Dissoziative Identitätsstörung

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Dissoziative Identitätsstörung
Die dissoziative Identitätsstörung oder multiple Persönlichkeitsstörung
ist eine dissoziative Störung, bei der Wahrnehmung, Erinnerung, und das
Erleben der Identität betroffen sind. Sie gilt als die schwerste Form
der Dissoziation. Die Patienten bilden zahlreiche unterschiedliche
Persönlichkeiten, die abwechselnd die Kontrolle über ihr Verhalten
übernehmen. An das Handeln der jeweils „anderen" Personen kann sich der
Betroffene entweder nicht – oder nur schemenhaft – erinnern, oder er
erlebt es als das Handeln einer fremden Person. Folgestörungen sind
Depressionen, Angst, psychosomatische Körperbeschwerden,
Selbstverletzung, Essstörungen, Suchterkrankungen und
Beziehungsprobleme. Die Ursache soll eine posttraumatische
Belastungsstörung sein, insbesondere in Folge von Kindesmisshandlungen.
Die Häufigkeit wird Studien zufolge mit 0,5–1 % der Bevölkerung
angegeben. In der Fachwelt ist jedoch umstritten, ob es sich um eine
echte Störung, oder um ein iatrogenes (vom Arzt erzeugtes) oder
kulturelles Phänomen handelt.
Geschichte
Erste Diskussionen über Persönlichkeitsspaltung findet man bei
französischen Psychiatern und Philosophen der Jahre zwischen 1840 und
1880. Der Begriff der Dissoziation als „Desintegration und
Fragmentierung des Bewusstseins" wird durch den französischen Psychiater
Pierre Janet (1859–1947) geprägt. Später gibt es auch Berichte bei
Sigmund Freud und u.a. bei Eugen Bleuler. Sie sind jedoch in den
folgenden Jahrzehnten außerordentlich selten. Bis 1980 sind nur etwa 200
Fälle erfasst, teilweise unter den älteren psychiatrischen Diagnosen
"Hysterie" und „traumatische Neurose". 1973 erschien Sybil, ein
von der Journalistin Flora Rheta Schreiber verfasster Fallbericht über
eine Patientin mit 16 Persönlichkeiten, der erstmals den Begriff
„multiple personality" verwendete. Aufgrund des Bestsellers meldeten
sich in den USA mehrere hundert Menschen, die glaubten, ebenfalls an
dieser Krankheit zu leiden.
Bis heute ist das Konzept der multiplen Persönlichkeitsstörung sehr
umstritten. Kritiker bezeichnen die Diagnose als Erfindung der
Therapeuten: sie hätten ihren Patienten die Persönlichkeitsspaltung
„eingeredet", bzw. während des suggestiblen Trancezustands einer Hypnose
induziert. Auch die erst während der Therapie auftauchenden
Erinnerungen an traumatische Ereignisse seien durch die Therapie
erzeugte falsche Erinnrungen. Die aktive Fragetechnik rufe die
erwarteten Symptome selbst hervor. Auch die Angaben zur Prävalenz werden
bezweifelt: die Diagnose werde in einzelnen Staaten
überdurchschnittlich häufig gestellt.
Ursachen
Fallserien über Patienten mit DIS berichten sehr häufig über schwere
Traumatisierung im Kindesalter, darunter länger andauernde
Misshandlungen und Vernachlässigung sowie im besonderen sexueller
Missbrauch, oder extreme Erlebnisse mit Verletzten und Toten wie z.B.
durch Mord, Krieg, schwere Unfälle, Katastrophen, besonders wenn die
Eltern oder Geschwister betroffen sind.
Studien an Patienten mit dissoziativer Identitätsstörung ergaben Raten
von sexuellem Missbrauch in der Vorgeschichte zwischen 75 % und 94 %;
Misshandlungen liegen in der gleichen Größenordnung – oftmals in
Kombination mit sexuellem Missbrauch. Es wurde vermutet, dass eine
traumatisierte Kindheit die Neigung zu dissoziativen Störungen erhöht
und spontane Heilungen unterdrückt.
Die unterschiedlichen „Personen" könnten dem Zweck dienen, sich an
widersprüchliche Umwelt- und Überlebensbedingungen anzupassen. Häufig
finden sich Teilpersönlichkeiten mit bestimmten Aufgaben, etwa
Schutzpersonen, Kontrollpersonen und Personen, welche die täglich
anfallende Routine erledigen. Die dissoziierte Persönlichkeit kann Dinge
ausleben, die eigentlich tabuisiert oder verdrängt sind. Sie kann in
Bezug auf Herkunft, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung etc. das
Gegenteil des ursprünglichen Persönlichkeitszustands darstellen.
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Die dissoziative Identitätsstörung weist eine hohe Komorbidität mit
anderen psychischen Störungen auf, wie etwa zu Depressionen,
Angststörungen oder auch Persönlichkeitsstörungen wie der
Borderline-Persönlichkeitsstörung oder der Schizotypischen
Persönlichkeitsstörung. Dabei können die komorbiden Störungen wiederum
auch eine Reaktion auf die belastenden und traumatischen Erlebnisse
sein. Viele Betroffene leiden auch unter einer posttraumatischen
Bealstungsstörung (nach einer Studie von Boon und Draijer 1993 etwa 80
%)
Diagnostische Kriterien
Patienten mit einer dissoziativen Identitätsstörung weisen zwei oder
mehr unterschiedliche Persönlichkeiten auf, die abwechselnd, aber nie
gemeinsam sichtbar sind und getrennte Gedanken, Erinnerungen,
Verhaltensweisen und Gefühle äußern. Der Wechsel von einer Person zur
anderen wird nicht wahrgenommen. Das Handeln einzelner Persönlichkeiten
kann ebenfalls vollständiger Amnesie unterliegen. Eine drogeninduzierte
oder sonstige organische psychische Störung (z.B. eine Epilepsie) muss
ausgeschlossen sein. Zur Diagnosefindung bei Verdachtsfällen können
standardisierte Fragebögen (FDS, SIDDS) eingesetzt werden.
Laborchemische und bildgebende Verfahren sowie EEG wurden vereinzelt bei
Patienten mit DIS erprobt (Putnam 1984, Reinders 2003) und zeigten
gewisse Unterschiede der Körper- und Gehirnfunktionen zwischen den
Persönlichkeiten. Sie spielen in der klinischen Arbeit jedoch keine
Rolle.
Differenzialdiagnose
Die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Störungen ist
schwierig. Besonders muss die Unterscheidung von der Borderline-Störung
oder anderen Persönlichkeitsstörungen, der Schizophrenie oder der
posttraumatischen Belastungsstörung (posttraumatic stress disorder,
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PTSD) getroffen werden.
Patienten mit einer Borderline-Störung leiden unter häufigen
Stimmungsschwankungen, oft ohne von außen erkennbare Ursache, die
zumindest auf den ersten Blick wie verschiedene Persönlichkeitsanteile
imponieren können. Außerdem sind schwerwiegende Identitätsstörungen
typisch für das Krankheitsbild. Auch manche Formen der Schizophrenie
weisen Ähnlichkeit zu Symptomen der multiplen Persönlichkeitsstörung
auf: Manche dieser Patienten erleben Stimmen, die ihre Handlungen
kommentieren und beobachten, ähnlich wie bei ko-bewussten
Subpersönlichkeiten.
Die PTSD teilt mit der multiplen Persönlichkeit die traumatische Genese,
außerdem treten typischerweise dissoziative Symptome auf. Häufig fühlen
die Patienten sich auch von sich selber entfremdet.
Therapie
Die Therapie kann psychodynamische kognitiv-behaviorale,
hypnotherapeutische und traumaadaptierte Methoden umfassen. Üblich sind
Langzeit-Einzelbehandlungen über mehrere Jahre, aber es werden auch
ambulante und stationäre Kurzzeitinterventionen angeboten.
Weitere Möglichkeiten sind tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie,
Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie, katathymes Bilderleben, die
EMDR-Technik oder die Bildschirmtechnik.
Zitat
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