Spermien auf dem Catwalk der Andrologie Das Spermiogramm KinderwunschPraxis Dres Göhring M.Sc. Maren Witzemann Themenüberblick • Das Spermiogramm • Die neuen Normwerte • Das Spermiogramm nach WHO 2010 in der praktischen Anwendung • IVF vs. ICSI • Spermienasservation aus TESE-Material • Funktionelle Charakterisierung von Spermien Das Spermiogramm • als Hilfe zur Beurteilung der männlichen Zeugungsfähigkeit • in Ergänzung zur urologischen und andrologischen Untersuchung • immer unter Berücksichtigung des Fertilitäts-Status der Frau zu interpretieren • primäres Ziel: optimale Therapie von Paaren mit ungewollter Kinderlosigkeit Das Ejakulat • visköse Suspension von Spermien • produziert bei der Ejakulation • Spermiensuspension aus Nebenhoden wird gemischt mit Sekreten • der Prostata • der Samenbläschen • der bulbourethralen Drüsen und den Nebenhoden Wichtige Parameter • Ejakulatvolumen • Spermienkonzentration • Spermienbeweglichkeit • Spermienmorphologie Einflussfaktoren auf die Spermaqualität Spermienproduktion Funktion der akzessorischen Drüsen Sexuelle Karenz vor Spermiogramm Zeit der vorletzten Ejakulation Gesundheitszustand Lebensalter ... Vollständigkeit der Ejakulatgewinnung ... Schwankungen der Ejakulatparameter Worauf ist vor dem Spermiogramm zu achten? Karenzzeit / Kontrollen • 2 - 7 Tage • Schwankungen in der Ejakulatqualität – wenn möglich konstante Anzahl an Karenztagen – mindestens 1 Kontrollspermiogramm, bei starken Schwankungen auch mehr • zeitlicher Abstand des Kontrollspermiogramms – 7 Tage bis 3 Wochen – mindestens 12 Wochen (Richtlinie über künstliche Befruchtung) Probengewinnung und Transport • Einweggefässe, Urinbecher – eigene Chargenkontrolle (WHO 1999 und 2010) – steril, insbesondere bei nachfolgenden Therapien der Frau • Probengewinnung in der Praxis – im Regelfall durch Masturbation – im Ausnahmefall mit nicht-spermiziden Kondomen • Probengewinnung zu Hause – Transport in die Praxis innerhalb 1 Stunde – körperwarm, 20 - 37°C Welche Parameter werden beim Spermiogramm untersucht? Standard-Ejakulatuntersuchung • makroskopisch – Verflüssigung/Viskosität – Ejakulatvolumen – pH-Wert • mikroskopisch – – – – – – Spermienkonzentration/-anzahl Spermienbeweglichkeit Spermienmorphologie Rundzellen (=unreife Keimzellen und Leukocyten) Spermienvitalität Grad der Aggregation und Agglutination [leicht/mittel/ schwer] – Spermienantikörper • optional – biochemische Marker (Hinweis auf Verschluss der Samenwege) Referenzwerte WHO 1999 vs. 2010 Parameter 1999 2010 Referenzwerte untere Referenzgrenze* < 60 min. 15- 60 min. Volumen ≥ 2.0 ml 1.5 ml pH-Wert ≥ 7.2 ≥ 7.2 ≥ 20 Mio / ml 15 Mio / ml ≥ 40 Mio 39 Mio ≥ 50% [a+b] oder ≥ 25% [a] 32% [PR = a+b] - 40% [PR+NP] ≥ 15% Normalformen†,‡ 4% Normalformen‡ ≥ 50% 58% Verflüssigungszeit Spermienkonzentration Gesamt-Spermienzahl Progressive Beweglichkeit Gesamtbeweglichkeit Morphologie Anteil vitaler Spermien (Eosin) Leukozyten MAR Test (motile Sp.+ adhärente Partikel) < 1 x 106 / ml < 50% * bezogen auf eine Referenzgruppe von Männern, deren Partnerinnen innerhalb von ≤ 12 Monaten schwanger geworden sind (time- to-pregnancy); siehe Cooper, TG et al. (2010): World Health Organization reference values for human semen characteristics. Hum Reprod Update 16 (3): 231-245 † 1999 kein eigentlicher Normwert angegeben; Hinweis auf verminderte Fertilitätsrate in vitro bei weniger als 15% Normalformen ‡ "strikte Kriterien" Beschreibung von Ejakulatbefunden Normozoospermie Gesamtzahl (oder Konzentration), Prozentsatz progressiv motiler (PR) und morphologisch normaler Spermien ≥ unterer Grenzwert Oligozoospermie Gesamtzahl (oder Konzentration) der Spermien unter Referenzgrenze Asthenozoospermie Prozentsatz progressiv motiler Spermien unter Referenzgrenze Teratozoospermie Prozentsatz morphologisch normaler Spermien unter Referenzgrenze Kombinationen der oben genannten Störungen, z.B. Oligoasthenoteratozoospermie (OAT) Kryptozoospermie Keine Spermien im Nativejakulat, jedoch im Zentrifugat Azoospermie Keine Spermien im Ejakulat (Angabe der Methode und deren unterer Nachweisgrenze); z.B. nach Zentrifugation Aspermie Kein Ejakulat (keine oder retrograde Ejakulation) Spermienbeweglichkeit WHO 2010 Parameter Geschwindigkeit (37°C) WHO 1999 WHO 2010 schnell progressiv ≥25 µm/s (ca. 5 Kopflängen) langsam progressiv 5- 24 µm/ s ortsbeweglich <5µm/s (ca. 1 Kopflänge) a b PR (progressive) PR (progressive) PR (progressive) c NP (non-progessive) immotil d IM (immotile) Normwerte: Parameter Progressive Beweglichkeit Gesamtbeweglichkeit 1999 2010 50 % (a+b) oder 25 % (a) 32 % (PR) --- 40 % (PR+NP) Normozoospermie Lichtmikroskopische Videoaufnahme von normal beweglichen Spermien OAT I Spermienmorphologie Spermienmorphologie • Unterteilung in – Normalformen – Defektformen • Kopfdefekte • Hals- und Mittelstückdefekte • Schwanzdefekte • Mehrfachdefekte: Defekt-Kombinationen • WHO 2010 neu mit umfangreichem Bildmaterial zur Morphologie-Beurteilung „Steigerung der Fertilitätsrate“ aus dem Blickwinkel der Andrologie Motilität Konzentration Morphologie Anreicherung von befruchtungsfähigen Spermien Konzentration von befruchtungsfähigen Spermien Aufarbeitung: Therapie: Swim-up IUI Dichtegradient IVF/ ICSI „Survival of the fittest“ IVF vs. ICSI IVF Schema.jpIVF Schema.jpg IVF „Steigerung der Fertilitätsrate“ aus dem Blickwinkel der ICSI-Technologie Finden des perfekten Spermiums ICSI-Durchführung Kryptozoospermie und Azoospermie • Kryptozoospermie – 1999: < 1 x 106 Mio Spermien / ml im Nativejakulat – 2010: keine Spermien im Nativejakulat, aber Spermien nachgewiesen im Zentrifugat • Azoospermie – 1999: keine Spermien im Ejakulat – 2010: keine Spermien im Nativejakulat und keine Spermien im Zentrifugat • Spermien nicht nachweisbar ≠ Spermien nicht vorhanden ! Bestimmung der Verschlussparameter Biochemische Marker Normwerte/Ejakulat Indikation/Funktionsstörung α-Glucosidase ≥ 20mU Nebenhoden Fructose ≥ 13µmol Samenbläschen Zink ≥ 2,4µmol Prostata Möglichkeit zur Durchführung einer Hodenbiopsie → (TESE = Testikuläre Spermienextraktion) Durchführung der Hodenbiopsie - 1 Freilegen des Hodensacks durch Schnitt am Skrotum Öffnen des Hodensacks Entnahme von Hodengewebe vom rechten und linken Hoden Durchführung der Hodenbiopsie - 2 Entnommene Hodenbiobsate. Drei für uns, eins für die Pathologie Anschließende Versorgung der Wunde Kryokonservierung des TESE-Materials Teseprobe im Gametenpuffer. Transport bei 37°C Zerkleinern der Tese Einfrieren der Teseproben in flüssigem Stickstoff TESE-Spermien für ICSI TESE - Proben • können über Jahre gelagert werden ohne Qualitätsverlust (-200 o C, flüssiger Stickstoff) • Spermien nur für ICSI brauchbar (direkte Injektion in die Eizelle bei IVF) • Insemination unmöglich Funktionelle Charakterisierung von Spermien Standarduntersuchungen: Morphologie, Motilität, Vitalität Aber: Diese Kriterien sind unzureichend für die Prognose der Fertilität! Eileiter-spezifische Bindekapazität von Spermien Nur vitale Spermien heften sich in der Tiefe an den Rändern der Eileiterfalten an. Dabei binden die Köpfe an die dort befindlichen Cilien. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von gebundenen Spermien im Eileiter. Größenmarker 6µm Kölle et al., Biol. of Rep. 2009 Eileiter-spezifische Bindekapazität von Spermien Die Bindekapazität der Spermien steht im direkten Zusammenhang mit der Fertilitätsrate Videomikroskopische Aufnahme von gebundenen Spermien Pfeile deuten auf Spermien Kölle et al., Biol. of Rep. 2009 Eileiter-spezifische Bindekapazität von Spermien Befindet sich eine reife Eizelle im Eileiter wird die Bindung aller Spermien gleichzeigt gelöst und bewegen sich schnell zur Eizelle. Videomikroskopische Aufnahme einer Reifen Eizelle im Ovidukt. Kölle et al., Biol. of Rep. 2009 Spermienqualität beeinflusst Embryonalentwicklung Alle 16,5 Jahre verdoppelt sich die Mutationsrate! Future: Spermienspezifische Gen-Analysen >Next Generation sequenzing< KinderwunschPraxis Dres. Ulrich und Inés Göhring Hagellocher Weg 63 72070 Tübingen Fon: 07071- 94663 0 Fax: 07071-9466399 [email protected] www.kinderwunschpraxis.com DANKE fürs Zuhören!