Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss 13 W 79/07 17.12

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Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
13 W 79/07
17.12.2007
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
....
hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht Dr. ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter
am Oberlandesgericht Dr. ... am 17.12.2007 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Potsdam vom 14.11.2007 - Az.: 2 O 412/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
Die zulässige, sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg; sie ist unbegründet.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere ist
vorliegend der Zivilrechtsweg gegeben.
2. In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg; er ist unbegründet. Mit der
angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht den Antrag der
Antragstellerin zurückgewiesen, der auf Aussetzung des Ausschreibungsverfahrens aus der
Bekanntmachungs-Nr. ... des Ausschreibungsblattes des Landes Brandenburg vom ... bis
zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gerichtet ist.
2.1. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht zunächst ausgeführt, dass sich das
auf Primärrechtsschutz gerichtete Begehren der Antragstellerin in dem vorliegenden
Verfahren über die Vergabe eines öffentlichen Auftrages mit einer Auftragssumme unterhalb
des Schwellenwertes nicht aus den Bestimmungen der §§ 97 ff. GWB ergibt, weil der
Gesetzgeber die dort enthaltenen Regelungen ausdrücklich auf Verfahren oberhalb des
Schwellenwertes beschränkt hat (§ 100 Abs. 1 GWB) und diese Bestimmungen auch nicht
entsprechend auf Verfahren unterhalb des Schwellenwertes anwendbar sind.
Die in der Rechtsordnung dem übergangenen Bieter eingeräumten Möglichkeiten des
Rechtsschutzes gegen Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit
Auftragssummen unterhalb der Schwellenwerte genügen den Anforderungen des
Justizgewährungsanspruches (Art. 20 III GG). Es verletzt nicht den Gleichheitssatz (Art 3 I
GG), dass der Gesetzgeber den Rechtsschutz gegen Vergabeentscheidungen unterhalb der
Schwellenwerte anders gestaltet hat als den gegen Vergabeentscheidungen, die die
Schwellenwerte übersteigen. Die in der Rechtsordnung vorgesehenen Möglichkeiten des
Rechtsschutzes genügen rechtsstaatlichen Anforderungen. Es ist verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden, dass der Rechtsschutz der Antragstellerin sich nach der allgemeinen
Rechtsordnung richtet, ohne dass besondere Vorkehrungen für die Durchsetzung von
Primärrechtsschutz geschaffen worden sind. Es liegt im Hinblick auf Vergabeentscheidungen
im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, das Interesse des Auftraggebers an einer
zügigen Ausführung der Maßnahmen und das des erfolgreichen Bewerbers an alsbaldiger
Rechtssicherheit, dem Interesse des erfolglosen Bieters an Primärrechtsschutz vorzuziehen
und Letzteres regelmäßig auf Sekundärrechtsschutz zu beschränken. Der Gesetzgeber ist
verfassungsrechtlich nicht dazu verpflichtet, eine auch faktisch realisierbare Möglichkeit
eines Primärrechtsschutzes im Vergaberecht zu schaffen. Insbesondere muss er keine
Pflicht der vergebenden Stelle zu einer rechtzeitigen Information der erfolglosen Bieter
regeln, wie sie sich für Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte in § 13 VgV findet. Es
verstößt auch nicht gegen Artikel 3 I GG, dass der Rechtsschutz oberhalb des
Schwellenwertes anders gestaltet ist als bei Vergabeentscheidungen mit Auftragssummen
unterhalb des Schwellenwertes. Der Gesetzgeber hat besondere Regelungen und damit
auch
Rechtsschutzmöglichkeiten
der
Vergabeentscheidungen
oberhalb
des
Schwellenwertes in Umsetzung entsprechender Vorgaben europäischer Richtlinien
vorgesehen. Die Regelung des § 100 Abs. 1 GWB führt in zweifacher Hinsicht zu einer
Ungleichbehandlung von öffentlichen Anträgen, deren Betrag den jeweils maßgeblichen
Schwellenwert erreicht oder übersteigt, gegenüber Aufträgen unterhalb des
Schwellenwertes. Zum einen gewährt § 97 VII GWB im Anwendungsbereich des GWBVergaberechts den Unternehmen ein subjektives Recht auf Erhaltung der Bestimmungen
über das Vergabeverfahren. Zum anderen stellen die §§ 102 ff. GWB dem Bewerber um eine
Auftragsvergabe ein besonderes Rechtsschutzverfahren zur Durchsetzung seines
subjektiven Rechts hinsichtlich der einzelnen Vergabeentscheidungen zur Verfügung.
Dagegen bleibt ein Unternehmen, das gegen eine Vergabeentscheidung unterhalb der
Schwellenwerte vorgehen will, auf die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten verwiesen.
Diese bleiben hinter dem Verfahren nach §§ 102 ff. GWB hinsichtlich des
Primärrechtsschutzes zurück. Regelmäßig wird ein Primärrechtsschutz faktisch ganz
ausscheiden, wenn zwischenzeitlich der Zuschlag erteilt worden ist, so dass der erfolglose
Bieter praktisch von vornherein auf Rechtsschutz in Form einer Schadensersatzklage
verwiesen ist. Diese Ungleichbehandlung zwischen Auftragsvergaben oberhalb und
unterhalb der Schwellenwerte ist jedoch durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber hat sich bei der Entscheidung über die Zweiteilung des Vergaberechts
nach Maßgabe des Schwellenwertes innerhalb des ihm eingeräumten Spielraums gehalten
(BVerfG NJW 2006, 3701 ff., m.w.N.).
2.2. Auch wenn danach weder direkt noch entsprechend die Bestimmungen der §§ 97 ff.
GWB auf den vorliegenden Fall anwendbar sind, scheidet - entgegen der Annahme des
Landgerichts - ein Primärrechtsschutz nicht von vornherein und gänzlich aus, sondern er
richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen der Rechtsschutzordnung, die mit den
Bestimmungen der §§ 935 ff. ZPO auch für den vorliegendem Fall grundsätzlich den Weg
des einstweiligen Rechtsschutzes eröffnen kann. Ihre Voraussetzungen sind aber hier nicht
erfüllt.
a) Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es verwehrt, das
Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen. Darüber hinaus kann die
tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Aufgrund dieser
Selbstbindung kann den Verdingungsordnungen nach den verwaltungsinternen Regelungen
über Verfahren und Kriterien der Vergabe eine mittelbare Außenwirkung zukommen. Dies
wird vorliegend vom Senat zugunsten der Antragstellerin, zumal es sich sowohl bei der
ursprünglichen unter Nummer ... am ... erfolgten und später wieder aufgehobenen als auch
bei der zeitlich nachfolgenden unter Nummer ... durchgeführten Ausschreibung, nach dem
Text um öffentliche Ausschreibungen nach § 1 Punkt 1 VOB/A handelt. Verstöße gegen
diese Regelungen können generell Ansprüche der Bieter nach den Grundsätzen des
Verschuldens bei Vertragsschluss gemäß § 311 Abs. 2 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB sowie
Ansprüche aus unerlaubter Handlung begründen (vgl. Franke, Kemper, Zanner, Grünhagen
VOB/Komm. 3. Aufl., § 26 VOB/A, Rdnr. 11).
b) Dabei sind auch Entscheidungen zur Aufhebung einer Ausschreibung im
Nachprüfungsverfahren grundsätzlich überprüfbar. Allerdings hat der BGH wiederholt darauf
hingewiesen, dass aus Gründen des allgemeinen Vertragsrechts, in dessen Rahmen auch
ein
einen
öffentlichen
Bauauftrag
ausschreibender
öffentlicher
Auftrageber
rechtsgeschäftlich tätig wird, aus dem Umstand der Ausschreibung nicht abgeleitet werden
kann, dass ein Ausschreibender, der nach den maßgeblichen Vergabevorschriften keinen
Grund zur Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens hat, gezwungen werden kann und darf,
einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag an einen geeigneten Bieter zu erteilen.
Vielmehr bleibt es dabei, dass ein Auftraggeber seine Ausschreibung jederzeit durch
Einstellung oder Aufhebung beenden darf. Ein Kontrahierungszwang des Auftraggebers
besteht trotz Erweiterung des Primärrechtsschutzes nicht. Dies zwingt jedoch nicht zugleich
dazu, Unternehmen, die trotz der Aufhebung der Ausschreibung noch Interesse an der
Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags haben, eine Nachprüfung der Aufhebung der
Ausschreibung überhaupt zu versagen. Dieser Schluss kann erwogen werden, wenn die
Aufhebung der Ausschreibung gleichsam Ausdruck unabänderbaren Willens des
Ausschreibenden ist, den ausgeschriebenen Auftrag nicht zu vergeben. Nach Ansicht des
BGHs kommt trotz der Erweiterung der Nachprüfung im Primärrechtsschutz nur in
Ausnahmefällen eine Aufhebung der Ausschreibung in Betracht. Der BGH verknüpft die
Aufhebungsbefugnis zunächst mit dem Vergabewillen des Auftraggebers. Sie kann von
vornherein nur angeordnet werden, wenn der Vergabewille überhaupt fortbesteht (vgl. BGH
NZ Bau 2003, 293 ff. sowie Franke, Kemper, Zanner, Grünhagen, a.a.O., § 26 VOB/A, Rdnr.
104 und 108). Von einem Fortbestand des Vergabewillens der Antragsgegnerin ist
vorliegend allerdings auszugehen, weil sie nach Aufhebung der ursprünglichen
Ausschreibung das betreffende Bauvorhaben erneut - verändert - ausgeschrieben hat, und
beabsichtigt, es zu realisieren.
Der Prüfungsmaßstab richtet sich nach § 26, 26 a V0B/A. Nach § 26 Nr. 1 Buchst. c) kann
die Ausschreibung aufgehoben werden, wenn schwerwiegende Gründe bestehen. Auf
solche hat sich das für die Antragsgegnerin tätig gewordene Ingenieurbüro ... in seiner
Mitteilung an die Antragstellerin vom 17.10.2007 ausdrücklich berufen, wonach die
Ausschreibung aus schwerwiegenden Gründen aufgehoben wurde. Weiter wird dort zur
Begründung ausgeführt: "Das niedrigste Angebot übersteigt deutlich die verfügbaren, nach
den Erfahrenswerten zum Zeitpunkt der Ausschreibung ermittelten Ausgabemittel und eine
Nachfinanzierung ist derzeit nicht möglich. Es ist beabsichtigt, die geplante Bauzeit komplett
in das Jahr 2008 zu verschieben ..." (Bl 18 d.A.).
Angesichts dessen ist die Aufhebungsentscheidung erkennbar damit begründet worden,
dass keine ausreichenden Haushaltsmittel im Jahre 2007 zur Verfügung standen, so dass
eine Auftragsvergabe auch mittels Nachprüfungsverfahren nicht erzwungen werden kann
(vgl. a.a.O, § 26 VOB/A, Rdnr. 105) und auch eine Aufhebung der Aufhebung bzw. eine
Aussetzung des neuen Ausschreibungsverfahrens ginge ins Leere, denn neben dem Fall,
dass ein Auftraggeber den Auftrag bereits anderweitig vergeben hat, kann eine derartige
Entscheidung - wie sie vorliegend begehrt wird - nicht ergehen, wenn der Auftraggeber
wegen von Anfang an bestehender oder nachträglich auftretender Deckungslücken bei der
Finanzierung haushaltsrechtlich gehalten ist, den Auftrag in der vorgesehenen Form nicht zu
vergeben. (vgl. a.a.O., § 26 VOB/A, Rdnr. 108). Eben dies hat das für die Antragsgegnerin
tätige Ingenieurbüro erkennbar zum Ausdruck gebracht, indem es mitgeteilt hat, dass das
niedrigste Angebot - das der Antragstellerin - deutlich die verfügbaren Ausgabemittel im
Jahre 2007 übersteigt und eine Nachfinanzierung derzeit und im Jahre 2007 nicht möglich
ist, sodass die geplante Bauzeit komplett in das Jahr 2008 verschoben werden soll.
In ihrer Stellungnahme vom 14.12.2007 hat dies die Antragsgegnerin bekräftigt und dazu
vorgetragen, dass die Ausschreibung nach Prüfung des Ausschreibungsergebnisses
aufgehoben werden musste, weil das niedrigste Angebot deutlich über dem auf der
Grundlage von Erfahrungswerten ermittelten Kostenansatz lag und damit eine vollständige
Finanzierung der Maßnahme aus den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln nicht
möglich gewesen wäre.
Anders als in dem Verfahren oberhalb des Schwellenwertes, in dem die Vorgabekammer zur
Amtsermittlung verpflichtet ist, ist in dem Verfahren unterhalb der Schwellenwerte vor den
ordentlichen Gerichten der Bieter und damit die Antragstellerin für die Behauptung eines
Vergabeverstoßes darlegungs- und beweispflichtig. Dieser ist vorliegend weder ausreichend
dargetan noch glaubhaft gemacht. Vielmehr findet die Begründung der Aufhebung ihre
Stütze in den beiden Ausschreibungen selbst. Während nach der zeitlich vorangegangenen
Ausschreibung das Bauvorhaben in zwei Bauabschnitte unterteilt war und für den ersten
Bauabschnitt eine Ausführungsfrist vom ... bis zum ... vorgesehen war, ist nach der zeitlich
späteren Ausschreibung das Bauvorhaben insgesamt in das Jahr 2008 verschoben worden
und zwar mit einer Ausführungsfrist vom ... bis zum ....
Nach alledem mangelt es der Antragstellerin an einem gegen die Antragsgegnerin
gerichteten Verfügungsanspruch. Nach dem im einstweiligen Verfügungsverfahren vom
Senat zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand stellt sich die Aufhebung der
Ausschreibung weder als willkürlich dar noch erweist sie sich der Antragstellerin gegenüber
als diskriminierend.
Auch eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung kommt in dem vorliegenden
einstweiligen Verfügungsverfahren für ein Bauvorhaben unterhalb des Schwellenwertes nicht
in Betracht. Denn nur eine Entscheidung der Vergabekammer in einen Verfahren oberhalb
des Schwellenwertes kann eine Bindungswirkung für einen nachfolgenden
Schadensersatzprozess des Bieters gegen den Auftraggeber (§ 124 GWB) entfalten. Diese
Bestimmung gilt jedoch nicht für ein Nachprüfungsverfahren unterhalb des Schwellenwertes.
Außerdem gilt sowohl in dem vorliegenden Primärrechtsschutzverfahren als auch in einem
nachfolgenden Schadensersatzprozess kein Amtsermittlungsgrundsatz, sondern lediglich in
einem Verfahren oberhalb des Schwellenwertes bei der Vergabekammer (§ 114 Abs. 1 Satz
2 GWB). Angesichts dessen bleibt die Feststellung einer vermeintlichen Rechtswidrigkeit der
Aufhebungsentscheidung und der von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 17.12.2007
vorgetragenen weiteren Gründe, insbesondere einer unterlassenen rechtzeitigen
Kostenschätzung oder einer nicht mit der gebotenen Sorgfalt gewonnenen Grundlage für die
Finanzierung des Bauvorhabens, einem möglichen Schadensersatzprozess vorbehalten.
3. Nachdem die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.12.2007 eine umgehende
Entscheidung am heutigen Tage begehrte, war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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