395 Einsatz von ASCAT-Bodenfeuchtedaten bei der Ertragssimulation von Getreide Gerhard KUBU, Sabina THALER und Josef EITZINGER Zusammenfassung Im Rahmen des Projektes GMSM (Global Monitoring of Soil Moisture for Water Hazards Assessment) wurde am BOKU-Institut für Meteorologie, Arbeitsgruppe Agrarmeteorologie, der Einsatz von ASCAT Bodenfeuchte Daten für die regionale Modellierung von Ernteerträgen untersucht. Als Pflanzenwachstums- und Ertragsmodell wurde DSSAT (Decision Support System for Agrotechnology Transfer) verwendet. Am Beispiel der Region Seewinkel wurde untersucht, inwiefern mithilfe von ASCAT Daten der räumliche Niederschlagsinput für eine räumlich hochaufgelöste Ertragsmodellierung verbessert werden kann. Erste Ergebnisse zeigen im Vergleich mit Simulationen von Niederschlagsdaten aus Wetterstationen und INCA Daten vielversprechende Ergebnisse, welche generell ein großes Anwendungspotenzial für ähnliche raumbezogene Modellanwendungen haben. 1 Einleitung Die Abschätzung von Ernteerträgen einer Region mithilfe von Ertragsmodellen kann große Unsicherheiten enthalten, wenn bestimmte räumlich stark variierende und potenziell ertragslimitierende Faktoren wie die regionale Verteilung des Niederschlages unzulänglich bekannt sind (EITZINGER et al. 2008). Eine repräsentative Datenbasis in möglichst hoher räumlicher Auflösung ist daher generell eine wichtige Voraussetzung, um qualitativ gute Ergebnisse im Bereich der Ökosystemmodellierung zu erhalten (DE WIT & VAN DIEPEN 2007). Bodenfeuchte zeigt nicht nur hohe räumliche, sondern auch zeitliche Variabilität. Diese raum-zeitliche Variabilität kann durch ASCAT Bodenfeuchtedaten gut wiedergegeben werden (WAGNER et al. 2012). Die räumliche Auflösung liegt im untersuchten Gebiet des Seewinkels je nach Datenprodukt bei <15 km bzw. <500 m. Da die Bodenfeuchtedaten nur die oberste Bodenschicht repräsentieren, liegt die Herausforderung dieser Arbeit darin, aus der Oberflächenfeuchte eine brauchbare Niederschlagsverteilung abzuleiten, die bei der Ertragssimulation eingesetzt werden kann (KUBU et al. 2011). In dieser Studie wird für die Region Seewinkel versucht mithilfe von ASCAT Bodenfeuchtedaten die regionale Ertragssimulation von Sommergerste zu verbessern. Insbesondere die vorhandenen detaillierten Bodendaten der Region auf Basis der österreichischen digitalen Bodenkarte sowie Wetterdaten der ZAMG-Station Andau und INCA Niederschlagsdaten bieten ideale Voraussetzungen für diese Vergleichsstudie. Strobl, J., Blaschke, T. & Griesebner, G. (Hrsg.) (2012): Angewandte Geoinformatik 2012. © Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-520-1. 396 2 G. Kubu, S. Thaler und J. Eitzinger Material und Methoden Für die Ertragssimulation der Nutzpflanze Sommergerste wurde das Modell DSSAT verwendet (HOOGENBOOM et al. 2004). Für dieses Modell liegen kalibrierte Wachstumsparameter für die Boden- und Klimaverhältnisse des Marchfeldes sowie der Seewinkelregion vor (THALER et al. 2012). Dieses dynamische Modell berücksichtigt die physikalischen und biophysikalischen Vorgänge im System Boden – Vegetation (Pflanze) – Atmosphäre und die wichtigsten Interaktionen. Das Modell simuliert in täglichen Zeitschritten, wodurch das Pflanzenwachstum bezüglich der Ertrags- und Biomasseentwicklung genügend genau beschrieben werden kann. Als Eingabedaten sind die wesentlichen Bodeneigenschaften, tägliche Witterungsdaten, die Beschreibung der (sortenabhängigen) Pflanzeneigenschaften und die angewandten Produktionstechniken (z. B. Saatdichte, Anbau- und Düngungszeitpunkte) notwendig. Abbildung 1 zeigt die schematischen Wirkungszusammenhänge der Wachstumssimulation und die Rolle der Bodenfeuchte in der Simulation. Abb. 1: Vereinfachte Darstellung der Einflüsse der Witterungsparameter (= Eingabeparameter des Modells) und der Wirkungszusammenhänge in der Ertragssimulation bei einjährigen Nutzpflanzen, verändert (EITZINGER et al. 2009) Die Zielregion „Seewinkel” liegt im Osten Österreichs, der wärmsten klimatischen Region in Österreich, geprägt durch pannonisch-kontinentales Klimaregime (warm-trockene Sommer, kalte Winter). Die Modelleingabedaten der Witterungsparameter (siehe Abb. 1) basieren auf einer repräsentativen Wetterstation (Andau) der Region. Für die Ertragssimulation mit Sommergerste wurde für diese Vergleichsstudie vorerst nur der in der Region häufigste Einsatz von ASCAT-Bodenfeuchtedaten bei der Ertragssimulation von Getreide 397 Bodentyp (mit mittlerer Bodenwasserspeicherkapazität) verwendet, sowie die regional übliche Produktionstechnik zugrunde gelegt. Als alternative tägliche Niederschlagseingabewerte wurden räumliche INCA Daten (HAIDEN 2009) sowie aus ASCAT Daten (ASCAT 25 km Produkt) abgeleitete Niederschläge (siehe unten) verwendet. 3 Ergebnisse Ein erster Vergleich am Standort Andau mit gemessenen Niederschlagsdaten, der simulierten oberflächlichen Bodenfeuchte und dem ASCAT Signal zeigte generell gute Übereinstimmung (KUBU et al. 2011) für die simulierten Zeitperioden. Dies lässt den Schluss zu, dass für benachbarte Regionen ohne verfügbare repräsentative Niederschlagsdaten aus Messstationen als Alternative ASCAT Daten dazu benutzt werden könnten um tägliche Niederschlagsdaten als Modelleingabeparameter für z. B. Ertragsmodelle für Nutzpflanzen zu generieren. Abb. 2: Vergleich der gemessenen Niederschläge am Standort der Wetterstation Andau (oben) mit dem repräsentativen 25 × 25 km ASCAT Signal dieses Standortes (mitte) und der simulierten Bodenwassergehalte für Sommergerste (unten) am Standort Andau (mit den Niederschlagsdaten der Wetterstation Andau als Modellinput) für den Mai 2008 (Zeitachse verläuft von rechts nach links). Daher wurde als nächster Schritt für den Vergleichsstandort Andau versucht eine statistische Beziehung zwischen dem Stationsniederschlag und der tageweise Veränderung (Differenzbildung) im ASCAT Signal abzuleiten (Niederschlagsmittel je ASCAT-Klasse), welche in Abbildung 3 dargestellt ist. Es zeigt sich, dass bis zu einem Tagesniederschlag von ca. 15 mm eine gültige Beziehung besteht. Höhere Tagesniederschläge können aus dieser Beziehung nicht mehr bestimmt werden, da das Radarsignal nur die oberflächennahe Bodenschicht repräsentiert, welche maximal eine Bodenwasserspeicherkapazität von ca. 15 mm haben kann. 398 G. Kubu, S. Thaler und J. Eitzinger 30 0.0357x y = 1.2314e Niederschlagsmittel in mm 25 2 R = 0.7768 20 15 10 5 0 -50 -25 Abb. 3: 0 25 50 tägliche Differenzen im ASCAT Signal (in 5er Schritt-Klassen) 75 100 Vergleich der Differenzen im ASCAT Radarsignal auf täglicher Basis und dem Stationsniederschlag innerhalb des 25 × 25 km ASCAT Rasters der Station Andau 35 30 Abweichungen in mm 25 20 15 10 5 0 -5 Abb. 4: 01/09/2009 01/07/2009 01/05/2009 01/03/2009 01/01/2009 01/11/2008 01/09/2008 01/07/2008 01/05/2008 01/03/2008 01/01/2008 01/11/2007 01/09/2007 01/07/2007 01/05/2007 -15 01/03/2007 -10 Abweichungen der aus ASCAT Daten berechneten Tagesniederschläge mit dem Stationsniederschlag Andau über die Vegetationsperioden von 3 Jahren Höhere Niederschläge, welche auch tiefere Bodenschichten befeuchten werden daher nicht mehr erfasst. Tagesniederschläge über 15 mm sind in trockenen Regionen wie dem See- Einsatz von ASCAT-Bodenfeuchtedaten bei der Ertragssimulation von Getreide 399 winkel allerdings selten, und könnten durch zusätzliche Betrachtung der Dauer der Oberflächenfeuchte nach einem Niederschlag besser erfasst werden. Die mithilfe der abgeleiteten statistischen Beziehung berechneten Tagesniederschläge und die Abweichungen zum Stationsniederschlag Andau sind in Abbildung 4 dargestellt. Hierbei beträgt die Summe der Abweichungen aller 3 Jahre 88 mm. Abschließend wurden mit dem Ertragsmodell CERES-Barley (DSSAT) der Ertrag von Sommergerste für die Jahre 2006 − 2009 für den Standort Andau bzw. benachbarte Regionen simuliert, wobei jeweils unterschiedliche Niederschlagseingabedaten, als Alternative zum Stationsniederschlag, verwendet wurden (ASCAT abgeleitete Daten vom Standort Andau und 3 Nachbarregionen sowie INCA Niederschlagsdaten). 6000 Andau ASCAT (M83) (12,5*12,5 km) INCA (M83) (Ø 3*3km) INCA (M65) (Ø 3*3km) INCA (M61) (Ø 3*3km) INCA (M87) (Ø 3*3km) Ertrag (kg/ha) 5000 4000 3000 2000 1000 0 2006 Abb. 5: 2007 2008 2009 Simulationsergebnisse des Sommergerstenertrages über 4 Jahre mithilfe alternativer Niederschlagseingabedaten (Stationsniederschlag Andau, INCA-Daten (M83, M61; M65, M87 und ASCAT M83) Die Ergebnisse der Ertragssimulation (Abb. 5) zeigen für den Standort Andau eine gute Übereinstimmung, insbesondere im ersten Jahr, zwischen den ASCAT-Niederschlägen und den Stationsniederschlägen, mit Abweichungen von 5 % (2007) bis 22 % (2009). Es zeigt sich auch, dass die Nachbarregionen zum Teil höhere Unterschiede aufweisen, was auf regional unterschiedliche Niederschläge, insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 hinweist. Dies kann auch durch die INCA Daten bestätigt werden, wo die Ertragsunterschiede zu Andau von −14 % (2006) bis +4 % (2007) schwanken. 400 G. Kubu, S. Thaler und J. Eitzinger ASCAT Daten scheinen für eine räumlich verbesserte Ertragssimulation, insbesondere in Trockenregionen wie dem Seewinkel nutzbar zu sein, wobei hinsichtlich der Abschätzung von Niederschlägen über ca. 15 mm noch Verbesserungspotenzial besteht. Ein Test für andere Klimaregionen sollte in künftigen Studien ebenfalls durchgeführt werden. Danksagung Die Studie wurde vom Austrian Space Application Programme (ASAP) durch die Projekte Global Monitoring of Soil Moisture for Water Hazards Assessment, GMSM I (Proj. No. 819748) und GMSM II (Proj. No. 828338) gefördert. Literatur DE WIT, A. & VAN DIEPEN, C. (2007), Crop model data assimilation with the Ensemble Kalman filter for improving regional crop yield forecasts. In: Agricultural and Forest Meteorology, 146 (1-2), 38-56. EITZINGER, J., FORMAYER, H., THALER, S., TRNKA, M., ZDENEK, Z. & ALEXANDROV, V. (2008), Results and uncertainties of climate change impact research in agricultural crop production in Central Europe. In: Bodenkultur 59 (1-4), 131-147. EITZINGER, J., KERSEBAUM, K. C., FORMAYER, H. (2009), Landwirtschaft im Klimawandel − Auswirkungen und Anpassungsstrategien für die Land- und Forstwirtschaft in Mitteleuropa. http://de.agrimedia.com, 320, Agrimedia, D-29459 Clenze, Deutschland. HAIDEN, T. (2009), INCA – A new operational nowcasting system for mountain areas. Preprints, WMO WWRP Nowcasting Symposium (WSN09), Whistler, Canada, 8 S. HOOGENBOOM, G., JONES, J. W., PORTER, C. H., WILKENS, P. W., BOOTE, K. J., BATCHELOR, W. D., HUNT, L. A. & TSUJI, G. Y. (2004), DSSAT 4.0 vol. 1, Overview. Honolulu, Hawaii, USA: ICASA, University of Hawaii. KUBU, G., EITZINGER, J. & THALER, S. (2001), Use of ASCAT data for crop model application – a case study from Austria. EUMETSAT Scatterometer Science Conference 2011, Darmstadt. THALER, S., EITZINGER, J., TRNKA, M. & DUBROVSKY, M. (2012), Impacts of climate change 920 and alternative adaptation options on winter wheat yield and water productivity in a dry 921 climate in Central Europe. The Journal of Agricultural Science (in press). WAGNER, W., HAHN, S., KIDD, R. et al. (2012), The ASCAT soil moisture product: Specifications, validation results, and emerging applications. In: Meteorol. Z. (in preparation).