Manifest für eine Liberale Informationsgesellschaft Präambel In dem Bewusstsein, dass ein vollständiger Verzicht auf Regelungen in einer Informationsgesellschaft zur Verantwortungslosigkeit führt, In dem Wunsch, die Verantwortung in Freiheit und für die Freiheit der Datennetze programmatisch auszudrücken, In verantwortlicher Abwehr der Angriffe auf die informationelle Selbstbestimmung haben wir die folgenden Regeln formuliert. I. Staat und Bürger 1) Alle Bürger haben das Recht, sich aus allen öffentlich zugänglichen Informationsquellen und Datennetzen unzensiert zu informieren. 2) Das Recht auf den freien Zugang zu allen Informationen impliziert das Recht des Einzelnen, sich vor unerwünschten Informationen zu schützen. 3) Alle Bürger haben das Recht auf Publikations- und Redefreiheit, soweit dies nicht den verfassungsgemäßen Grundrechten Anderer widerspricht. 4) Alle Bürger haben das Recht auf Datenschutz, Schutz der Privatsphäre sowie Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität der Kommunikation. Einschränkungen dieses Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung sind nur auf Grund von richterlichen Anordnungen möglich, die auf bestimmten Tatsachen beruhen müssen. 5) Alle Bürger haben in ihrer Ausbildung das Recht auf die Vermittlung von Medienkompetenz. Dies beinhaltet insbesondere die Kompetenz zur Beurteilung der Relevanz von Informationen und die ethische Kompetenz zum Umgang mit allen möglichen Informationen, sowie die Achtung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung Anderer. II. Handel und Wirtschaft 1) Informationen sind die wichtigste Ressource der modernen Wirtschaft. Der freie Zugang zu Datennetzen und Kommunikationsmitteln ist eine Grundvoraussetzung für die Geschäftsprozesse der modernen Wirtschaft. 2) Die Ökologie aus Informationen, Datennetzen und Kommunikationsmitteln muss deshalb dem Schutz des Staates unterliegen. Dieses sollte als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen werden. 3) Die Nutzung moderner Kommunikationsmittel durch Handel und Wirtschaft erfordert die Vertraulichkeit, Authentizität, Integrität und Nichtabstreitbarkeit der Kommunikation. Eine Einschränkung der wirtschaftlichen Informationsfreiheit darf nur aufgrund einer konkreten gesetzlichen Negativliste erfolgen. Die Realisierung von Einschränkungen der wirtschaftlichen Informationsfreiheit sollte durch eine dezentrale Selbstkontrolle der wirtschaftlich Handelnden erfolgen. 4) Geschäftsvorgänge und ihre Selbstkontrolle in einer liberalen Informationsgesellschaft setzen die Medienkompetenz der wirtschaftlich Handelnden voraus. Dies beinhaltet insbesondere die Kompetenz zum verantwortungsvollen Umgang mit der Informationsökologie und die Achtung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung Anderer. 5) Der Zugang zu informationellen Ressourcen soll über offene und durch dezentrale Selbstkontrolle standardisierte Netze und Datenformate erfolgen. Die grundlegenden Techniken für den Zugang zu informationellen Ressourcen dürfen nicht patentierbar sein. III. Bildung und Wissenschaft 1) Sowohl Wissenschaft und Forschung, als auch die Aus- und Weiterbildung von Menschen sind in einer modernen Gesellschaft ohne den Zugang zu globalen Informationsressourcen nicht mehr denkbar. Nur eine hohe Qualität von Bildung und Wissenschaft sichert die Existenz einer modernen Gesellschaft. 2) Die Qualität von Bildung und Wissenschaft ist nur zu sichern, wenn ein unzensierter Zugang zu allen Informationsquellen und Datennetzen existiert. 3) Jede Art von Information darf der öffentlichen Diskussion unterliegen, soweit sie nicht den verfassungsgemäßen Grundrechten Anderer widerspricht. Forscher und Lehrer müssen darum über Medienkompetenz verfügen, dies beinhaltet den verantwortungsvollen Umgang mit der Informationsökologie. 4) Eine Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre darf nur durch eine konkrete gesetzliche Negativliste erfolgen, die selbst wieder Bestandteil der öffentlichen Diskussion sein muss. Die Realisierung einer Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre sollte durch eine dezentrale Selbstkontrolle erfolgen. 5) Ein primäres Bildungsziel für die Menschen einer Informationsgesellschaft muss sein, ethische Kompetenz für den verantwortlichen Umgang mit allen denkbaren Informationen zu erlangen. IV. Terrorismus und organisierte Kriminalität 1) Es ist weder rechtlich noch technisch zu verhindern, dass terroristische und kriminelle Organisationen die Kommunikationsmittel der Informationsgesellschaft für ihre Zwecke nutzen. 2) Der Einsatz kryptografischer Mittel durch solche Organisationen ist weder durch rechtliche noch durch technische Maßnahmen zu verhindern, er ist in der Regel auch nicht zweifelsfrei nachweisbar. 3) Eine gesetzliche Einschränkung des Einsatzes kryptografischer Mittel dient deshalb keinem sinnvollen Zweck und ist in einer freiheitlichen Informationsgesellschaft abzulehnen. Verfasst von den Teilnehmern des Seminars "Freies Netz für Freie Bürger" Theodor Heuss-Akademie der Friedrich Naumann-Stiftung 13.-15.September 2002 Prof.Dr.Peter A.Henning MediaLab FH Karlsruhe Moltkestraße 30, 76133 Karlsruhe [email protected]