Gedanken zur zukünftigen Entwicklung der EU – Kohäsionspolitik 28.01.08 Die Kohäsionspolitik der EU wird in den kommenden Jahren vor weitere weit greifende strukturelle Herausforderungen gestellt werden. Zum einen wird erwartet, dass die Disparitäten innerhalb der Regionen in vielen Fällen zu- statt abnehmen werden. Der Trend zu wirtschaftlich dynamischer Entwicklung in einzelnen Teilen der Region und zu Stagnation oder auch Degradation in anderen Regionen führt zu verschärften Gegensätzen, die mit den Möglichkeiten der Kohäsionspolitik angegangen werden sollen. Diese verstärkten Ungleichheiten können sowohl in demographischer als auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht festgestellt werden. Die Kohäsionspolitik sollte trotz sich demographisch verstärkender Ungleichheiten als Ziel die Angleichung der Regionen mit Fokussierung auf Mindestanforderungen beibehalten. Gleichzeitig muss erkannt werden, dass Abwanderungsregionen und Regionen starker Bevölkerungszunahme mit stark differierenden Anforderungen konfrontiert werden. Insbesondere die jeweiligen Extreme stellen einzelne Regionen vor besonders starke Probleme. Auf diese unterschiedlichen Anforderungen muss mit individuell angepassten Maßnahmen reagiert werden. Keinesfalls sollten hier Maßnahmen undifferenziert und ohne Analyse der einzelnen Situationen angestrengt werden. Die beiden in der Fragestellung 2.1 dualistisch positionierten Aspekte („Harmonie, Ausgewogenheit, Nachhaltigkeit vs. Unterschiedlichkeit) stellen meines Erachtens keinen Widerspruch dar. Unterschiede in den EU-Regionen, sowohl in ihrem aktuellen Stand als auch in der angestrebten zukünftigen Entwicklung, sind kein Verhinderungsgrund für eine harmonischnachhaltige Entwicklung derselben. Erforderlich ist dafür allerdings eine individuelle, regional spezifische Kohäsionspolitik, die trotz allgemeingültiger Leitvorstellungen fokussiert auf regionale Problemstellungen einzeln abgestimmte Maßnahmen priorisiert. Harmonie und Nachhaltigkeit dürfen nicht mit Gleichheit verwechselt werden; unseres Erachtens sollte die Kohäsionspolitik nicht gleiche Lebensbedingungen als Leitziel verwenden, sondern Unterschiedlichkeit als Chance und Positivmerkmal wahrnehmen. Zentrales Handlungsmotiv sollte der Wille zur Schaffung einer lebenswerten Umwelt darstellen – unter diesem Leitziel werden jedoch spezifisch für unterschiedliche Regionen auch unterschiedliche Entwicklungsmaßnahmen als förderwürdig eingestuft werden. Unumstritten scheint hier die Bildung als Qualifikation mit Abstand im Vordergrund zu stehen. Bildung und damit einhergehende Flexibilität zur Anpassung an neue Lebensumstände scheinen zentral für den erfolgreichen Umgang mit neuen Herausforderungen. Gleichzeitig ist aber auch Toleranz und Offenheit gegenüber Veränderungen von enormer Bedeutung, denn das Eintreten dieser Veränderungen scheint unabdingbar, so dass die Fähigkeit der Bürger, mit neuartigen Lebensumständen umzugehen, ihren Erfolg in der Bewältigung zentral beeinflussen wird. Meines Erachtens ist langfristig der Low- und Medium-Tech-Bereich nicht der Bereich, in den die europäischen Regionen ihr Hauptaugenmerk legen sollten. Hier scheint der High-Tech-Bereich und die wissensbasierte Industrie im langfristigen Denken vielversprechender zu sein. Langfristige Investitionen im Bildungsbereich und Positionierung der einzelnen Regionen in spezifischen Bereichen der kapitalintensiven, wissensbasierten Industrien sollten fokussiert werden. Zur allgegenwärtigen Frage des Klimawandels ist in meinen Augen festzustellen, dass die aktuell wissenschaftlich nachgewiesen direkt spürbaren Auswirkungen des anthropogen bedingten Klimawandels auf die Kohäsionspolitik vernachlässigbar scheinen. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch, dass das Thema „Klimawandel“ und insbesondere aktuelle Mitigationsbemühungen und zukünftige Adaption eine zentrale Position in der wissenschaftlichen Debatte anzunehmen scheint und verschiedene Bemühungen auch von Seiten der Kohäsionspolitik erwartet werden. So müssen sich fortan die Einzelmaßnahmen in der Kohäsionspolitik auf ihre Klimaverträglichkeit hin einer Prüfung unterziehen. Des Weiteren sollte die Kohäsionspolitik als Instrument eingesetzt werden, um die anthropogen bedingen Ursachen des Klimawandels zu reduzieren. Hier ist insbesondere der Nachhaltikgeitsansatz von Bedeutung, um langfristig tragfähige Regionen zu stärken. (Simon Brinkrolf, Universität Hamburg)