Cellzome - Kinaseinhibitoren in der Therapie

Werbung
Powered by
Seiten-Adresse:
https://www.gesundheitsindustriebw.de/de/fachbeitrag/aktuell/cellzome-kinaseinhibitorenin-der-therapie/
Cellzome - Kinaseinhibitoren in der Therapie
Cellzome ist ein privates Biotechnologie-Unternehmen, das an seinen beiden Standorten
Heidelberg und Cambridge (U.K.) neue Wirkstoffe zur Behandlung von
Entzündungskrankheiten wie Rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose und Chronischentzündliche Darmerkrankungen entwickelt.
Cellzome wurde im Mai 2012 von GlaxoSmithKline übernommen.
Cellzome hat eine Methode der chemischen Proteomik entwickelt, mit der die Wirksamkeit
chemischer Substanzen als Kinase-Inhibitoren an Hunderten dieser Enzyme in ihrem
natürlichen physiologischen Zustand simultan quantifiziert werden können. Diese
„Kinobeads™“-Technologie dient dem Unternehmen dazu, die Entwicklung neuartiger
Arzneimittelkandidaten zur Behandlung von Entzündungskrankheiten voranzutreiben.
Kinobeads™ für das Kinom
Kinasen sind Enzyme, die eine Phosphatgruppe von ATP auf ein Substrat übertragen. Man
kennt bis heute mehr als 500 Gene, die diese Enzymklasse kodieren und die als Targets für die
Medikamentenentwicklung von größter Bedeutung sind. Allein etwa 30 Prozent des gesamten
Forschungs- und Entwicklungs-Etats der Pharma-Industrie (12 Milliarden US$) werden in
diesem Sektor aufgewendet. In ihrem aktiven ATP-bindenden Zentrum ähneln sich die meisten
Kinasen stark. Das führt dazu, dass niedermolekulare Therapeutika, die an dieser ATPBindungsstelle angreifen, vielfach sogenannte Off-target-Effekte zeigen, also Wirkungen gegen
andere als das beabsichtigte Targetprotein. Ein ideales Medikament soll aber hohe Reaktionsund Gewebespezifität aufweisen. Hier setzt Cellzomes Kinobeads™-Technologie an, mit der das
„Kinom“ ganzer Zellen oder Gewebe in vivo gleichzeitig untersucht werden kann.
„Es gibt heute acht erfolgreiche Medikamente auf dem Markt, die an Kinasen angreifen niedermolekulare Moleküle wie zum Beispiel Gleevec®, Iressa® und Tarceva®," erklärt Dr. Gitte
Neubauer, Vice President Research Operations von Cellzome. „Alle sind gegen
Krebskrankheiten gerichtet. Bisher gibt es nur einzelne Kinase-Inhibitoren, die auch für
chronische Erkrankungen, wie Rheumatoide Arthritis, erste positive klinische Daten zeigen.
1
Dr. Gitte Neubauer © Cellzome
Unsere Strategie ist es, durch sehr selektive Kinase-Inhibitoren - und damit geringerem
Nebenwirkungsrisiko - Wirkstoffe auch für chronische Entzündungskrankheiten zu finden."
Cellzomes am weitesten fortgeschrittenes Kinase-Inhibitoren-Programm, mit dem die Firma
2010 die ersten klinischen Studien plant, hat PI3Kγ als Target. Dabei handelt es sich um eine
von vier Isoformen der Klasse-I-Phosphatidylinositol-3-Kinasen; sie greift an dem Schalter eines
Signalweges an, der für die zielgerichtete Bewegung (Chemotaxis) von Immunzellen auf einen
chemischen Lockstoff hin verantwortlich ist. Wie mehrere Laboratorien an Modellsystemen
gezeigt haben, hat die Inhibition der Lipidkinase-Aktivität von PI3Kγ einen positiven Einfluss
auf Autoimmunkrankheiten wie Rheumatoide Arthritis und Systemischen Lupus
erythematodes.
Titelblatt Nature Biotechnology Nr. 25, Sep 2007 © Nature Biotechnology
Andere Programme von Kinase-Inhibitoren gegen Entzündungskrankheiten befinden sich in
der Entwicklung und der präklinischen Testphase. Die KinobeadsTM-Technologie erlaubt es,
auch solche Kinasen zu untersuchen, die mit traditionellen biochemischen Screeningmethoden
nicht zugänglich sind, wie Zap-70, mTOR und LRRK2. Letztere („leucine-rich repeat kinase 2")
ist ein Riesenmolekül mit 2.527 Aminosäuren, das bei genetisch bedingter und spontaner
Parkinson -Krankheit eine Rolle spielt.
TM
2
Mit KinobeadsTM hat Cellzome auch die molekulare Wirkung von Arzneimitteln gegen
Chronisch Myeloische Leukämie (CML) untersucht: von zwei zugelassenen (Gleevec® von
Novartis und Sprycel® von Bristol-Myers Squibb) sowie einem weiteren in klinischen Studien
befindlichen Medikament.
Dr. Gerard Drewes © Cellzome
Das Team entdeckte neue Targets für alle drei Wirkstoffe, darunter zwei, die interessanterweise
von Gleevec stärker inhibiert wurden als die Abelson-Kinase BCR-ABL, gegen die dieses
Blockbuster-Medikament zur Behandlung von CML entwickelt worden war. Wie Dr. Gerard
Drewes, Vice President Discovery Technologies von Cellzome und Hauptautor der in Nature
Biotechnology (Vol. 25, September 2007) veröffentlichten Studie, die es sogar auf die Titelseite
der renommierten Zeitschrift gebracht hat, erklärte: „KinobeadsTM ermöglicht uns einen sehr
tiefen Einblick, wie Kinase-Medikamente auf molekularer Ebene an ihrem natürlichen Wirkort
in Zellen und Geweben funktionieren. Wir können nicht nur die direkte Wechselwirkung von
Wirkstoff und nativem Target messen, sondern auch, wie diese Interaktion die Signalwege in
der Zelle beeinflusst."
Episphere™
Nucleosomen © Cellzome
In Analogie zu der KinobeadsTM-Plattform hat Cellzome eine neue Chemische ProteomikTechnologie namens „EpisphereTM" entwickelt, mit der Arzneimittelkandidaten für
Targetproteine identifiziert werden, die an der epigenetischen Regulation von
Entzündungskrankheiten beteiligt sind. Unter Epigenetik versteht man vererbbare
Veränderungen der Genexpression, die nicht auf Mutationen der Basensequenz der DNA
beruhen, sondern auf den im Verlauf des individuellen Lebens erworbenen Modifikationen der
Basen und Regulationsproteine, die (in gewissem Umfang) vererbt werden können. Die für die
Genexpression aktiven Bereiche der Chromosomen sind perlschnurartig in „Nucleosomen"
angeordnet, in denen der durchgehende DNA-Faden um definierte Komplexe von HistonProteinen aufgewickelt ist. Epigenetische Modifikationen werden hauptsächlich durch zwei
Prozesse gesteuert, die an den Nucleosomen angreifen: die Methylierung und Demethylierung
3
der DNA durch Methyltransferasen und Demethylasen sowie die Acetylierung und
Deacetylierung der Histone durch Histon-Acetyltransferasen und Histon-Deacetylasen. Sie sind
von großer Bedeutung für die menschliche Entwicklung und für die Entstehung von
Krankheiten, zum Beispiel für die Differenzierung von Immunzellen und die Genexpression bei
Entzündungen. Mit EpisphereTM werden die Bindungseigenschaften von Molekülen an diese
Enzyme unter nativen Bedingungen untersucht, um neuartige Medikamente für
Entzündungskrankheiten zu identifizieren und zu entwickeln.
Verflechtung mit der Wissenschaft
Cellzome wurde im Jahr 2000 als Spin-out des Europäischen Molekularbiologischen
Laboratoriums (EMBL) in Heidelberg gegründet. Das Unternehmen erwarb die exklusive Lizenz
für die von Dr. Bertrand Séraphin und Dr. Guillaume Rigaut am EMBL erfundene Technologie
der „Tandem Affinity Purification“ (TAP), mit der Proteinkomplexe isoliert und
Stoffwechselwege aufgespürt werden können, wofür die beiden Forscher von der Europäischen
Kommission und dem Europäischen Patentamt als „European Inventor of the Year 2008“
geehrt worden sind. In Verbindung mit Cellzomes hochempfindlicher Massenspektrometrie von
Proteinen bildet TAP eine Grundlage für Cellzomes erste Technologieplattform zur
Untersuchung von Protein-Netzwerken, bevor sich die Firma schon bald auf die Untersuchung
der Wechselwirkungen von chemischen Wirkstoffen mit dem Proteom spezialisierte. Ein Jahr
nach Gründung akquirierte Cellzome die CellMap Unit von GlaxoSmithKline (GSK) und baute
neben seiner Niederlassung auf dem EMBL-Campus in Heidelberg (Cellzome AG) einen zweiten
operativen Standort in England (heute in Cambridge, U.K.) auf. Cellzomes Holding Company
hat ihren Sitz in den USA. Heute beschäftigt das Unternehmen etwa 90 Mitarbeiter. CEO und
Präsident ist Tim P. W. Edwards.
Mit der Analyse aller Proteinkomplexe des Hefeproteoms und der Veröffentlichung 2002 in der
Zeitschrift „Nature“ validierte Cellzome seine eigene Technologie und setzte neue Maßstäbe in
der Proteomikforschung. Das Paper wurde im Januar 2004 von der renommierten Datenbank
für wissenschaftliche Schlüsselpublikationen „Faculty of 1000“ als „all time #1 paper in
genetics and genomics“ ausgezeichnet.
Aufsehen erregte Cellzome auch 2004 mit der Veröffentlichung des mit dem
Tumornekrosefaktor α (TNFα) gekoppelten Signalweges und seiner Proteininteraktionen.
TNFα ist ein Zytokin, das eine für Entzündungsreaktionen entscheidende Signalkette auslöst.
In einer Zusammenarbeit mit Novartis konnte Cellzome einen neuartigen Wirkmechanismus
entschlüsseln, der zur Blockade des Wnt-Signalweges führt. Dieser Signalweg spielt eine
wichtige Rolle in der Entstehung von Krebs, vor allem bei Kolonkarzinomen. Die Ergebnisse, die
kürzlich in Nature veröffentlicht wurden, eröffnen neue Möglichkeiten in der
Arzneimittelforschung.
Partnerschaften
Cellzomes einzigartige Proteomik-Technologie, mit der grundlegende neue Erkenntnisse von
medizinischer Relevanz erzielt worden sind, bildet die Basis für Allianzen, die das Unternehmen
mit führenden Pharmakonzernen geschlossen hat. Sie sind – neben der Finanzierung durch
hochkarätige internationale Investoren – das zweite finanzielle Standbein des Unternehmens.
4
So war Cellzome mit Novartis in eine umfangreiche strategische Partnerschaft eingetreten, in
der die Kartierung von Signalwegen und chemische Proteomik zur Identifizierung neuer
Wirkorte und Leitsubstanzen auf verschiedenen Krankheitsgebieten eingesetzt wurde. Diese
vierjährige Partnerschaft ist 2008 erfolgreich abgeschlossen worden. Mit Ortho-McNeil
Pharmaceutical / Johnson & Johnson PRD hat Cellzome eine Partnerschaft zur Entwicklung
von Therapeutika-Kandidaten bei Alzheimer-Krankheit geschlossen, die 2008 um zwei weitere
Jahre ausgeweitet wurde. Hier geht es um Leitsubstanzen, die an der γ-Sekretase angreifen,
einem Schlüsselenzym bei der Bildung von β-Amyloid, einer Hauptkomponente der
pathologischen Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten. Ein zweiter Aspekt der
Zusammenarbeit mit Johnson & Johnson ist die Aufklärung des Tau-Protein-Stoffwechsels, der
bei der Entstehung dieser Krankheit ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.
Im September 2008 wurde eine weltweite strategische Allianz mit GlaxoSmithKline (GSK)
bekanntgegeben, welche die Entwicklung klinischer Wirkstoffkandidaten zur Behandlung von
Entzündungskrankheiten mit Hilfe der Kinobeads™-Technologie zum Inhalt hat. Nur drei
Monate danach konnte die Erreichung des ersten Meilensteins und ein Jahr später, am 30.
September 2009, bereits der vierte Meilenstein in dieser Partnerschaft verkündet werden.
Ausgewählte Literatur:
Huang, S.-M. A. et al.: Tankyrase inhibition stabilizes axin and antagonizes Wnt signalling. Nature 461, 614-620
(2009)
Bantscheff, M. et al.: Quantitative chemical proteomics reveals mechanisms of action of clinical ABL kinase inhibitors.
Nature Biotechnology 25, 1035-1044 (2007)
Mallick, P. et al.: Computational prediction of proteotypic peptides for quantitativeproteomics. Nature Biotechnology
25, 125-131 (2007)
Gavin, A.-C. et al.: Proteome survey reveals modularity of the yeast cell machinery. Nature 440, 631-636 (2006)
Bouwmeester, T. et al.: A physical and functional map of the human TNF-a/NF-kB signal transduction pathway.
Nature Cell Biology 6, 97-105 (2004)
Gavin, A.-C. et al.: Functional organization of the yeast proteome by systematic analysis of protein complexes. Nature
415, 141-147 (2002)
Fachbeitrag
19.11.2009
EJ
BioRN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
5
6
Herunterladen