Überblick über CRAFT

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Vorwort der Übersetzer
11
Vorwort der Autoren für die deutsche Version
15
1 Beschreibung des auf dem Community Reinforcement Ansatz
basierenden Familien-Trainings
17
Gründe für die Arbeit mit Angehörigen
18
Behandlungsoptionen für Angehörige
19
Überblick über CRAFT
21
Voraussetzungen für einen CRAFT-Therapeuten
22
Angehörige, die von CRAFT profitieren
25
Angehörige finden und auf CRAFT aufmerksam machen
26
Zusammenfassung
28
2 Aufbauen und Aufrechterhalten der Angehörigen-Motivation
30
Auswerten des Datenmaterials
30
Aspekte der Vertraulichkeit
34
Die Beschreibung des Abhängigkeitsproblems durch
die Angehörigen
35
Frühere Versuche der Angehörigen, den Konsum
des Abhängigen zu beeinflussen
38
Der Interaktionsstil des Therapeuten
39
Wecken positiver Erwartungen
41
Beschreiben potenzieller Vorteile des CRA-Familien-Trainings
46
Identifizieren von Verstärkern der Angehörigen
49
Die CRAFT-Grundsätze
51
Die drei Hauptziele von CRAFT
58
Das CRAFT-Verfahren
62
Verantwortlichkeiten der Angehörigen
65
Zusammenfassung
66
Arbeitsblatt 2.1: Skala zur Zufriedenheit mit der Beziehung
67
6
3 Funktionale Analyse eines Problemverhaltens
68
Ziele der funktionalen Analyse
68
Vermitteln der funktionalen Analyse eines Problemverhaltens
69
Der erste Schritt: Überblick über das Problemverhalten
71
Angehörige dazu befähigen, auslösende Bedingungen
für den Substanzkonsum zu erkennen
77
Das genaue Beschreiben des Trink- oder Konsumverhaltens
89
Identifizieren der kurzfristigen positiven Folgen
des Substanzkonsums für den Abhängigen
92
Identifizieren der langfristigen negativen Folgen
des Substanzkonsums für den Abhängigen
97
Zusammenfassen der funktionalen Analyse
103
Verbreitete Schwierigkeiten beim Durchführen
der funktionalen Analyse
107
Zusammenfassung
109
Arbeitsblatt 3.1: Funktionale Analyse des Konsumverhaltens
110
Arbeitsblatt 3.2: Funktionale Analyse des Konsumverhaltens: Beispiel 112
4 Vorsichtsmaßnahmen bei häuslicher Gewalt
114
Substanzmissbrauch und häusliche Gewalt
115
Einschätzen des sozialen Netzes
116
Erfassen der Gewalt
117
Eine funktionale Analyse des gewalttätigen Verhaltens:
Grundprinzipien und Übersicht über das Problemverhalten
120
Eine funktionale Analyse des gewalttätigen Verhaltens:
Beschreiben der Auslöser und des gewalttätigen Verhaltens
123
Eine funktionale Analyse des gewalttätigen Verhaltens:
Beschreiben der Konsequenzen
130
Eine funktionale Analyse des gewalttätigen Verhaltens:
Nutzen der Informationen zur Ausarbeitung eines Notfallplans
136
Mögliche Interventionsfelder
138
7
Prävention häuslicher Gewalt
139
Entwickeln eines Notfallplans bei anhaltender, ernsthafter Gewalt
144
Angehörigen helfen, mit ihrer Wut und ihrem Ärger umzugehen
146
Zusammenfassung
147
Arbeitsblatt 4.1: Funktionale Analyse des gewalttätigen Verhaltens
148
Arbeitsblatt 4.2: Funktionale Analyse des gewalttätigen Verhaltens:
Beispiel
150
5 Verbesserung der Kommunikationsfertigkeiten von Angehörigen –
das CRAFT-Kommunikationstraining
152
Gründe für das Vermitteln von Kommunikationsfertigkeiten
152
Beschreiben der Richtlinien für positive Kommunikation
155
Anwenden von Rollenspielen
168
Rollenspiele mit vertauschten Rollen
170
Aufgaben für eine positive Kommunikation
180
Zusammenfassung
182
Arbeitsblatt 5.1: Regeln für eine positive Kommunikation
183
6 Positive Verstärkung abstinenten Verhaltens
184
Das Konzept der positiven Verstärkung
184
»Aber ermögliche ich damit nicht den Substanzkonsum?«
186
Zusammenstellen einer Liste von realistischen positiven
Verstärkungen
187
Fallbeispiel zur Auswahl einer angemessenen Verstärkung
189
Identifizieren aktueller zu verstärkender konsumfreier Tätigkeiten
192
Funktionale Analyse eines zu verstärkenden gesunden Verhaltens
194
Antizipieren möglicher negativer Auswirkungen einer Verstärkung
198
Erkennen von Anzeichen für Substanzkonsum
199
Erklären des Zusammenhangs zwischen einer Verstärkung
und dem abstinentem Verhalten
200
8
Erstes Fallbeispiel zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen
einer Verstärkung und dem abstinenten Verhalten
201
Zweites Fallbeispiel zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen
einer Verstärkung und dem abstinenten Verhalten
206
Potenzielle Schwierigkeiten beim Verstärken
212
Die Bereitschaft der Angehörigen zu verstärken
214
Zusammenfassung
215
Arbeitsblatt 6.1: Funktionale Analyse eines gesunden Verhaltens
des Abhängigen
216
Arbeitsblatt 6.2: Funktionale Analyse eines gesunden Verhaltens
des Abhängigen: Beispiel
218
Übersicht 6.4 Häufige Anzeichen von Alkohol- und Drogenkonsum
220
7 Der Einsatz negativer Konsequenzen und
die Vermittlung von Problemlösestrategien
222
Gründe für das Aussetzen von positiver Verstärkung
223
Passende Gelegenheiten und Verstärker für die Auszeit-Intervention
224
Beispiele von Verstärkern für die Auszeit-Intervention
225
Anwenden positiver Kommunikationsfertigkeiten, um dem
Abhängigen das Aussetzen einer Verstärkung zu erklären
227
Fallbeispiel zur Auswahl eines auszusetzenden Verstärkers
229
Verbinden des Aussetzens von Verstärkern mit schwerwiegenden
negativen Konsequenzen
231
Das Zulassen natürlicher Konsequenzen als Intervention
233
Geeignete »natürliche Konsequenzen« auswählen
235
Richtlinien für das Zulassen natürlicher Konsequenzen
237
Fallbeispiel für das Zulassen natürlicher Konsequenzen
238
Beispiele für Situationen, die geeignet sind,
natürliche Konsequenzen zuzulassen
245
9
Problemlösestrategien
248
Fallbeispiel für das Anwenden des Problemlöseschemas
253
Das Ergebnis auswerten
257
Zusammenfassung
261
Arbeitsblatt 7.1: Problemlöse-Schritte
263
8 Den Angehörigen helfen, ihr eigenes Leben zu verbessern
264
Psychische Belastungsfaktoren von Angehörigen
264
Die Zufriedenheit der Angehörigen feststellen
265
Festlegen von Zielen und den dazu erforderlichen Strategien
267
Fallbeispiel einer Angehörigen, die anhand des Arbeitsblattes
»Ziele der Beratung« eine Strategie entwirft
270
Konkretisieren der Ziele und Strategien
276
Weitere Beispiele für Zielsetzungen
279
Erweitern des sozialen Netzes
283
Die Notwendigkeit, eigene soziale Aktivitäten zu entwickeln,
unabhängig von dem Abhängigen
284
Erstellen einer Liste mit angenehmen, eigenständigen
sozialen Aktivitäten
285
Anwenden des Problemlöseschemas zur Identifikation
und Auswahl sozialer Aktivitäten
287
Systematische Ermutigung
290
Zusammenfassung
292
Arbeitsblatt 8.1: Zufriedenheitsskala
294
Arbeitsblatt 8.2: Ziele der Beratung
295
Arbeitsblatt 8.3: Ziele der Beratung: Beispiel 1
296
Arbeitsblatt 8.4: Ziele der Beratung: Beispiel 2
297
10
9 Den Abhängigen eine Behandlung vorschlagen
298
Einen Zeitpunkt hoher Behandlungsbereitschaft wählen
299
Günstige Gelegenheiten
300
Abhängige motivieren, Behandlung auszuprobieren
304
Entscheidende motivierende Punkte
304
Anwenden positiver Kommunikationsfertigkeiten,
wenn dem Abhängigen eine Behandlung vorgeschlagen wird
307
Fallbeispiel einer Ehefrau, die ihrem Mann vorschlägt,
in Behandlung zu gehen
312
Fallbeispiel einer Mutter, die ihrem Sohn vorschlägt,
in Behandlung zu gehen
315
Andere Wege, um einem Abhängigen die Aufnahme einer
Behandlung vorzuschlagen
323
Schnelle Aufnahme
324
Umgang mit dem Widerstand der Abhängigen,
in Behandlung zu gehen
327
Auf die Möglichkeit eines Therapieabbruchs vorbereitet sein
331
Wie Angehörige die Therapie des Abhängigen unterstützen können
332
Zusammenfassung
334
10 Empirische Belege für die Wirksamkeit von CRAFT
335
Herkömmliche Interventionen für Angehörige
335
Individuelle Familientherapie-Ansätze
337
CRAFT-Studien: Allgemeine Methodik
340
Alkohol-Behandlungsstudien
342
Drogen-Behandlungsstudien
346
Zusammenfassung der Forschungsergebnisse und Perspektiven
352
Literatur
355
17
1 Beschreibung des auf dem Community
Reinforcement Ansatz basierenden
Familien-Trainings
Frau Meier ist verzweifelt. Sie hat alles Menschenmögliche versucht,
um ihren Mann zu überzeugen, dass er professionelle Hilfe für sein
Alkoholproblem braucht, aber ohne Erfolg. Sie hat gebettelt, geschrien, genörgelt, gedroht, geweint und ihn sogar für eine Weile verlassen, aber er weigert sich dennoch unerbittlich, in Behandlung zu
gehen. Manchmal trinkt er für ein oder zwei Tage weniger, aber
schnell fällt er wieder in dasselbe alte Muster zurück. In letzter Zeit
scheint er die ganze Zeit betrunken zu sein. Und trotzdem beharrt er
darauf, dass sich seine Frau unbegründet Sorgen macht, und dass er
kein Alkoholproblem hat, sondern lediglich gern trinkt. In einer Behandlungseinrichtung für Suchtprobleme hat man Frau Meier vorgeschlagen, dass sie am besten eine Selbsthilfegruppe aufsucht. Sie
war jedoch mit dem wohlgemeinten Ratschlag, sich von ihrem
Mann zu lösen, nicht glücklich. Also fühlt sich Frau Meier erneut
hilflos. Obwohl sie täglich erwägt, sich von ihrem Mann zu trennen,
weiß sie, dass sie es nie tun wird. Trotzdem kann sie sich nicht einfach zurücklehnen und zuschauen, wie er langsam sich selbst, ihre
Ehe und ihre Familie zerstört. Aber was kann sie tun? Wohin kann
sie sich wenden, um Hilfe zu erhalten?
Das auf dem Community Reinforcement Ansatz basierende Familien-Training (CRAFT) ist ein wissenschaftlich fundiertes Therapieprogramm für Familienmitglieder oder Freunde von Menschen mit
Substanzproblemen, die sich weigern, professionelle Behandlung in
Anspruch zu nehmen. Therapeuten, die den CRAFT-Ansatz umsetzen, arbeiten mit Angehörigen, d. h. mit einer dem Betroffenen nahestehenden Person, um drei Hauptziele zu erreichen. Zwei dieser
Ziele konzentrieren sich dabei auf die Person, welche den Alkoholoder Drogenmissbrauch betreibt, das dritte Ziel betrifft die Angehörigen.
Das erste und wichtigste Ziel ist es, die substanzkonsumierende Person dahingehend zu beeinflussen, dass sie bereit ist, eine Behandlung
in Anspruch zu nehmen. Das zweite Ziel besteht darin, in der Zwischenzeit den Alkohol- bzw. Drogenkonsum zu reduzieren. Das
1
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Beschreibung von CRAFT
dritte Ziel ist schließlich, die Angehörigen dabei zu unterstützen, positive Änderungen in ihrem Leben vorzunehmen, damit sich ihr oder
sein eigenes psychisches Wohlbefinden verbessert – und zwar unabhängig davon, ob die abhängige Person in Behandlung geht oder
nicht.
Die empirischen Ergebnisse dieses Ansatzes sind eindrucksvoll. Je
nach Studie haben es 64 bis 86 % der mit dem CRAFT-Ansatz trainierten Angehörigen geschafft, ihre therapieunwilligen alkoholoder drogenkonsumierenden Angehörigen in Behandlung zu bekommen. Zusätzlich berichten die Angehörigen häufig, dass sie selbst zufriedener mit ihrem Leben geworden sind, unabhängig davon, wie
sich die Therapie ihres Abhängigen entwickelt. Die Angehörigen stehen dabei in unterschiedlichsten Beziehungen zu dem Abhängigen,
es handelt sich z. B. um Ehepartner, Eltern, Geschwister oder Kinder.
Bemerkenswert ist, dass CRAFT ein so wirksames Programm darstellt, dass nur wenige Sitzungen mit den Angehörigen nötig sind, bis
sich der Abhängige bereit erklärt, Behandlung in Anspruch zu nehmen. Hinzu kommt, dass CRAFT-Therapeuten bei ausreichender
Supervision keine umfassenden Erfahrungen bezüglich substanzbezogener Erkrankungen benötigen.
Gründe für die Arbeit mit Angehörigen
CRAFT ist eine Weiterentwicklung des Community Reinforcement
Ansatzes (CRA), einer wissenschaftlich fundierten verhaltensbezoge-
nen Behandlung, die direkt mit der substanzmissbrauchenden Person durchgeführt wird (Azrin 1976; Azrin et al. 1982; Hunt & Azrin 1973; Smith et al. 1998). Im Laufe ihrer Arbeit mit Alkoholikern in den 1970er Jahren vermuteten die CRA-Forscher, dass die
Ehepartner eine wichtige Rolle für die Behandlungsaufnahme von
Betroffenen spielen. Zum Teil war diese Vermutung das Ergebnis
von Beobachtungen bezüglich des Einflusses von Partnern im Rahmen des CRA-Programms, in dem diese die Einnahme von Disulfiram (d. h. Antabus ©) überwachten oder als aktive Partner in der
Paartherapie mitwirkten (Azrin 1976; Azrin et al. 1982). Die Zuversicht der Wissenschaftler bezüglich der Angehörigen beruhte
auch auf der Beobachtung, dass, obwohl die Menschen mit Substanzmissbrauch üblicherweise nicht daran interessiert waren Hilfe
aufzusuchen (Foote et al. 1985; Institute of Medicine 1990; Mil-
Gründe für die Arbeit mit Angehörigen
ler & Rollnick 2004; Snow et al. 1992), ihre Angehörigen hoch
motiviert waren, jede Art positiver Veränderung zu unterstützen.
Tatsächlich waren häufig sie es, die den ersten Kontakt zu einer Behandlungseinrichtung herstellten. Daraus schlussfolgerten die CRAForscher, dass die Angehörigen aufgrund ihres engen Kontaktes zu
dem Abhängigen (Stanton 1982; Stanton & Heath 1997) in der
idealen Ausgangsposition sind, um Einfluss auf seine Entscheidung
zu trinken nehmen zu können (Azrin et al. 1982; Sisson & Azrin
1986). Diese grundlegenden Überzeugungen stützten sich auch auf
die Berichte von Menschen mit Alkohol- oder Drogenproblemen,
nach denen ihre Behandlungsaufnahme oft nur unter dem Druck
von Familie und Freunden zustande kam (Cunningham et al. 1995;
Hingson et al. 1982; Room 1987).
Ein weiterer Faktor, der die CRA-Forscher überzeugt hat mit den
Angehörigen zu arbeiten, war die Sorge um deren Wohlbefinden. Es
ist erwiesen, dass die Lebensqualität der Angehörigen durch die
ständige Bewältigung von Stressoren, die mit dem Substanzkonsum
des Abhängigen verbunden sind, leidet (Ryan et al. 1997). Zu den
Stressfaktoren gehören typischerweise Gewalt, verbale Aggression,
finanzielle Schwierigkeiten, Eheprobleme, gestörte Beziehungen zu
den Kindern und soziale Bloßstellung (Jacob et al. 1991; O’Farrell
& Birchler 1987; Paolino & McCrady 1977; Romijn et al. 1992;
Velleman et al. 1993; Zweben 1986). Da Angehörige auf diese
Stressoren häufig mit Depression, Angst, Krankheitsbeschwerden
und geringem Selbstwertgefühl reagieren, ist es wahrscheinlich, dass
sie selbst auch von der Psychotherapie profitieren können (Brown
et al. 1995; Collins et al. 1990; Orford & Hanvin 1982; Roberts
& Brent 1982; Ryan et al. 1997; Spear & Mason 1991).
Behandlungsoptionen für Angehörige
Ein Mangel an Behandlungsangeboten für Angehörige, aber auch
ein Defizit an Konzepten, die davon ausgehen, dass Angehörige überhaupt Veränderungsprozesse bei substanzmissbrauchenden Personen auslösen können, hinderten Angehörige bislang daran, die ihnen
nahestehenden Abhängigen in Behandlung zu vermitteln. Wie im
Kapitel 10 dargestellt, ist das traditionelle Angebot für Angehörige
seit jeher ein 12-Schritte-Programm, wie das der Anonymen Alkoholiker (Anonymous 1976) oder der Anonymen Narkotiker (Narco-
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1
20
Beschreibung von CRAFT
tics Anonymous 1993). Diese angehörigen-orientierten Programme
empfehlen wohlwollend eine Abnabelung vom Alkoholiker oder
Drogenkonsumenten und die Akzeptanz der eigenen Unfähigkeit,
das Verhalten des Betroffenen kontrollieren zu können. Verständlicherweise sind diese Konzepte auf Widerstand seitens vieler Angehöriger gestoßen, weil sie nicht willens oder außer Stande sind, sich
zu distanzieren und unbeteiligt zu bleiben. Der zweite, in den Vereinigten Staaten verbreitete traditionelle Ansatz, die sogenannte
Johnson Institut Intervention, basiert auf einem unangekündigten
Treffen, in welchem die substanzmissbrauchende Person von einem
Angehörigen mit dem Alkohol- oder Drogenkonsum und allen dadurch verursachten Problemen konfrontiert wird. Die mit diesem
Programm verbundenen hohen Abbrecherquoten scheinen dem Unbehagen der Angehörigen gegenüber der von ihnen erwarteten hochkonfrontativen Rolle geschuldet zu sein (Barber & Gilbertson
1997).
»Unilaterale Familientherapie« (Thomas & Santa 1982) ist ein allgemeiner Begriff für eine ungewöhnliche Form der Familientherapie,
die ein oder mehrere Familienmitglieder, aber nicht die substanzmissbrauchende Person selbst, involviert. Diese neuartige Intervention basiert auf der Annahme, dass die Angehörigen die Abhängigen
aktiv zur Behandlung bewegen können und sollen (Barber & Crisp
1994; Garrett et al. 1998; Thomas & Ager 1993). Gleichzeitig
werden die Angehörigen nie als verantwortlich für den Substanzkonsum des Abhängigen angesehen. Die unilaterale Familientherapie beinhaltet größtenteils das Vermitteln von Strategien, die dabei
helfen, den Substanzkonsum des Abhängigen zu reduzieren und ihn
zur Aufnahme einer Behandlung zu motivieren. Die verschiedenen
unilateralen Familientherapieprogramme unterscheiden sich in dem
Ausmaß, in dem konfrontierende Techniken eingesetzt werden, in
der Auswahl der Fertigkeiten, die im Training vermittelt werden und
im Zeitrahmen, der für das Vorstellen der Techniken angesetzt wird.
Eine Bewertung dieses Ansatzes ist schwierig, weil die Ergebnisse einiger unilateraler Familientherapien nur schwer interpretierbar sind.
Zum einen mangelt es an guten Kontrollgruppenstudien, die ihre
Wirksamkeit belegen (Landau et al. 2000; Thomas et al. 1987) und
zum anderen befassen sie sich nicht ausschließlich mit Betroffenen,
die eine Behandlung ablehnen (Landau et al. 2000). Außerdem wurden die meisten dieser Interventionen durch Stichproben mit Alkoholabhängigen und nicht bei Drogenabhängigen getestet (Barber &
Gilbertson 1996; Thomas & Ager 1993). Zu guter Letzt sind die
Überblick über CRAFT
21
Erfolgsraten solcher Programme hinsichtlich der Behandlungsaufnahme durchgängig niedriger als die von CRAFT (Barber & Crisp
1995; Thomas & Ager 1993; Thomas et al. 1987).
Überblick über CRAFT
CRAFT ist eine wissenschaftlich fundierte, bislang singuläre Form
der unilateralen Familientherapie für die Arbeit mit den Angehörigen
von Menschen mit Alkohol- (Miller et al. 1999b; Sisson & Azrin
1986) oder Drogenproblemen (Kirby et al. 1999; Meyers et al.
1999; Waldron et al. 2003). Gestützt auf die Grundlagen der Lerntheorie nutzt CRAFT verstärkende an Stelle von konfrontativen Strategien. Durch CRAFT trainierte Angehörige lernen, wie man Kontingenzen in der Umgebung des Abhängigen so verändert, dass abstinentes Verhalten verstärkt wird, Trinken oder Drogenkonsum hingegen effektiv abgeschwächt werden ù . Die neuen Fähigkeiten der Angehörigen werden gezielt vermittelt, um den Abhängigen schließlich
dahingehend zu beeinflussen, eine Behandlung aufzusuchen. Gleichzeitig legt das Programm Wert auf die Erhöhung der eigenen Zufriedenheit der Angehörigen in anderen spezifischen Lebensbereichen
(Meyers et al. 1996; Meyers et al. 2001; Meyers & Smith 1995;
Meyers et al. 1998; Sisson & Azrin 1986).
Die Hauptbestandteile des CRAFT-Ansatzes, wie sie im weiteren
Verlauf des Buches dargelegt werden, sind:
Motivierende Strategien: Positive Erwartungen schaffen durch das
Beschreiben des CRAFT- Programms, seiner Erfolge und der möglichen Vorteile für die Angehörigen.
Funktionale Analyse des substanzkonsumierenden Verhaltens des Abhängigen: Die Auslöser und Konsequenzen des Konsums des Abhän-
gigen identifizieren und auf dieser Grundlage Interventionsstrategien für die Angehörigen entwickeln, sodass Umweltbedingungen
dahingehend verändert werden, dass abstinentes Verhalten unterstützt wird.
Vorsichtsmaßnahmen bei häuslicher Gewalt: Das Gewaltpotenzial in
der Beziehung zwischen Angehörigen und Abhängigem einschätzen,
Auslöser für Aggressionen des Abhängigen identifizieren und Verhinderungs- und Schutzpläne ausarbeiten.
Kommunikationstraining: Den aktuellen Kommunikationsstil der Angehörigen mit dem Abhängigen untersuchen, Grundprinzipien für
û Kapitel 10
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