schwachen Hrywnja schob auch die Absenkung der
Gas-Subventionen die Inflation kräftig an. Im Jahresdurchschnitt
beträgt die Inflation 2014 10,0 % und verringert sich dann auf
7,5 % 2015 und 6,0 % 2016.
Durch den Verfall der Hrywnja und den Rückgang der Wirtschaftsleistung gerät das Banksystem stark unter Druck. Der hohe Anteil
an Krediten und Vermögenswerten in Fremdwährung belastet die
Banken. Ca. 37 % der ausstehenden Kredite lauten auf Fremdwährung. Nachfrage- und Angebotsfaktoren beeinträchtigen das Kreditwachstum; Privathaushalte und Unternehmen nehmen weniger
Kredite auf und die Kapitalquoten der Banken haben sich infolge
der schwachen Hrywnja verschlechtert. Der schon jetzt hohe Anteil
fauler Kredite (ca. 40 %) droht noch weiter zuzunehmen. Entsprechend gefährdet sind Banken des Privatsektors, zumal kaum Aussicht auf Hilfe seitens der Regierung oder der Zentralbank besteht.
Die Haushalte stehen von mehreren Seiten unter Druck. Politische und wirtschaftliche Unsicherheit dämpfen die Konsumlaune,
hohe Inflation verbunden mit einem erheblichen Rückgang der
20 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
nominalen Lohn- und Gehaltszuwächse schmälern die Reallöhne.
Zudem verteuert der Verfall der Hrywnja Finanzierungen in Fremdwährung (75 % der Wohnbaudarlehen sind in USD denominiert).
Diese Faktoren spiegeln sich in seit Monaten deutlich rückläufigen
Einzelhandelsumsätzen wider. Trug der private Konsum in früheren
Jahren zum Wachstum bei, so leistet er dieses Jahr einen deutlichen Negativbeitrag zum BIP-Wachstum.
Inflationsdruck bremst Einzelhandel
Veränderung zum Vorjahr in %
Auch die verarbeitende Industrie schwächelt erheblich. Der Konflikt mit Russland hat schon lange vorhandene Probleme im wichtigen Stahlsektor und das schlechte Geschäftsklima weiter verschlechtert. Die Kämpfe in der Ostukraine wirken sich sehr negativ
auf die schon vorher schwache verarbeitende Industrie aus. So
weisen z. B. die Statistiken für die hart umkämpfte Region Luhansk
für den Monat August einen Rückgang der Industrieproduktion
um 85 % gegenüber dem Vorjahr aus. Über die Hälfte der Industrieproduktion ist in den fünf östlichsten Regionen der Ukraine
(Dnipropetrowsk, Donezk, Charkiw, Luhansk und Saporischschja)
angesiedelt; hier wird mehr als ein Drittel des BIP erwirtschaftet.
Unruhen in dieser Region haben daher großen Einfluss auf die
Wirtschaftsleistung. Im August lag die gesamte Industrieproduktion der Ukraine mehr als 20 % unter Vorjahresniveau.
Die Frage, wie es politisch weitergeht, beeinträchtigt auch das Investitionsklima; im 2. Quartal wurde fast 20 % weniger investiert
als im Jahr davor.
Lange Jahre stand die Ukraine wegen ihrer großen Abhängigkeit
von russischen Erdgaslieferungen unter starkem Einfluss Moskaus.
Im Juni 2014 endeten die Gaspreisverhandlungen zwischen beiden
Ländern in einer Sackgasse. Russland stoppte seine Lieferungen
und forderte, dass die Ukraine weiterhin im Voraus zahlen soll. Zwar
sind die Schätzungen nicht einheitlich, doch die Gasreserven der
Ukraine dürften bis Ende 2014 ausreichen, vorausgesetzt Herbst
und Winter sind nicht ungewöhnlich kalt. Sollte das Gas dennoch
knapp werden, wäre vor allem die verarbeitende Industrie betroffen, denn Privathaushalte haben bei der Versorgung Vorrang. Doch
Kiew und Moskau scheinen auf eine Zwischenlösung zuzusteuern,
die das Gas wieder fließen lässt. Demnach wird die Ukraine für
weitere Lieferungen 385 USD pro Tausend Kubikmeter im Voraus
zahlen und damit beginnen, noch offene Gasrechnungen zu begleichen. Sobald letzteres der Fall ist, dreht Russland den Gashahn
wieder auf.
Thema: Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU)
Die Ukraine durchkreuzt Russlands Pläne
für eine Eurasische Wirtschaftsunion
ƒƒ
EAWU soll Gegengewicht zur EU sein,
hat aber kaum Mitglieder
ƒƒ
Anbindung der Ukraine an den Westen
ist trotz Assoziierungsabkommen mit der EU
nicht gesichert
ƒƒ
Russland wird weiter versuchen, die Integration
der Ukraine in den Westen zu behindern
Um seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu festigen, plant Moskau die Errichtung einer Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) zum 1. Januar 2015.
Russlands Präsident Wladimir Putin wollte – und will nach wie vor –
die Ukraine in die EAWU einbinden, doch den Präsidenten der Ukraine und einen großen Teil der Bevölkerung zieht es eher in Richtung
Europäische Union.
Am 16. September 2014 ratifizierte das ukrainische Parlament (Werchowna Rada) das vom europäischen Parlament verabschiedete
Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine. In
der Pressemitteilung des Europäischen Parlaments heißt es: „Die
Vereinbarung sieht eine politische Assoziation und wirtschaftliche
Integration zwischen der Ukraine und der EU vor und gewährt gegenseitigen ungehinderten Marktzugang.“ Das Abkommen tritt zunächst nur provisorisch in Kraft, denn es muss noch von allen EUMitgliedsländern ratifiziert werden, was einige Jahre dauern kann.
Der Freihandelsteil sollte ursprünglich ab November 2014 in Kraft
treten, doch die Ukraine und Russland einigten sich am 12. September darauf, den Termin auf den 31. Dezember 2015 zu verschieben.
Das Assoziierungsabkommen ist eine wichtige Etappe auf dem Weg
zur stärkeren Integration der Ukraine in die europäische Union und
den Westen. Der plötzliche Entschluss von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch im November 2013, das Abkommen nicht zu unterzeichnen, gab den Anlass für heftige und blutige Proteste im Winter. Janukowitsch wurde entmachtet und von einem stärker westlich orientierten Präsidenten und Parlament abgelöst. Dies wurde von Moskau nicht toleriert. Im Februar 2014 brachen auf der Krim Kämpfe
aus, an denen russische Separatisten beteiligt waren. Moskau annektierte daraufhin die Krim mit der Begründung, es müsse die dort
lebende russischstämmige Bevölkerung schützen. In der Folge kam
es im Osten der Ukraine immer wieder zu Gefechten zwischen der
ukrainischen Armee und russlandfreundlichen Separatisten, gelegentlich unterbrochen von einer fragilen Waffenruhe.
Ob die Einbindung der Ukraine in den Westen wie geplant
voranschreitet, ist trotz des Assoziierungsabkommens mit der EU
alles andere als sicher. Erstens teilt sich die Bevölkerung der Uk-
raine historisch gesehen seit jeher in West- und Ostsympathisanten. Zweitens könnten interne Konflikte erneut aufbrechen und die
Spaltung der Ukraine zementieren. Drittens wird Russland vermut
lich wirtschaftliche, politische und militärische Mittel einsetzen, um
die EU-Bestrebungen der Ukraine zu bremsen. Russland will aus sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Erwägungen Einfluss auf
die bevölkerungsreiche Ukraine haben. Vor allem möchte Moskau
eine gewisse Kontrolle im Energiebereich behalten: Europa bezieht
30 % seines Erdgasbedarfs aus Russland; die Hälfte davon wird über
das Gebiet der Ukraine nach Europa geleitet. Berücksichtigt man
all dies, drängt sich der Schluss auf, dass ein Ende des RusslandUkraine-Konflikts noch lange nicht in Sicht ist.
Russlands Pläne zur Schaffung einer Eurasischen Union wurden 2011
bekannt. Damals veröffentlichte Wladimir Putin (Ministerpräsident
von 2008 bis 2012) einen programmatischen Artikel unter der Überschrift „Das neue Integrationsprojekt für Eurasien – Zukunft, die heute entsteht.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Putin
im Jahr 2005 (damals war er Präsident) sagte, der Zerfall der Sowjetunion sei die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Im erwähnten Artikel steht, der Zweck der Eurasischen
Union solle darin bestehen, die EU und die asiatisch-pazifische Region wirtschaftlich in einer Freihandelszone zusammenzuführen.
Die Mitgliedschaft in der Eurasischen Union solle freiwillig sein und
eine europäische Integration ihrer Mitglieder erlauben.
Aktuelle und potenzielle EAWU-Mitglieder
Gründungsmitglieder der EAWU zum 1. Januar 2015 in Fettschrift
BIP Stand 2013. Bevölkerung Stand 2014.
Land
Russland
Ukraine
Kasachstan
Weißrussland
Usbekistan
Aserbaidschan
Turkmenistan
Georgien
Armenien
Tadschikistan
Kirgisistan
Moldawien
BIP (KKP, Einwohner
Mrd. USD) (Millionen)
2.553,0
337,4
243,6
150,4
112,6
102,7
55,2
27,3
20,6
19,2
14,3
13,3
142,5
44,3
17,9
9,6
28,9
9,7
5,1
4,9
3,1
8,1
5,6
3,6
Pro-Kopf BIP
(USD)
18.100
7.400
14.100
16.100
3.800
10.800
9.700
6.100
6.300
2.300
2.500
3.800
Quelle: CIA World Fact Book
Russlands Projekt ist ehrgeizig; die Eurasische Union soll wie die
EU ein einheitlicher Markt mit freiem Verkehr von Kapital, Personen,
Arbeit und Dienstleistungen sein; innerhalb dieses Wirtschaftsraums
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 21
Thema: Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU)
soll es weder Zölle noch Grenzkontrollen geben. Auf Sicht ist auch
die Einführung einer einheitlichen Währung geplant.
2010 wurde mit der Schaffung der Eurasischen Zollunion zwischen
Russland, Weißrussland und Kasachstan ein erster Schritt in Richtung EAWU gesetzt. 2012 wurde aus dieser Zollunion eine Wirtschaftsgemeinschaft. Am 29. Mai 2014 unterzeichneten die Präsidenten der drei Mitgliedsländer der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft die Gründungsakte einer Eurasischen Wirtschaftsunion
mit Start am 1. Januar 2015. Anders gesagt, Russland, Weißrussland
und Kasachstan sind die Gründungstroika der EAWU. Über einen
möglichen Beitritt von Armenien, Kirgisistan und Tadschikistan wird derzeit verhandelt.
Trotz der Ambitionen Russlands stößt die Gründung der EAWU auch
auf Kritik; man fürchtet, ihr Ziel sei nicht so sehr die Schaffung einer
Gemeinschaft nach dem Vorbild der EU, sondern der Versuch, die
Sowjetunion wieder auferstehen zu lassen.
In der Praxis weist das EAWU-Projekt mehrere Geburtsfehler auf:
• Erstens hat sich das bei Weitem wichtigste potenzielle Mitglied – die Ukraine – eindeutig der EU und nicht der EAWU
zugewandt. Viele EAWU-Kandidaten sind sehr kleine, nicht
sehr weit entwickelte Länder. Eine EAWU ohne die Ukraine
wäre somit deutlich geschwächt.
• Zweitens ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht sonderlich ausgeprägt. Als Moskau im August eine Einfuhrsperre für Nahrungsmittel aus Ländern verhängte, die sich
an den Sanktionen gegen Russland beteiligen, schlossen
sich Kasachstan und Weißrussland nicht an. Die Bedeutung
der EAWU ist somit vor allem politischer und symbolischer
Art.
• Drittens betrachten einige potenzielle Mitglieder eine größere Nähe zu Russland mit Sorge. Russlands hat historisch
bedingt schon jetzt weitreichenden Einfluss auf die ehemaligen Sowjetrepubliken. In den meisten dieser Länder leben
große russische Minderheiten, was zu einem ähnlichen Szenario führen könnte wie in der Ukraine, und in vielen gibt
es russische Militärbasen. Auch hat das russische Staatsfernsehen erheblichen Einfluss. Hinzu kommt, dass Russland in den letzten Jahren auf unterschiedliche Art Druck
auf diese Länder ausübte.
• Viertens würden einige Länder eine Annäherung an die EU
vorziehen; andere sehen in China den besten Kooperationspartner für die Zukunft.
Zusammenfassend glauben wir, dass die Eurasische Wirtschaftsunion erst einmal auf wenig festem Grund steht und nicht besonders stark scheint. Angesichts ihrer Geburtsfehler – vor allem der
anhaltende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine – kann man
sich schwer vorstellen, dass die EAWU in den nächsten Jahren ein
Gegengewicht zur EU bilden könnte.
22 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
Wirtschaftsdaten und –prognosen
ESTLAND
BIP, %
Inflation, HVPI, Durchschnitt, % Arbeitslosigkeit, % Leistungsbilanz, in % des BIP Finanzierungssaldo öffentliche Hand,
in % des BIP Staatsverschuldung, in % des BIP 3-Monatszinssatz, Jahresende 2009 -14,7
-0,1
13,6
2,5
2010 2,5
3,0
16,7
1,7
2011 8,3
5,0
12,3
-0,2
2012 4,7
3,9
10,0
-2,1
2013
1,6
2,8
8,6
-1,4
-2,0
7,1
3,3
0,2
6,6
1,1
1,0
6,0
1,4
-0,3
9,7
0,2
-0,5
10,1
0,3
2009 -14,2
3,3
17,5
8,2
2010 -2,9
-1,2
19,5
2,3
2011 5,0
4,2
16,2
-2,8
2012 4,8
2,3
15,0
-3,3
2013
4,2
0,0
11,9
-2,3
-9,1
36,9
0,7
4,0
-8,1
44,5
0,7
3,5
-3,5
42
0,7
3,5
-1,4
40,8
0,7
2,5
-0,9
38,1
0,7
0,25
2009 -14,2
4,2
13,7
3,7
2010 1,6
1,2
17,8
0,1
2011 6,1
4,1
15,4
-3,7
2012 3,1
3,2
13,4
-0,2
2013
3,1
1,2
11,8
1,6
-9,3
29,0
3,45
3,90
6,60
-7,1
37,4
3,45
1,50
4,60
-5,4
38,0
3,45
1,66
5,40
-3,2
40,0
3,45
0,68
2,40
-2,1
39,0
3,45
0,41
2,40
2014(e) 2015(e) 2016(e)
1,2
1,3
2,8
0,1
1,6
1,9
7,2
6,5
5,2
-1,7
-0,8
-0,2
-0,4
10,0
0,4
-1,0
9,5
0,5
-0,5
9,4
0,6
LETTLAND
BIP, %
Inflation, HVPI, Durchschnitt, % Arbeitslosigkeit, % Leistungsbilanz, in % des BIP Finanzierungssaldo öffentliche Hand,
in % des BIP Staatsverschuldung, in % des BIP
EUR/LVL, Jahresende Leitzins, Jahresende 2014(e) 2015(e) 2016(e)
2,5
2,7
3,4
0,7
2,1
2,1
10,8
9,8
8,6
-1,2
-1,6
-2
-1,1
40,5
-
0,15
-1,2
38,5
-
0,15
-1,0
3,6
0,15
LITAUEN
BIP, % Inflation, HVPI, Durchschnitt, %
Arbeitslosigkeit, %
Leistungsbilanz, in % des BIP Finanzierungssaldo öffentliche Hand,
in % des BIP Staatsverschuldung, in % des BIP EUR/LTL, Jahresende
3-Monatszinssatz, Jahresende Staatsanleihe 5 Jahre, Jahresende
2014(e) 2015(e) 2016(e)
2,7
3,2
4,0
0,1
0,7
1,0
11,5
10,5
10,0
0,0
-2,0
-3,0
-2,0
41,0
3,45
0,15
1,80
-1,5
40,0
3,45
0,05
1,60
-0,0
35,0
3,45
0,30
1,80
(e) = erwartet
Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 23
Wirtschaftsdaten und –prognosen
POLEN
BIP, %
Inflation, HVPI, Durchschnitt, %
Arbeitslosigkeit, %
Leistungsbilanz, in % vom BIP
Finanzierungssaldo öffentliche Hand,
in % des BIP
Staatsverschuldung, in % des BIP
EUR/PLN, Jahresende
Leitzins, Jahresende
Staatsanleihe 5 Jahre, Jahresende
2009 1,6
4,0
8,1
-3,1
2010 3,9
2,7
9,7
-4,3
2011 4,5
3,9
9,7
-4,5
2012 2,0
3,7
10,1
-3,4
2013
1,6
0,8
10,3
-1,6
-7,5
50,9
4,1
3,50
5,91
-7,8
54,9
4,0
3,75
5,52
-5,1
56,2
4,5
4,50
5,34
-3,9
55,6
4,1
4,25
3,21
-4,3
57,0
4,1
2,50
3,78
2009 -7,8
11,7
8,4
4,1
2010 4,5
6,9
7,3
4,4
2011 4,3
8,4
6,5
5,1
2012 3,4
5,1
5,5
3,5
2013
1,3
6,8
5,5
1,5
-3,4
11,3
30,50
1,5
11,6
32,08
2009 -14,8
16,0
9,0
-1,5
2010 4,1
9,4
8,4
-2,2
2011 5,2
8,0
8,2
-5,5
2012 0,2
0,6
7,8
-8,3
2013
0,0
-0,3
8,3
-9,1
-6,3
35,4
8,00
-5,8
40,5
7,97
-3,5
36,8
8,00
-5,5
37,4
8,05
-6,5
41,7
8,23
2014(e) 2015(e) 2016(e)
2,7
3,0
3,5
1,4
1,3
2,0
10,4
10,1
9,5
-1,0
-1,5
-2,0
5,5
50,0
4,2
2,0
2,1
-3,0
50,0
4,0
2,0
2,7
-2,8
50,0
3,9
2,50
3,3
RUSSLAND
BIP, %
Inflation, Durchschnitt %
Arbeitslosigkeit, %
Leistungsbilanz, in % des BIP
Finanzierungssaldo öffentliche Hand,
in % des BIP
Staatsverschuldung, in % des BIP
USD/RUB, Jahresende
-6,3
10,6
30,10
0,4
12,7
30,36
-1,3
13,9
32,85
2014(e) 2015(e) 2016(e)
0,4
-0,2
1,0
7,3
6,4
5,5
5,3
5,6
5,5
0,5
-0,5
-1,0
0,0
14,1
40,20
-1,0
15,7
43,00
-1,5
17
40,00
UKRAINE
BIP, %
Inflation, Durchschnitt, %
Arbeitslosigkeit, %
Leistungsbilanz, in % des BIP
Finanzierungssaldo öffentliche Hand,
in % des BIP
Staatsverschuldung, in % des BIP
USD/UAH, Jahresende
(e) = erwartet
24 | Eastern European Outlook – Oktober 2014
2014(e) 2015(e) 2016(e)
-8,0
0,0
2,0
10,0
7,5
6,0
9,0
9,3
8,8
-2,8
-3,0
-3,5
-5,2
60,0
14,00
-4,8
62,0
13,00
-4,5
64,0
13,00
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Eastern European Outlook – Oktober 2014 | 25
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in Schweden und den baltischen Staaten an. In Dänemark, Finnland, Norwegen und Deutschland
konzentrieren sich die Geschäftsaktivitäten der Bank auf das Geschäft mit Firmen und institutionellen Kunden, denen die Bank eine umfassende Produktpalette anbietet. Die internationale Ausrichtung der SEB zeigt sich in der Präsenz in 20 Ländern weltweit. : Am 30. Juni 2014 betrug die
Bilanzsumme des Konzerns 2.654 Mrd. SEK, das Gesamtvolumen des verwalteten Vermögens
betrug zum gleichen Stichtag 1.605 Mrd. SEK. Der Konzern beschäftigt etwa 16.000 Mitarbeiter.
Weitere Informationen unter www.seb.de.
Mit Kapital, Fachwissen und Erfahrung betreiben wir Wertschöpfung für unsere Kunden. Dabei
werden wir von unserer effizienten Research Abteilung unterstützt.
Unsre Abteilung Economic Research erstellt für uns makroökonomische Analysen und Bewertungen. Basierend auf der Auswertung aktueller Marktkonditionen, politischer Maßnahmen und der
langfristigen Performance der Finanzmärkte erstellt sie Prognosen zur Entwicklung der Wirtschaft
auf der internationalen, nationalen und lokalen Ebene.
Eine der wichtigsten Publikationen der Economic Research Unit ist der vierteljährlich erscheinende
Nordic Outlook. Er bietet Analysen zur Weltwirtschaft sowie der Wirtschaft in Europa und Schweden.
Der Eastern European Outlook befasst sich mit dem Baltikum, Polen, Russland sowie der Ukraine
und erscheint zweimal jährlich.
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