Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 8 Physik der Atomkerne - Radioaktivität (A.H. Becquerel 1896) entsteht durch Umwandlung von Atomkernen - Entdeckung des Elektrons (J. J. Thomson 1897) → im Atom befindet sich positive Ladung - Hyperfeinstruktur in Wasserstoffspektren entsteht durch Wechselwirkung mit dem Kern - Streuexperimente mit a-Teilchen (E. Rutherford et al., ab 1911) weisen einen sehr kleinen Atomkern nach 8.1 Eigenschaften von Atomkernen a) Elektrische Ladung ist gleich Elektronenladung Z des Atoms (mit entgegengesetztem Vorzeichen) und ergibt sich aus der Anzahl der Protonen mit Elementarladung +e. b) Größe von Atomkernen entspricht etwa der Größe der Ladungsverteilung (obwohl der Kern neben Protonen auch Neutronen enthält), Ermittlung der Ladungsverteilung durch Streuversuche. Kernradius: r0 1,3 0,1 10 15 m r r0 A1 / 3 10 15 m 1 fm (" Fermi" ) wobei A die Massenzahl ist, d.h. ein ganzzahliges Vielfaches von Protonenzahl Z plus Neutronenzahl N. Unter der Annahme einer Kugel ist das Volumen also proportional zur Masse → die Dichte ist konstant. Schreibweise: A Z XN oder A Z X oder A X z.B. 208 82 Pb126 Bezeichnungen: Nuklid = bestimmte Sorte von Atomkern z.B. 208Pb Nukleon = Proton oder Neutron, Isotope = Kerne mit gleichem Z, Isotone = Kerne mit gleichem N, Isobare = Kerne mit gleichem A. (häufigstes Blei-Isotop) 1 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Streuexperimente Zu jedem Abstand von der Achse, auf der das Streuzentrum liegt (Stoßparameter b), gehört eindeutig ein Streuwinkel q (kann aus der Drehimpulserhaltung hergeleitet werden). Je größer b, desto wahrscheinlicher der Streuprozess (Fläche des gelben Rings) → kleine Streuwinkel sind wahrscheinlicher. Nach einiger Rechnung: Differenzieller Wirkungsquerschnitt 2 d 1 Z1 Z 2 e 2 1 q d 4 4 0 m v02 sin 4 q / 2 Einheitskugel Coulomb-Streuformel für Teilchen der Ladung Z1∙e und Geschwindigkeit v0, die auf eine ruhende punktförmige Ladung Z2∙e treffen. Dies ist ein Maß für die winkelabhängige Wahrscheinlichkeit der Streuung in den Raumwinkel d (gelbe Ringfläche auf der Einheitskugel). Aus der endlichen Kerngröße ergibt sich ein Beugungsmuster als Abweichung von der Coulomb-Streuformel, woraus die Ladungsverteilung im Kern berechnet werden kann (R. Hofstadter, Experimente am Stanford Linear Accelerator in den 1960er Jahren). Ernest Rutherford (1871 - 1937) Der 3 km lange Stanford Linear Accelerator, Baubeginn 1962, ist bis heute der weltweit längste Linearbeschleuniger Robert Hofstadter (1915 - 1990) 2 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 c) Masse von Atomkernen Die Massenzahl A = Z + N ist nur ein grobes Maß, um Kerne zu klassifizieren. Genauer: m K Z m P N m N m mit m P 1,6726 10 27 kg m P c 2 938,27 M eV m N 1,6749 10 27 kg m N c 2 939,57 M eV m E B / c 2 Massendefekt mit Bindungsenergie EB Atomkerne sind also leichter als die Summe aller Nukleonen ("Massendefekt"), weil ein kleiner Teil der Masse beim Zusammenfügen in Energie umgewandelt wird. Diese Bindungsenergie steigt ungefähr linear mit A, d.h. die Bindungsenergie pro Nukleon EB/A ist für viele Kerne ungefähr gleich (etwa 8 MeV), weist aber eine charakteristische Massenabhängigkeit auf - für sehr leichte Kerne ist EB/A deutlich kleiner als das Maximum bei A ≈ 60 (ca. 8,6 MeV). Diese Kerne sind durch Kernfusion in Sternen entstanden. - für schwere Kerne ist EB/A etwas kleiner als das Maximum. Sie stammen aus Supernova-Explosionen. - es gibt Spitzen bei den "magischen Zahlen" für Z oder N (wenn Z und N magisch: "doppelt magisch"). Messmethoden: Massenspektrometer geladene Teilchen im elektrischen und/oder magnetischen Feld: Zentripetalkraft = Lorentzkraft m v2 e E RE m v2 ev B RB Ekin 1 e E RE 2 p e B RB 3 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 d) Dichte von Kernmaterie Masse / Volumen A mP , N 1,7 10 27 kg 17 kg 1 . 8 10 4 / 3 r03 A 4,2 2.2 10 45 m 3 m3 vgl. Dichte eines Neutronensterns e) Kernspin und magnetisches Moment Der Kernspin I kann ganz- oder halbzahlig sein, da die Nukleonen halbzahligen Spin besitzen. I li si i oder I li si i I I I 1 i Summe der Nukleonenspins und der Bahndrehimpulse (ls-Kopplung, leichte Kerne) oder Summe der Gesamtdrehimpulse der Nukleonen (jj-Kopplung, schwerere Kerne). Im Grundzustand ist die Summe der Bahndrehimpulse meist (nicht immer) gleich 0. Aufgrund des Spins haben Nukleonen und ein Kerne ein magnetisches Moment: I I gI K mit K e 5,05 10 27 J/T B / 1836 2m P Kern-Magneton Bohrsches Magneton g P 5,59 g N 3,83 f) Elektrisches Quadrupolmoment von Atomkernen Ein elektrisches Dipolmoment würde eine unsymmetrische Ladungsverteilung erfordern, was im Grundzustand Atomkernen nicht auftritt (bei angeregten Kernen können Protonen und Neutronen gegeneinander schwingen, sog. Riesenresonanz). Eine Abweichung von der Kugelform (z.B. in Gestalt eines Rotationsellipsoiden) bewirkt ein elektrisches Quadrupolmoment. Dafür muss eine Achse ausgezeichnet sein, was bei Kernen mit Kernspin ≠ 0 der Fall ist. Es gibt prolate (zigarrenförmige) und oblate (scheibenförmige) Kerne. Die relative Abweichung vom mittleren Radius ist 0,01 bis 0,1. 4 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Anwendung: Kernresonanz-Spektroskopie und Magnetresonanz-Tomografie Shaukat Khan Kapitel 8-10 (Wikipedia, David Meisel) Ein magnetisches Moment präzidiert in einem homogenen Magnetfeld. Das HF-Feld einer Spule um die Probe klappt bei einer bestimmten Resonanzfrequenz (Larmor-Frequenz) die magnetischen Momente um, was durch eine Induktionsspannung nachgewiesen wird. Anwendungen: Messung von Kernspinmomenten Kernspintomografie (Magnetresonanz-Tomografie MRT) Messung von Magnetfeldern bei bekanntem Kernspin Larmor-Kreisfrequenz wL m 1 : V g K B wL K m = +1/2 e wL g B g B 2m p Beispiel: Larmorfrequenz für Protonen bei 1 T: wL 5,59 1,6 1019 C Vs 7 1 fL 1 4 , 26 10 42,6 MHz 2 6,32 2 1,67 1027 kg m 2 s m = 1/2 Bei der MRT entsteht die Ortsauflösung dadurch, dass das Magnetfeld einen Gradienten hat, d.h. die Larmorfrequenz hängt vom Ort ab. Die Signalstärke gibt die Protonendichte, d.h. den Wasserstoffanteil des Gewebes, an. Weitere Informationen über das Gewebe enthält die Relaxationszeit, d.h. die Zeit, in der sich nach einem HF-Puls die Protonenspins wieder ausrichten. 5 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 8.2 Streuprozesse und Kernreaktionen - elastische Streuuung - inelastische Streuung (Kern wird angeregt) - reaktive Streuung, Kernreaktionen (Kern wird verändert) Schreibweise: Targetkern (Projektil, Ejektil) Restkern 32 Se, e 32 S 32 Se, e'32 S 32 Se, e' p 31 P 32 32 Sd,3 He31 P Sd, n 33 Cl 32 Sa , a 32 S (elastische Streuung, Projektil wird abgelenkt) (inelastische Streuung, Projektil verliert Energie) 32 Se, e' a 28Si (Kernreaktion, "knock-out" von p und a) Sd, t 31S (Kernreaktion, "pick-up" von p und n) 32 32 Sd, p 33S (Kernreaktion, "stripping" von p und n) Aus der Spektroskopie der Ejektile ergeben sich Informationen über die Anregungszustände von Kernen, die mit Modellen (siehe Schalenmodell) verglichen werden. Ein wesentlicher Unterschied zur Atomhülle ist die Tatsache, dass Nukleonen von der kurzreichweitigen "starken" Wechselwirkung zusammengehalten werden, die zusätzlich zur abstoßenden Coulomb-Kraft zwischen den Protonen wirkt. Weitere Kernreaktionen sind die Kernfusion, die Kernspaltung und die Spallation. Die Spallation kann z.B. durch Protonenbeschuss eines schweren Kerns eingeleitet werden, der sich aufheizt (CompoundKern) und schließlich zerplatzt, wobei viele Neutronen abgegeben werden. Für die Forschung mit Neutronen dienen neben Kernreaktoren die sog. Spallationsquellen als Neutronenquellen. Zurzeit wird in Lund/Schweden die European Spallation Source (ESS) gebaut. 6 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 8.3 Radioaktivität Entdeckung (Schwärzung von Fotoplatten) - 1896 Uran (A.-H. Becquerel) - 1898 Thorium, Radium, Polonion (M. &. P. Curie) - 1898 a- und b-Strahlung (E. Rutherford) - 1900 g-Strahlung (P. Villard) Antoine-Henri Becquerel (1852 - 1908) Marie Curie (1867 - 1934) Pierre Curie (1859 - 1906) Zerfallsarten - Alpha-Zerfall: Emission von a-Teilchen (4He) - Beta-Zerfall: Emission von Elektronen/Positronen + (Anti-)Neutrino - Gamma-Strahlung: elektromagnetische Strahlung beim a- und b-Zerfall A Z α A-4 4 X Z- 2Y 2 He A Z β A X Z 1Y e ν e A Z β A X Z 1Y e ν e A Z g A X ZX g 239 94 z.B. 4 Pu 235 92 U 2 He z.B. 3 1 H 23 He e ν e z.B. 7 4 Be73 Li e ν e z.B. 60 27 Co60 28 Ni e ν g (1,17/1,33 M eV) Nuklidkarte Darstellung aller Nuklide als Funktion von N und Z. Stabile Kerne folgen ungefähr einer Linie Z A 1,98 0,0155 A2 / 3 (Wikipedia, Cepheiden) 7 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Experimente Drei radioaktive Präparate werden betrachtet. Ein Geiger-Müller-Zählrohr registriert einfallende geladene Teilchen sowie Gammaquanten. Die Messereignisse werden in ein akustisches Signal umgewandelt und können gezählt werden. 1) Alpha-Strahler (Plutonium-239) 239 94 Pu 42 He 235m 92 U 8 26m 235 92 U 7,1 10 a Die Zählrate nimmt unterhalb eines Abstand von ca. 1,5 cm vom Zählrohr rapide zu. Die Strahlung kann bereits durch ein dünnes Stück Papier vollständig abgeschirmt werden. 2) Beta-Strahler (Thallium-204) 204 81Tl e 204m 82 Pb 67m 204 82 Pb stabil) Die Zählrate nimmt über einen Abstand von ca. 0,5 m vom Zählrohr exponentiell ab. Dicke Pappe verringert die Zählrate, ein Aluminiumblech (ca. 1 mm) schirmt die Strahlung vollständig ab. 3) Gamma-Strahler (Barium-137 nach Zerfall von Cäsium-137) 137 55 Cs e 137m 56 Ba 2,6 m 137 56 Ba stabil Die Zählrate nimmt mit dem Abstand ab. Bleiplatten mit einer Gesamtdicke von ca. 2 cm sind erforderlich, um die Strahlung abzuschirmen. Auch ohne radioaktives Präparat wird ein Untergrund an Strahlung registriert. 8 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Zerfallsgesetze Ein Kern zerfällt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit l pro Zeiteinheit spontan, wenn dies energetisch möglich ist. Der Zeitpunkt des Zerfalls ist nicht vorhersagbar. Für N Kerne: dN l N dt N (t ) N0 ln t 1 dN l dt N 0 Exponentielles Zerfallsgesetz mit Zerfallskonstante l N (t ) l t N0 N (t ) N 0 e l t N 0 e t / t1/ 2 ln 2 0.69 Halbwertszeit Messgrößen und Einheiten Aktivität = Zahl der Zerfälle pro Zeiteinheit A(t ) früher: 1 Ci (Curie) ≈ 37 GBq (1 g 226Ra) dN dt A 1 Bq (Becquerel ) 1/s Energiedosis = deponierte Energie pro Masseneinheit D ED / m früher: 1 rd (Rad) = 0,01 Gy Dosisleistung = Energiedosis pro Zeiteinheit dD / dt Äquivalentdosis = D ∙ Strahlungswichtungsfaktor* H D wR D 1 Gy (Gray) J/kg dD / dt 1 Gy/s H 1Sv (Sievert) 1 J/kg früher: 1 rem = 0,01 Sv * Strahlungswichtungsfaktor (früher: Qualitätsfaktor Q): hängt von der Strahlungsart und Energie ab, Photonen/Elektronen wR = 1, Neutronen 5-20 (energieabhängig), Protonen 5, a-Teilchen und schwere Kerne 20. Strahlenexposition Natürliche effektive Dosis: 1-2 mSv/Jahr (je nach Meereshöhe und Gesteinen), Raucher: mehrere mSv Langstreckenflug: um 50 Sv (in niedrigen Breiten), 100 Sv (über die Pole) Röntgendiagnostik: 0,3 mSv (Thoraxaufnahme 2x), 30 mSv (Abdomen-CT) Strahlentherapie: 20-80 Sv 9 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 8.4 Kernmodelle: Das Tröpfchenmodell Vergleich des Kerns mit einem Flüssigkeitstropfen (konstante Dichte) erklärt die Bindungsenergie EB(A). Fünf Anteile: 1) Volumenanteil: gleiche Bindungsenergie für jedes Nukleon E V aV A 2) Oberflächenanteil: geringere Bindungsenergie für Nukleonen an der Oberfläche (weniger Nachbarn) E S aS A2 / 3 Oberfläche R 2 A2 / 3 3) Coulombanteil: Coulomb-Abstoßung, potenzielle Energie einer homogen geladenen Kugel EC aC Z 2 A1/ 3 Energie 1 / R 1 / A1/ 3 4) Asymmetrieanteil: wegen des Pauli-Prinzips ist die Gesamtenergie für Z = N minimal E A a A ( Z N ) 2 / A 5) Paarungsanteil: wegen des Pauli-Prinzips werden gerade (g) Protonen- und Neutronenzahlen bevorzugt EP aP A1/ 2 gg : 1 gu/ug : 0 uu : 1 (g = gerade, u = ungerade Protonen- und Neutronenzahl) damit: E B aV A aS A2 / 3 aC Z 2 A1/ 3 a A Z N / A a P A1/ 2 Empirische Parameter: aV aS aC aA aP = = = = = 15,8 MeV 18,3 MeV 0,71 MeV 92,8 MeV 11,4 MeV Anmerkung: Ein erweitertes Tröpfchenmodell erklärt auch Rotations- und Vibrationszustände von Atomkernen 10 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 8.5 Kernmodelle: Das Schalenmodell Einteilchenmodell zur Beschreibung eines Vielteilchensystem: Jedes einzelne Nukleon bewegt sich im Kernpotenzial, das von der Gesamtheit der Nukleonen erzeugt wird. Zunächst: Das Fermigasmodell Das Nukleon bewegt sich quasi frei in einem Potenzialtopf mit steilen Wänden, im einfachsten Fall durch ein drei-dimensionales Kastenpotenzial der Breite a mit unendlich hohen Wänden beschrieben. 0 für r a E pot für r a 2 2 2 E nx n y2 nz2 2 2m a Die Zahl n der möglichen Zustände mit Energiewerten von 0 bis Emax ist durch die Zahl der möglichen Kombinationen von nx, ny und nz gegeben: 3/ 2 n Emax Jeder Zustand kann 2x besetzt werden (Spin 1/2). Damit ergibt sich die Fermi-Energie (ohne Herleitung): 2 3 2 EF nF 2m V 2/3 Das ist die Energie, bis zu der ein Potenzialtopf gefüllt ist. Typische Zahlen eingesetzt: EF ≈ 42 MeV. Ein etwas besseres Modell berücksichtigt die Coulomb-Abstoßung der Protonen, d.h. Protonen und Neutronen haben jeweils ihren eigenen Potenzialtopf, der für die Protonen etwas höher liegt und eine CoulombBarriere besitzt. Beide Töpfe sind etwa gleich hoch mit Nukleonen gefüllt. Ferner kann man das Kastenpotenzial durch einen Topf mit weniger steilen Wänden ersetzten, z.B. harmonischer Oszillators oder sog. Woods-SaxonPotenzial. 11 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Bei der Bindungsenergie pro Nukleon zeigte sich bereits, dass es magische Zahlen 2, 8, 20, 28, 50, 82, 126 gibt, die mit dem Kastenpotenzial nicht erklärt werden. Bei verschiedenen Potenzialen (z.B. endlich hoher Kasten, harmonischer Oszillator etc.) zeigt sich, dass die magischen Zahlen für die vollständige Besetzung einer "Schale" (gegeben durch die Hauptquantenzahl n) nur für niedrige n reproduziert werden. Das liegt daran, dass - im Gegensatz zur Atomhülle - die Spin-BahnKopplung zu einer starken Aufspaltung der Energieniveaus führt, die mit den n-abhängigen Niveauabständen vergleichbar ist. Hans Jensen (1907 - 1973) Maria Goeppert-Mayer (1906 - 1972) 12 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 8.6 Kernspaltung und Kernfusion Kernspaltung von Uran Die stoßinduzierte Spaltung schwerer Elemente ist exotherm, weil die Bindungsenergie pro Nukleon für die Spaltfragmente höher ist (Maximum bei A ≈ 60). Hier ist insbesondere die Spaltung von Uran-Isotopen durch Neutronenbeschuss von praktischer Relevanz. Man kann sich den Prozess als Einfang eines Neutrons vorstellen, wobei der so entstandene Kern (im Bild des Tröpfchensmodells) schwingt und an einer Einschnürung ungefähr in der Mitte zerreisst. Das häufigste Uranisoptop ist der g-g-Kern 238U (Z gerade, N gerade, 99,27 %) , der durch Neutroneneinfang zu einem g-u-Kern wird. Die freiwerdende Bindungsenergie reicht nicht zur Spaltung, sondern das Neutron muss zusätzlich ca. 1 MeV an kinetischer Energie beitragen. Das Isotop 235U (0,72 %) dagegen kann auch mit langsamen Neutronen gespalten werden. Der SpaltungsWirkungsquerschnitt nimmt sehr stark mit der Neutronenenergie ab (bei 1 MeV Faktor 1000 kleiner als für "thermische" Neutronen bei einigen 10 meV), so dass 235U wesentlich besser spaltbar ist als 238U. Aus diesem Grund wird Uran "angereichert", d.h. sein Gehalt an 235U gegenüber dem natürlichen Vorkommen erhöht. Ähnliches gilt für Plutonium-Isotope mit ungerader Massenzahl, das in der Natur praktisch nicht vorkommen und in Kernkraftwerken aus 238U entsteht: b 24 min b 2,4 d 238 239 239 239 U n U - Np Pu - Bei der Spaltung eines 235U-Kerns werden 201 MeV frei (davon 167 MeV als kinetische Energie der Spaltprodukte). Bei einer chemischen Reaktion beträgt der Energiegewinn nur einige eV. Durch die Spaltung unter Neutronenbeschuss werden 2-3 Neutronen frei, die wieder Kerne spalten (Kettenreaktion). Die Zahl solcher Reaktionen pro Zeiteinheit kann exponentiell anwachsen (Kernwaffe) oder durch eine Regelung von Neutronenenergie und -fluss konstant gehalten werden (Reaktor). Der Wirkungsquerschnitt ist für "thermische" Neutronen (meV) viel größer als für die im MeV-Bereich entstehenden Neutronen: 1 / Ekin Es bedarf daher eines Moderators aus leichten Kernen (Wasser, Graphit...) , auf welche die Neutronen bei Stößen möglichst viel Energie übertragen. 13 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Typische Bauart von Kernreaktoren in Deutschland Kernbrennstoff und Moderator sind i.d.R. räumlich voneinander getrennt (inhomogener Reaktor): der Moderator ist das Wasser des primären Kühlkreislaufs und fließt flüssig unter hohem Druck durch die Brennelemente (Druckwasserreaktor). Die Wärme wird an Wasser im Sekundärkreis abgegeben, das verdampft und eine Turbine antreibt. Die Kühlung erfolgt durch Flusswasser. Kernbrennstoff Pellets (1 cm Durchmesser) mit angereichertem Uranoxid oder Uran-/Plutoniumoxid-Mischung sind in einem Rohr aus Zirkon eingeschlossen (Brennstab). Mehrere (~100) Brennstäbe bilden ein "Brennelement", das von Kühlwasser durchströmt wird. Zwischen den Brennelementen sind bewegliche Steuerstäbe, die Neutronen absorbieren (Bor oder Cadmium) Andere Reaktortypen Graphitmoderierter Siedewasser-Reaktor (Beispiel Tschernobyl): Brennelemente zwischen Graphit als Moderator, z.T. verdampfendes Wasser treibt eine Turbine an. Potentielle Probleme: Graphit ist brennbar, verdampfendes Wasser verringert die Absorption thermischer Neutronen (Kühlmittelverlust erhöht die Reaktionsrate). Brutreaktor (Beispiel SNR-300 Kalkar): Spaltung von 238U durch schnelle Neutronen (kein Moderator), erzeugt 239Pu und 235U. Als Kühlmittel dient flüssiges Natrium statt Wasser, das die Neutronen zu sehr verlangsamen würde. 14 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Erster von Menschen gebauter Kernreaktor 1942: The Chicago Pile CP-1 unter einer Tribüne des ehem. Football-Stadiums Stagg Field der University of Chicago. Aufschichtung von Uran und Graphit mit manuell betätigten Cadmium-Steuerstäben. Leitung: Enrico Fermi. Enrico Fermi (1901 - 1954) Natürlicher Kernreaktor vor ca. 2 Mrd. Jahren: Oklo/Gabun aus natürlichem Uranvorkommen mit eingesickertem Wasser als Moderator. Vor 2 Mrd. Jahren war der Anteil von 235U in natürlichem Uran wesentlich höher als heute, so dass eine Kettenreaktion mit moderierten Neutronen entstehen konnte. Der Reaktor war ca. 500.000 Jahre aktiv, mittlere Leistung 100 kW. Er wurde 1972 durch Anomalien der 235U-Konzentration entdeckt). Erste Kernwaffenexplosion 1945 in der Nähe von Alamogordo (NM, USA) Beim sog. "Trinty-Test" im Rahmen des Manhattan-Projekts wurde eine Plutoniumbombe mit 21 kT TNT-Äquivalent gezündet (1 kT TNT = 4,18∙1012 J). Mitte mit Hut: Robert Oppenheimer (1904 - 1967) 15 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Kernfusion Die Fusion leichter Elemente ist exotherm. Dazu müssen sich die Kerne quasi berühren, d.h. die Coulomb-Barriere muss durch ein genügend hohe kinetische Energie oder durch Tunneleffekt überwunden werden. Kinetische Energie (r1und r2 sind die Reichweiten der Kernkräfte von den jeweiligen Kernmittelpunkten ≈ Radien) : 2 Ekin 1 Z Z e 1 2 4 0 r1 r2 Im Inneren der Sonne entsteht hauptsächlich aus Wasserstoff über einen mehrstufigen Prozess über Be, B und Li schließlich 4He (p-p-Kette). In anderen Sternen fusioniert Wasserstoff zunächst mit 12C und bildet über N und O ebenfalls 4He (CNO- oder Bethe-Weizsäcker-Zyklus). Im Spätstadium der Sternentwicklung gibt es (je nach Masse des Sterns) Fusionsprozesse, die zu schwereren Elementen bis Fe führen. Noch schwerere Elemente entstehen nur in Supernova-Explosionen. Energie bei der Fusion von 2H und 3H zu 4He + n werden 17,6 MeV freigesetzt. Pro Masseneinheit des Brennstoffs ist der Energiegewinn im Vergleich zur Spaltung höher, weniger radioaktiver Abfall. Problematisch ist die hohe Temperatur, die zur Überwindung der Coulomb-Barriere erforderlich ist. Ansätze: - Einschluss eines Plasma in eine Anordnung von Magnetfeldern (Tokamak oder Stellerator) - Trägheitseinschluss in ein Kügelchen, das mit einem Laser- oder Teilchenpuls beschossen wird. Der Fusionsquerschnitt steigt ab einer kin. Energie von 10 keV an (entspricht 10 8 K Temperatur). Bei diesen Temperaturen liegt Materie als Plasma vor, ein "Gas" aus Ionen und Elektronen. Experimente: - Wendelstein 7-X in Greifswald: Stellarator, seit 2015 - ITER (Internat. Thermonucl. Exp. Reactor) in Cadarache/Frankreich: Tokamak, Start 2027 (?) - NIF (National Ignition Facility) in Livermore/USA : Laserbasierte Trägheitsfusion, Start um 2010, Erste Erfolge siehe O.A. Hurricane et al. Nature 506 (2014), 343. 16 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 8.7 Medizinische Anwendungen der Kernphysik Strahlentherapie - überwiegend mit Beschleunigern Diagnostik - Szintigraphie, insbes. Schilddrüse mit 99Tc, 123I oder 131I - Magnetische Resonanztomografie (s. weiter oben) - Positronen-Emissions-Tomographie, Krebsdiagnostik: b+-Strahler wird verabreicht (z.B. 18F) und nimmt am Stoffwechsel teil. Emittierte Positronen annihilieren mit Elektronen der Umgebung, zwei Photonen (je 511 keV) werden in entgegengesetzte Richtung ausgesandt und in Koinzidenz emittiert. Durch Aufnahme koinzidenter Photonen aus verschiedenen Richtungen wird mit mathematischen Methoden ein Schnittbild erzeugt. Die Halbwertszeit von 18F beträgt 110 min (Herstellung z.B. mit Zyklotrons). 8.8 Radiometrische Altersbestimmung z.B. Radiocarbon-Methode Die kosmische Strahlung setzt in der oberen Atmosphäre Neutronen frei, die in tieferen Schichten auf 14 Stickstoff treffen und 14C erzeugen: Nn, p14 C Dadurch gibt es ein bestimmtes Verhältnis von 14C zu 12C in der Biosphäre, u.a. in lebenden Organismen (~10-12). Wenn ein Organismus stirbt und der Austausch mit der Umgebung unterbleibt, nimmt der 14CAnteil durch b--Zerfall mit einer Halbwertszeit von ca. 5730 Jahren ab. Durch Messung der Aktivität organischer Überreste (z.B. Holz) kann deren Alter bis ca. 60.000 Jahre datiert werden. Neben der Unsicherheit der Zählrate und der Halbwertsbreite ist das 14C/12C-Verhältnis Schwankungen unterworfen - Fluktuation der kosmischen Strahlung (wechselnde Sonnenaktivität) - Abnahme des Verhältnisses durch Verbrennung fossiler Brennstoffe - Kernwaffentests (bis 1963 in der Atmosphäre) 17 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 9 Methoden der Kern- und Elementarteilchenphysik 9.1 Teilchenbeschleuniger Motivation Teilchenbeschleuniger ermöglichen Streuexperimente oder Reaktionen mit Teilchen, deren ... Energie wesentlich höher ist als die Teilchenenergie aus radioaktiven Präparaten ... Rate und räumliche Dichte wesentlich höher ist als die kosmischer Teilchen Lorentzkraft F qE q v B - Beschleunigung von Teilchen durch elektrische Felder (erfordert Kraft in Bewegungsrichtung) - Führung und Fokussierung von Teilchen durch elektrische oder magnetische Felder vc E cB typisch 3 108 m Vs MV 1 2 300 s m m Beschleunigertypen Einteilung nach der Art, wie das elektrische Feld zur Verfügung gestellt wird: - elektrostatische Beschleuniger - elektrisches Feld durch zeitlich veränderliches Magnetfeld (elektromagnetische Induktion) - hochfrequente elektromagnetische Wellen Einteilung nach der Bauform - lineare Beschleuniger: beschleunigende Strecke wird 1x durchlaufen - Kreisbeschleuniger: beschleunigende Strecke wird mehrfach durchlaufen 18 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Beschleunigung durch ein elektrostatisches Feld (a) Cockroft-Walton-Generator (Cambridge 1930) hohe Spannung durch sog. Greinacher-Schaltung, erste Kernumwandung mit einem Beschleuniger 7 3 Li(p,a ) 42 He (b) Marx-Generator (nicht mehr gebräuchlich) (c) Van-de-Graaf-Generator (MIT 1931), hohe Spannung durch mechanischen Transport von Ladung, oft als Tandem-Van-de-Graaf-Beschleuniger Die Beschleunigungsspannung ist bei elektrostatischen Beschleunigern durch die Duchschlagsspannung der Luft auf einige MV begrenzt. Durch ein Schutzgas (SF6) werden Werte über 10 MV erreicht. John Cockroft (1897 - 1967) Ernest Walton (1903 - 1995) Oben: Cockroft-Walton-Generator als Vorbeschleuniger für Protonen am Paul-Scherrer-Institut/Schweiz Links: Tandem-Van-de-GraafBeschleuniger am MPI/Heidelberg. Die Hochspannung von 12 MV wird 2x ausgenutzt: Negative Ionen werden beschleunigt und streifen in der Mitte der Maschine (dem "Terminal") Elektronen in einem Stripper-Gas oder einer Folie ab. 19 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Beschleunigung aufgrund elektromagnetischer Induktion Betatron (Idee um R. Wideröe1923, erste Maschine D. Kerst 1940) ein zeitlich veränderliches Magnetfeld erzeugt eine Induktionsspannung gemäß E d s B da hier E 2 R R 2 B A und hält gleichzeitig die Teilchen auf der Kreisbahn. Das Betatron ist nur für Elektronen geeignet und wurde oft für die Strahlentherapie verwendet (heute eher Linearbeschleuniger) Rolf Wideröe (1902 - 1996) Kreisbeschleuniger allgemein: Beziehung zwischen Impuls p, Ladung q, Magnetfeld B und Bahnradius R gegeben durch Zentripetalkraft = Lorentzkraft (i.d.R. gilt v B) 2 mv qv B R m0g v p q B R Betatron Zyklotron Mikrotron (schematisch) Synchrotron Donald Kerst (1911 - 1993) Bild: University of Illinois, Urbana-Champain 20 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Beschleunigung durch hochfrequente elektromagnetische Welle Erster Linearbeschleuniger (Idee 1924, erste Umsetzung R. Wideröe1928): Wechselspannung zwischen Driftröhren. Ein Teilchen wird von der Spannung zwischen den Röhren beschleunigt, die immer dann umgepolt wird, wenn das Teilchen in einer Röhre ist. Rolf Wideröe (1902 - 1996) Bei Frequenzen um 1 MHz werden die Abstände zwischen den Driftröhren sehr groß, wenn v ≈ c: THF 1 3 108 m s li c 150 m 6 2 2 f HF 10 s Erst mit der HF-Technik im GHz-Bereich (z.B. Klystron 1937) werden relativistische Teilchenstrahlen möglich. Der mit ca. 3 km weltweit längste Linearbeschleuniger ist der Stanford Linear Accelerator. Der Beschleuniger wurde mit bis zu 50 GeV Elektronenenergie für die Teilchenphysik eingesetzt, ein Drittel seiner Gesamtlänge dient zurzeit als Beschleuniger für einen Freie-Elektronen-Laser. 21 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Hochfrequenz (HF) Kapitel 8-10 t 0 Bei Frequenzen im 100-MHz- und GHz-Bereich ist das Bild eines elektrischen Felds zwischen zwei Elektroden (z.B. Driftröhren) nicht mehr hilfreich, wie man sich am Beispiel eines zylindrischen Plattenkondensators (a) verdeutlichen kann. Durch die schnelle Änderung des elektrischen Felds (Verschiebungsstrom) entsteht ein Magnetfeld, dessen Änderung wiederum ein elektrisches Feld erzeugt (Induktionsgesetz), das dem ursprünglichen E-Feld entgegengerichtet ist (b). Dieses Wechselfeld entspricht dem einer TM010-Mode, die sich ausbildet, wenn man eine Hochfrequenzwelle in einen zylindrischen Hohlraumresonator einkoppelt (c). t Trf 2 Typische Beschleunigungsstrukturen sind - ein- oder mehrzellige Hohlraumresonatoren z.B. in einem Synchrotron - Linearbeschleuniger mit stehender oder laufender HF-Welle Links: Linearbeschleuniger für relativistische Elektronen: die Teilchen "surfen" auf einer 3-GHz-Welle, deren Phasengeschwindigkeit durch Irisblenden auf c herabgesetzt wird, damit sie die Elektronen nicht überholt. Rechts: Supraleitende Beschleunigungsstruktur bei typisch 1,3 GHz. Hohlraumresonator ("cavity") in Zylinderform ("pillbox"). Dieser Resonator mit fHF = 500 MHz wurde für den DORIS-Speicherring in Hamburg entwickelt und wurde an vielen Orten (u.a. bei DELTA) verwendet. 22 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Kreisbeschleuniger mit Hochfrequenz (HF) Zyklotron (Berkeley 1932): Energiegewinn nach jedem halben Umlauf in dem Spalt zwischen den "Dees". Bedingung: HF-Periode = Umlaufszeit, bzw. Hochfrequenz = Umlaufsfrequenz Diese sog. "Zyklotronfrequenz" ist konstant, solange g ≈ 1 ist (nicht-relativistische Teilchen): m0g v p q B R f HF Ernest O. Lawrence (1901 - 1958) v qB R m0g 1 v qB THF 2 R 2 m0g Das Zyklotron ist also eine Maschine für schwere Teilchen: Protonen und Ionen. Wenn g nur wenig von 1 abweicht, gibt es zwei Möglichkeiten: - die Hochfrequenz wird ~1/fHF angepasst (Synchrozyklotron) - das Magnetfeld B wird nach außen höher (Isochronzyklotron) Isochronzyklotron am ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe (heute KIT) 23 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Kreisbeschleuniger mit Hochfrequenz (HF) Mikrotron (Idee V.I. Veksler 1944, erstes Mikrotron Ottawa 1947): Die Umlaufszeit ist nicht konstant, sondern ändert sich pro Umlauf um ein ganzzahliges Vielfaches der HF-Periode, so dass die Teilchen (in diesem Fall relativistische Elektronen) immer phasenrichtig ankommen. Blau: HF-Welle, elektrisches Feld als Funktion der Zeit. Rot: Ankunftzeit der Teilchen beim Zyklotron (äquidistant) und beim Mikrotron (mit zeitlich zunehmenden Abständen). Racetrack-Mikrotron (MAMI-B 850 MeV) an der Universität Mainz (© Institut für Kernphysik, Uni Mainz). Mikrotron als Vorbeschleuniger bei SESAME, eine Synchrotronstrahlungsquelle in Jordanien. 24 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Kreisbeschleuniger mit Hochfrequenz (Fortsetzung) Synchrotron (Berkeley 1945): Energiegewinn in einem Holhlraumresonator nach jedem Umlauf. Der Bahnradius bleibt konstant, weil das Magnetfeld ~ g erhöht wird. m0g v p q B R Weil das Magnetfeld nur entlang des Umfangs und nicht über die umschlossene Fläche benötigt wird, können sehr große Maschinen gebaut werden (z.B. der LHC am CERN/Genf). Allerdings ist das Synchrotron eine gepulste Maschine, d.h. ein Beschleunigungszyklus muss vollendet sein, bevor die nächsten Teilchen beschleunigt werden können. Edwin McMillan (1907 - 1991) Marcus Oliphant (1901 - 2000) Cosmotron (1952-1966) - Brookhaven National Lab Speicherringe (Patent "Kernmühlen" 1949, erster e+e--Ring 1960) ähneln Synchrotrons (ringförmige Maschine mit HF-Resonatoren), dienen aber nicht dazu, die Teilchenenergie zu erhöhen, sondern speichern den Strahl bei konstanter Energie. Einige Maschinen, z.B. der LHC, sind sowohl Synchrotron als auch Speicherring. Large Hadron Collider, ein Protonen-Synchrotron und Speicherring (CERN CC-BY-SA-4.0) 25 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 9.2 Detektoren Motivation Mit Detektoren werden Teilchen und Strahlung nachgewiesen, wobei die Messaufgaben unterschiedlich sein können, typischerweise: - reine Zählexperimente - Orts- und Winkelverteilung von Zählraten - kinetische Energie und Impuls von Teilchen - Identifikation der Teilchen - Eigenschaften der Teilchen: Masse, Ladung, Spin, Lebensdauer - Abbildung von Teilchenspuren In den meisten Fällen soll die Information als elektrisches Signal vorliegen, das i.d.R. mit einem ADC (analog-digital converter) digitalisiert und aufgezeichnet wird. Bei großen Experimenten kann nicht jedes Ereignis gespeichert werden, weil bei der Auslese eines großen Detektors Totzeit entstehen und die Datenmenge sehr groß würde, sondern die Elektronik/Software des Experiments muss schon während der Datennahme einen Teil der Ereignisse verwerfen (sog. "Trigger"). Jeder Detektor basiert auf der Wechselwirkung von Teilchen oder Strahlung mit Materie. Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung mit Materie - Compton-Streuung: Streuung an Elektronen - Photoeffekt: Absorption einen Photons, Emission eines Photons kleinerer Energie (Fluoreszenz) oder eines Auger-Elektrons - Paarbildung (Photonenenergie min. 1,022 MeV): Erzeugung eines Elektron-Positron-Paars 26 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Wechselwirkung von geladenen Teilchen mit Materie - inelastische Stöße mit Elektronen der Atomhüllen, Ionisiation (Bethe-Formel, s. unten) - bei Elektronen zusätzlich Verluste durch Strahlungsphänomene, z.B. ... Bremsstrahlung, bei hoher Energie Bildung eines elektromagnetischen Schauers (Bremsstrahlung erzeugt Elektronen-Positronen-Paare, die wieder Bremsstrahlung erzeugen usw.) ... Cherenkov-Strahlung, wenn Teilchen schneller sind als die Lichtgeschwindigkeit im jeweiligen Medium ... Übergangsstrahlung beim Übergang zwischen Medien mit verschiedener Dielektrizitätszahl Bethe-Formel: gibt den "spezifischen" Energieverlust pro Länge dE/dx durch Ionisation an - mit zunehmender Teilchengeschwindigkeit sinkt der spezifische Energieverlust ~ 1/b 2, - bei Energien im Bereich der Ruheenergie der Teilchen besitzt dE/dx ein Minimum, - bei höheren Energien steigt dE/dx langsam an ~ ln(b 2g 2) Der steile Anstieg von dE/dx bei kleiner Teilchenenergie bewirkt den "Bragg peak", einen hohen Energieverlust kurz bevor das Teilchen stehen bleibt, was bei der Strahlentherapie mit Protonen und Ionen ausgenutzt wird, um die Strahlendosis lokal zu deponieren. Hans Bethe (1906-2005) 27 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Wechselwirkung neutraler Teilchen mit Materie Neutronen werden i.d.R. durch Kernreaktionen nachgewiesen, bei denen geladene Teilchen entstehen. Bei Neutrinos geschieht dies nur über die schwache Wechselwirkung mit extrem kleinen Wirkungsquerschnitten, so dass sehr große Detektoren benötigt werden (z.B. IceCube am Südpol ~1 km3) Einige Detektortypen Messung von Energieverlusten oder der Gesamtenergie eines Teilchens oder Photons - Gasgefüllte Ionisationszähler: z.B. Draht und ein umgebendes Rohr, geladene Teilchen erzeugen Ionen und Elektronen, die zu entgegengesetzten Elektroden driften. Verschiedene Regimes: - geringe Hochspannung zwischen den Elektroden (Ionisationskammer) - mittlere Spannung (Proportionalzähler): Sekundärionisation, Signal proportional zum Energieverlust - hohe Spannung (Geiger-Müller-Zählrohr): lawinenartige Sekundärionisation, keine Energiemessung - Halbleiterzähler: in Sperrrichtung betriebene Dioden, geladene Teilchen erzeugen Teilchen-Loch-Paare, die als Strom registriert werden. Auch für Photonen: Fotodioden. - Szintillationszähler: Teilchen oder Photonen erzeugen Lichtblitze, die mit einem Fotomultiplier detektiert werden (im Fotomultiplier werden Elektronen durch Licht freigesetzt und lawinenartig verstärkt). Ortsempfindliche Detektoren (messen insbesondere Impulse von Teilchen im Magnetfeld) - Photoplatte, Nebel- und Blasenkammer: erzeugen optisch sichtbare Spuren, die als Fotografie vorliegen - Driftkammer: gasgefüllte Kammern, bei denen Ionen/Elektronen zu einer Vielzahl von Drähten driften (Driftkammer, Ortsauflösung durch Ort des Drahts und Driftzeit) - CCDs, Silizium-Streifen- und Pixeldetektoren: segmentierte Halbleiterzähler. Bei CCDs wird die lokal entstehende Ladung zeilenweise von Pixel zu Pixel bis zum Rand verschoben (langsam). Streifendetektoren haben einen Verstärker pro Streifen auf einem Chip. - Szintillationsfaserdetektor: Anordnung einer Vielzahl dünner Fasern aus szintillierendem Material 28 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Radiale Verteilung verschiedener Detektoren, hier beim CMS-Experiment am LHC/CERN (CERN 2004). Anwendung in der Elementarteilchenphysik Typische Anordnung mit zunehmendem Abstand vom Wechselwirkungspunkt: - Vertexdetektor (z.B. Siliziumstreifen oder -pixel): genaue Vermessung von Teilchenspuren (Impuls) und ihrem Entstehungsort, Zuordnung mehrerer Spuren zu einem gemeinsamen Ausgangsort - Tracker (z.B. Driftkammer oder Zeitprojektionskammer) im Magnetfeld: Die Vermessung der Radien von Spuren geladener Teilchen im Magnetfeld dient der Messung des Teilchenimpulses - Kalorimeter (z.B. Kombination aus schwerem Material und Szintillator): Hier deponieren Teilchen ihre gesamte kinetische Energie, die z.B. über die Lichtausbeute in Szintillatoren bestimmt wird. - Myonkammern (z.B. Proportionalzähler): Nachweis von geladenen Teilchen, die nicht Kalorimeter gestoppt wurden (i.d.R. Myonen) 29 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 10 Elementarteilchenphysik 10.1 Historie Antiteilchen Durch die Entdeckung des Positions 1932 (gleiche Masse und Wechselwirkung wie das Elektron, aber positiv geladen) wurde die Vorstellung von Antiteilchen etabliert. Sie ergibt sich theoretisch aus der relativistischen Quantenmechanik (Dirac 1927). Paul A. M. Dirac (1902 - 1984) Entdeckung des Positrons. Aus der Energieabnahme nach Durchgang durch eine Bleiplatte konnte auf die Richtung der Spur festgelegt werden. man Feynman-Diagramme veranschaulichen nicht nur Teilchenreaktionen, sondern kann mit ihnen auch rechnen, z.B. gehört zu jedem Knoten (Vertex) eine Kopplungskonstante a1/2. Sie ähneln Minkowski-Diagrammen (Auftragung von Ort gegen Zeit), wobei es auf die Steigung der Linien (Geschwindigkeit) nicht so genau ankommt. Wenn man ein Feynman-Diagramm dreht, ergibt sich wieder ein sinnvolles Diagramm z.B. die Wechselwirkung zweier Elektronen durch Austausch eines (virtuellen) Photons (links) entspricht der Elektron-Positron-Annihilation und anschließender Paarbildung (rechts). Hierbei wurden die nach der Drehung in der Zeit rückwärts verlaufenden Elektronen durch vorwärts verlaufende Positronen ersetzt. Richard Feynman (1918 - 1988) 30 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Myon und Pion Die Kraft zwischen zwei geladenen Teilchen wird als Austausch eines Teilchens betrachtet. Die elektromagnetische Wechselwirkung ist langreichweitig, da das Austauschteilchen (Photon) masselos ist. Für die kurzreichweitige "starke" Wechselwirkung wurde 1935 von Yukawa ein Austauschteilchen mit Masse um 150 MeV postuliert. C. Anderson fand 1936 ein 106 MeV schweres Teilchen durch Experimente mit kosmischer Strahlung, das jedoch - wie sich später zeigte - nicht das gesuchte Teilchen sein konnte. Es ähnelt eher dem Elektron, ist jedoch 200x schwerer und zerfällt nach 2,2 s. Es wurde Myon genannt (Isidor Rabi: "Who ordered that?"). 1947 fand C. Powell ein geladenes Teilchen, das Pion, der Masse 139,6 MeV, das nach 2,6∙108 s in ein Myon zerfiel. Später wurde auch ein neutrales Pion mit Masse 135,0 MeV entdeckt. 0 2g Hideki Yukawa (1907 - 1981) 0 e e g Damit war das von Yukawa vorhergesagte Teilchen gefunden. Heute wird die starke Wechselwirkung allerdings als Austausch von Gluonen beschrieben. Das 0 ist das leichteste "Meson" mit einer Masse im Bereich zwischen den leichten "Leptonen" (z.B. Elektron) und schweren "Baryonen" (z.B. Proton und Neutron) liegt. Neutrinos Carl Anderson (1905 - 1991) Die Existenz eines (Elektron-)Neutrinos wurde 1930 aufgrund des kontinuierlichen Elektronenspektrums im b-Zerfall gefordert (W. Pauli). Der direkte Nachweis gelang erst 1956 nachgewiesen (C. Cowan, F. Reines; Nobelpreis 1995). Nach der Entdeckung des Myons wurde aus der Kinematik seines Zerfalls deutlich, dass zwei verschiedenartige Neutrinos entstehen müssen: e v e v e e Später wurde eine dritte "Familie" von Leptonen nachgewiesen: (1975) und 2000. Neutrinos galten lange als quasi masselos. Erst kürzlich wurden Neutrino-Oszillationen nachgewiesen (Umwandlung verschiedenartiger Neutrinos), die belegen, dass es kleine Masseunterschiede und damit eine Masse ≠0 geben muss (Nobelpreis 2015). Cecil Powell (190e - 1969) 31 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Weitere Mesonen und Baryonen, Quarks Mit dem Aufkommen von Teilchenbeschleunigern in den 1950er Jahren wurden immer mehr Teilchen entdeckt ("Elementarteilchen-Zoo"), z.B. in Jahr 1949 die Kaonen mit Massen um 500 MeV: K0 K K 0 0 Es wurden auch Teilchen entdeckt, die schwerer als das Proton und Neutron sind, z.B. das neutrale Lambda mit 1116 MeV Λ p Solchen Teilchen wurde eine neue Quantenzahl, die "Seltsamkeit" S (strangeness) zugeschrieben. Da Protonen stabil sind, wurde als weitere Quantenzahl die "Baryonenzahl" B als Erhaltungsgröße postuliert. Baryonen unterliegen der starken Wechselwirkung und haben halbzahligen Spin (sie sind Fermionen). Für Mesonen gibt es keine entsprechende Erhaltungsgröße. Die Gültigkeit mancher Erhaltungsgrößen hängt von der Wechselwirkung ab, z.B. werden Teilchen mit S ≠ 0 durch die starke Wechselwirkung immer paarweise mit SS = 0 erzeugt, während die S-Erhaltung bei der schwachen Wechselwirkung verletzt wird. Um 1960 wurde begonnen, die Teilchen nach gruppentheoretischen Erwägungen gemäß verschiedenen Quanten-zahlen anzuordnen. Ein Beispiel ist das Baryon-Oktett: vertikal S , horizontal Isospin Iz. Der Isospin wurde eingeführt, um Proton und Neutron einheitlich zu beschreiben: sie haben Isospin I = 1/2 und unterscheiden sich in dessen Richtung Iz=1/2. Es gibt aber auch Teilchen mit I = 1, 3/2 und 2. Dies führte zur Entwicklung des Quark-Modells (M. Gell-Mann, J. Ne'emann, G. Zweig). Der Name "Quarks" stammt aus dem Roman "Finnegan's Wake" von James Joyce ("three quarks for Muster Mark") und bezeichnet Spin-1/2-Teilchen mit Ladung 1/3e oder 2/3e, die nur in gebundener Form in Baryonen und Mesonen (Hadronen) existieren. Das Quark-Modell erklärt die Systematik der Hadronen. Es gewann u.a. Realität durch die Beobachtung von "Jets" (Bündel von Teilchen mit ähnlicher Flugrichtung) in Teilchenkollisionen bei hoher Energie. Freie drittelzahlige Ladungen wurden bislang nicht beobachtet. 32 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 10.2 Wie entdeckt man neue Teilchen? Relativistische Kinematik Langlebige Teilchen kann man in Detektoren direkt beobachten, ihren Impuls bestimmen und ihre Energie messen. Viele Teilchen zerfallen jedoch quasi sofort (z.B. nach nur 10 23 s). Die einzigen in Teilchenexperimenten direkt beobachteten Teilchen sind: p, n, , K, e, , g (und deren Antiteilchen). Alle anderen Teilchen müssen "rekonstruiert" werden. 2 Relativistischer Energiesatz: E 2 m02c 4 p 2c 2 E m02c 2 px2 p y2 pz2 c Die Ruhemasse hat in jedem Bezugssystem denselben Wert, sie ist "invariant" unter Lorentz2 2 Transformationen. Im Fall vieler Teilchen ist E m02c 2 i pi i c i ebenfalls invariant. Dies ist die sog. "invariante Masse"∙c2. Da Energie und Impuls beim Zerfall eines Teilchens in andere Teilchen erhalten bleiben, ist seine Ruhemasse gleich der invarianten Masse, die man aus der Summe der Energien und Impuls der Zerfallsteilchen erhält. Bei der Suche nach neuen Teilchen sucht man also nach Ereignissen mit ähnlicher invarianter Masse. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich bei der eindeutigen Zuordnung der Teilchenspuren, wobei einige Teilchen (z.B. Neutrinos) nicht detektiert werden. E , px , p y , pz c Übliche Schreibweise: Vierervektor P E2 2 2 2 2 2 Beim Skalarprodukt P P 2 p x p y p z m0 c c erhalten die Impulsterme ein Minuszeichen (im Gegensatz zum normalen Skalarprodukt bei Dreiervektoren). Ein rekonstruiertes "Ereignis" im ARGUS-Detektor am e+e-Ring DORIS 1987: Ein neutrales B-Meson ist in sein Antiteilchen übergegangen (DESY, Hamburg). 33 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 10.3 Das Standardmodell Antiteilchen Aus der relativistischen Quantenmechanik folgt der Spin der Teilchen und die Existenz von Antiteilchen. Leptonen e e Antileptonen* unterliegen der schwachen und el. mag. Wechselwirkung e e Elektron/Positron Myon Tau-Lepton Elektron-Neutrino usw. Leptonenzahl = Zahl der Leptonen einer Familie ( e, , ) minus Zahl der Antileptonen ist (nahezu) für jede Familie separat erhalten. Die jüngst entdeckten Neutrino-Oszillationen legen eine kleine Masse ≠0 und eine geringfügige Verletzung der einzelnen Leptonenzahl nahe, aber die Gesamtleptonenzahl Le+L+L ist weiterhin eine strenge Erhaltungsgröße. Hadronen unterliegen der starken, schwachen und el. mag. Wechselwirkung Baryonen bestehen aus 3 Quarks, ihre Antiteilchen aus 3 Antiquarks Baryonenzahl = Zahl der Baryonen minus Zahl der Antibaryonen ist stets erhalten (Proton zerfällt nicht). Mesonen bestehen aus 1 Quark und 1 Antiquark , beim Meson/Antimeson ist das schwerere Quark positiv/negativ. Die Anzahl der Mesonen ist keine Erhaltungsgröße. Quarks u c t d s b Antiquarks (Q 2 / 3) (Q 1 / 3) u c t (Q 2 / 3) up d s b (Q 1 / 3) down strange charm top bottom (beauty) Bis 1974 waren nur u, d, und s bekannt. In diesem Jahr wurde am Brookhaven Lab das elektrisch neutrale J-Teilchen und wenige Tage später bei SLAC das y-Teilchen entdeckt. Beide stellten sich als dasselbe Teilchen heraus, das bis heute den Namen J/y trägt. Es ist ein "Charmonium"Zustand, bestehend aus c-Quark und c-Antiquark. 1977 wurde das Y(1S), ein Bottonium-Zustand entdeckt, und 1995 schließlich das t-Quark. * Dass geladene Leptonen negativ und Antileptonen positiv sind, rührt letztlich daher, dass Benjamin Franklin um 1750 eine Ladung als positiv definiert hat, die von einem mit Seide geriebenen Glasstab abgestoßen wird. 1947 : K 1974 : J /y 1977 : Y (1S) us cc bb 494 M eV 3097 M eV 9460 M eV 34 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Quantenzahlen Ladung Q: ist unter allen Wechselwirkungen erhalten Leptonenzahl L: Elektron-, Muon-, Tau-Leptonenzahl verletzt (Neutrino-Oszillationen), Summe erhalten Baryonenzahl B: stets erhalten Spin s: Leptonen und Quarks haben Spin 1/2 (Fermionen), Baryonen halbzahlig, Mesonen ganzzahlig Bahndrehimpuls l: Baryonen und Mesonen im Grundzustand l = 0, es gibt angeregte Zustände l = 1, 2 ... Gesamtdrehimpuls j: LS-Kopplung wie bei Elektronen leichter Atome oder Nukleonen leichter Kerne Flavor-Quantenzahlen: Isospin (Iz = +1/2 für u-Quark, 1/2 für d-Quark), Strangeness (S = +1 für s-Quark) Charmness (C = +1 für c-Quark) Bottomness (B' = +1 für b-Quark) Topness (T = +1 für t-Quark) ... jeweils negativ für Antiteilchen Farbladung (color) der Quarks: red, green, blue + Antifarben, beobachtbare Teilchen sind "farbneutral": Baryonen: r+g+b Meson: Farbe+Antifarbe Wechselwirkungen und Austauschteilchen Elektromagnetische Wechselwirkung Photon: Spin 1 (Boson), keine Ladung, keine Masse, Wechselwirkung großer Reichweite Schwache Wechselwirkung W+ W Z0: Spin 1 (Bosonen), z.T. Ladung, Masse (80,4 GeV bzw. 91,2 GeV), kurze Reichweite Starke Wechselwirkung Gluonen: Spin 1 (Bosonen), keine el. Ladung, Farbladung, keine Masse, kurze Reichweite Gemäß der "Quantenchromodynamik" gibt es 8 Gluonen mit verschiedener Farbladund: rg rb gr gb br bg rg 1 rr gg 2 1 rr gg 2 bb 6 35 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Feynman-Diagramme - elektromagnetische Wechselwirkung Neben dem einfachen Austausch eines Photons gibt es beliebig viele Prozesse "höherer Ordnungen", die zur Wechselwirkung beitragen. höhere Ordnung: Elektron-Positron, weitere Photonen ... höhere Ordnung: auch Gluonen können miteinander wechselwirken - starke Wechselwirkung Beim Austausch eines Gluons ändern beide beteiligten Quarks ihre Farbladung - schwache Wechselwirkung Neutrale und geladene "Ströme". Beim Austausch eines geladenen W-Bosons wandeln sich Quarks in andere Quarks um zwei verschiedene Varianten der Reaktion 0 p + "Spectator"-Modell, d.h. ein Quark nimmt an der Reaktion teil, die anderen "schauen zu": oben b--Zerfall des Neutrons unten L p + (links schwache Wechselwirkung, rechts starke Wechselwirkung) 36 Physik AB1 TU Dortmund SS2016 Dieter Suter Shaukat Khan Kapitel 8-10 Zusammen mit dem Higgs-Teilchen, das mit der Masse der anderen Teilchen zusammenhängt, ergibt sich das Standardmodell der Elementarteilchen Grafik Anmerkung: Symmetrien Im Jahr 1918 wurde von E. Noether folgendes Theorem formuliert: - Aus der Zeitinvarianz folgt der Energieerhaltungssatz - Aus der Translationsinvarianz folgt der Impulserhaltungssatz - Aus der Rotationsinvarianz folgt der Drehimpulserhaltungssatz Weitere Symmetrien: Parität P: (Wikipedia, Authors: MissMJ, Polluks) Die Symmetrie gegenüber Punktspiegelung (Koordinatenumkehr) wird durch die schwache Wechselwirkung verletzt, z.B. im b-Zerfall von 60Co (C.-S, Wu 1956): Elektronen werden entgegen der Richtung des Kernspin emittiert, der gespiegelte Vorgang existiert in der Natur nicht. Ladungskonjugation C: Die Symmetrie gegenüber der Vertauschung des Vorzeichens der elektr. Ladung wird ebenfalls durch die schwache Wechselwirkung verletzt. CP-Invarianz: Die Symmetrie gegenüber Spiegelung und Ladungsvertauschung ist ebenfalls verletzt, z.B. in Zerfällen von Kaonen, D- und B-Mesonen (evtl. Zusammenhang mit der Asymmetrie von Materie/Antimaterie im Universum). Zeitumkehr T: Die Verletzung der Symmetrie gegenüber der Umkehr der Zeitachse wurde ebenfalls nachgewiesen. Bislang wurde keine Verletzung der CPT-Invarianz beobachtet. Emmy Noether (1882-1935) Chien-Shiung Wu (1912-1997) 37