Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Gliederung Ordnungsrelationen auf Mengen • Ordnungsrelationen • Eine Ordnungsrelation oder kurz Ordnung O auf einer Menge M ist eine Relation, die reflexiv, antisymmetrisch und transitiv ist. • Bäume Beispiel: M = { 1 , 2 , 3 }, O={(1,1),(2,2),(3,3),(1,2),(1,3)} • Boolesche Algebren • Verbände • Eine Ordnungsrelation O auf einer Menge M ist total, wenn zusätzlich gilt: [ x, y § M : ( x , y ) § O ( y , x ) § O Beispiel: M = { 1 , 2 }, O = { ( 1 , 1 ) , ( 2 , 2 ) , ( 1 , 2 ) } • Bekannte Beispiele von Ordnungsrelationen: 1. 5 auf Mengen 2. 7 auf ganze Zahlen. • (X, 7) ist eine partiell geordnete Menge wenn 7 eine Ordnungsrelation auf X ist. Ordnungen 1 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Ordnungen 2 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Beispiel einer Ordnungsrelation Spezielle Elemente von Ordnungen Sei X die Menge aller syntaktisch korrekten Pascal Programme, die einen Eingabewert lesen und entweder in eine Endlosschleife gehen oder einen Wert ausgeben. Die Relation 5 X % X definieren wir als: Spezielle Elemente von Ordnungen: 1. s § M heisst kleinstes Element. wenn s kleiner als alle anderen Elemente ist. [x§M:(s,x)§O P Q genau dann, wenn das Programm Q für alle Eingabewerte terminiert, für die das Programm P auch terminiert, und in diesem Fall auch dasselbe Ergebnis ausgibt wie P. 2. s § M heisst grösstes Element, wenn s grösser als alle anderen Elemente ist. Ist eine Ordnungsrelation? 3. s § M heisst minimales Element, wenn es kein Element gibt, das kleiner als s ist. [x§M:(x,s)§O [x§M:(x,s)§OLx=s 4. s § M heisst maximales Element, wenn es kein Element gibt, das grösser als s ist. [x§M:(s,x)§OLx=s Ordnungen 3 Ordnungen 4 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Strikte und reflexive partielle Ordnungen Weitere spezielle Elemente von Ordnungen • Eine strikte Ordnungsrelation O auf einer Menge M ist eine Relation, die asymmetrisch und transitiv ist. • Seien x und y Elemente einer partiell geordneten Menge M. Falls es ein Element z aus M gibt, so dass 1. z 7 x Beispiel: M = { 1 , 2 , 3 }, O = { (2 , 1) , (2 , 3) , (1 , 3) } 2. z 7 y • Wenn 7 eine partielle Ordnung auf der Menge M ist, dann ist < definiert durch 3. [ t § M : t 7 x t 7 y L t 7 z dann heisst z die grösste untere Schranke (Infimum) von x und y. x<yOx7yx¬y z=xRy eine strikte partielle Ordnung auf M. • Wenn < eine strikte partielle Ordnung auf der Menge M ist, dann ist 7 definiert durch • Seien x und y Elemente einer partiell geordneten Menge M. Falls es ein Element z aus M gibt, so dass x7yOx<yx=y 1. x 7 z eine (reflexive) partielle Ordnung auf M. 2. y 7 z 3. [ t § M : x 7 t y 7 t L z 7 t dann heisst z die kleinste obere Schranke (Supremum) von x und y. z=xSy Ordnungen 5 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Ordnungen 6 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Bäume als partielle Ordnungen Endliche, geordnete, binäre Bäume Ein Baum ist eine partiell geordnete Menge T mit einem grössten Element, so dass für jedes x § T die Menge { y § T | x 7 y } eine endliche, total geordnete Teilmenge von T ist. • Binäre Bäume sind solche, bei denen kein Knoten mehr als zwei Kinder hat. Das grösste Element heisst Wurzel, die minimalen Elemente heissen Blätter. Ordnungen 7 • Geordnete Bäume sind solche, bei denen die Knoten auf gleicher Ebene ebenfalls geordnet sind. • Endliche Bäume haben eine endliche Anzahl Knoten. Ordnungen 8 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Beispiel für einen Baum Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Anwendungen • Filesystem, allgemeiner Datenspeicherung • Suchbäume • Wahrscheinlichkeitsbäume • Sportturniere mit K.O.-System • Stammbaum • Flussdiagramme Ordnungen 9 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Rekursive Definition von Bäumen • Ein einziger Knoten x ist ein binärer Baum geordnet durch x 7 x. • Wenn T1 und T2 binäre Bäume sind und x ∉ T1 ~ T2 , dann ist die partielle Ordnung auf { x } ~ T1 ~ T2 , gegeben durch y 7 x für alle y und y 7 z wenn y 7 z in T1 oder T2 , ebenfalls ein binärer Baum. Ordnungen 10 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Traversierung von endlichen, geordneten, binären Bäumen Eine Traversierung eines Baumes ist eine endliche Folge aller Knoten des Baums, die mit der Wurzel beginnt. • Inorder Zuerst den linken Teilbaum traversieren, dann die Wurzel in die Folge schreiben, und zum Schluss den rechten Teilbaum traversieren • Preorder Zuerst die Wurzel in die Folge schreiben, dann den linken Teilbaum traversieren und zuletzt den rechten Teilbaum traversieren. • Postorder Zuerst den linken Teilbaum traversieren, dann den rechten Teilbaum traversieren und zuletzt die Wurzel in die Folge schreiben. Ordnungen 11 Ordnungen 12 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Traversierung von endlichen, geordneten Bäumen: Tiefensuche Traversierung von endlichen, geordneten Bäumen: Breitensuche 1. Beginne mit der Wurzel als aktuellen Knoten. Schreibe die Wurzel in die Traversierung. 1. Beginne mit der Wurzel als einzigem Knoten in einer Arbeitsliste. Schreibe die Wurzel in die Traversierung. 2. Wähle von den noch nicht in die Traversierung geschriebenen Kindern des aktuellen Knotens das kleinste als neuen aktuellen Knoten. Schreibe den neuen aktuellen Knoten in die Traversierung. 2. Ersetze der Reihe nach jeden Knoten der Arbeitsliste durch seine Kinder in der durch die Ordnung vorgegebenen Reihenfolge und schreibe diese gleichzeitig in die Traversierung. 3. Hat ein aktueller Knoten keine noch nicht in die Traversierung geschriebenen Kinder, dann wähle seinen Vater zum aktuellen Knoten. 3. Hat ein Knoten keine Kinder, so verschwindet er aus der Arbeitsliste. 4. Verfahre gemäss Regel 2 und 3, bis die Arbeitsliste leer ist. 4. Verfahre gemäss 2 und 3, bis alle Knoten des Baums aktuelle Knoten waren. Ordnungen 13 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Boolesche Algebren 1. Kommutativität: xRy=yRx xSy=ySx 2. Assoziativität: x R (y R z) = (x R y) R z x S (y S z) = (x S y) S z 3. Distributivität: x R (y S z) = (x R y) S (x R z) x S (y R z) = (x S y) R (x S z) 4. Idempotenz xRx=xSx=x – (x S y) = – x R – y – (x R y) = – x S – y 6. Doppelte Negation ––x=x Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Boolesche Algebren als partielle Ordnungen Eine boolesche Algebra besteht aus einer Menge µ mit zwei ausgezeichneten Elementen  (Nullelement) und ¼, zwei binären Operationen R und S und einer unären Operation –. Für x, y, z 0 µ wird vorausgesetzt: 5. De Morgan Ordnungen 14 • Wir definieren a 7 b, wenn a b = a ist. • Dann gilt: 1. 7 ist eine partielle Ordnung auf µ 2. a 7 b genau dann, wenn a S b = b 3. a 7 b genau dann, wenn – b 7 – a 4. Unter der partiellen Ordnung 7 sind a R b bzw. a S b die grösste untere Schranke bzw. die kleinste obere Schranke von a und b 7. Invariable Elemente x R  =  xS¼=¼ 8. Neutrale Elemente xR¼=x xSÂ=x 9. Komplementarität xR–x= xS–x=¼ 10.  ≠ ¼,  = – ¼ Ordnungen 15 Ordnungen 16 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Beispiele boolescher Algebren 1 Beispiele boolescher Algebren 2 • Aussagenlogik: Die Menge aller Wahrheitsfunktionen auf einer Menge p = { p1, p2, … , pn } von aussagelogischen Variablen, mit S = , R = , – = ] bildet ebenfalls eine boolesche Algebra.  ist die Wahrheitsfunktion, die immer b zurückgibt, ¼ die Wahrheitsfunktion, die immer a zurückgibt. µ = { a, b } ,  = b, ¼ = a, S = , R = , – = ] • Mengenlehre: Sei X eine nichtleere Menge. µ = s(X) ,  = ^, ¼ = X, S = ~, R = , – = c (c steht dabei für das Komplement) Für P = { p, q } z.B. gibt es 16 mögliche Wahrheitsfunktionen: p q  p nor q ]p q p ]q p q ]p a a b b a b a b b b b b b b b a b b a b b a b b a b b b b b a a p q pOq q p p nand q ]p q p ]q pq ¼ a a b b a b a b a b b a a b a b a a b b b a a a a b a a a a b a a a a b a a a a Ordnungen 17 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 ]q p O ]q b a b a b a a b Ordnungen 18 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Beispiele boolescher Algebren 3 Verbände Die Menger aller Teiler von 105 (genannt T105) bildet mit den folgenden Vereinbarungen ebenfalls eine boolesche Algebra: • Gegeben sei eine partielle Ordnung 7 auf einer Menge X. Falls für beliebige x und y eine grösste untere Schranke x R y und eine kleinste obere Schranke x S y existiert, dann ist ( X , 7 ) ein Verband. µ = T105 Â=1 • Jede boolesche Algebra ist ein Verband, aber nicht jeder Verband ist eine boolesche Algebra. ¼ = 105 Beispiel: S =kgV X = Á \ { 0 } mit R =ggT x S y = kleinstes gemeinsames Vielfaches von x und y x R y = grösster gemeinsamer Faktor von x und y x 7 y wenn y mod x = 0 –x = 105/x ist keine boolesche Algebra, weil es kein grösstes Element gibt. Ordnungen 19 Ordnungen 20 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Distributive Verbände • Bei distributiven Verbänden gelten die Distributivgesetze: Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Schranken für beliebige Teilmengen geordneter Mengen • Verallgemeinerung der Begriffe grösste untere Schranke und kleinste obere Schranke. xR(ySz)=(xRy)S(xRz) xS(yRz)=(xSy)R(xSz) • Gegeben seien eine partiell geordnete Menge ( X, 7 ) und eine Menge A mit A 5 X und A ≠ ∅. Dann ist x §X die kleinste obere Schranke von A, x = NA, wenn 1. y § A : y 7 x (d.h. x ist eine obere Schranke) 2. [ t § X : ( [ y § A : y 7 t ) L x 7 t (d.h. x ist kleiner als alle anderen oberen Schranken) und z §X die grösste untere Schranke von A, z = MA, wenn 1. [ y § A : z 7 y 2. [ t § X : ( [ y § A : t 7 y ) L t 7 z Ordnungen 21 Formale Grundlagen der Informatik Knorr/Fuchs SS 2000 Ausblick: CPOs • Eine Teilmenge D einer partiell geordneten Menge ( X, 7 ) ist gerichtet, wenn es für alle x, y § D ein z § D gibt, so dass x, y 7 z. • ( X, 7 ) ist eine complete partial order (cpo), wenn 1. X ein kleinstes Element hat 2. Jede gerichtete Teilmenge von X eine kleinste obere Schranke hat. • Beispiel: X sei die Menge aller Funktionen von einer Teilmenge von Á nach Á, und f 7 g wenn 1. dom f 5 dom g 2. für ein beliebiges n § dom f, f(n) = g(n) • CPOs sind das Grundwerkzeug der denotationellen Semantik Ordnungen 23 Ordnungen 22