sowie zur Geschichte des Buch- und Bibliothekswesens der

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Rheinisch - Kölnisch - Katholisch
Beiträge zur Kirchen- und Landesgeschichte
des
BuchGeschichte
sowie zur
der
Rheinlande
Bibliothekswesens
und
Festschrift für Heinz Finger
60.
Geburtstag
zum
Herausgegebenvon Siegfried Schmidt
in Zusammenarbeitmit Konrad Groß, Harald Horst
und Werner Wessel
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek
Köln 2008
Der Heilige als Helfer der Bürger
Auf dem Weg zur Stadtgemeinde:Heilige und frühe Stadtsiegel
von
Manfred Groten
I
Anlässlich einer Tagung über Stadt und Heilige' habe ich vor einigen Jahren die
Frage erörtert, ob es einen Punkt in der mittelalterlichen Stadtgeschichte gegeben
hat, an dem die Anrufung der Heiligen für die Bürger nicht allein religiöses Bedürfnis war, sondern auch die Lösung drängender gesellschaftlicher und politischer
Fragen verhieß. Zur Beantwortung dieser Frage verwende ich Ergebnisse meines
'`
"Vom
Zeichen".
Bild
Forschungsprojekts
zum
Mein Beitrag bestehtausdrei Teilen:
1. möchteich die Problemeaufzeigen,mit denenim frühen 12. JahrhundertStadtbewohnerkonfrontiert waren, die ihr Leben besserorganisierenund mit den Anforderungeneiner immer größer und komplexer werdenden städtischenGesellschaftin Einklang bringen wollten.
2. möchteich die Grundlinien der Entstehungund Entwicklung desHeiligensiegels
im Kontext desfrühmittelalterlichenSiegelwesensnachzeichnen.
3. sollen die beiden Themen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun
haben, zusammengeführt werden. Das Ergebnis ist dann eine Interpretation von
Erscheinungsbild und Funktion früher Stadtsiegel.
1 Stadt und Heilige (Tagung veranstaltet vom Landschaftsverband Rheinland, Amt für
rheinische Landeskunde und Fachstelle fur Regional- und Heimatgeschichte und dem Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Bonn, Köln 22. -23.
September 2003).
2 Die Ergebnisse des Forschungsprojekts "Vom Bild
zum Zeichen. Entstehung und
Verbreitung korporativer Vorstellungen im Hochmittelalter im Spiegel der Entwicklung des
Siegelwesens" werden sukzessive an verschiedenen Stellen veröffentlicht. Vgl. demnächst
Manfred Groten, Vom Bild zum Zeichen. Die Entstehung korporativer Siegel im Kontext
der gesellschaftlichen und intellektuellen Entwicklungen des Hochmittelalters, in: Siegel
Bild - Gruppe. Visualisierungsstrategien korporativer Siegel im Spätmittelalter, hrsg. von
Markus Späth (Tagung Giessen 13J14. Januar 2006); ders., Karlsmythos und Petrustradition. Aachener und Trierer Siegel als Zeichen eines neuen Denkens in der späten Salierzeit in
einem von Tilman Struve herausgegebenen Band zur Tagung Die Salier, das Reich und der
Niederrhein, Köln 28.-30. September 2006.
125
I.
Man hat die Formierung bürgerlicher Gesellschaften und die Ausbildung bürgerlicher Stadtregimente im Hochmittelalter bislang vorwiegend als Emanzipationspro3 Die stadtgeschichtliche Forschung richtete ihr Augenmerk
beschrieben.
zess
vor
den
Freiheit
Auseinandersetzungen
zwischen
nach
strebenden Bürgern
auf
allem
4 Das
in
den
Gewalt
Städten,
den
der
Stadtherren
den
Inhabern
öffentlichen
und
Beschreibungsmodell ging von einem Zustand aus, in dem der Stadtherr, d.h. der
König, ein Bischof oder ein Hochadliger, alle entscheidenden Rechtstitel auf den
Gebieten der Rechtsetzung, der Rechtsprechung, der Friedewahrung und der Wirtschaftsordnung in seiner Hand vereinigte. Den Bürgern gelang es nach und nach
auf friedlichem Wege oder durch Gewaltaktionen dem Stadtherrn einzelne Kompetenzen zu entziehen. Im Idealfall wurde die Position des Stadtherrn völlig ausgehöhlt und auf eine dekorative Fassade reduziert. Als zentrales Anliegen der Bürger
betrachtet
Bürgergemeinde
Dieses Paradigma will ich im
die
Bildung
einer
wird
.5
folgenden keineswegs auflösen und durch ein anderes ersetzen. Mir geht es vielmehr darum, deutlich zu machen, dass das bisher entworfene Bild den Rahmen
noch nicht ausfüllt. Der gesellschaftliche und politische Transformationsprozess in
den hochmittelalterlichen Städten erweist sich bei näherem Zusehen als facetten6
reicher, als man gemeinhin annimmt.
Noch viel zu wenig Aufmerksamkeit hat die Frage gefunden, welche Folgen Herrschaftsbildung in bürgerlicher Hand für die Bewohner einer Stadt gehabt hat. Es
wäre naiv zu glauben, die Entmachtung des Stadtherrn habe die Bürger in die Freiheit entlassen. Für die Masse der Stadtbevölkerung erwies sich der Emanzipationsprozess, den man hin und wieder sogar in die Vorgeschichte der modernen Demokratie eingeordnet hat, schlicht als ein Herrenwechsel. Ob der Stadtherr oder der
Stadtrat Steuern eintrieb, Dienste forderte oder Verbote erließ, konnte dem Mann
3 Hier sei nur verwiesen auf Knut Schulz, "Denn
sie lieben die Freiheit so sehr [... ]. "
Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter,
Darmstadt 1992.
4 Vgl. neuerdings den Sammelband Bischof und Bürger. Herrschaftsbeziehungen in
den
Kathedralstädten des Hoch- und Spätmittelalters (Veröffenilichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte, Studien zur Germania Sacra 26), hrsg. von Uwe Grieme, Nathalie
Kruppa und Stefan Pätzold, Göttingen 2004.
5 Der Gemeindebegriff wird in vielen stadtgeschichtlichen Publikationen
nicht definiert
des
Begriffs ist dringend erforderlich. Zum Thediffus
Eine
Klärung
verwendet.
recht
und
Stehkämper,
Hugo
beispielhaft
Gemeinde in Köln im Mittelalter, in:
verwiesen
auf
sei
ma
Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen 2, hrsg. von Johannes Helmrath
und Heribert Müller, München 1994, S. 1025-1100.
6 Vgl. z.B. für Köln Manfred Groten, Köln im 13. Jahrhundert. Gesellschaftlicher Wandel
21998.
Verfassungsentwicklung,
Köln-Weimar-Wien
und
126
i
auf der Straßerelativ gleichgültig sein. Das ist den Betroffenen zweifellos immer
klar gewesen.
Bezieht man diesen Aspekt in die Überlegungen mit ein, wird das Dilemma derjenigen, die ein bürgerliches Stadtregiment anstrebten, um einiges deutlicher. Sie
mussten ihre Ansprüche nicht nur gegenüber dem Stadtherrn durchsetzen, sondern
auch gegenüber ihren Mitbürgern.
Die Initiative zur Durchsetzung von Verfassungsänderungen ging stets von Einzelnen oder kleinen Gruppen aus, die sich aus den angesehensten und wirtschaftlich
hat
Stadt
Familien
Für
diese
Familien
sich der Begriff
rekrutierten.
stärksten
einer
Meliorat eingebürgert, abgeleitet aus der Eigenbezeichnung meliores (die Besten),
7
in
den
Varianten
Quellen
die mit vielerlei
zeitgenössischen
auftritt.
I
i
Die Stadtbewohner bildeten um 1100 nur ideell eine Einheit, die man mit Begriffen
wie Colonienses, Ti everenses bezeichnen konnte. Es handelte sich dabei nicht um
rechtsfähige Größen oder handlungsfähige Verbände. Die Stadtbevölkerungen
setzten sich vielmehr aus verschiedenen Gruppen zusammen, die durch ständische
Schranken, kirchliche und weltliche Abhängigkeitsverhältnisse und unterschiedliche Wirtschaftsweisen voneinander geschieden wurden. Man denke nur an die
Gruppen der freien Kaufleute, der freien und abhängigen Handwerker, der Ministerialen, der Zensualen verschiedener Kirchen und Herrschaften, der Geistlichen und
der Juden, die in jeder größeren Stadt anzutreffen waren. Erkennbar wurde die
Gruppenzugehörigkeit vor allem anhand des Gerichtsstandes. Die Geschlossenheit
dieser Gruppen war recht unterschiedlich, ihr gemeinsamer Nenner war die unausweichliche Notwendigkeit, die Spielregeln des städtischen Zusammenlebens einzuhalten. Die reichten in allen Epochen urbaner Siedlungsweise von nachbarschaftlicher Rücksichtnahme (wo gehört der Mist hin? ) bis zu Fragen von Leben und Tod
(was tun, wenn es brennt oder wenn ein Feind anrückt?).
Die Männer, die im 11. Jahrhundert für sich und ihresgleichen die Benennung
"Stadtbewohner", in ihrer Sprache burgaere von burg = Stadt, in Anspruch nahmen, hatten, als sie sich die Aufgabe stellten, möglichst viele ihrer Nachbarn für
ihre Ziele zu gewinnen, nur wenige und letztlich unzureichende Instrumentarien
zur Organisation größerer Verbände zur Verfügung. Von der Bildung einer Gemeinde konnten sie nicht einmal träumen, denn die Vorstellung von einer korporativen Rechtspersönlichkeit, einer juristischen Person, die ihren Bestrebungen eine
7 Hans Planitz, Zur Geschichte des städtischen Meliorats, in: Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 67 (1950) S. 141-175; Manfred
Groten, In tanto tumultu rerum. Die Bürger von Brügge in Galberts Bericht über die Ermordung Graf Karls von Flandern 1127, in: Vielfalt der Geschichte. Lernen, Lehren und Erforschen vergangener Zeiten. Festschrift für Ingrid Heidrich zum 65. Geburtstag, hrsg. von
Sabine Happ und Ulrich Nonn, Berlin 2004, S. 126-140, hier S. 132f.
127
feste Basis gegeben hätte, wurde erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in
Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen vor allem in den Städten in den
8
Schulen
entwickelt.
scholastischen
Die Volksrechte kannten als Rechtspersönlichkeit nur das Individuum, im vollen
Sinne den freien Mann, der aus eigener Kraft in der Lage war, für sein Recht einzutreten. Solche Rechtspersönlichkeiten waren selbstverständlich keine autonomen
Individuen modernen Zuschnitts, sondern Personen, die in dichte soziale Beziehungen eingebunden waren. Rechtlich handlungsfähige Individuen hatten natürlich
die Möglichkeit, sich zu gemeinsamer Aktion zu verbinden, aber ein solcher Ver9
die
Summe
Mitglieder.
Er war nicht fähig,
bund konnte nie mehr sein als
seiner
Organe hervorzubringen oder sich vollgültig vertreten lassen. Er bestand nur aus
den anwesenden Mitgliedern und nur solange, wie diese beisammen blieben. Solche Verbünde, man bezeichnet sie meistens als Genossenschaften, werden vor dem
12. Jahrhundert deshalb - von Reminiszenzen antiker Terminologie vor allem in
der Sprache der Kirche abgesehen - nur mit Pluralbegriffen angesprochen. So ist
nicht von Stiftskapiteln oder Mönchkonventen'Ö die Rede, sondern von fratres,
11,
der
Tiel,
Tielenses
Kaufmannsgilde
sondern von mercatores
nicht von
von
nicht
von der Bürgerschaft einer Stadt, sondern von cives usw.
Eine Festigungvon Verbündenkonnte im Wesentlichenin zwei Formen erfolgen,
12
13
Schwurverband
(coniuratio)
Bruderschaft
(fraternitas).
als
oder als
Die coniuratio war die offenere Form. Die Möglichkeit, sich durch einen promissorischen Eid, ein beeidetes Versprechen, zur Durchführung eines gemeinsamen
Beschlusses zu verpflichten, stand allen Menschen frei. In den früh- und hochmit8 Pierre Michaud-Quantin, Universitas. Expressions du
mouvement communautaire dann
le moyen-age latin (L'eglise et 1'etat au moyen age 13), Paris 1970.
9 Das ist festzuhalten im Gegensatz zum Genossenschaftskonzept von Otto von Gierke,
Das deutsche Genossenschaftsrecht, 4 Bde., Berlin 1868-1913.
10Die Benediktregel verwendet nur einmal den Begriff
conventus im Sinne von "Zusammenkunft zum Gebet" (Kap. 20,4), ansonsten häufiger congregatio.
11Dieser Befund wird verharmlost bei Otto Gerhard Oexle, Die Kaufmannsgilde
von Tiel,
in: Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittelund Nordeuropa 6 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen Phil. hist. Klasse, Dritte Folge 183), hrsg. von Herbert Jankuhn und Else Ebel, Göttingen 1989,
S. 173-196.
12Otto Gerhard Oexle, Friede durch Verschwörung, in: Träger und Instrumentarien des
Friedens im hohen und späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen 43), hrsg. von JohanS.
1996,
115-150.
Sigmaringen
Fried,
nes
13Manfred Groten, Von der wunderbaren Größe Kölns oder: Was war das Besondere
an
der Kölner Stadtverfassung des 12. Jahrhunderts?, in: Mitteleuropäisches Städtewesen in
Mittelalter und Frühneuzeit. Edith Ennen gewidmet, hrsg. von Wilhelm Janssen und Marhier
41-62,
S.
S.
51.
1999,
Köln-Weimar-Wien
Wensky,
gret
128
telalterlichen Quellen begegnen uns Schwurverbände auf Schritt und Tritt. Die
Teilnehmer können Geistliche und Laien, Adlige und Nichtadlige sein, je nach der
Zielsetzung der coniuratio. Die Schwurverbände sind durch zwei Merkmale charakterisiert, durch eine konkrete Zielsetzung und durch eine explizite oder implizite
zeitliche Befristung. War das Ziel erreicht, löste sich die coniuratio auf. Die Stadtgeschichtsforschung hat den Schwurverbänden in besonderem Maße Aufinerksamkeit geschenkt, dabei aber oft zu wenig beachtet, dass die coniuratio kein spezifisch städtisches Organisationskonzept war. Die Probleme sind bei den Diskussionen um die Deutung der ominösen Kölner coniuratio von 1112 deutlich hervorge14
treten. Dabei soll nicht verkannt werden, dass das Instrument des Schwurverbandes für aufstrebende Bürgergruppen gute Dienste leisten konnte. Entsprechend
häufig wurde es angewendet. Ein entscheidender Nachteil war allerdings, dass die
cozziuratio in der Regel ein rasches Verfallsdatum hatte. Die Begründung einer
Kette von Schwurverbänden, einer coniuratio iterata, die die Einung zu einem
Dauerzustand gemacht hätte, ist vermutlich den modernen Stadthistorikern häufi15
den
Akteuren.
Erst in der Phase, in der sich der egalitäre Eid der
ger gelungen als
Eidgenossen zum Untertaneneid gewandelt hatte, der dem Stadtrat oder einem
anderen Gremium geschworen wurde, lässt sich der viel gerühmte Bürgereid als
Grundlage des städtischen Zusammenhalts sicher nachweisen. 16
Die mittelalterliche Bruderschaftwar von christlichen Gesellschaftsvorstellungen
17
geprägt. Sie wurde verstandenals ein normalerweiselebenslangerZusammenschlussvon Gleichen.Nur in religiösen Bruderschaftenkonnten deswegenMänner
und FrauenverschiedenerStändezusammenfinden.Bruderschaftendie weltlichen
14Zu
coniurationes zuletzt Rudolf Holbach, "[... ] gravissima coniuratione introducta".
Bemerkungen zu den Schw;ureinungen in Bischofsstädten im Westen des Reiches während
des Hochmittelalters, in: Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande. Georg Droege zum
Gedenken, hrsg. von Marlene Nikolay-Panter, Wilhelm Janssen und Wolfgang Herborn,
Köln-Weimar-Wien 1994, S. 159-184; ausführlich zu Köln Joachim Deeters, Die Kölner
Coniuratio von 1112, in: Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 60 (1971), S. 125-148.
15Vgl.
etwa Gerhard Dilcher, Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune. Eine
rechtsgeschichtliche Untersuchung (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte NF 7), Aalen 1967, S. 142f1:; ders., Bürgerrecht und Stadtverfassung im europäischen Mittelalter, Köln-Weimar-Wien 1996, S. 79,322 und häufiger in anderen Veröffentlichungen; vorsichtiger Hagen Keller, Mailand im 11. Jahrhundert. Das Exemplarische an
einem Sonderfall, in: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert (Städteforschung A 43), hrsg. von Jörg Jarnut und Peter Johanek, Köln-Weimar-Wien 1998, S.
81-104, hier S. 95ff.
16Vgl. die klassischeStudie
von Wilhelm Ebel, Der Bürgereid als Geltungsgrundund
GestaltungsprinzipdesdeutschenmittelalterlichenStadtrechts,Weimar 1958.
17 Quellen
zur Geschichte der Kölner Laienbruderschaften vom 12. Jahrhundert bis
1562/63 1 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 71), bearb. von
Klaus Militzer, Düsseldorf 1997, S. JGff.
129
Zwecken dienten, etwa Gilden oder Zünfte, waren in der Regel ständisch homogen.
Das Instrument der Bruderschaften eignete sich in Städten hervorragend zur Organisation eines überschaubaren Kreises von Menschen, die gleiche gesellschaftliche,
wirtschaftliche oder politische Ziele verfolgten. Als nachteilig erwies sich allerdings die beschränkte Integrationskraft einer Bruderschaft, die nur bis zu einer
bestimmten Mitgliederzahl funktionsfähig bleibt.
Die ältesten bürgerlichen Organisationen, die wir in Deutschland kennen, die Köl18und die Richerzeche 19,waren Bruderschaften. Die AmtleutebruKirchspiele
ner
derschaften und die Richerzeche lassen die dichte Struktur solcher Verbände erkennen. An ihrer Spitze standen periodisch wechselnde Meister, Geburmeister in
den Kirchspielen, Bürgermeister bei der Richerzeche, die sich mit den Konsuln der
oberitalienischen Kommunen vergleichen lassen. Ein weiterer Vergleich drängt
sich auf. Wie der Begriff commune zunächst Gemeineigentum, Eigentum zu gesamter Hand meinte20, besaßen auch die Kölner Bruderschaften gemeinsames
Vermögen, nämlich Versammlungshäuser, die Geburhäuser in den Kirchspielen
und das Bürgerhaus der Richerzeche, das spätere Rathaus.
Die Kölner Bruderschaften ermöglichten eine im Rahmen der hergebrachten
Rechtsordnungeffektive Organisationder in denjeweiligen Lebensbereichenführenden Männer. Die Kölner Erzbischöfehaben sich anscheinendverhältnismäßig
leicht mit diesenZusammenschlüssen
abgefunden,trugen sie doch zur reibungsloserenBewältigungvon Alltagsproblemenbei.
Den Amtleuten der Kirchspiele und vor allem denen der Richerzeche ging
es aber
letztlich um mehr. Sie wollten die Stadtbewohner an sich binden, sie in ihre Botmäßigkeit bringen. An diesem Punkt kollidierten ihre Bestrebungen aber mit den
Interessen der Stadtherrschaft. Deshalb kam ein herrisches Auftreten, das die Bürger in die Arme des Erzbischofs getrieben hätte, nicht in Frage. In einer solchen
Situation waren Mittel der Identitätsstiftung, der Erzeugung eines bürgerlichen
Wir-Gefühls bei Arm und Reich von höchster Bedeutung.
Ein solches Mittel war der Appell an die Gemeinsamkeit der Bürger. In den ältesten Dokumenten bürgerlicher Provenienz in unseren Breiten, den ersten Schreinskarten von St. Laurenz und Klein St. Martin in Köln aus den 30er und 40er Jahren
des 12. Jahrhunderts, wird diese Gemeinsamkeit wiederholt betont. So enden Auf18Manfred Groten, Entstehung und Frühgeschichte der Kölner Sondergemeinden, in. Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormodeme (Städteforschung A 59),
hrsg. von Peter Johanek, Köln-Weimar-Wien 2004, S. 53-77.
19Manfred Groten, Die Kölner Richerzeche im 12. Jahrhundert,
mit einer Bürgermeisterliste, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 48 (1984), S. 34-85.
20 Vgl. Mediae Latinitatis Lexicon Minus 1, bearb.
von J.F. Niermeyer und C. van de
Kieft, überarb. von J.W. J. Burgers, Leiden-Darmstadt 22002, S. 288-291 s.v. communia.
130
zählungen von Zeugen mit Floskeln wie et ceteri cives communiter quorum nomina
21 Communiter ist hier das Schlüsselwort. Dieso
singularfiter scribi non poterant.
hervorgehobene Gemeinschaft hatte aber noch keine rechtliche Relevanz und daher
legitimierende
kaum
Kraft.
die
Hier
Bürger an die Grenstießen
außen
auch
nach
zen der bestehenden Rechtsordnung, die sich allerdings durch ihr Handeln sukzessive veränderte. Das, was die Bürger faktisch anstrebten, fand in dem mit neuer
Bedeutung gefüllten juristischen Terminus der universitas, der Gemeinde, seine
theoretische Begründung und Legitimierung. Bis dieser Begriff 1180 in Köln auftrat22, mussten aber noch Jahrzehnte eines unbehaglichen Provisoriums vergehen.
In dieser Phase vor dem Wirksamwerden des Gemeindekonzepts ist das Stadtsiegel
innerstädtischer
Instrument
Identitätsstiftung entstanden. Diese
weiteres
als
schlichte Feststellung birgt allerdings ein gravierendes Problem, denn ein Stadtsiegel ist ein korporatives Siegel. Die Verwendung korporativer Siegel setzt ihrerseits
aber die Verbreitung korporativer Vorstellungen voraus, womit sich der Teufelskreis schließt. Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen, brauchen wir und
brauchten die Bürger in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts einen Helfer. Hier
kommen nun die Heiligen ins Spiel. Aber was haben Heilige mit Siegeln zu tun?
Darum soll es nun im zweiten Teil gehen.
H.
Bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts hinein waren im lateinischen Westen alle im
Rahmen der Urkundenherstellung verwendeten Siegel mit Ausnahme der Papstbullen, die ich hier der Einfachheit halber ganz ausklammern will, Herrschersiegel.
Die Herrschersiegel unterscheiden sich durch ihren Verwendungszweck und ihr
Erscheinungsbild grundsätzlich von Siegeln, die Privatleute als Erkennungszeichen
zum Verschließen von Briefen oder für andere Zwecke des Alltags benutzten. Solche Siegel, die den antik-römischen Siegelgebrauch fortsetzten23, sind im gesamten
Mittelalter als eigenständige Gattung neben den "Urkundensiegeln" nachzuwei4 Die ältesten Exemplare der Gattung der Herrschersiegel
sen.
sind merowingische
I
21Kölner Schreinsurkunden des zwölften Jahrhunderts, 2 Bde. (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 1), bearb. von Robert Hoeniger, Bonn 1884-1894,
Bd. 1, S. 221 (L 1 VII 9).
22Theodor Josef Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins 1, Düsseldorf 1840, Nr. 474.
23Erich Kittel, Siegel, Braunschweig 1970, S. 81-95; Erika Zwierlein-Diehl, Siegel
und
Abdruck. Antike Gemmen in Bonn (Katalog Akademisches Kunstmuseum-Antikensammlung
der Universität Bonn), Bonn 2002.
24Englische Beispiele in English Romanesque Art 1066-1200, hrsg.
von George Zarnecki,
Janet Holt und Tristram Holland, London 1984, S. 317 Nr. 368 (Godwin the Thane, ca.
131
Königssiegel25, anhand deren sich die Grundform des Typus beschreiben lässt: das
Siegelbild zeigt das Abbild, die imago, des Königs, die Umschrift nennt seinen
Namen und seinen Titel im Nominativ, also nahtlose Identität von Bild und Nahandelt
dieselbe
Botschaft.
Es
bei
den
Bild
Umschrift
sich
enthalten
und
men.
26
Porträtsiegel
der
Terminologie
Herrschersiegeln nach
um
gängigen
Welche Funktion hatten diese Siegel? Man wird ihrer Bedeutung nicht gerecht,
individuelle
für
Unterschrift, als behelfsmäErsatz
eine
wenn man sie schlicht als
ßiges Beglaubigungsmittel einer nahezu schriftlosen Kultur deuten will, wie es
immer noch häufig geschieht. Hagen Keller hat anhand der karolingischen und
dass
Herrschersiegel
sie sehr viel mehr waren. Sie waren
gezeigt,
ottonischen
wohldurchdachte Kommunikationsmittel, die erkennen lassen, in welcher Weise
27
Umwelt
der König oder Kaiser sich seiner
präsentieren wollte.
Ich möchte zur Beschreibung der Wirkung des Herrschersiegels den Begriff des
"mächtigen Bildes" einführen. Für den frühmittelalterlichen Menschen wäre die
Hinzufügung des Adjektivs nicht erforderlich gewesen, denn in seinen Augen war
die Ausstrahlung von Macht ein integraler Bestandteil jedes Bildes. Da wir heute
Bilder völlig anders wahrnehmen, erscheint mir die Verwendung des Adjektivs
hilfreich für das Verständnis der folgenden Überlegungen.
mächtig"
Man kann zwei verschiedeneWurzeln des frühmittelalterlichenBildverständnisses
ausmachen,einerseitseine römische, die vor allem im Kaiserbild28und im Heiligenbild29weiterwirkte, andererseitseine fränkische,die nur schemenhaftin sprachlichen Befundenauszumachen
ist. BeidenKulturen gemeinsamwar die Überzeugung
von der engenBeziehungvon Personund Abbild. Auf der römischenSeite lässt sie
1040-42), 369 (Wulfric, 2. Hälfte 11. Jh.), 370 (Thor Longus, vor 1118, mit der Umschrift
Thor me mittit amico).
25Andrea Stieldorf, Gestalt und Funktion der Siegel auf den merowingischen Königsurkunden, in: Archiv für Diplomatik 47/48 (2001/2), S. 133-166.
26Toni Diederich, Prolegomena zu einer neuen Siegel-Typologie, in Archiv für Diplomatik 29 (1983), S. 242-284, hier S. 267.
27Hagen Keller, Zu den Siegeln der Karolinger und Ottonen. Urkunden als 'Hoheitszeichen' in der Kommunikation des Königs mit seinen Getreuen, in: Frühmittelalterliche Studien 32 (1998) S. 400-441.
28 Helmut Kruse, Studien zur offiziellen Geltung des Kaiserbildes im römischen Reiche
(Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums 19,3) Paderborn 1934; Andreas Alföldi,
Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreich, Darmstadt 1970; Thomas
Pekäry, Das römische Kaiserbildnis in Staat, Kult und Gesellschaft dargestellt anhand der
Schriftquellen, Berlin 1985; Paul Zanker, Augustus und die Macht der Bilder, München
21990; Maria R.
der römischen Kaiser. Beispiele und AnaBildersprache
Bild
und
-Alföldi,
lysen (Kulturgeschichte der antiken Welt 81), Mainz 1999.
29Hans Belting, Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst,
München 21991.
132
sich ablesen am Umgang mit den Bildern von Kaisem und Heiligen, denen eine
Verehrung erwiesen wurde, die der christlichen Theologie bekanntlich zum Prob0
lem wurde. Im Fränkischen ist der Terminus für Bild in unserem Sinne gelihnessi
31
das
dem
für
ist.
Wort,
Ableitung
Wort
Körper
lih
"Gleichnis", ein
Auch
eine
von
hier deutet sich eine enge Verbindung zwischen Abgebildetem und Abbild an.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Bild des Herrschers als ein mächtiges Bild,
das sozusagen aufgeladen ist mit der Autorität des Königs, dessen Macht es in
ähnlicher Weise ausstrahlt wie die Person selbst. Dass das frühmittelalterliche
Siegel, um es überspitzt zu formulieren, geradezu als Emanation der Person des
Siegelführers galt, unterscheidet es grundlegend vom antik-römischen Siegel, von
dem es formal abstammt. Die römischen Siegel hatten, vom spätantiken Kaisersiegel vielleicht einmal abgesehen, schlicht die Funktion von privaten Erkennungszeichen, deren Bilder beliebig waren. Dagegen konnte vor der Mitte des 12. Jahrhunderts ein mittelalterliches Siegel außerhalb Englands32 kein anderes Bild zeigen als
das Abbild des Siegelführers.
An dieserGrundtatsacheändertesich nichts, als sich mit Erzbischof Brun von Köln
(953-965) der Kreis der Siegelführer erstmals erweiterte.33 Wie sein Vorgänger
Wichfried34und andereBischöfe35verwendeteBrun zunächstein Amtssiegel, das
i
i
30Hans Georg Thümmler, Bilderlehre
und Bilderstreit, Würzburg 1991.
31Vgl. Althochdeutscher Sprachschatz oder Wörterbuch der
althochdeutschen Sprache 2,
bearb. von E. G. Graff, Berlin 1836, S. 115; Rudolf Schützeichel, Althochdeutsches Wörterbuch, Tübingen 21974, S. 113; Edward H. Sehrt, Notker-Glossar, Tübingen 1962, S. 70f.;
Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm 4I4,
Leipzig 1949, Sp.
8184-90, v. a. 8187 (Abstraktbildung aus dem Adjektiv gleich); Lateinisch-althochdeutschneuhochdeutschesWörterbuch bearb. von Heinrich Götz, Berlin 1999, S. 316 s.v. imago.
32Vgl. Anm. 53.
33Rheinische Siegel 1. Die Siegel der Erzbischöfe
von Köln (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 27), bearb. von Wilhelm Ewald, Bonn 1906, Tafel 1,
2; Toni Diederich, Die Siegel der Kölner Erzbischöfe von Bruno I. bis zu Hermann II., in:
Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtausends. Gedenkschrift des Kölner Schnütgen-Museums zum 1000. Todestag der Kaiserin,
hrsg. von Anton von Euw und Peter Schreiner, Köln 1991,2 Bde., Bd. 1, S. 89-108, hier S.
93 Abb. 1.
34Joachim Oepen, Der hl. Severin von Köln. Eine Schreinsöffnung
und ihre Folgen, in:
Rheinische Heimatpflege 41 (2004), S. 199-205, hier S. 205 mit Abb; ders., "Der heilige
Severin von Köln" - Erkenntnisse eines Fachkolloquiums, in: Geschichte in Köln 51
(2004), S. 169-172, hier S. 172. Zu den Siegelspuren auf Urkunden Wichfrieds vgl. Manfred Groten, Das Urkundenwesen der Erzbischöfe von Köln vom 9. bis zur Mitte des 13.
Jahrhunderts, in: Die Diplomatik der Bischofsurkunde vor 1250 (Referate zum VIII. Internationalen Kongress für Diplomatik, Innsbruck 27. September - 3. Oktober 1993), hrsg. von
Christoph Haidacher und Werner Köfler, Innsbruck 1995, S. 97-108, hier S. 98.
133
36
bischöflichen
ist
Diese
Amtssiegel,
überliefert
Patroklischrein
im
Soester
noch
die in der Tradition der römischen Siegelringe stehen37,müssen von den nach dem
Vorbild der Herrschersiegel geschaffenen bischöflichen "Urkundensiegel" streng
8 Seit Bruns Generation wurde auch das Siegelbild der Bischöfe
getrennt werden.
des Reiches als mächtiges Bild anerkannt. Den Bildern der weltlichen Fürsten kam
diese Aura erst seit der Salierzeit zu. Die Reihe der fürstlichen Porträtsiegel be39
beobachten
Bayern.
Wir
Heinrichs
Herzog
dem
Siegel
1045
von
also
mit
ginnt
im
Reich
AusweiEntwicklung
der
schrittweise
veranlasste
politischen
von
eine
tung des Siegelwesens auf einheitlicher Grundlage.
Zwischen die Bischöfe und die Herzöge und Grafen müssen wir aber noch einen
Zwischen
1014
1020
Siegelführer
Typ
und
einschieben.
errichtete ein
von
weiteren
40
Memorienstiftung
Paderborn
Zu diesem
in
der
Domkirche
Graf Dodico
eine
zu
Zweck widmete er Güter dem Altar und dem Dienst der heiligen Gottesmutter
Maria sowie des heiligen Märtyrers Kilian und des heiligen Bekenners Liborius.
Der Stiftungsakt ist nicht weiter bemerkenswert, wohl aber die Besiegelung der
Traditionsnotiz, die im Text nicht angekündigt wird. Das Bild des kleinen runden
41
Frau,
die
Schleier
die
Büste
Siegels zeigt
trägt Der Nimbus weist sie
einer
einen
als Heilige aus. Während die Schulterpart der Figur in Frontalansicht wiedergegeben ist, erscheint der Kopf im Profil. Kommt in dieser Wendung wie bei den
karolingischen Herrschersiegeln eine Distanzierung zum Ausdruck, so stellt das
groß dargestellte linke Auge wieder den Kontakt zum Betrachter her. Das Bild
vermittelt also eine Spannung zwischen Distanz und Nähe. Die Siegelumschrift
lautet S(an)C(t)A D(e)I GENETRIX MARIA. Wir haben also ein Siegel vor uns,
das sich in Bild und Umschrift als Siegel der hl. Maria präsentiert.
nýe,
So seltsam uns das auf den ersten Blick erscheinen mag, ein solches Siegel fügt
sich nahtlos in die schon beschriebene mittelalterliche Siegelentwicklung ein. Das
35Ein Beispiel bei Kittel (wie Anm. 23), S. 124 Abb. 78 (Bischof Liuthard von Paderborn,
862-888).
36Hubertus Schwartz, Soest in seinen Denkmälern 2. Romanische Kirchen, Soest 1956, S.
75 Anm. 85.
37Vgl. obenAnm. 23.
38In der Frühzeit gibt es gelegentlich Überschneidungen in der Verwendung von Siegeln.
So das Siegel Erzbischof Liutberts von Mainz an einem Synodalprotokoll 888 (Mainzer
Urkundenbuch 1, bearb. von Manfred Stimming, Darmstadt 1932, Nr. 167), ein Siegel
Bischof Notgers von Lüttich vom Typ des Urkundensiegels an einem offenen Brief 980
(Kittel [wie Anm. 23], S. 120 Abb. 74).
39Kittel (wie Anm. 23), S. 121Abb. 76.
40Codex diplomaticus historiae Westfaliae. Urkundenbuch zur Geschichte Westfalens 1,
hrsg. von Heinrich August Erhard, Münster 1847, Nr. XCV zu 1018.
41Die westfälischen Siegel des Mittelalters 1, bearb. von Friedrich Philippi, Münster 1882,
Tafel VI, 1.
134
Heiligenbild kann man als das mächtige Bild par excellence bezeichnen. Es strahlt
die Kraft der Heiligen aus, die sich bis zur Wundertätigkeit steigern kann. Wenn
sie auch, solange sie sich nicht manifestieren will, den irdischen Blicken entzogen
bleibt, besitzt die heilige Maria im Verständnis des 11. Jahrhunderts die Fähigkeit,
jederzeit in Gegenwart und Zukunft durch Wunder helfend oder strafend in die
Geschicke der Menschen einzugreifen. 42Ihrem Wirken in der Welt sind keine zeitlichen Grenzen gesetzt. Unter dieser Voraussetzung kann sie auch zeitlich unbefristet in einem Siegelbild wirksam werden.
So geschieht es in Paderborn, wo die Gottesmutter Hauptpatronin der Domkirche
ist. Die Kirche, die dem Schutz der Heiligen anvertraut ist, gilt mit ihrer gesamten
materiellen Ausstattung als ihr Eigentum. Schenkungen von Gläubigen nimmt sie
in Empfang, sie erwirkt den Lohn für die guten Werke. Die Geistlichen und Laien,
die im Dienst ihrer Kirche stehen und ihre Güter bewirtschaften, sind in besonderer
Weise ihre Schutzbefohlenen, ihre Familie.
So nimmt die heilige Maria auch die Schenkung des Grafen Dodico, die ihrer Kirche zu Paderborn und den dort dienenden Kanonikern zugute kommt, im Bild entgegen. Schenker und Empfänger treten sich durch das Medium des Bildes unmittelbar gegenüber.
I
I
Wer hat nun aber die Besiegelung der Urkunde mit dem Heiligensiegel veranlasst,
wer war dazu bevollmächtigt? Zweifellos Bischof Meinwerk (1009-36), der erste
Diener der Heiligen und Vorsteher ihrer familia in Paderborn. Man darf daher wohl
Meinwerk als Schöpfer des Heiligensiegels in der Funktion eines bischöflichen
Urkundensiegels bezeichnen.
Das Paderborner Vorbild wurde bald in Münster aufgegriffen. Eine Urkunde aus
der Zeit Bischof Siegfrieds (1022-32)43, des Bruders Thietmars von Merseburg,
wurde mit einem Siegel versehen, das das Brustbild des Dompatrons Paulus in
Seitenansicht zeigt und die Umschrift Sanctus Paulus apostolus hat 44Die wiederum objektiv formulierte Urkunde sagt ausdrücklich, dass der Bischof die Besiegelung mit dem sigillum sancti Pauli veranlasste. Was wir bei Meinwerk nur vermu-.
ten konnten, wird für Siegfried von Münster also ausdrücklich bezeugt.
Mit der eher ephemären Verwendung durch sächsische Bischöfe im frühen 11.
Jahrhundert hatte die Geschichte der Heiligensiegel aber erst begonnen. Sie sollten
sich als Katalysatoren in einem Prozess erweisen, aus dem schließlich die ältesten
korporativen Siegel hervorgegangen sind.
42 Arnold Angenendt, Heilige
und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen
Christentum bis zur Gegenwart, München 1994, S. 102-122.
43Erhard (wie Anm. 40), Nr. CIII.
44Die westfälischen Siegel 1, Tafel III, 5.
135
Am deutlichsten lässt sich diese Entwicklung in Münster verfolgen. Hier wurde das
Paulussiegel nicht vernichtet, als Bischof Rodbert, der 1042 sein Amt antrat, zum
5
bischöflichen Porträtsiegeltyp überwechselte. Um 1110 taucht es vielmehr in
Urkunde,
der
Die
befestigt
ist,
Verwendung
auf.
an
es
wieder
neuen
völlig
einer
46 Sie beschäftigt sich mit Angelegenheiten der Münsterakeinen
Aussteller.
nennt
Gottschalk
Mitkanonikern
Kanoniker
Der
Domkanoniker.
schenkt
seinen
ein
ner
Landgut. Die Annahme der Schenkung und die Erfüllung der daran geknüpften
Bedingungen werden von "allen, die anwesend waren, insgemein (in commune)
der
"mit
Willen
Brüder"
Nimmt
Dekan
Dietrich
vollzogen.
man
vom
und
gebilligt"
der
den
Vorgängern
Handelnden
in
der
Arenga
hinzu,
dass
von
und von den
noch
Vätern die Rede ist, deren Vorbild Gottschalk nacheifert, dann wird klar: Aussteller der Urkunde `sind die Domkanoniker von Münster.
Eine Gruppe wie die Brüder am Dom von Münster konnte sich im 11. Jahrhundert
nicht in ein Abbild von suggestiver Kraft projizieren, aber nur ein solches war
im
der
Zeitgenossen
keine
hatte
Verständnis
Ihr
Verbund
eigene Qualisiegelfähig.
tät, die Rechte und Pflichten hervorgebracht hätte. Er wurde noch nicht als juristische Person aufgefasst. In dieser Situation gewann das Heiligensiegel eine neue
Bedeutung. Zur familia des hl. Paulus gehörten die Domkanoniker ebenso gut wie
der Bischof. Folglich konnten sie sich mit gutem Recht auf den Heiligen berufen,
der im höchsten Sinne ihr Schutzherr und Versorger war. Sie hatten ja nur den
Nießbrauch am Eigentum des hl. Paulus als Lohn für ihre Dienste. Alles, was in
den Angelegenheiten der Kirche geschah, geschah im Namen des Patrons. Deshalb
war es nur folgerichtig, dass der Heilige einschlägige Urkunden mit seinem Bild
sanktionierte.
In seiner neuen Funktion war das Paulussiegel ein korporatives Siegel in der Gestalt eines Porträtsiegels. Sein Vorhandensein erlaubte eine zunächst durchaus
unreflektierte Zweitverwendung, deren Konsequenzen erst nach und nach zutage
traten. Die Kanoniker, die es aus dem Schatz ihrer Kirche übernahmen und für ihre
Bedürfnisse nutzbar machten, waren noch keine Korporation, aber sie hatten, zunächst wohl ohne sich dessen bewusst zu sein, eine Entwicklung in Gang gesetzt,
in deren Verlauf sie die Verwandlung in ein Kapitel durchmachten. In der Frühphase dieses Prozesses war ihnen das Heiligensiegel ein unentbehrliches Hilfsmittel. Nur der Heilige konnte einen Weg bahnen, wo der Rechtsweg ausgeschlossen
ideellen
KristallisationsDas
Heiligensiegel
materiellen
einem
wurde
zu
und
war.
punkt, um den herum sich die Gemeinschaft der Brüder festigen konnte. Es war
der
der
die
in
ihm
Kapitelsaal,
Versammelten mit
wie
wichtig
ebenso
mindestens
seinen Mauern umfing und zusammenschloss.
45Die westfälischen Siegel 1, Tafel I, 1.
46Erhard (wie Anm. 40), Nr. CLXXXI.
136
Im Laufe des 11. Jahrhunderts ist eine ganze Reihe von Heiligensiegeln geschaffen
worden, die von vornherein von Kanonikern, nicht von Bischöfen, verwendet wurden und damit von Anfang an verkappte Korporationssiegel waren. Die ältesten
Siegel finden sich in Domstiien47 und Reichsklöstem48, wo ursprünglich der Abt
als Vertreter des Klosterpatrons fungierte. Seit dem späten 11. Jahrhundert wurden
Heiligensiegel in allen Stifts- und Klostertypen verwendet. Allerdings gehörten sie
noch keineswegs zur selbstverständlichen Ausstattung.
Unverkennbar begann in dieser Zeit die Suggestivkraft des mächtigen Bildes zu
verblassen. Eine große geistige Wende kündigte sich an. Im Denken der Frühscholastik wurde die Autonomie der Person und damit ihre unüberwindliche Trennung
49
Nichtpersönlichen
formuliert.
Deutlichkeit
Eine Permit wachsender
von allem
son war nach einer Formulierung von Richard von St. Viktor incommunicabilis,
5°
nicht mitteilbar. In dieser neuen Sichtweise wandelte sich das Siegel von einer
Projektion der Person zu einem Objekt, dessen sich die Person für bestimmte Zwecke bediente. Es wurde zu einem Zeichen, das auf die Person hinwies, von ihr aber
substantiell unterschieden war. Den Objekt- oder Zeichencharakter des Siegels
brachte man durch eine Veränderung der Umschrift zum Ausdruck. Es hieß nicht
51
dieser
Sanctus
Petri
In
Petrus,
Sigillum
Lobbiensis
mehr
sondern
ecclesie.
sancti
Phase wurden den Heiligennamen oft auch Ortsangaben hinzugefügt: Sancta Maria
Aquensis, heilige Maria zu Aachen. 2 Solche Umschriften lassen erkennen, dass die
Schöpfer der Siegel das Bild des Heiligen nicht mehr als dessen unmittelbare, an
allen Orten prinzipiell identische Vergegenwärtigung verstanden, sondern als Zeichen, hinter dem schon die Konturen der jeweiligen Kirche sichtbar wurden, die
dem Heiligen geweiht war. Auf englischen Siegeln des späten 11. Jahrhunderts
wurde schon das Kirchengebäude selbst ins Bild gesetzt53, in Köln zeigte erst ein
Jahrhundert später das älteste Siegel von St. Aposteln diesen Bildtyp. 54 Das neue
i
47 Z. B. Trier Rheinische Siegel 4,1. Siegel der Stifte, Klöster
und geistlichen Dignitäre
(Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 27), bearb. von Wilhelm
Ewald, Bonn 1933-1941, Tafel 16,1 (1101).
48Z. B. Fulda (1062) Ludwig Weth, Studien
zum Siegelwesen der Reichsabtei Fulda und
ihres Territoriums, Diss. Würzburg 1972, S. 119f.
49Berthold Wald, "Rationalis naturae individua
substantia". Aristoteles, Boethius und der
Begriff der Person im Mittelalter, in: Individuum und Individualität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 24), hrsg. von Jan A. Aertzen und Andreas Speer, Berlin-New York
1996, S. 371-388.
I
f
50Wald (wie Anm. 49), S. 377f.
51ReneLaurent, Sceauxde Thudine (ville de Thuin, abbayesd'Aulne et de Lobbes) (MiscellaneaearchivisticaeXIII), Brüssel 1976,S. 22 und Abb. 34.
52Rheinische Siegel 4,1, Tafel 1,4.
53English Romanesque Art (wie Anm. 24), S. 309 Nr. 347 (Christ Church Cathedral Canterbury), S. 310 Nr. 348 (Bath Abbey), 349 (St. Albans Abbey).
54RheinischeSiegel4,1, Tafel 11,1.
137
Siegelverständnis, das in den Wirkungskreisen Berengars von Tours und Lanfrancs
in
der
Frankreichs
in
Teilen
England
Bee
schon
zweiten Hälfte des 11.
und
von
Jahrhunderts zur Entfaltung kam, verbreitete sich im Reich erst zaghaft in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, um erst seit etwa 1170 voll zum Durchbruch zu
kommen.
Man kann die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts im Reich als eine Übergangsphase
bezeichnen, die noch ganz im Zeichen des Heiligensiegels alten Typs steht. Neue
Entwicklungen erscheinen lokal begrenzt und finden noch wenig Resonanz. Pro55
Aachen,
Köln.
Trier
Das in der
Zentren
weniger
und
sind vor allem
gressive
Verwendung von Heiligensiegeln zum Ausdruck kommende Bestreben, Handeln
im Namen einer Gemeinschaft zu legitimieren, lässt in dieser Zeit auch eine neue
korporative Terminologie entstehen. So bezeichnen sich die Trierer Domkanoniker
56 Die
den
Jahren
neue Konzeption kann sich allerals capitulum.
seit
zwanziger
dings nur langsam im Rechtsalltag durchsetzen. So bleibt auch weiterhin der Kirder
der
Garant
Rechtsgültigkeit
Verfügungen seiner
unangefochtener
chenpatron
Schutzbefohlenen.
III.
Kehren wir nun in die hochmittelalterliche Stadt zurück, näherhin nach Köln, wo
eine folgenschwere Weiterentwicklung des Heiligensiegels stattgefunden hat. Die
Kölner Domkanoniker haben erst verhältnismäßig spät ein Heiligensiegel in
Gebrauch genommen.57 Es handelt sich allerdings um einen Stempel von hoher
Qualität, dessen Konzeption von den eben skizzierten Veränderungen des Siegelverständnisses nicht ganz unberührt erscheint. Im Bildfeld wird der hl. Petrus in
geistlichem Ornat auf einem Faltstuhl sitzend dargestellt. Es handelt sich also um
den Typ des Petrus in cathedra. Die Siegelumschrift verortet den Heiligen nach Art
der jüngeren Heiligensiegel in Köln: Sanctus Petrus apostolus patronus sanctae
Coloniae. Die Verwendung des Begriffs "heiliges Köln", der in der späten Karolingerzeit geprägt wurde5ß, artikuliert allerdings einen weitergehenden Anspruch
als andere Heiligensiegel. Er ist zwar in seinem Bezug einigermaßen offen, meint
aber in jedem Fall mehr als die Domkirche mit ihrem Zubehör. Unter dem heiligen
Köln kann man sowohl die Bischofskirche mit all ihren Einrichtungen verstehen
55Vgl. dazudemnächstden in Anm. 2 zitierten Aufsatz.
56Urkundenbuch zur Geschichte der [... ] mittelrheinischen Territorien 1, hrsg.
von Heinrich Beyer, Koblenz 1860, Nr. 455 (1126).
57 Ornamenta Ecclesiae. Kunst und Künstler der Romanik in Köln 2, hrsg.
von Anton
Legner, Köln 1985, S. 42f. Nr. D 36 (Rainer Kahsnitz).
58Toni Diederich, Die alten Siegel der Stadt Köln, Köln 1980, S.27ff.
138
als auch die Bischofsstadt mit ihren Kirchen und Reliquienschätzen. Indem die
Domkanoniker ihren Schutzheiligen zum Patron des heiligen Köln erklären, beanspruchen sie die Führungsposition innerhalb des Kölner Klerus.
Auf der Konzeption des hier vorgestellten Heiligensiegels aufbauend ist in Köln
9
ein weiteres Petrussiegel geschaffen worden. Es zeigt den Heiligen wiederum
thronend, nun allerdings im klassischen Gewand der Apostel. Die identifizierende
Beischrift Sanctus Petrus begleitet die Figur innerhalb des Bildfeldes. Ein neues
Bildmotiv ist ein Kranz von Mauern, Türmen und Zinnen, der die Gestalt des Heiligen umfängt. Wie Parallelen in der Buchmalerei zeigen, soll dieser Architekturrahmen eine Stadt darstellen6° Das gesamte Bildfeld bringt also in anderer Form
die Botschaft des Petrussiegels der Domkanoniker zum Ausdruck. Petrus thront als
Patron inmitten des heiligen Köln. Hier ist das heilige Köln zweifellos als Stadtkörper verstanden, der durch das hervorstechende Merkmal der Stadtmauer sichtbar gemacht wird. Die Umschrift des jüngeren Siegels vertieft die Vorstellung von
Köln als Ort des Heils: Sancta Colonia dei gratia Romanae ecclesiae fidelis filia,
Heiliges Köln durch göttliche Gnadenverfügung getreue Tochter der vom heiligen
Petrus begründeten römischen Kirche. Dass die Umschrift nicht mehr den abgebildeten Siegelführer identifiziert, sondern in der Art einer Devise die Gesamtaussage
des Siegels erweitert, ist eine Neuerung, deren Hintergründe hier nicht weiter verfolgt werden können.
Das jüngere Petrussiegel ist erstmals 1149 an einer Urkunde überliefert, die, wenn
sie auch - wie die erwähnte Urkunde der Domkanoniker von Münster - keinen
Aussteller nennt, zweifellos von Kölner Bürgern veranlasst worden ist. 61In Kenntnis der Entwicklung der Heiligensiegel, die ich weiter oben vorgestellt habe; dürfte
klar sein, was hier geschehen ist. Die Kölner Bürger haben sich nach dem Vorbild
der Domkanoniker unter den Schutz des heiligen Petrus gestellt, der wiederum
nicht nur als Herr der Domkirche verstanden wird, sondern als Patron der gesamten
Stadt 62Wie den Domkanonikern verhilft der Heilige den Bürgern zu einem Identität stiftenden Bild. Der Gedanke ist innovativ, lässt sich aber zwanglos aus der
59Zum
romanischen Kölner Stadtsiegel vgl. Toni Diederich, Das älteste Kölner Stadtsiegel, in: Aus kölnischer und rheinischer Geschichte. Festgabe Arnold Güttsches zum 65.
Geburtstag gewidmet (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins 29), hrsg. von
Hans Blum, Köln 1969, S. 51-80; ders., Die alten Siegel der Stadt Köln, Köln 1980, S. 1446; ders., Rheinische Städtesiegel, Neuss 1984, S.261-265; Groten (wie Anm. 19), S. 49-53;
ders., Studien zur Frühgeschichte deutscher Stadtsiegel, Trier-Köln-Mainz-Aachen-Soest,
in: Archiv für Diplomatik 31 (1985), S. 443-478, hier S. 444-448 und die Arbeiten von
Hermann Jakobs in Anm. 66.
6oDiederich (wie Anm. 58), S. 29f.
61Lacomblet 1, Nr. 366.
62Toni Diederich, Stadtpatrone
an Rhein und Mosel, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 58
(1994), S. 25-86.
139
Tradition des Heiligensiegels herleiten. Die Wahl des heiligen Petrus als Bürgerdas
des
durch
Siegel
Domstifts vorbereitet. Ob die Petrusverehrung die
war
patron
Frömmigkeit der führenden Familien Kölns schon früher in hervorragender Weise
geprägt hatte, ist nicht mehr festzustellen. Man könnte sich vorstellen, dass die
Patrone der Kölner Pfarrkirchen in den einzelnen Kirchspielen und die der städtischen Stifte und Klöster von ihren Ministerialen, Zensualen und Nachbarn besondere Verehrung erfuhren. Den Petruskult könnte man vor diesem Hintergrund als
einen gemeinsamen Nenner bürgerlicher Heiligenverehrung bezeichnen. Für die
erzbischöflichen Ministerialen unter den Kölner Bürgern war die Zueignung zum
heiligen Petrus ohnehin nichts Neues, denn sie waren es schon gewohnt, sich als
63
bezeichnen.
Petri
zu
ministeriales sancti
Auf dem Kölner Stadtsiegel übernimmt Petrus eine Aufgabe, die nur ein Heiliger
zu erfüllen imstande ist. Er tritt an die Spitze einer Gemeinschaft, die sich als solche noch gar nicht artikulieren kann. Nicht zufällig vermeidet die älteste erhaltene
städtische Urkunde eine Intitulatio. Sie bezeichnet das Siegel allerdings nicht mehr
als Siegel des heiligen Petrus, sondern als sigillum civium, als Siegel der Bürger.
Damit werden die eigentlichen Siegelführer benannt, allerdings noch im Plural,
nicht als Glieder einer Korporation. Dennoch lässt die Bezeichnung erkennen, wie
stark die Kölner Bürger sich schon korporativen Vorstellungen angenähert haben.
1158 wird das Siegel sigillum sancte Coloniensis urbis, 1159 commune sigillum
64Hier ist die
urbis genannt.
sancta Colonia der Siegelumschrift in der Art antiker
Stadtpersonifikationen zur Siegelführerin geworden.
Durch den Appell an den Heiligen überspringen die Bürger die Grenzen der bestehenden Rechtsordnung. Der Heilige wird zu einer Integrationsfigur, die über die
Schranken von Gruppenbildungen und Bruderschaften hinweg die Bewohner der
Stadt in ihren Bann ziehen kann. Ein mit dem Bild des Heiligen sanktioniertes
Dokument gebietet auch den nicht unmittelbar an der Rechtshandlung Beteiligten
oder auf sie Eingeschworenen Gehorsam. Die Macht des Heiligen anzurufen kann
nur der wagen, der von der Gerechtigkeit und Gottgefälligkeit seines Handelns
überzeugt ist. Missbrauch könnte den Zorn des Heiligen erregen, ebenso ein Infragestellen seiner Verfügungen. Kurzum, mit dem Heiligen kann man nicht leichtfertig umgehen. Nur wenn man sich die Kraft des hochmittelalterlichen Glaubens an
die Macht der Heiligen vergegenwärtigt, kann man die Wirkung der Heiligensiegel
verstehen.
63Z.B. Lacomblet 1, Nr. 312 (1135).
64 Guillaume Desire Franquinet, Beredeneerde Inventaris der
oorkonden en bescheiden
van het Kapittel von 0. L. Vrouwekerk to Maastricht 1, Maastricht 1870, S. 13 Nr. 5; Lacomblet I Nr. 399.
140
{
Das Kölner Stadtsiegel, das in zahlreichen anderen Städten nachgeahmt worden
ist65, lässt erkennen, welch elementare Bedeutung die Heiligen im Prozess der
Ausbildung des bürgerlichen Stadtregiments im Hochmittelalter gehabt haben. Vor
der praktischen Rezeption des Gemeindebegriffs in der städtischen Rechtsordnung
waren sie die einzigen denkbaren Garanten bürgerlichen Gemeinwillens.
I
An diesem Punkt wird deutlich, dass die Existenz eines frühen Stadtsiegels keineswegs, wie das häufig behauptet worden ist, das Bestehen eines rechtsfähigen
Bürgerverbandes bezeugt, dass es den Abschluss der Gemeindebildung signalisiert
usw. Genau genommen ist gerade das Gegenteil der Fall. Das aus dem Heiligensiegel abgeleitete Stadtsiegel will in der Frühzeit seiner Entwicklung gerade die
Unmöglichkeit einer Gemeindebildung überwinden. Ebenso wenig ist die Wahl
eines Heiligen als Siegelbild Ausdruck einer spezifisch kirchlichen Gesinnung der
Bürger. Zum Heiligenbild gab es in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gar keine Alternative.
Ich habe bisher die Frage ausgeklammert, wann das Kölner Stadtsiegel entstanden
ist. Aus den vorgetragenen Überlegungen sollte schon zur Genüge hervorgehen,
dass mich die Spekulationen von Hermann Jakobs, der den Aufenthalt Papst Eugens III. in Trier seit dem 30. November 1147 als Auslöser für die Einführung von
Stadtsiegeln in Trier, Köln und Mainz betrachtet, nach wie vor nicht überzeugen 66
Das Trierer Siegel, das zwar dem Heiligensiegel verpflichtet ist, aber keine imago,
kein Abbild mehr darbietet, sondern eine historia, eine Bildgeschichte, stellt einen
singulären Sonderfall dar, dessen Erörterung den Rahmen des vorliegenden Beitrags völlig sprengen würde. 7 Nur soviel sei gesagt, aus meiner Sicht ist das Trierer Siegel ebenso wie das Aachener Karlssiegel, das ursprünglich. wohl ein Stiftssiegel war68, erst in zweiter Verwendung zum Stadtsiegel geworden, zu einer Zeit,
als der Typus schon etabliert war. Die Siegel von Köln und Mainz sind aber so tief
in der einheimischen Tradition verwurzelt, dass es zu ihrer Schöpfung eines römischen Vorbildes, das wir übrigens höchstens schemenhaft erkennen können, keineswegs bedurfte.
65Diederich (wie Anm. 58), S. 35ff.
66 Hermann Jakobs, Eugen 111.
und die Anfänge europäischer -Stadtsiegel nebst Anmerkungen zum Band 4 der Germania Pontificia (Studien und Vorarbeiten zur Germania Pontificia 7) Köln-Wien 1980, S. 1-34; ders., Nochmals Eugen III. und die Anfänge europäischer
Stadtsiegel, in: Archiv für Diplomatik 39 (1993), S. 85-148.
67Vgl. dazu demnächst den in Anm. 2
zitierten Aufsatz.
68Wie Anm. 67.
141
Bleibe ich in dieser Hinsicht hart, möchte ich - veranlasst durch inzwischen publiziert vorliegende kunsthistorische und epigraphische Befunde69 - in der Datierungsfrage meine älteren Ansätze revidieren.
Ich habe schon erwähnt, dass das Siegel des Kölner Domkapitels konzeptionell die
Voraussetzungen für den Entwurf des Stadtsiegels liefert. Dieses Siegel ist zuerst
belegt an einer Urkunde mit unstimmiger Datierung auf 1124/25.7° Ob das Stiftssiegel unmittelbar nach der Reinschrift auf dem Pergament angebracht wurde, kann
nicht als sicher gelten, denn im Text der Urkunde werden Siegel und Bann des
Kölner Erzbischofs erbeten. Das Petrussiegel ist also an die Stelle der unterbliebenen erzbischöflichen Beglaubigung getreten. Das könnte in einigem zeitlichen
Abstand erfolgt sein, möglicherweise erst nach dem Tod Erzbischof Friedrichs I.
am 25. Oktober 1131. Die nächsten Belege für das Stiftssiegel stammen von
1136/37.71Für eine Entstehung des Petrussiegels einige Jahre nach 1125 sprechen
stilistische Befunde. Kahsnitz hat die enge Verwandtschaft mit dem Thronsiegel
Erzbischof Brunos II. (1131-37) hervorgehoben.72Vieles spricht also für die Annahme, dass das Petrussiegel zwischen 1131 und 1136, auf jeden Fall nicht wesentlich früher entstanden ist.
Akzeptiert man diese Datierung, muss man sich von der Frühdatierung des Stadtsiegels in die Zeit zwischen 1114 und 1119 verabschieden. Für diesen Ansatz hat
Toni Diederich vor allem das Argument ins Feld geführt, das Siegel mit seiner
kirchlich gestimmten Umschrift könne nur in einer Phase enger Übereinstimmung
3
Erzbischof
Bürgerschaft
zwischen
und
entstanden sein. Handfesten stilistischen
Befunden zu Bild und Schrift wird diese recht abstrakte Argumentation nicht
standhalten können. Eine Datierung in die Amtszeit Brunos II. oder gar Arnolds I.
erscheint mir heute überzeugender.
Untersucht man diesen Zeitraum näher, fällt eine Zäsur auf, die durch die einzige
gewaltsame Auseinandersetzung zwischen einem Erzbischof und den Kölner Bürgern in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gekennzeichnet ist. Zu 1138 berichten mehrere Chroniken über einen Konflikt zwischen dem neu gewählten Erzbi74 "In diesem Jahr
den
Arnold
I.
Kölnern.
schof
und
entstand ein sehr schweres
Zerwürfnis zwischen den Bürgern und diesem Erzbischof, das schließlich nur nach
69Harald Drös, Siegelepigraphik im Umkreis des ältesten Kölner Stadtsiegels, in: Archiv
für Diplomatik 39 (1993), S. 149-199.
70Lacomblet 1, Nr. 258.
71Manfred Groten, Prioren und Domkapitel von Köln im Hohen Mittelalter (Rheinisches
Archiv 109), Bonn 1980, S. 177-Anm. 48.
72Wie Anm. 57.
73Diederich (wie Anm. 58), S. 25f.
74Die Regestender Erzbischöfevon Köln im Mittelalter 2 (Publikationender Gesellschaft
für RheinischeGeschichtskunde21), bearb.von RichardKnipping, Bonn 1901,Nr. 365f.
142
f
c
großem Tumult beschwichtigt wurde", heißt es in der Chronik von St. Pantaleon75
und die Brauweiler Annalen berichten zu 1139 sogar von einer Belagerung der
Stadt durch den Erzbischof. 76 Die Beilegung des Streits hat die Stimmung unter
den Bürgern und ihr Verhältnis zum Stadtherrn nachhaltig verändert. Es scheint,
als habe Arnold I. den Kölnern um des lieben Friedens willen Zugeständnisse gemacht. In seiner Amtszeit werden erstmals Kölner Bürger in Urkunden des Erzbi77
Hofes
Besucher
Kenntnis
zur
schofs als
seines
genommen. Die Kölner Schöffen
schließen sich mit Männern, die sie in ihre Reihen aufgenommen wissen wollen, so
78Sie haben
Schöffenbrüdern,
Bruderschaft
zu einer
zusammen.
genannten
also das
Recht der Kooptation erlangt. Zugleich schmücken sie sich mit dem antiken Titel
von Senatoren, der der von ihnen offenbar angestrebten Leitungsfunktion in der
Stadt altes Herkommen und Würde verleiht 79In diese Phase könnte man auch das
Stadtsiegel einordnen. Vielleicht wurde das Siegel schon 1144 verwendet, als der
Streit zwischen dem Kölner Bürger Hermann, dem Stifter der Kirche St. Mauritius,
und dem Abt von St. Pantaleon geschlichtet wurde8° Die Urkunde Arnolds I. zeigt
neben dem angekündigten und auch erhaltenen Siegel des Erzbischofs unter dem
Text ein zweites Loch im Pergament, durch das ein verlorenes Siegel gedrückt war,
dessen Spuren durchaus den Dimensionen des Stadtsiegels entsprechen. Dass das
Siegel nicht angekündigt ist, spricht nicht zwangsläufig gegen seine Anbringung,
auch frühe Mitbesiegelungen erzbischöflicher Urkunden durch das Domkapitel
81
im
Text
werden
nicht zwangsläufig erwähnt. Immerhin waren die Kölner Bürger
eng in die Auseinandersetzungen um St. Mauritius involviert. Bei der Kirche wurde ein Nonnenkloster errichtet, dessen Vogtei die Kölner Schöffen wahrnahmen.
Aber genug der Spekulation.
Man wird im Einklang mit allen vorliegenden Befunden feststellen dürfen, dass der
neue Typ des Heiligensiegels, der im Kölner Stadtsiegel seine erste Verwirkli75 Ipso
anno
sedicio
gravissinza
inter
rives
et ipsum
episcopum
oritur,
et vix
tandem
post
magnam tuna ltuacionem sedatur. Chronica regia Coloniensis (Monumenta Germaniae
historica. Scriptoresrerum Germanicarumin usum scholarum 18), hrsg. von Georg Waitz,
Hannover 1880,S. 75.
76Hoc
anno (1139) Coloniensis civitas ab Arnoldo archiepiscopo obsessa est. Annales
Brunwilarenses (Monumenta Germaniae historica 16), hrsg. von Georg Heinrich Pertz,
Hannover 1859, S. 726.
77Regesten der Erzbischöfe von Köln 2 (wie Anm. 74), Nr. 373,383,408,411,413,418.
78 Groten (wie Anm. 6), S. 2 mit Hinweis
auf den Schreinseintrag M1V1
von ca.
1138/39.
79Hugo Stehkämper, Imitatio
urbis. Altrömische Ämterbezeichnungen im Hochmittelalter
in deutschen Städten, besonders in Köln, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 47 (1986), S. 205233, hier S. 220f.; vgl. Groten (wie Anm. 13), S. 59f.
80Wolfgang Peters,Die Gründung des Klosters St. Mauritius in Köln, in: Jahrbuchdes
KölnischenGeschichtsvereins54 (1983), S. 135-166,hier S. 163.
81Groten (wie Anm. 71), S. 149f. zu Lacomblet 1, Nr. 422 (1166).
143
den
des
12.
hat,
Jahren
Jahrhunderts zur Verfügung
vierziger
gefunden
seit
chung
stand. Die Kölner Weiterentwicklung des Heiligensiegels unter dezidiert städtischen Vorzeichen kam den Bedürfnissen-bürgerlicher Führungsgruppen in so idealer Weise entgegen, dass das Kölner Stadtsiegel tatsächlich allenthalben Nachahmung gefunden hat, zuerst in Mainz und dann in vielen anderen Städten. Auf diese
Weise erlangte die Vorstellung vom Heiligen als Helfer der Bürger, als Stadtpatron
weite Verbreitung.
Nach Kölner Vorbild wählten die Bürger von Bischofsstädten den Kathedralpatron
zu ihrem Schutzheiligen. In kleineren Städten wurde meist nur ein einziger Heiliger in herausragender Weise verehrt, manchmal ein lokaler Heiliger, dessen Körper
in der Kirche des Ortes ruhte und nicht selten Ziel von Wallfahrten war. Ein solcher Heiliger war, zumal wenn er sich durch Wunder hervorgetan hatte, zum
Stadtpatron prädestiniert. In Städten mittlerer Größe konnte die Wahl unterschiedlich ausfallen. Während in Neuss der Patron des örtlichen Damenstifts St. Quirinus
auf dem Stadtsiegel erscheint82, wählten die Soester den Patron ihrer Pfarrkirche
St. Petrus als Bürgerpatron, nicht den Titelheiligen des Patroklistifts. 83
Auch nachdem die Rezeption des Gemeindekonzepts die Hilfskonstruktion des
Heiligensiegels entbehrlich gemacht hatte, wirkte die suggestive Kraft des Bündnisses mit dem Heiligen fort. Auch wo neue kollektive oder korporative Begriffe in
die Umschriften eindrangen, beherrschten die Heiligen weiterhin das Bildprogramm. So zeigt das Siegel der Stadt Metz aus den achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts im Bildfeld die Steinigung des Kathedralpatrons Stephanus, während die
Umschrift Sigillum sancti Stephani de communitate Metensi lautet 84
Eine universitas hat kein Abbild, sie kann sich aber eines beliebigen Zeichens bedienen, um ihren Besitz zu kennzeichnen und ihren Willen kundzutun. Für
eine
Stadtgemeinde lag es nahe, eine Stadtdarstellung als Erkennungszeichen zu
wählen. So erscheinen Stadtbilder mit Mauern, Türmen und Toren z.B. auf den Stadtsiegeln von Cambrai (um 1185)85, Utrecht86 und Koblenz (vor 1200).87In Würzburg lugt als letzter Nachhall des Heiligensiegels ein winziges Kilianshaupt
aus
82Rheinische Siegel 3. Die Siegel der
rheinischen Städte und Gerichte (Publikationen der
Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 27), bearb. von Wilhelm Ewald, Bonn 1931,
Tafel 26,1.
83Siegfried Fuchs, Die Soester Stadtsiegel, in: Soester Zeitschrift 88 (1976), S. 47-63,
S.
49 Abb. 1.
84Kittel (wie Anm. 23), S. 295 Abb. 192a.-
85Brigitte Bedos, Les sceaux des villes (Corpus des sceaux francais du
moyen age 1), Paris 1980, S. 153 Nr. 166.
86 Corpus sigillorum Neerlandicorum. De nederlandsche
zegels tot 1300, 's-Gravenhage
1937-40, Nr. 62687Rheinische Siegel 3 (wie Anm. 82), Tafel 37,8.
144
88 Die Zeichen der Stadtgemeinden können
hervor.
Stadtarchitektur
mit erneiner
sten oder humorvollen Anspielungen auf den Stadtnamen bereichert werden. Auf
dem Siegel der Stadt Arras tummeln sich Ratten um die Mauern89, auf dem Emmericher Stadtsiegel erscheinen zwei mit einem Eimer geschmückte Wappenschilde,
auf dem Weseler ein Wiesel9°
Seit dem 13. Jahrhundert wurden auch die Heiligen in Konflikte hineingezogen, die
den Aufbau von geistlichen Landesherrschaften begleiteten. Die Schutzheiligen der
Kathedralen wurden zu Stiftspatronen. So signalisierte das Bild des heiligen Petrus
Herrschaftsansprüche des Kölner Erzbischofs. Aus dieser Perspektive konnte ein
Stadtsiegel mit dem Bild des Heiligen zu der Vermutung Anlass geben, die betreffende Stadt betrachte sich als Bestandteil des kölnischen Landes. Eine solche Beanspruchung bestimmter Heiliger als Symbolfiguren weltlicher Herrschaft hat in
einigen Fällen die Preisgabe eines Stadtpatrons und die Wahl eines neuen Schutzheiligen herbeigeführt. Ein gutes Beispiel liefert die schon erwähnte Stadt Soest.
Den Soestern war es 1261 offenbar mit dem heiligen Petrus nicht mehr ganz geheuer. Er war inzwischen zu eng mit dem Kölner Erzbischof liiert, dessen Stadtherrschaft man abzuschütteln trachtete. Folglich ließ man ein kleines Sekretsiegel
stechen, das den unverfänglicheren Stiftspatron St. Patroklus zum Stadtpatron beförderte, seit 1270 ausdrücklich als patronus in Susato.91
Die Kölner sind, wie üblich, weniger radikal vorgegangen. Das 1269 verloren gegangene Stadtsiegel mit dem heiligen Petrus im Bild wurde zwar in zeitgemäßer
Form erneuert92,aber den Petruskult überließ man weitgehend dem Erzbischof. An
seine Stelle trat die Verehrung der heiligen drei Könige, deren Reliquien im Besitz
des Kölner Domkapitels waren. 93 Drei Kronen zierten schließlich das Stadtwap94 Mit
nur einem Stadtpatron war es in Köln im Spätmittelalter ohnehin nicht
pen
mehr getan. Der Altar der Stadtpatrone, den Stephan Lochner um 1440/45 für die
Ratskapelle malte, zeigt nicht nur die Anbetung der heiligen drei Könige im Mittelfeld, sondern auf den Seitenflügeln auch die Heiligen Gereon und Ursula mit ihrem
Gefolge als Helfer der Bürger. 95Nachdem das bürgerliche Gemeinwesen auf rechtlichen Fundamenten ruhte, konnte man den heiligen Petrus aus seiner Stellvertreterfunktion, die einmal von elementarer Bedeutung gewesen war, entlassen. Die
88Kittel (wie Anm. 23), S. 300 Abb. 196b.
89Zu den Siegeln der Stadt Arras vgl. Bedos (wie Anm. 85), S. 66ff. Nr. 50ff.
90Rheinische Siegel 3 (wie Anm. 82), Tafel 75,1
und 85,1.
91Fuchs(wie Anm. 83), S. 50 Abb. 5.
92Diederich (wie Anm. 58), S. 47-62.
93Hans Hofmann, Die Heiligen Drei Könige. Zur Heiligenverehrung im kirchlichen,
gesellschaftlichen und politischen Leben des Mittelalters (Rheinisches Archiv 94), Bonn 1975.
94Heiko Steuer, Das Wappen der Stadt Köln, Köln 1981, S. 31ff.
95 Stefan Lochner Meister
zu Köln. Herkunft-Werke-Wirkung, hrsg. von Frank Günter
Zehnder, Köln 1993, S. 324f. Nr. 46.
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Mechanismen des Gemeinwesens waren entzaubert, ja sie waren manipulierbar
geworden. Aber die Heiligen schauten dennoch vom Himmel weiterhin wohlgefällig auf ihr Werk, übrigens in holder Eintracht mit Gestalten der heidnischen Antike, dem Stadtgründer Agrippa, der Koloniegründerin Agrippina und dem mythischen Helden Marsilius, wie es uns die Kölner Stadtansicht von Anton Woensam
96
1531
von
enthüllt.
96Hugo Borger und Frank Zehnder,Köln. Die Stadt als Kunstwerk. Stadtansichten
vom
15. bis 20. Jahrhundert,Köln 1982,S. 115-125.
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