Blutbild und Differentialblutbild Da die spezialisierten Zellen des Blutes den ganzen Körper bis hin zu den kleinsten Zellen versorgen, ihn vor Eindringlingen schützen und Wunden schließen, kann die Untersuchung der Blutbestandteile Ärzten wichtige Hinweise auf Störungen im Körper liefern. Blutentnahme Um ein Blutbild erstellen zu können, wird Blut abgenommen, also mithilfe einer sterilen Kanüle eine Blutprobe aus der Vene in spezielle Blutabnahmeröhrchen gefüllt. Um korrekte und aussagekräftige Messergebnisse zu erhalten, sollte die Blutabnahme morgens beim nüchternen Patienten, wobei nach Absprache mit dem Arzt ein leichtes Frühstück erlaubt sein kann, im Sitzen oder Liegen erfolgen. Für die Erstellung eines Blutbildes werden die Blutproben zur Hemmung der Blutgerinnung (Antikoagulation) mit Ethylendiamintetra- essigsäure (EDTA) versetzt und müssen umgehend in ein Speziallabor zur Auswertung gebracht werden. In den Untersuchungslabors erfolgt im Normalfall eine vollautomatische Analyse. Kleines Blutbild Beim kleinen Blutbild werden die festen Anteile des Blutes erfasst. Mit vollautomatischen Zählgeräten wird die Anzahl der Erythrozyten (rote Blutkörperchen), der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und der Thrombozyten (Blutplättchen) gezählt. Außerdem wird gemessen, wie hoch der prozentuale Anteil der zellulären Blutbestandteile am Gesamtblutvolumen ist (Hämatokrit). Erythrozytenindizes Neben der Anzahl der Erythrozyten wird im rotem Blutbild auch die Konzentration des Hämoglobins (Blutfarbstoffs) untersucht. Aus den erfassten Werten ermitteln die AnalyBlutbild und Differentialblutbild 45 segeräte automatisch die Erythrozytenindizes. Hierzu gehören das durchschnittliche Volumen eines roten Blutkörperchens (MCV), sein durchschnittlicher Hämoglobingehalt (MCH) und die durchschnittliche Hämoglobinkonzentration eines Erythrozyten (MCHC). Routineerhebung Das kleine Blutbild ist eine Routineuntersuchung und wird vom Arzt zur ersten Abklärung einer Erkrankung verwendet. Darüber hinaus geben ihm die Werte wichtige Hinweise über den Verlauf einer Erkrankung, also darüber, ob sie sich verbessert oder verschlechtert. Die einzelnen Werte dürfen jedoch nie alleine betrachtet werden, sondern sind immer eins von vielen Puzzlesteinchen, die ein Arzt zusammensetzen muss, um eine Erkrankung richtig diagnostizieren zu können. Differentialblutbild Ist die Anzahl der Leukozyten (weißen Blutkörperchen) höher oder niedriger als der Referenzbereich, wird genauer nachgesehen, welche Unterform der Leukozyten außerhalb des Referenzbereichs liegt. Die Wer46 te des weißen Blutbilds zeigen die Aktivitäten und den Zustand des Immunsystems und geben damit dem Arzt wichtige Hinweise etwa auf eine Infektion oder Vergiftung, auf Parasitenbefall, Leukämie oder eine Entzündung. Großes Blutbild und weitere Blutwerte Das kleine Blutbild und das Differentialblutbild zusammen ergeben das große Blutbild. Das große Blutbild gibt Auskunft über die Anzahl und Beschaffenheit der Blutzellen. Doch nicht nur die zellulären Blutbestandteile geben dem Arzt Hinweise auf die internen Vorgänge des Körpers. Blut kann eine Menge weiterer Informationen liefern, wenn man zusätzlich das Serum oder das Blutplasma untersucht. Solche Blutwerte werden nicht automatisch im großen Blutbild, sondern nach medizinischer Notwendigkeit erhoben. Zur Vorsorge von Herzinfarkten werden etwa regelmäßig die Cholesterinwerte untersucht, bei Verdacht auf Anämie der Ferritinwert oder der Rheumafaktor bei rheumatischen Erkrankungen. Ery, Erys, RBC, Erythrozyten, Rote Blutkörperchen; red blood cells Wann ist der Wert notwendig? p Leistungsminderung p Müdigkeit p Anämie p Eisenmangel p Tumorerkrankungen p Nierenerkrankung p Vitaminmangel p Knochenmarkerkrankungen p Lungenerkrankung Rote Blutkörperchen sind scheibenförmig aussehende Blutzellen, die ihre Färbung durch das rote Hämoglobin (˘ S. 51) erhalten, mit dem sie ausgefüllt sind. Auf ihrer Zelloberfläche befinden sich Blutgruppen-Antigene, nach denen die Blutgruppen eingeteilt werden (˘ S. 24). Erythrozyten werden bei Erwachsenen im Knochenmark gebildet und nach einer „Lebenszeit“ von 120 Tagen gegen neue ausgetauscht. Da Erythrozyten keinen Zellkern und eine biegsame Form haben, gelangen sie bis in die kleinsten und engsten Blutgefäße, die Kapillaren. Die Hauptaufgabe der roten Blutkörperchen ist der Gastransport. Sie versorgen die Zellen mit Sauerstoff, indem sie diesen in der Lunge aufnehmen und über das arterielle Blut zu den Zellen transportieren. Im AusBlutbild und Differentialblutbild 47 tausch nehmen sie das von den Zellen produzierte Kohlendioxid mit zurück zur Lunge, wo dieses ausgeatmet wird. Referenzbereich 3 Männer 4,5 – 6,2 Millionen /μl 3 Frauen 4,1 – 5,4 Millionen /μl Zu hohe Werte Liegt die Anzahl der roten Blutkörperchen über den Referenzwerten, wird dies Polyglobulie genannt. Das Blut wird dickflüssig und es besteht die Gefahr einer Embolie. Die Ursachen für zu hohe Werte können vielfältig sein. Bei einem verringerten Sauerstoffgehalt im Blut, etwa bei Lungen- und Herzerkrankungen oder einem längeren Aufenthalten in der sauerstoffarmer Luft in großen Höhen, versucht der Körper mit der vermehrten Bildung von „Sauerstofftransportern“ die Mangelsituation auszugleichen. Ebenso können Erkrankungen der Blutbildung, Übergewicht, übermäßiger Alkohol- und Nikotinkonsum sowie starker Flüssigkeitsmangel und Hormone erhöhte Erythrozytenwerte verursachen. 48 Zu niedrige Werte Liegen die Werte unterhalb der Referenzwerte, wird in der medizinischen Fachsprache von Anämie (˘ S. 53) gesprochen. Eine Anämie kann viele Ursachen haben. Infrage kommen eine zu geringe Produktion von roten Blutkörperchen im Knochenmark sowie eine Nieren- oder Tumorerkrankung. Auch chronischer Blutverlust etwa bei starken Menstruationsblutungen oder bei MagenDarm-Erkrankungen können zur Anämie führen. Die häufigste Ursache ist jedoch ein Eisenmangel. Was muss beachtet werden? Bei den roten Blutkörperchen kann es nicht nur bei der Anzahl zu Normabweichungen kommen. Zur weiteren Abklärung müssen Form, Färbbarkeit und Größe der Erythrozyten mit in die Diagnose einbezogen werden. Was kann ich tun? Sind die Werte zu hoch oder zu niedrig, sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt kontaktieren. Er wird entscheiden, ob beispielsweise eine eisenreiche Ernährung ausreicht oder ein Eisenpräparat eingenommen werden sollte.