IP kompakt Urheberrecht BGH – Die Realität Urheberrechtliche Bewertung des sog. „Framings“ – Vorlage an den EuGH RA Dr. Sascha Vander, LL.M., Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Köln Hintergrund Der BGH hatte sich im Rahmen einer Entscheidung vom 16.05.2013 mit dem im Internet verbreiteten Phänomen des sog. Framings von Video-Inhalten zu befassen. Beim Framing von Video-Dateien werden Video-Inhalte nicht einfach verlinkt, vielmehr werden die Inhalte unmittelbar auf die eigene Website des Verwenders der FramingTechnologie eingebunden. Besonders verbreitet ist das Framing von Video-Clips, welche auf der bekannten Plattform YouTube hinterlegt sind. YouTube bietet seinen Nutzern sogar technische Hilfestellungen an, um ein Framing zu realisieren. Während sich die schlichte Verlinkung externer Inhalte in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich als unproblematisch darstellt, stoßen die Framing-Technologien in einen rechtlichen Graubereich vor, welchen der BGH zu beleuchten hatte. Sachverhalt Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen kurzen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Video-Plattform YouTube abrufbar. Die Beklagten sind als selbstständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten. Bei einem Klick auf einen Weblink wurde der Film vom Server der Video-Plattform YouTube abgerufen und in einem auf den Web- Ausgabe Juli 2013 · Seite 19 IP kompakt seiten der Beklagten erscheinenden Rahmen (sog. „Frame“) abgespielt. Die Klägerin hat wegen einer mutmaßlichen Verletzung ihres Rechtes auf öffentliche Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG von den Beklagten Unterlassung, Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten verlangt. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz sowie zur Freistellung von Abmahnkosten verurteilt. Zudem hat es den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage auferlegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten abgewiesen und die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage hälftig zwischen den Parteien verteilt. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Entscheidung Im Ergebnis hat der BGH in der Sache keine Entscheidung getroffen, vielmehr eine zentrale streitgegenständliche Frage dem EuGH im Rahmen des Vorlageverfahrens zur Entscheidung überantwortet. Der BGH hat dabei folgende Frage aufgeworfen: „Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe i.S.d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht Seite 20 · Ausgabe Juli 2013 nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?“ Öffentliches Zugänglichmachen gem. § 19a UrhG Der BGH hat zunächst klargestellt, dass die Wiedergabe des in Rede stehenden Films im Wege des Framings nach der Rechtsprechung des Senats kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. von § 19a UrhG darstellt. § 19a UrhG erfordere, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet werde, das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden selbst befinde. Merke Die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des Framings stellt grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen dar, da ausschließlich der Inhaber der fremden Website darüber entscheidet, ob auf das auf seiner Website bereitgehaltene Werk öffentlich zugegriffen werden kann. Unbenannte Verwertungsart Der BGH hat sodann die Frage aufgeworfen, ob die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des Framings bei einer mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/ EG gebotenen richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Abs. 2 UrhG die Verletzung eines „unbenannten Verwertungsrechts“ der öffentlichen Wiedergabe darstellen könnte. Gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG steht dem Urheber das ausschließliche Recht zu, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG führt einige dieser Rechte, u.a. das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG, auf. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 UrhG enthält allerdings keine abschließende, sondern lediglich eine beispielhafte Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte. Merke Der BGH hat vor dem Hintergrund des nicht abschließenden Charakters von § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG konstatiert, dass die Vorschrift die Anerkennung auch unbenannter Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe zulassen. § 15 Abs. 2 UrhG sei nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG richtlinienkonform auszulegen. Dabei sei der Vollharmonisierungsansatz der Richtlinie maßgeblich zu berücksichtigen. Soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie weitergehende Rechte als die in § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe verlange, sei daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/ EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten vorsehen, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten. Öffentliche Wiedergabe Merke Der BGH hat die Kriterien für eine öffentliche Wiedergabe i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29EG zusammengestellt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei eine individuelle Beurteilung geboten, welcher im IP kompakt Wesentlichen vier zentrale Kriterien zu Grunde zu legen seien. Kriterium 1 Eine öffentliche Wiedergabe setze zunächst voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig werde, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Kriterium 2 Der Begriff der Öffentlichkeit i.S.d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/299/ EG sei zudem nur bei einer unbestimmten Zahl potenzieller Adressaten und einer großen Zahl von Personen erfüllt. Um eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten handele es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolge, also nicht auf besondere Personen beschränkt sei, die einer privaten Gruppe angehörten. Kriterium 3 Eine öffentliche Wiedergabe i.S.d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG könne unter Umständen voraussetzen, dass ein Werk für ein neues Publikum wiedergegeben werde, also für ein Publikum, das der Nutzer des Werkes nicht berücksichtigt hat, als er dessen Nutzung im Wege der öffentlichen Wiedergabe erlaubt hat. Diese Voraussetzung sei allerdings nicht zu prüfen, wenn die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolge, welches sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheide. In einem solchen Fall bedürfe nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich jede Wiedergabe des Werkes der Erlaubnis des Urhebers. Nutzungshandlung Erwerbszwecken diene. Der BGH hat sich auf Basis der vorgenannten Kriterien intensiv mit der Auslegung der Norm auseinandergesetzt. Insoweit hat der BGH maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagten den Film nicht für ein neues Publikum wiedergegeben haben. Durch die Verknüpfung des Films mit ihrer Internetseite hätten die Beklagten den Kreis der potenziellen Adressaten gerade nicht erweitert. Zudem sei die Wiedergabe des Films über die Internetseite der Beklagten auch nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, welches sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheide. Merke Im Ergebnis hat der BGH deutlich gemacht, dass er die dem EuGH vorgelegte Rechtsfrage dahingehend beantworten würde, dass auch Framing – jedenfalls in der konkret zu entscheidenden Ausgestaltung – als öffentliche Wiedergabe einzuordnen ist. Wer lediglich einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk setze, greife nach der Rechtsprechung des Senats nicht in das Recht der öffentlichen Wiedergabe in Gestalt des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein. Kriterium 4 In Abgrenzung hierzu unterstrich der Senat allerdings, dass das Setzen eines Hyperlinks in Form eines Deep Links anders zu beurteilen sei, wenn dabei eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzmaßnahme umgangen werde (vgl. BGH, GRUR 2011, 56 – Session-ID). Für die Beurteilung, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliege, sei es schließlich nicht unerheblich, ob die betreffende Hiervon ausgehend hat der BGH maßgeblich darauf abgestellt, dass im Falle des Framings der Verwender betref- fender Technologien sich das fremde Werk durch eine betreffende Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen mache. Er erspare sich damit das eigene Bereithalten des Werkes, für das er die Zustimmung des Urhebers benötige. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob der Betrachter des Internetangebots erkenne, dass der Betreiber der betrachteten Webseite das geschützte Werk nicht selbst vorhält. Es sei auch nicht von Bedeutung, ob das Werk auf der ursprünglichen Internetseite mit Zustimmung des Berechtigten vorgehalten werde. Anmerkung Die Vorlageentscheidung des BGH ist im Ergebnis gut begründet und stützt sich auf einschlägige Stimmen aus der rechtswissenschaftlichen Literatur, welche sich intensiv mit dem Thema Framing beschäftigt haben. Vor dem Hintergrund, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG in Bezug auf die Tatbestände der öffentlichen Wiedergabe in der Tat keine abschließenden Aussagen trifft, sondern lediglich Beispiels­ tatbestände in Bezug nimmt, könnte bei richtlinienkonformer Auslegung ein „nichtbenanntes Verwertungsrecht“ zum Tragen kommen. Ob und in welchem Umfang der EuGH ein betreffendes Recht anerkennen wird, kann derzeit nur gemutmaßt werden. Vor dem Hintergrund der regelmäßig einem wirksamen Urheberrechtsschutz zugeneigten Rechtsprechung steht jedoch zu vermuten, dass der EuGH die Fälle des Framings als einen Fall der öffentlichen Wiedergabe bewerten wird. Die Konsequenzen der Entscheidung wären beträchtlich. Unabhängig davon, dass YouTube die bislang verfolgte Intensivierung der Verbreitung von Framing-Links auf das eigene WebsiteAngebot zurückfahren dürfte, wären zahlreiche derzeit praktizierte Framing- Ausgabe Juli 2013 · Seite 21 IP kompakt Verfahren als urheberrechtswidrig zu bewerten. Die zu erwartenden Maßnahmen der Urheberrechteinhaber liegen auf der Hand: In diesem Fall drohte eine umfangreiche Abmahnwelle die insbesondere kleinere Anbieter wie so häufig überraschen dürfte. Da die Rechtslage nach derzeitigem Stand ungeklärt ist, stellt die Fortführung der bislang praktizierten Framing- Verfahren unzweifelhaft ein rechtliches Risiko dar. Einsatz und Nutzen sollten entsprechend sorgfältig abgewogen werden. Die Entwicklung im Verfahren vor dem EuGH sollte in jedem Fall dringend verfolgt und parallel an der Konzeption möglicher Alternativlösungen gearbeitet werden, um im Falle einer extensiven Auslegung des urheberrechtlichen Schutzes durch den EuGH unmittelbar auf alternative Gestaltungsvarianten umstellen zu können. Quelle BGH v. 16.05.2013, Az. I ZR 46/12 IP130707 www.ip-kompakt.de ­ 8 € übersteigen würde. Zwar beziehe sich die Verurteilung auf einen Zeitraum von mehreren Jahren, doch werde Rechnungslegung lediglich für ein Produkt geschuldet. Zudem sei ab 1998 lediglich ein Abnehmer mit diesem Produkt beliefert worden. Seite 22 · Ausgabe Juli 2013 Die als Anlage im Zwangsvollstreckungsverfahren von der Beklagten vorgelegte Auskunft enthalte zudem lediglich einfache, tabellarische Zusammenstellungen, sodass es der BGH für ausgeschlossen hielt, dass deren