Round-Table VII Kapitalmarkt und Finanzkrisen Wie finanzieren sich Japans Unternehmen? Wie stellen sich Banken dem Druck der Deregulierung? Wie kommen sie mit der Konkurrenz alternativer Kapitalmärkte zurecht (Aktien, etc.?) Welche Rolle haben die Banken im Wirtschaftswachstum gespielt, welche in der Rezession? Moderation: Charlotte ROESENER Horioka, Charles Y. (1990): Why is Japan’s household saving rate so high? A literature survey. In: Journal of the Japanese and International Economies 4, 49-92 (reprinted in Peter Drysdale and Luke Gower (eds.): The Japanese economy. Part 2, Vol. VIII. London: Routledge, 75-115) (exzerpiert von Nina Steinecker) Japan hat unter den OECD Mitgliedsländern eine der höchsten Sparquoten bei privaten Haushalten. (Dies Quote wird berechnet, indem man den ersparten Prozentsatz des Nettoeinkommens von Haushalten erhebt.) In den Jahren von 1974 bis 1976 ist diese Quote angestiegen und hat ein Nivea von rund 20% erreicht. Seit 1976 fällt sie ein wenig ab, ist jedoch im internationalen Vergleich immer noch hoch. ■ Besonders großen positiven Einfluss auf die hohe Sparquote haben vor allem vier Faktoren: ● Die Altersstruktur der Bevölkerung Zur Alterstruktur ist anzumerken, dass in Japan der Altersunterschied zwischen den Ehepartnern vergleichsweise hoch ist, was mit sich bringt, dass die Ehegattinnen längere Zeit als Witwen leben, für diesen Lebensabschnitt werden Rücklagen angelegt, was sich positiv auf die Sparquote auswirkt. Allgemein gilt in Japan, dass die Lebenserwartung sehr hoch ist. Für das hohe Alter braucht man finanzielle Rücklagen und auch das wirkt sich positiv auf die Sparquote aus. ● Das Bonussystem In Japan ist es üblich, halbjährlich einen Bonus an die Mitarbeiter auszuzahlen, dieser nicht unbeträchtliche Betrag wird zu einem sehr hohen Anteil gespart. ● Und das starke wirtschaftlich Wachstum. Die Einkommenssteigerung, die mit dem Wirtschaftswachstum einher ging führte zu höheren Sparquoten. Jeder dieser Faktoren wird für etwa 2 bis 3 Prozentpunkte des Unterschiedes in der Sparquote Japans und der anderer Länder verantwortlich gemacht. ■ Negativen Einfluss auf die Sparquote haben: ● Die hohen Pensionen Angestellte von größeren Firmen ● Die Unterstützung seitens der eigenen Kinder im Alter ● Die niedrigen Sparzinsen (durch die Regierung reguliert) ● Und der hohe Anteil von älteren Menschen am Arbeitsmarkt. 1 Da die Japaner damit rechnen können, auch im hohen Alter noch ein regelmäßiges Einkommen zu beziehen, ist die Notwendigkeit fürs Alter zu sparen nicht allzu groß. ■ Und zuletzt einige Faktoren, die in der Vergangenheit zu einer hohen Sparquote beigetragen haben könnten, die aber immer weniger zutreffen: ● Die Tradition Die hohe Bereitschaft der Japaner hart zu arbeiten und viel zu sparen, wird von vielen auf die konfuzianische Tradition zurückgeführt (Im Konfuzianismus gelten Fleiß und Genügsamkeit als Tugenden.). Und auch in der Vorkriegszeit wurden diese Tugenden betont. ● Der geringe Anteil von älteren Menschen (über 65) an der Bevölkerung ● Das Vorherrschen von Großfamilien Die hohe Anzahl an Großfamilien hat auch einen positiven Effekt. Verschiedene Konsumgüter können von mehreren Personen benutzt werden und es bleibt mehr Kapital übrig, das gespart werden kann. ● Der Große Anteil von Selbsttätigen Bei Selbstständigen ist die Sparquote unter anderem deshalb hoch, weil bei ihnen die Notwendigkeit besteht, auch für größere geschäftliche Investitionen Rücklagen zu haben. Auch im Krankheitsfall sind sie auf ihre eigenen Ersparnisse angewiesen. ● Der schwere Zugang zu Krediten Da es schwierig ist, einen Kredit zu bekommen, muss man für größere Investitionen entsprechende Ersparnisse haben. ● Die langen Arbeitszeiten Freizeit wird gerne dafür verwendet, zu konsumieren. Hat man auf Grund von sehr langen Arbeitszeiten und sehr langen Anfahrtswegen kaum Freizeit, dann hat man auch nur wenig Zeit um Geld auszugeben. ● Steuervorteile für Ersparnisse ● Das schwach ausgeprägte Sozialsystem Da das japanische Sozialsystem nur sehr schwach ausgeprägt ist, besteht die Notwendigkeit für eventuelle Notwendigkeiten Ersparnisse anzulegen. ● Und das rapide Einkommenswachstum. Dadurch, dass diese Faktoren an Bedeutung verloren haben, sinkt auch die Sparquote, und sie wird zukünftig noch weiter sinken, allerdings nur langsam. Hamada, Koichi and Akiyoshi Horiuchi (1989?): The political economy of the financial market. In: Kozo Yamamura and Yasukichi Yasuba (eds.): The political economy of Japan. Vol. I: The domestic transformation. Stanford: Stanford University Press, 1987, 223-260 (reprinted in William M. Tsutsui (ed.): Banking in Japan Vol. III. London: Routledge, 30-68 (exzerpiert von Gregor Praher) Die Struktur des Finanzwesens des Nachkriegsjapans war durch 2 Faktoren bestimmt. 1. Wenig Vermögenswerte 2 1953 betrugen die Vermögenswerte nur knapp 1/34 der der USA, welche auch noch relativ gleichmäßig aufgeteilt waren. 2. Geringe Staatsschulden Die japanischen Staatsschulden blieben bis 1973 meist unter 7% des BSP. Dadurch wurde die Finanzpolitik des Staates, durch die Notenbank den Geldfluss zu regeln, massiv eingeschränkt. Der Geldfluss wurde über den Interbank Money Market geregelt. Wiederaufbau und der (inter)nationale Wettbewerb verlangten große Mengen an Investitionen seitens der Unternehmen. Da Spareinlagen der Industrie vernachlässig gering waren, wurden diese über Kredite finanziert. Da die Transaktionskosten von Kapital nach dem Krieg noch relativ hoch waren, besonders in Beziehung zu den geringen Kapitalvermögen, wurden Geldwerte nur wenig gestreut, d.h., fast jeder legte Rücklagen in Form von Spareinlagen bei Banken ein. Die Banken hatten daher, vor allem weil offene Kapitalmärkte nicht entwickelt waren, große Mengen billiges Spekulationskapital, und verliehen diese Geldmittel dann in Form von Krediten an Unternehmen. Firmen konnten, weil alternative offene Märkte nicht entwickelt waren, ihre Geldmittel ausschließlich von den Banken beziehen, die sich zu langjährigen, für beide Seiten vorteilhaften Verbindungen entwickelten ( jap. keiretsu ). Der wohl wichtigste Vorteil der keiretsu war die Senkung der Transaktionskosten. Bis 1962 flossen rund 13 % des Fremdkapitals in den Aktienhandel. Etwa 20 % der Vermögenswerte von Privatpersonen bestanden wiederum aus Aktien. Wenn die Kreditvergabe strenger gehandhabt wurde, wichen viele Firmen auf Wertschöpfung aus dem Aktienmarkt aus. Dies führte zu einer Destabilisierung des Aktienmarktes. Leitzinserhöhungen der Japanischen Nationalbank wirkten sich also direkt auf den Aktienmarkt aus. Dies eskalierte während einer Periode von Leitzinserhöhungen, als dies in den 60ern kleinere Krisen im japanischen Aktienmarkt zur Folge hatte. Durch diese immer wiederkehrenden Störungen wurde die Funktion des Aktienmarktes beeinträchtigt. Viele Investoren zogen sich ab 1965 vom Aktienmarkt zu Gunsten von Bank-Krediten zurück , die Rolle der Banken wurde dadurch weiter gestärkt. Weil aus den oben erläuterten Gründen der einzige stabile und funktionierende Markt der Interbank Money Market war, blieb den meisten Firmen nichts anderes übrig, als sich an die Banken zu wenden. Es war unvermeidlich, dass die Japanische Nationalbank, als der Wirtschaftsaufschwung einsetzte, massiv Geld an Banken verlieh. Dies war, wegen dem Fehlen des Markts für öffentliche Bonds, die einzige Möglichkeit, den Geldfluss zu regeln. Die stetig steigende Nachfrage kumulierte schlussendlich zu einer zu leichtfertigen Vergabe von Krediten ( Over-Loan ), die nicht mehr gesichert waren. Dennoch wäre ohne diese Over-Loans der Wirtschaftsaufschwung weit langsamer gewesen, da dies die einzige Möglichkeit für die Kapitalbeschaffung der Industrie war. Die anderen Märkte waren einfach nicht entwickelt genug. In den meisten Industrieländern ist der Finanzsektor stärker reglementiert als die übrigen. Auch in Japan war der Finanzmarkt streng reguliert, um Destabilisierungen zu verhindern. Kreditvergaben waren nach Zeitspannen und Größe der Empfängerfirmen gegliedert. Das Finanzministerium musste jede neue Niederlassung einer Bank absegnen. Dabei wurden aber kleinere und mittlere Banken gefördert. Das Finanzministerium war also eher auf eine Stabilisierung des Finanzmarktes aus, als das Wachstum der größeren Banken noch zusätzlich zu fordern. Die Förderung von kleinen und mittleren Bankbetrieben war außerdem ein wichtiger Punkt in der Parteipolitik der regierenden LDP. 3 Die Regierung vergab aber selbst weiterhin günstige Kredite an die von ihr favorisierte Industriebetriebe, vor allem die Schwerindustrie in den 50ern, Leichtindustrie in den 60ern und den Maschinenbau ( vor allem die Automobilindustrie ) in den 70ern. Aber auch die landwirtschaftlichen Betriebe, der Binnenverkehr sowie der Bergbau wurden massiv gefördert, weil diese im Zeitalter des wirtschaftlichen Aufschwungs stagnierten oder in die Krise gerieten. Zimmermann, Guido (2002) Deflation und Geldpolitik in Japan: Was läuft falsch? München: Japan-Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (= Japan-Analysen-Prognosen, 185) (exzerpiert von Peter Ochs) Japan schlittert (unaufhaltsam?) in eine Deflationsfalle, gezeichnet von Arbeitslosenzahlen, die Rekordhöhen erreicht und der dritten Rezession innerhalb einer Dekade. Die Kapazitätsauslastungen sinken unaufhörlich, es herrscht eine Rezession, welche die Preise sinken lässt, was wiederum zu einer Rezession führt. Zu ergründen sind: 1. Worin liegen die Ursachen für die Deflation? 2. Kann bzw. muss die BoJ 1 eingreifen und wenn ja, wie? Die Arbeitslosenquoten stiegen im Jahr 2002 auf 5,5 % an, die Unterauslastung der Kapazitäten ebenfalls, das heißt die Nachfrage nach Gütern sinkt. Das führt zu Rationalisierungen, zumeist in Form von Entlassungen. Aufgrund der Arbeitsplatzverlust verdienen die Arbeiter weniger Geld, was zu einem Sinken der Nachfrage und somit der Kapazitätsauslastung führt. In den Wirtschaftswissenschaften scheint man sich heute einig, dass die Geldpolitik den Angebotsüberschuss durch Erhöhen der Geldmenge und senken der Zinsen wirksam beseitigen kann, denn der Konsument, der mehr verdient, kauft mehr. Allgemein wird nach der Quantitätstheorie des Geldes davon ausgegangen, dass die Inflation auf das Wachstum der Geldmenge zurückzuführen ist. Ist das Geldniveau stabil, so ist es auch das Preisniveau. Bei der Deflation gilt: Sinkt das Geldmengenwachstum, führt das zum Sinken der Preise. Nach der Quantitätstheorie müsste die Deflation als monetäres Problem durch die Steuerung der Geldmenge eingedämmt werden können. Denn wenn die Nachfrage derart ansteigt, dass man angebotsseitig mit der Produktion die Nachfrage nicht mehr abdecken kann, so steigen die Preise und wirken der Deflation entgegen. Aber wer steuert die Geldmenge? Tatsache ist, dass die Notenbank2 die von den Nichtbanken3 gehaltenen Geldmengen in Form von Sichteinlagen4 und Bargeld nicht vollständig steuern kann, sondern nur die Zentralbankgeldmenge. Die gesamtwirtschaftliche Geldmenge ist aber ein Vielfaches der Zentralbankgeldmenge. Das besondere bei Japan ist, dass der Nominalzins bei Null liegt Fisher Theorem5 i=r+P i = Nominalzins r = Realzins P= von den Haushalten zukünftig erwartete Inflationsrate 1 Bank of Japan auch Zentralbank 3 Haushalte, Unternehmen und Staat 4 Guthaben auf einem Bankkonto 5 Aufgrund von Formatierungsschwierigkeiten wurde die Variable „P“ verändert, nicht aber das Theorem selbst. 2 4 Nach dem „Fisher-Effekt“ herrscht bei einem Nominalzins von Null und einem positiven Realzins negative Inflationserwartung, es herrscht also Deflationserwartung. Für gewöhnlich sind sinkende Preise etwas erfreuliches, nicht aber wenn sie das auf breiter Front tun. Denn die Nominallöhne vertraglich fixiert, bleiben unverändert, was zu einem Anstieg der realen Lohnkosten für die Unternehmen führt. Dadurch wiederum sinkt die Arbeitsnachfrage und in weiterer Folge werden Arbeitsplätze wegrationalisiert. Die Investitionsnachfrage sinkt und führt zu einem Rückgang der Arbeitsnachfrage. Weiters führen die sinkenden Preise zu einer steigenden realen Schuldenlast der Unternehmen und Haushalte. Konsumenten verschieben Einkäufe in die Zukunft, da sie von den sinkenden Preisen profitieren wollen. Die BoJ muss also die Geldmengenwachstumsrate erhöhen um so der Deflation entgegenzuwirken. Doch die BoJ macht in erster Linie die Strukturprobleme im Bankensektor verantwortlich. Tatsächlich tragen auch die Haushalte dazu bei, dass die expansive Geldpolitik der BoJ nicht Fuß fassen kann, denn die Haushalte deponieren ihr Geld auf der Bank, statt es in Umlauf zu bringen. Aber in erster Linie wird die Geldpolitik durch die sinkende Kreditvergabe seitens der Banken behindert. Die Banken sind noch heute damit beschäftigt faule Kredite abzuschreiben, die sie in den 80er Jahren gewährten. Deshalb vermeiden die Banken es Kredite an Unternehmen zu vergeben, die ein höheres Kreditausfallrisiko darstellen. Statt dessen bunkern sie ihr Geld lieber in Form von Rücklagen bei der Notenbank. Es ist also wahr, dass ein Strukturproblem bei den Banken herrscht, aber die Deflation ist ein monetäres Problem und muss unbedingt von der BoJ gelöst werden, um den sinkenden Preisen Einhalt zu gebieten und die reale Schuldenlast der Unternehmen und damit das Volumen der faulen Kredite zu reduzieren und die Kreditvergabebereitschaft zu erhöhen. Aufgabe der Notenbank ist es den Sparüberschuss zu beseitigen, was entweder über angebotsseitige Strukturreformen, fiskalpolitische Maßnahmen oder geldpolitische Nachfrageimpulse geschehen kann. Strukturreformen können aber nur dann greifen, wenn auch die Haushalte motiviert werden können mehr auszugeben, was eine denkbare Reaktion auf eine Strukturreform wäre, aber in Anbetracht der gegenwärtigen Situation Japans als riskant gilt. Denn erstens weigert sich die BoJ nach wie vor die Nachfragelücke zu schließen und zweitens weil das wichtigste Strukturproblem die faulen Kredite sind, die zu einem großen Teil ein Produkt der Deflation sind. Auch eine expansive Fiskalpolitik, welche die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage erhöht wäre denkbar. Allerdings käme es zu einer Erhöhung des Budgetdefizits bei einer ohnedies hohen Staatsverschuldung. Die Japaner in Erwartung einer neuen Steuererhöhung, mit der die Staatsverschuldung wieder getilgt werden müsste, könnten auf die Idee kommen ihre Ersparnisse aufgrund der zukünftigen Aussichten zu erhöhen, wodurch die Gesamtnachfrage nicht erhöht würde. Ein anderer Vorschlag geht in die Richtung gehaltenes Geld zu besteuern, also einen negativen Zins auf Geld zu bezahlen. Das ist allerdings praktisch kaum durchführbar. Man müsste die Deflationserwartungen durch Inflationserwartungen ersetzen, was einen negativen Realzins erzeugen würde und in weiterer Folge die Geldhaltung implizit besteuerte. Diese Inflationserwartung wird aber nur dann möglich, wenn die BoJ die glaubwürdige Verpflichtung eingeht die Geldmenge zu erhöhen, also eine Inflation auszulösen. Aber das kann sie nur dann erreichen, wenn sie auch die Kreditvergabe vermehrt. Theoretisch kann die Notenbank die Banken umgehen indem sie Vermögensgüter6 mit Zentralbankgeld einkauft und diese direkt an den 6 Immobilien, Aktien oder sogar Konsum- und Investitionsgüter 5 Konsumenten weitergibt. Denkbar wäre auch, dass die BoJ US-Anleihen ankauft. Zu diesem Zweck müsste sie Yen in Dollar tauschen, wodurch der Yen sinken würde und es zu einer nominalen Abwertung käme. Die japanischen Exporte würden wettbewerbsfähiger und die Nachfrage sowie die Kapazitätsauslastung der Unternehmen stiegen wieder an, gleichzeitig käme es zu einer Verteuerung der Importe und einer Inflationserwartung, sowie zur Senkung des Realzinses. Doch nach wie vor ist die BoJ nicht gewillt (vielleicht gerade weil unkonventionell) Vorschläge aus dem Ausland anzunehmen. Fazit ist, dass es der BoJ möglich ist die Deflation zu stoppen, wenn sie in erster Linie die Geldmenge erhöht und weiters die gegenwärtigen Strukturprobleme beseitigt um auch in Zukunft eine neue Deflationsfalle zu vermeiden. Sakakibara Eisuke (2002) Japan’s unavoidable financial crisis? Paper presented to the Columbia Business School, 7 October 2002. Online available at www-1.gsb.columbia.edu/japan/pdf/Sakakibara.pdf (exzerpiert von Susanne Volm) Das Exzerpt beruht auf einem Interview, das von David Weinstein, Professor of the Japanese Economy and Associate Director for Research at the Center on Japanese Economy and Business, mit Eisuke Sakakibara, Professor an der Keio University und ehemaliger Vizeminister of Finance for International Affairs of Japan, geführt wurde. Inhalt ist die momentane finanzielle und wirtschaftliche Situation Japans, die Politik sowie die Banken, die dahinterstehen und die möglichen weiteren Auswirkungen. Zwischen 1960 und 1970 war die Exportwirtschaft Japans die tragende Säule, mittlerweile wird hauptsächlich nur noch für das Inland produziert. Die Wettbewerbsfähigkeit der japanischen Wirtschaft ist zurückgegangen, die Marktanteile der (kleineren und mittelgroßen) Unternehmen sind gesunken. Der Interviewer geht davon aus, daß die Regierung unter Premier Koizumi auf die drohende wirtschaftliche Krise Japans nicht angemessen reagiert. Der amtierende Finanzminister Takenaka verfolgt eine aggressive Politik, indem er die Banken dazu bewegen möchte, „faule Kredite“ zu kündigen. Er sieht in Inflation und aggressiver Währungspolitik eine Lösung für die Krise, weil dadurch „Geld in die Wirtschaft gepumpt“ wird. Ein alternativer Lösungsvorschlag, den Herr Sakakibara propagiert, geht dahin, daß die Aktiva der Banken und die Passiva der Unternehmen gemeinsam saniert werden sollten. Im Rahmen des Interviews erläutert er dies: Der gemeinsame Sanierungsplan soll so aussehen, daß das Management der verschuldeten Firmen ausgetauscht, Investitionen von und Kooperationen mit ausländischen Firmen angestrebt oder Fonds bzw. (staatliche) Bürgschaften bereitgehalten werden. Weiterhin ist es wichtig, daß die Ministerien zusammenarbeiten. Die Wettbewerbsfähigkeit ist zu stärken und der mittlerweile hohe Anteil geschützter bzw. verstaatlichter Industriezweige, wie in der Medizin und im Bildungssektor, ist aufzubrechen. Ziel muß es sein, daß Engagement privater Unternehmen in diesen Bereichen wieder zuzulassen und auszubauen. Der gemeinsame Sanierungsplan scheitert in der Realität allerdings daran, daß der amtierende Finanzminister über wenig Durchsetzungskraft verfügt und eine politische 6 Einflußnahme auf unternehmerische Entscheidungen besteht. Zudem werden mögliche Lösungen und anstehende Maßnahmen Takenakas frühzeitig in die Medien kolportiert, was zur Folge hat, daß sie von den Finanzmärkten falsch interpretiert werden bevor überhaupt eine Entscheidung steht. Weil der gemeinsame Sanierungsplan nicht realistisch ist, sondern nur der gegenwärtig von der Politik eingeschlagene Weg einer aggressiven Antwort auf die Krise, befürchtet Sakakibara, daß es nicht zu einer soft-landing, sondern zu einer hard-landing kommen wird. Der Markt für Kredite wird – wie in Thailand und in Indonesien – zusammenbrechen und zu einer wirtschaftlichen Krise führen. Anders als in Thailand und in Indonesien wird die Krise in Japan weniger auf die Nachbarstaaten ausstrahlen (weil Thailand und Indonesien vor ihrer Krise mit ausländischem Kapital überversorgt waren), sondern sich nur in Japan abspielen, da sich die japanische Wirtschaft auf Kredite heimischer Banken stützt. Bei einem soft-landing wäre es nach Ansicht von Sakakibara möglich, die Krise zumindest noch für die nächsten 2 bis 5 Jahre zu verhindern. Eine aggressive Umstrukturierung hält er ungeachtet dessen grundsätzlich mit dem kulturellen Selbstverständnis Japans für zu vereinbaren, zeigte doch die damalige tiefe Umstrukturierung zur Meiji-Restauration Erfolg. Um der wirtschaftlichen wie finanziellen Krise auszuweichen, befürwortet er in erster Instanz eine politische Umstruktierung – d. h. ein Aufbrechen der vorhandenen politischen Kasten und des bürokratischen Systems – als eine Neuordnung des (volks-) wirtschaftlichen Systems. Die angestrebte Schwächung des Yens sieht er zwar als wirksame Lösung für Japan, aber auf dem Wirtschaftsmarkt der Welt als sehr kurzfristig und Unstimmigkeiten auslösend. Trotz der anstehenden Umstrukturierung ist Sakakibara davon überzeugt, daß Japan auf lange Sicht Entwicklungspotential hat und wieder aufsteigen wird, sofern sich das politische Leben ändert. Hamada Koichi and Hugh T. Patrick (1988): Japan and the international monetary regime. In: Takashi Inoguchi and Daniel I. Okimoto (eds.): The political economy of Japan. Vol. II: The changing international context. Stanford: Stanford University Press, 108-137 [ZUBA] (exzerpiert von Markus Zuba) Das Internationale Währungssystem (IWS) Darunter ist das Regelwerk, welches die internationalen finanziellen Wechselbeziehungen bestimmt, zu verstehen. Es ist als solches ein wichtiger Teil der Weltökonomie. Alle Nationen, also auch Japan, tragen ihren Teil zur Entwicklung des IWSs bei, jedoch zu unterschiedlich großen Teilen. Nach dem 2ten Weltkrieg spielten die USA die dominierende Rolle was die Entwicklung des IWSs anbelangt. 1949, während der amerikanischen Besatzung, band Japan seine Währung im Verhältnis $1=360Yen an den Dollar. Erst 1971, als US Präsident Nixon die Bindung zwischen Dollar und Gold aufhob, begann Japan von diesem Wechselkurs abzuweichen. Um der steigenden Nachfrage nach dem Dollar als internationaler Reservewährung nachzukommen, brachten die USA bereits in den 60er Jahren mehr Dollar in Umlauf als durch ihre Goldreserven abgedeckt war. Der Wert des Dollars wurde nunmehr 7 weniger durch Goldreserven als durch die Tatsache gedeckt, dass er als internationales Zahlungsmittel etabliert war. 1971 hielt Japan als einziges Land an dem alten (geregelten) Wechselkurs zum Dollar fest um Treue und Verlässlichkeit zu demonstrieren. Als die internationale Nachfrage nach dem Yen stieg, wechselte Japan 1973 endgültig auf flexible Umtauschraten. Die Stabilität des Japanischen Yen im Internationale Währungssystem Die Stabilität der Japanischen Währung kann sowohl von inner- als auch von außerjapanischen Kräften beeinflusst werden. Im Herbst 1971 wurde massiv Dollar zum überteuerten, veralteten Wechselkurs angekauft, was destabilisierend wirkte. Der Yen kann stabilisiert werden, wenn Dollar verkauft werden, sobald sie hoch im Kurs stehen und Dollars angekauft werden, wenn sie wenig wert sind. Dies wurde bis auf wenige Ausnahmen in den Jahren 1977 und 1978 bis 1983 so praktiziert. 1978 war $1 nur noch 176 Yen wert. Zu diesem Zeitpunkt war der Yen überbewertet. Die USA und Japan sprachen sich daraufhin ab und machten Ankündigungen, dass Japan Dollars kaufen werde. Der Yen begann in folge dessen gegenüber dem Dollar an Wert zu verlieren und der Überbewertung wurde entgegengewirkt. Ein derartiges gemeinsames Vorgehen hat jedoch nicht immer die gewünschten Auswirkungen, da Erfolg und Misserfolg immer auch von den anderen Teilnehmern am internationalen Finanzmarkt und deren Reaktionen auf die Intervention abhängt. Die Group of Five (USA, UK, Deutschland, Japan, Frankreich) bewirkte 1985 mit ihrer Aussage, in die internationalen Finanzmärkte einzugreifen, einen Verlust des Dollars gegenüber dem Yen von 59%. Diese Wirkung wurde aber nur deshalb erzielt, weil durch sie bereits vorhandene Entwicklungen auf den Finanzmärkten (z.B. Verlust des Vertrauens in den Dollar) verstärkt und zum Abschluss gebracht wurden. Die G-5 wurde mittlerweile um Kanada und Italien zur G-7 erweitert. Auch Änderungen des Zinssatzes können die Stabilität der Währung beeinflussen. Es hängt jedoch immer davon ab ob die Marktteilnehmer mit oder gegen die nationalen (hier: Japanischen) Autoritäten (z.B. Bank of Japan) spekulieren (wollen). McCall Rosenbluth, Frances (1993): Financial deregulation and interest intermediation. In: Gary Allinson and Yasunori Sone (eds.): Political dynamics in contemporary Japan. Ithaca, Cornell University Press, 107129 (reprinted in William M. Tsutsui (ed.): Banking in Japan Vol. III. London: Routledge, 113-133 (exzerpiert von Sabine Berger) Es gibt drei wesentliche Theorien für die finanzielle Deregulation in Japan: Erstens: Die Regierung Japans kümmert sich besonders um den Privatsektor und vernachlässigt somit die großen Unternehmen, die am internationalen Markt bestehen könnten. Zweitens: Japan ist ein popularistischer Staat, der durch die Zurücknahme des Bankschutzes konkurrenzfähigere Zinsen auf Kredite und Anleihen erzielt. Drittens: Für die Finanzanbieter war die Regulation von Vorteil aber in Zeiten der Globalisierung ist diese Regulation ein Wettbewerbsnachteil und wird deshalb nur mehr in bestimmten Bereichen betrieben, um Kunden nicht zu verlieren. 8 Vor dem zweiten Weltkrieg arbeiteten Unternehmen und Banken eng zusammen, indem Banken Firmenanteile hielten, Kredite gewährten und Anleihen aufnahmen. Aktienunternehmen (securities firms) existierten nur als Nischenmarkt. Als 1948 Section 65 von „Japan’s Securities Exchange Act“ (Japans Aktienhandelsakt), beschlossen von der U.S. Occupation, in Kraft trat, wurden Bankwesen und Aktiengeschäfte von einander getrennt. Natürlich protestierten die Banken dagegen, doch die bislang verdrängten Aktienunternehmen sahen ihre Chance und etablierten sich am Markt. Dennoch blieben Banken ein wichtiger Mitspieler am Markt. Vor dem Krieg erschlossene Gruppen, die sogenannten zaibatsu wurden zerschlagen und dafür neue keiretsu gegründet, bankzentralisierte Finanzhandelsgruppen von Unternehmen. Die meisten Unternehmen hielten Bande mit so einer keiretsu als eine Art Hauptbank aufrecht, während sie weiters mit anderen Banken Kreditgeschäfte tätigten. Der „Temporary Interest Rate Control Act“ (temporärer Zinsraten Kontrollakt) von 1948 erlaubte es den Banken Einlagen zu niedrigen Zinsraten anzunehmen und ermöglichten somit niedrige Kosten für die Einlagerung von Geldreserven. Eigentlich war diese Maßnahme gedacht, um die Banken dazu zu bringen, den Firmen nieder verzinste Kredite zu gewähren, dazu kam es aber nicht und so kam es, dass in der vom Krieg erschütterten Zeit Firmen pleite waren und die Banken das Geld hielten, was jenen die Macht über den Kapitalmarkt verlieh und so dazu führte, dass sie Kredite zu Wucherzinsen vergeben konnten. Neben dieser Tatsache kam es auch dazu, dass die Banken trotz der Beschlüsse von Section 65 dank ihres „Bond Arrangement Committee’s“ den Markt für Firmenanleihen blockieren und somit ihre Kredite fördern konnten. Einige Veränderungen in der japanischen Wirtschaft haben kürzlich dazu beigetragen, die japanischen Banken von ihrer Vorherrschaft zurück zu treiben: Erstens, die Ölpreiskrise 1973. Sie führte in allen Bereichen der japanischen Wirtschaft zu Problemen, ebenso im Finanzbereich. Im Gegensatz zu früheren, Wachstums orientieren Jahren, waren Unternehmen nun nicht mehr bereit zu investieren. Zweitens waren mittlerweile viele japanische Unternehmen groß genug um exzellente Konditionen am europäischen Finanzmarkt zu erhalten und viele von ihnen bevorzugten Kredite aus Europa und dem sogenannten Eurobond Markt. War der Anteil japanischer Unternehmen auf jenem in den frühen 70ern gerade mal 1,7%, betrug er 1984 bereits 51,9%. Banken versuchen heutzutage ihre besten Kunden zu erhalten, indem sie nachgiebigere Konditionen vergeben. Da viele äußerst finanzkräftige Firmen ihre Möglichkeiten entdeckten, an anderen besser verzinsten Märkten zu investieren, haben Banken ihre Verzinsung ebenfalls angehoben, oft auf Kosten ihrer Profitabilität, haben allerdings auch größere Bewegungsfreiheit am Privatmarkt erhalten. Ein weiterer Punkt ist, dass die Deregulation vor allem größere Einlagen betrifft, da es für kleinere Formen wie zB Sparbücher bislang keine guten Alternativen gibt. Für größere Einlagen hingegen gibt es genügend solch, wie oben erläutert wurde, was den Großinvestoren die Möglichkeit gibt, den Markt stark zu beeinflussen. 9 Als dritte Veränderung kann man die plötzliche Steigerung der Anzahl von Ausstellungen von Staatsanleihen betrachten. Diese begann 1975 mit einem Versuch die Rezession, die durch die „wild price increase“ in den Jahren 1973-1974 verursacht worden war, zu bekämpfen. Anfangs war dies ein gutes Mittel, da die Überschüsse von den Banken absorbiert werden konnten, doch allmählich wurde die Menge der Anleihen zu hoch und die Banken waren dazu nicht mehr in der Lage. So kam es zu einer massiven Inflation, was die Banken verärgerte, da sie gezwungen waren, diese Anleihen bis zur Auslauffrist zu halten. Das Ministry of Finance (MOF) versuchte die Banken durch diverse Maßnahmen zu besänftigen, bis es schließlich 1982 durch den „Banking Act“ erlaubte, dass Banken Staatsanleihen verkaufen und mit ihnen auf eigene Rechnung handeln dürften, was bisher nur Aktienunternehmen freistand, und somit die Grenze zwischen jenen und den Banken aufhob. Weiters nennenswert war die Angelegenheit rund um den Handelsblättermarkt (commercial papers market) im November 1987. In den USA sind jene Handelsblätter eine beliebte Investitionsart, doch in Japan wehrten sich die Banken lange gegen die Einführung, da sie eine direkte Konkurrenz zu ihren kurzfristigen Krediten darstellte. Außerdem wären die Aktienunternehmen durch die Tatsache, dass sie solche Handelsblätter im Ausland unterschreiben könnten, den Banken gegenüber im Vorteil gewesen. Als allerdings Unternehmen einen Weg gefunden hatte, die Banken zu umgehen, indem sie die Handelsblätter am ausländischen Markt ausstellten, konnte das MOF schließlich ein Abkommen zwischen den Banken und den Aktienunternehmen erzielen, das besagte, dass beide Institutionen berechtigt seien Firmenanleihen (corporate securities), also auch Handelsblätter, zu unterzeichnen. Ueda, Kazuo (1994): Institutional and regulatory frameworks for the main bank system. In: Masahiko Aoki and Hugh Patrick (eds.): The Japanese main bank system: its relevance for developing and transforming economies. Oxford: Oxford University Press, 89-108 (reprinted in William Tsutsui (ed.): Banking in Japan Vol. II. London: Routledge, 586-604 (exzerpiert von Markus Leupold-Löwenthal) Dieser 18-seitige Artikel aus dem Jahr 1994 beschäftigt sich mit den Auswirkungen der staatlichen Regulierung des japanischen Bankwesens von 1927 bis in die frühen 1990er. In der Einleitung beschreibt der Autor die Dreiteilung der Bankenwelt in long-term und short-term banking sowie trust banks. Dies sei eine notwendige Folge der durch den 2. Weltkrieg erschütterten Bankwelt Japans. Der Staat habe die Banken dabei durch dreierlei Maßnahmen gestützt: durch Zuschüsse, die Übernahme von Kreditrisiken und durch Kontrolle des Geldflusses an den Kapitalmärkten. Dass trotz der Regulierung und der resultierenden fehlenden belebenden Konkurrenz keine Verminderung der Managementeffektivität eingetreten ist, wird mit dem raschen Wachstum der Wirtschaft nach dem Krieg begründet, wodurch einige regulierenden Maßnahmen ab den späten 1970ern nicht mehr nötig waren und aufgelockert wurden. 10 Der Text erklärt nun, dass die Regulierungen kein Resultat des 2. Weltkriegs waren. Schon seit dem Bank Act von 1927 habe die Regierung in Form des Ministry of Finance (MOF) und der Industrial Bank of Japan (IBJ) die davor noch freie Bankenwelt unter ihre Aufsicht gebracht. Dabei habe das MOF weniger durch Gesetze sondern mehr mittels Überzeugung beeinflusst. In der Kriegszeit, beginnend ab 1937, wurden Kredite über 100.000 Yen durch das MOF bewilligungspflichtig, die so die Gelder besser in Kriegsanschaffungen bündeln konnten. Kleinere Banken ohne Verbindungen zum Militär konnten nur indirekt über die großen Banken Geschäfte machen. Zinssätze wurden dabei stark reglementiert. Nach dem Krieg wurde das System der staatlichen Kontrolle beibehalten, nur verschob sich der Fokus der Finanzierungen vom Militär zu Firmen zum Wiederaufbau. Firmen konnten durch eigene Schuldscheine nur sehr eingeschränkt investieren, und waren auf Kredite angewiesen. Neue Finanzfirmen konnten sich am Banksektor kaum etablieren. Die frühe Nachkriegszeit war geprägt durch staatlich angeregte Reduzierung und Straffung des Filialnetzes der Banken. Beginnend mit dieser Zeit bis in die 1990er wurde auch stets versucht, angeschlagene Banken um jeden Preis durch Zusammenschluss mit stärkeren Banken oder durch staatliche Subventionen zu retten, anstatt sie bankrott gehen zu lassen. Der Text argumentiert nun, dass die Performance der japanischen Bankwelt vor 1945 und nach ca. 1980 wieder auf dem selben hohen Niveau sind, und sich die schlechten Effizienz dazwischen hauptsächlich durch das Zusammenspiel Regulierung und Nachkriegsarmut ergibt: viele Menschen und Firmen haben wenig Geld, weshalb der pro-Kopf Betreuungsaufwand steigt, die dadurch erhaltenen Einlagen aber vergleichsweise gering sind, und die Banken kaum Spielraum bei den Zinsen haben. Dem ist jedoch dagegen zu halten, dass durch die guidance on current costs, die den Banken seit 1949 vorschreibt, dass die anfallenden Kosten maximal 90% (seit 1952 sogar nur 78%) des Jahreseinkommens der Banken umfassen dürfen, langsam aber stetig Kapital angehäuft wurde, um gegenüber der wieder wachsenden Wirtschaft gewappnet zu sein. Zuletzt geht der Artikel noch auf die Auswirkungen der schrittweisen Liberalisierung des Finanzmarktes ab den späten 1970ern ein. Es wird festgestellt, dass sich langsam ein Markt für Anleihen etabliert, und große Firmen immer weniger Kredite aufnehmen, sondern ihre Investitionen durch mittlerweile angehäuftes Eigenkapital und Wertpapiere finanzieren. Dass in Summe die Zahl der Kredite noch immer steigt, wird durch die große Anzahl an Klein- und Mittelbetrieben begründet, denen andere Optionen aufgrund ihrer Größe verwehrt bleiben. Heinz, Ronald und Wolfram Manzenreiter (2003): Finanzkrise im Zentrum: Der Fall Japan(s). In: Joachim Becker et al. (HG.) Geld Macht Krise. Finanzmärkte und neoliberale Herrschaft. Wien: ProMedia/ Südwind 2003, 191-216 (exzerpiert von Johannes Kiener) Obwohl japanische Banken noch in den 1980er Jahren das internationale Bankwesen dominierten, kamen sie in den neunziger Jahren in eine Krise die 11 rückblickend nur durch Inkompetenz, fehlender Weitsicht und Nachsichtigkeit ausbrechen konnte. Die japanische Regierung konzentrierte sich nach Kriegsende auf den Wiederaufbau der Wirtschaft. Dieser sollte durch einen streng regulierten Finanzmarkt, welcher niedrige und feste Zinsen garantiert und somit berechenbar wurde, gewährleistet werden. Japan stützte sich auf ein bankbasiertes Finanzsystem, welches durch die Entwicklung des Hausbankensystems (main bank system), unter dem man die extreme Bindung einer Firma an ihren Hauptkreditgeber versteht, funktionierte. Das Ziel der Aufsichtsbehörden war die Banken zu schützen. Sobald ein Finanzinstitut in Schwierigkeiten kam, wurden andere Institute dazu angehalten helfend einzuspringen (Convoy System). Allerdings geriet das japanische Finanzsystem in den 1970er Jahren, da die internationalen japanischen Unternehmen immer häufiger auf ausländischen Märkten erschienen und aufgrund des Ölschocks sich die Realwirtschaft zu ändern begann, in einen Reformkurs, der die Einleitung der Öffnung des Finanzmarktes mit sich brachte. Ein weiterer Grund dafür war der Druck zur Liberalisierung seitens der USA, um den US-Dollar gegenüber dem Yen zu schwächen, da sie ihr Außenhandelsungleichgewicht mit Japan auf den stark unterbewerteten Yen zurückführten. Der Gensaki-Markt und andere Wertpapiermärkte die nicht der Zinsregulierung unterlagen und Eigenfinanzierungen großer Unternehmen, gewannen zunehmend an Bedeutung. Dies bewirkte, das die Banken sich nun mit Mitbewerbern konfrontiert sahen. Die main banken wurden dadurch immer mehr dazu veranlasst, riskante Finanzierungen zu tätigen um ihren Status als main bank behalten zu können. Dies führte zu einer Schwächung der Überwachungsfunktion der main banken gegenüber ihren Kundenfirmen und in Folge auf eine geringere Effizienz dieser. Darum suchten sich die japanischen Banken neue Kunden und fanden diese in Klein- und Mittelbetrieben sowie auf dem Immobiliensektor. Da die Bank of Japan der Rezessionsgefahr 1989 mit der Politik des billigen Geldes begegnete, und die Banken weiterhin auf das Ansteigen des Bodenpreises vertrauten bildete sich die „bubble“ welche durch den Verfall der Immobilienpreise in den 1990er zu platzen begann. Es wurde bei dem Platzen der Spekulationsblase und der Stagnation der japanischen Wirtschaft übersehen dass der Finanzsektor in einer strukturellen Krise steckte. Die Abwärtsbewegung an den Wertpapier- und Immobilienmärkten wurde als zyklisch bedingte Korrekturbewegung interpretiert und die Zahlungsunfähigkeiten der kleineren Banken wurde punktuell behandelt. 1996 wurde von dem Kabinett Hashimotos ein Reformprogramm zur Liberalisierung des Finanzsektors mit den drei Prinzipien - free, fair, global - verkündet. Durch die Orientierung an internationale Standards mussten die Banken ihre Eigenkapitaldeckung sorgfältig überprüfen und sich in internationalen Geschäften an der globalen Richtschnur der Bank of International Settlements (BIS) orientieren. Die Bank- und Börsenaufsicht wurde der Kontrolle des Ministeriums entzogen und dem Amt des Ministerpräsidenten zugeordnet. Trotzdem existierten 2003 widersprüchliche Angaben zum Volumen der notleidenden Kredite. Dies liegt daran, dass die 12 Bankaufsichtsbehörde im Interesse der Stabilität des Systems auf Transparenz und strikte Kontrolle verzichtete. Trotz der Sanierungsmaßnahmen schlitterte die japanische Wirtschaft 2001 zum zweiten Mal in eine noch immer anhaltende Rezession. Die Folge davon ist eine bis 2003 anhaltende Deflation. Dafür werden von zahlreichen Ökonomen unterschiedliche Erklärungen abgegeben: • Sinkende Löhne • Liquiditätsfälle • Kreditverknappung („credit crunch“) • Überbewertung des Yens Die Deflation gefährdet die Profitabilität der Banken. EinlegerInnen würden aufgrund der Deflation sogar dann höhere reale Erträge erhalten, als die Banken eigentlich gewährleisten wollen, wenn sie die Spareinlagen nicht verzinsen würden. Auch bei der Kreditvergabe können die Banken, aufgrund des Wettbewerbs kaum mehr als ein oder zwei Prozent Zinsen verlangen, da die reale Zinsenlast deutlich höher ist. Am Beispiel Japans ist zu beobachten, dass sich die Globalisierung der Finanzmärkte nicht nur in den Staaten der Peripherie destabilisierend auswirkt. Die Kosten, die die Strukturkrise mit sich zog, werden wahrscheinlich wieder von den japanischen BürgerInnen getragen. Die fehlenden öffentlichen Gelder, die zur Sanierung in den Finanzsektor investiert wurden, machen sich heute schon in der unterfinanzierten Altersversorgung und dem rudimentären Sozialsystem bemerkbar. 13