1 Einführung 1 Größen und Einheiten Messungen dienen der Ermittlung der Werte physikalischer Größen auf experimentellem Weg. Physikalische Größen - wenn keine Verwechslungen möglich sind, auch als Größen bezeichnet - sind direkt oder indirekt messbare Eigenschaften von Objekten (Körper, Zustände, Vorgänge) wie z. B. Masse, Ladung, Energie, die qualitativ charakterisiert und quantitativ ermittelt werden können. Nach der Norm DIN 1319 („Grundlagen der Messtechnik“) als grundlegende deutsche Norm der Messtechnik ist die Messgröße diejenige physikalische Größe, der eine Messung gilt. Dabei wird in dieser Norm der Begriff sowohl für “Messgröße im allgemeinen Sinn“ als auch für „spezielle Messgröße“ verwendet. Der Wert einer Größe wird durch den Zahlenwert und die Einheit beschrieben. Unter dem Zahlenwert versteht man die Zahl, die angibt, wie oft die Einheit in der betrachteten Größe enthalten ist. Die Einheit (auch Maßeinheit) bezeichnet die physikalische Größe, die als Bezugsgröße für die Bestimmung und Angabe des Werts von Größen gleicher Art festgelegt und der der Zahlenwert eins zugeordnet wird. Beispiel: Massewert eines Körpers: 12 kg Zahlenwert: 12 Einheit: kg . Die Gesamtheit der physikalischen Größen, die notwendig sind, um die Gesetzmäßigkeiten der Physik zu beschreiben, bildet das Größensystem. Physikalische Größen eines Größensystems, die unabhängig von anderen Größen dieses Systems sind, werden als Basisgrößen, solche, die als Funktion von Basisgrößen definiert sind, als abgeleitete Größen bezeichnet. Beispiel: Basisgrößen der Mechanik: Länge (l), Masse (m), Zeit (t). Abgeleitete Größen: Kraft (F ), Fläche (A) 2 F=m d l , A l2 . d t2 Der häufig verwendete Begriff der Dimension einer Größe gibt den Ausdruck an, der die Beziehung einer Größe zu den Basisgrößen eines Systems wiedergibt und die Größe als Potenzprodukt der Basisgrößen mit dem Zahlenfaktor eins darstellt. Beispiel: Im Größensystem l, m, t hat die abgeleitete Größe Kraft die Dimension L M T-2 . Durch physikalische Messungen werden jedoch nicht nur einzelne Größen ermittelt, sondern auch Zusammenhänge zwischen mehreren Größen, die sich als Gleichungen schreiben lassen. Beispielsweise gilt für die Schwingungsdauer T in Abhängigkeit von der Länge L eines mathematischen Pendels die Gleichung T = 2 π L / g ( g Schwerebeschleunigung). In diesem Buch werden Gleichungen als Größengleichungen geschrieben, die u. a. folgende Merkmale haben: 1. In Größengleichungen symbolisieren Formelzeichen Größen. Beispiel: 2 s d l v , F=m 2 . t dt 2. Zur Auswertung werden anstelle von Formelzeichen die Werte der entsprechenden Größen eingesetzt. Es gelten formal die aus der Algebra bekannten Regeln, wobei Zahlenwert und Einheit wie zwei selbständige Faktoren behandelt werden. 2 Einführung Beispiel: 720 m 720 m 6 m s -1 . 120 s 120 s Zusätzlich ergeben sich folgende vorteilhafte Eigenschaften: 3. Größengleichungen gelten innerhalb eines einmal gewählten Größensystems unabhängig von der Wahl der Einheiten. Im Allgemeinen wählt man für Größen gleicher Dimension gleiche Einheiten. Eine Umrechnung auf andere Einheiten ist leicht möglich, indem man mit Einheiten wie mit Zahlen rechnet. 4. In Größengleichungen stehen zu beiden Seiten des Gleichheitszeichens die gleichen Größen in gleicher Dimension, so dass durch Dimensions- oder Einheitenbetrachtungen einfache Kontrollen durchgeführt werden können. Insbesondere müssen z. B. Summanden gleiche Dimension haben, Exponenten und Argumente von Winkelfunktionen dimensionslos sein usw. 1.1 Internationales Einheitensystem (SI) 1 Größen und Einheiten Die Sekunde (s) ist die Einheit der Zeit. 1 s ist die Dauer von 9 192 631 770 Perioden der Strahlung, die dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133Caesium entspricht. Das Ampere (A) ist die Einheit der Stromstärke. 1 A ist die Stärke des zeitlich unveränderlichen elektrischen Stroms durch zwei geradlinige, parallele, unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem, kreisförmigem Querschnitt, die den Abstand 1 m haben und zwischen denen die durch den Strom elektrodynamisch hervorgerufene Kraft im leeren Raum je 1 m Länge der Doppelleitung 210-7 N beträgt. Das Kelvin (K) ist die Einheit der thermodynamischen Temperatur. 1 K ist der 273,16te Teil der (thermodynamischen) Temperatur des Tripelpunkts von Wasser. Die Differenz aus einer Temperatur T und der Temperatur T0 = 273,15 K wird als Celsiustemperatur bezeichnet: T T0 . Das Meter (m) ist die Einheit der Länge. 1 m ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum in 1/299 792 458 Sekunden durchläuft. Damit ist das Meter metrologisch von der Zeiteinheit Sekunde abhängig, bleibt aber Basiseinheit des SI. Das Mol (mol) ist die Einheit der Stoffmenge. 1 mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus so vielen gleichartigen Teilchen besteht, wie Atome in 0,012 kg des Nuklids 12C enthalten sind. Die Art der Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen oder auch spezielle Gruppierungen) muss jeweils angegeben werden. Die Teilchenzahl je Mol ist eine Naturkonstante und wird als Avogadro-Konstante NA bezeichnet. Der gegenwärtig beste experimentelle Wert ist N A 6,02214179(30) 1023 mol-1 . Das Kilogramm (kg) ist die Einheit der Masse. 1 kg ist gleich der Masse des Internationalen Kilogrammprototyps. Die Candela (cd) ist die Einheit der Lichtstärke. 1 cd ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlungsquelle, die mono- Im vorliegenden Buch wird ausschließlich das Internationale Einheitensystem, abgekürzt SI (Système International d’Unités), verwendet. Die sieben Basisgrößen sind Länge, Masse, Zeit, Stromstärke, Temperatur, Stoffmenge und Lichtstärke. 1.2 Abgeleitete Einheiten chromatische Strahlung der Frequenz 540 THz aussendet und deren Strahlstärke 3 in dieser Richtung 1/683 W/sr (sr, Steradiant) beträgt. Tabelle 1.2.1 Namen und SI-Einheiten von wichtigen abgeleiteten physikalischen Größen Größe Name der Einheit SI-Einheit Fläche Quadratmeter m2 Volumen Kubikmeter m3 Frequenz Hertz Hz (s-1) Geschwindigkeit Meter/Sekunde m/s Beschleunigung Meter/Quadratsekunde m / s2 Dichte Kilogramm/Kubikmeter kg / m3 Kraft Newton N, kg m / s2 Druck Pascal= Newton/Quadratmeter Pa, N / m2 Arbeit, Energie, Wärmemenge Joule = Newtonmeter = Wattsekunde J, N m, W s Leistung Watt W, J / s Elektrische Spannung Volt1) V, W / A Elektrische Ladung Coulomb C, A s Elektrische Feldstärke Volt/Meter V/m Elektrischer Widerstand Ohm , V / A Elektrische Kapazität Farad F, A s / V Induktivität Henry H, V s / A Magnetische Induktion Tesla = Weber/Quadratmeter T, Wb / m2 , V s / m2 Magnetische Feldstärke Ampere/Meter A/m Magnetische Spannung Ampere A Strahlungsleistung, -fluss Watt/Quadratmeter W / m2 Strahldichte Watt/( Steradiant Quadratmeter ) W/(sr m2) Spezifische Ausstrahlung Watt/Quadratmeter W/m2 Lichtstrom Lumen lm = cd sr Beleuchtungsstärke Lux lx = lm / m2 Leuchtdichte Candela/Quadratmeter Cd / m2 Die Einheit der elektrischen Spannung 1 V = 1 W / A = 1 J / (A s) ergibt sich aufgrund der Energieäquivalenz, bei der die Einheit der elektrischen Arbeit (1 V A s) gleich der Einheit der entsprechenden mechanischen Arbeit ist (1 J). 1.2 Abgeleitete Einheiten Die Einheiten aller anderen physikalischen Größen lassen sich aus den sieben Basiseinheiten des SI ableiten, sie bilden mit ihnen ein kohärentes System von Einheiten. Eine Auswahl wichtiger abgeleiteter Einheiten ist in Tab. 1.2.1 zusammengefasst. Die ergänzenden Einheiten Radiant (rad) und Steradiant (sr) sind jedoch wie Basiseinheiten anzuwenden, wenn es der physikalische Sachverhalt verlangt. Außer den SI-Einheiten sind auch einige systemfremde (inkohärente) Einheiten zugelassen. Dabei handelt es sich um Einheiten, deren Beziehung zu den SI-Einheiten einen von eins verschiedenen Zahlenfaktor enthält. Beispiele dafür sind die Zeiteinheiten Minute (1 min = 60 s) und Stunde (1 h = 60 s), auch als so genannte allgemeingültige Einheiten bezeichnet, sowie so genannte auf einem Spezialgebiet gültige Einheiten, z. B. das Elektronenvolt: 1eV 1,602176 487 1019 J . Zu den systemfremden Einheiten gehören auch die SI-Einheiten mit Vorsätzen (Tab. 1.2.2) sowie einige historisch be- 4 Einführung 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten gründete Einheiten, die einen besonderen Namen tragen (Liter: 1 l = 10-3 m3, Tonne: 1 t = 103 kg). Die Vorsätze werden im Allgemeinen so gewählt, dass die Zahlenwerte der anzugebenden Größen zwischen 0,1 und 1000 liegen. Tabelle 1.2.2 Bezeichnungen für dezimale Vielfache und Bruchteile von Einheiten Name Zeichen Bedeutung Zetta Exa Peta Tera Giga Mega Kilo Hekto Deka Dezi Zenti Milli Mikro Nano Pico Femto Atto Zepto Z E P T G M k h da d c m μ n p f a z 1021 1018 1015 1012 109 106 103 102 101 10-1 10-2 10-3 10-6 10-9 10-12 10-15 10-18 10-21 In Tabellen ist jedoch möglichst für jede Größe ein einheitlicher Vorsatz anzuwenden, auch wenn dann einige Zahlen die genannten Grenzen überschreiten. In Tab. 1.2.2 sind die Bezeichnungen für dezimale Vielfache und Bruchteile von Einheiten, die auch bei Einheiten mit selbständigem Namen anzuwenden sind, zusammengestellt. Vorsätze, die einer ganzzahligen Potenz von Tausend (103n) entsprechen, sind zu bevorzugen. Die Vorsätze Hekto, Deka, Dezi und Zenti sollen nur noch in solchen Fällen verwendet werden, in denen sie sich fest eingebürgert haben. Berechnungen sind vorzugsweise mit SI-Einheiten durchzuführen. 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten Physikalische Größen (Messgrößen) werden durch eine Messung bestimmt, wobei unter einer Messung der quantitative Vergleich der zu bestimmenden Größe mit einer vorgegebenen Größe gleicher Art (Bezugsgröße) zu verstehen ist. Träger der Messgrößen werden als Messobjekte, die Art und Weise der Durchführung einer Messung als Messmethode und die Gesamtheit der physikalischen Erscheinungen, die die Grundlage der Messung bilden, als Messprinzip bezeichnet. Ein Messverfahren ist die praktische Anwendung eines Messprinzips und einer Messmethode mit dem Ziel der Gewinnung des Werts einer Messgröße (Messwert). 2.1 Sensoren und Messgeräte Die zur Durchführung von Messungen verwendeten Messgeräte bestehen im Allgemeinen aus einem Messwertaufnehmer, einer Reihe von Wandlerelementen, in denen die Messgrößen in andere physikalische Größen umgeformt werden, und aus einer Anzeigeeinrichtung (z. B. Skalenanzeige, Ziffernanzeige). Statt der klassischen Messfühler (z. B. Thermoelement) hat man es heute zunehmend mit solchen, als Sensoren bezeichneten Messfühlern zu tun, die ein elektrisches oder elektrisch weiterverarbeitbares Signal (analog oder digital) als Information über die zu bestimmende physikalische Größe liefern und gleichzeitig zum Messinterface eines Computers oder zu elektronischen Geräteeinheiten kompatibel sind. Im Gegensatz zum reinen Zählen, das zumindest im Prinzip fehlerfrei ausgeführt werden kann, treten bei Messungen durch stets vorhandene Unzulänglichkeiten der Messgeräte, Unvollkommenheiten der Sinnesorgane und unkontrollierte äußere Ein- 2.1 Sensoren und Messgeräte flüsse immer Messabweichungen auf. Von Ausnahmen abgesehen liefern daher selbst mehrere mit der gleichen Apparatur und unter gleichen Bedingungen ausgeführte Messungen nicht das gleiche Ergebnis. Von Bedeutung ist deshalb ein vorheriges Justieren (Abgleichen) und Kalibrieren des Messgeräts, um die Messabweichungen auf Werte zu bringen, die den gerätetechnischen Möglichkeiten entsprechen. Der Vorgang des Justierens umfasst z. B. die Korrektur der Anzeige eines Messgeräts. Damit soll erreicht werden, dass der angezeigte Wert (Istwert) so gut wie möglich auf den richtigen Wert (Sollwert) korrigiert wird (z. B. Offset-Korrektur). Als Kalibrieren (Einmessen) bezeichnet man im Gegensatz dazu das Zuordnen von Werten der Messgröße zu den Anzeigen eines Messgeräts. Beim Kalibrieren wird ein Messgerät überprüft und die Abweichung zu einem bekannten (richtigen) Referenzwert oder Standard erfasst (protokolliert). Das Ergebnis einer Kalibrierung erlaubt die Schätzung der Messabweichungen des Messgeräts, der Messeinrichtung oder der Maßverkörperung oder die Zuordnung von Werten zu Teilstrichen auf beliebigen Skalen. Vielfach wird das Ergebnis einer Kalibrierung als Korrektion oder Kalibrierfaktor oder in Form einer Kalibrierkurve angegeben. Kalibrieren ist nicht gleich Eichen! Der Begriff „Eichen“ ist im offiziellen Sprachgebrauch auf das gesetzliche Messwesen beschränkt und bezeichnet amtliche Prüfungen nach dem Eichgesetz. Eine Eichung kann nur vom zuständigen Eichamt an eichfähigen Geräten durchgeführt werden. Ein digitales Messgerät besteht im Wesentlichen aus Sensor, Verstärker, A/DWandler (Analog-Digital-Wandler (ADW), auch als Analog-Digital-Converter (ADC) bezeichnet), Zähler und Digitalanzeige. Die analoge Messgröße wird erst verstärkt, danach in eine digitale Größe umgewan- 5 delt. Anschließend wird die binäre Größe in eine für die dezimale Digitalanzeige geeignete Größe umgesetzt. Zur Digitalisierung der analogen Signale werden verschiedene Grundprinzipien verwendet. Wichtige Kenngrößen eines AnalogDigital-Umsetzers sind u. a. das Auflösungsvermögen (Anhang A.4), die Nichtlinearität und die Einstellzeit. In Abb. 1 ist das Grundschema für ein digitales Messgerät dargestellt. Sensor/ analoges Signal Verstärker, Gleichrichter, Filter ADC Digitalanzeige Abb. 1 Schematische Darstellung der wichtigsten Baugruppen eines digitalen Messgeräts Moderne Digitalmultimeter messen Spannungen und Ströme neben anderen Größen (z. B. Widerstand, Frequenz, Kapazität) digital. Dabei wird der Messgröße ein Ausgangssignal zugeordnet, das ein mit einer vorgegebenen Schrittweite (Digit) quantisierter Messwert ist. Die kleinste erfassbare Änderung der Messgröße (Auflösung der digitalen Messung, auch als least significant digit (lsd) bezeichnet), ist durch die Schrittweite bestimmt. Diese liegt in der Regel zwischen 8 Bit (28 = 256 Digits) und 16 Bit (216 = 65536 Digits, Tabelle A.4.1). Der Vorteil von digitalen gegenüber den analogen Multimetern (bei ihnen wird der Messgröße ein Ausgangssignal zugeordnet, das ein eindeutiges und stetiges Abbild dieser Messgröße ist) besteht in der direkten Ablesung des Messwerts, der Messgeschwindigkeit und dem Messkomfort sowie der Speicherung, Übertragung und Weiterverarbeitung von Messwerten. Bei kommerziellen Digitalmultimetern liegen die relativen Unsicherheiten in der Größenordnung von 0,1 % bis 1,5 % des Messwerts. Bei Präzisionsgeräten werden relative Unsicherheiten von 10-4 bis 10-5 des Messbereichsendwerts erreicht. Die Ausgangssignale moderner Sensoren können mit Hilfe von Interfaceschaltungen auch direkt einem Rechner zugeführt werden. Die Aufgabe der Interfaceschaltungen besteht in Analogie zu den digitalen Messgeräten (Abb. 1) darin, das Sensorsignal vom Sensor aufzunehmen und zu verstärken, eine Signalverarbeitung durchzuführen und abschließend das analoge Signal in ein digitalisiertes Signal umzuwandeln. Die Vorteile rechnergestützter Messungen liegen im Wesentlichen in der Messung von schnellen Vorgängen, in der digitalen Speicherung und Weiterverarbeitung der Messdaten sowie in der Realisierung von Messungen über längere Zeiträume ohne persönliche Anwesenheit. Nach Speicherung und Weiterleitung der Daten können die Messwerte auch an externen Computern weiterverarbeitet werden (z. B. Modell- und Anpassungsrechnungen, Simulationen, statistische Analysen). 2.2 Graphische Darstellung und Auswertung Die während einer Messung angezeigten Werte der Messgröße sollten in der praktischen Arbeit zunächst in Form einer Tabelle in das Versuchsprotokoll aufgenommen werden, ggf. auch direkt in eine graphische Darstellung (Diagramm), wenn es sich um den funktionellen Zusammenhang zweier Größen handelt. In Diagrammen werden auf den Koordinatenachsen die Werte der Größen in Form von Skalen abgetragen. Im rechtwinkligen Koordinatensystem ist die unabhängige Variable in der Regel auf der Abszisse darzustellen. Die positiven Werte der Größen steigen vom Schnittpunkt der Achsen aus nach rechts bzw. nach oben an. In einem Polarkoordinatensystem muss der Koordinatenursprung (Winkel 0) auf der 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten waagerechten oder senkrechten Achse liegen. In diesem Fall soll die positive Richtung der Winkelkoordinaten der Drehrichtung entgegen dem Uhrzeigersinn entsprechen (vgl. Abb. O.4.3.5). Werden die Koordinatenachsen als Skalen verwendet, sind diese durch Teilstriche in Intervalle zu unterteilen. Neben den Teilstrichen sind die Werte der Größen anzugeben. Ist der Koordinatenursprung beider Skalen null, ist die Ziffer 0 nur einmal am Schnittpunkt anzugeben. Liegen die Messwerte innerhalb eines begrenzten Intervalls relativ weit entfernt vom Nullpunkt, ist es zweckmäßig, eine Darstellung mit unterdrücktem Nullpunkt zu wählen. Die Angaben der Zahlen an den Skalen erfolgt waagerecht außerhalb des Diagrammfelds, die Bezeichnung der Größen (Zeichen, Benennung, funktionelle Abhängigkeit) zweckmäßigerweise in Kombination mit der Angabe der Maßeinheit in Form eines Bruchs (Abb. 2) oder in Klammern gesetzt am Ende der Skala. U / mV 6 Einführung 1000 0 -1000 -2000 0 5 10 15 Δx / mm Abb. 2 Diagramm zur Kalibrierungskurve eines elektronischen Wegaufnehmers (Sensorspannung U, Verschiebung x, Ausgleichsgerade rot gezeichnet) Bei der Gestaltung des Diagramms ist der Maßstab so zu wählen, dass die Kurve möglichst unter einem Winkel von etwa 45° zu den Koordinatenachsen verläuft, 2.2 Graphische Darstellung und Auswertung so klein wie möglich wird. Falls die auszuwertende Gerade durch den Ursprung des Koordinatensystems verläuft, ist dieser ein festgelegter Punkt für die Konstruktion der Geraden. Größe Y um auf beiden Achsen die gleiche relative Ablesegenauigkeit zu erzielen. Ein Diagramm soll eine Benennung (Titel, Bildunterschrift) haben, die die dargestellte funktionelle Abhängigkeit erläutert. In den meisten Fällen erhält man in einem Experiment die gesuchte Größe nicht direkt, sondern muss sie durch mehr oder weniger umfangreiche Rechnungen aus den Messwerten bzw. durch Auswertung geeignet gewählter graphischer Darstellungen ermitteln. Bevor mit der Rechnung begonnen wird, muss man sich über die dabei erforderliche Genauigkeit klar werden. Sie ist in jedem Fall so zu wählen, dass die Messunsicherheit (Abschn. 3), die durch die experimentellen Bedingungen bestimmt wird, sich durch die Rechnung nicht vergrößert. Oft wird es bei den Auswertungen im Praktikum darum gehen, die Abhängigkeit der Messdaten x und y von zwei Messgrößen X und Y linear zu beschreiben, d. h., sie genügen einer Gleichung vom Typ Y = A + B X. Um die Werte a und b der beiden Geradenparameter A und B zu bestimmen, versucht man rechnerisch oder graphisch deren bestmögliche Werte (abest, bbest) zu ermitteln. Der rechnerische Weg basiert auf der Methode der linearen Regression, die voneinander unabhängige und zufällig streuende Messwerte voraussetzt. Eine einfache graphische Bestimmung der Geradenparameter bietet die Methode des graphischen Ausgleichs, bei der man die Gerade so über die Messpunkte legt, dass diese eine bestmögliche Anpassung erreicht. Für das Einzeichnen der bestmöglichen Geraden, auch Ausgleichsgerade genannt, in das Diagramm gibt es einige einfache praktische Regeln: Man verwendet z. B. ein durchsichtiges Lineal, um beim Einzeichnen der bestmöglichen Geraden im Mittel die Summe der Abweichungen zwischen den Messpunkten unter- und oberhalb der Geraden auszugleichen. Dadurch erreicht man, dass die Summe der Abweichungen 7 P2 yS abest PS Ausgleichsgerade P1 0 xS Größe X Abb. 3 Darstellung von zwei Größen X und Y zur Ermittlung der Parameter der Ausgleichsgeraden Die Lage des Punkts PS in Abb. 3 ergibt sich aus den arithmetischen Mittelwerten x xS und y yS der x- und y-Werte. Der Schnittpunkt der Ausgleichsgeraden mit der Y-Achse bei x = 0 bestimmt den Wert abest. Den Anstieg bbest erhält man z. B. mit zwei geeignet gewählten Punkten P1(x1, y1) und P2(x2, y2) auf der in Abb. 3 eingezeichneten Ausgleichsgeraden: bbest y y2 y1 . x x2 x1 Es ist insbesondere für die Abschätzung von Unsicherheiten bei der graphischen Auswertung von Vorteil, die Messabweichungen der einzelnen Messwerte z. B. in Form von Fehlerbalken einzuzeichnen (Abb. 4). Um die Unsicherheit des Anstiegs der Geraden zu ermitteln, verwendet man die in Abb. 4 markierten Punkte P1,min und P1,max sowie P2,min und P2,max. Aus der Differenz der Werte für den größten und den kleinsten Anstieg wird man in der Regel einen guten Schätzwert für die Unsicherheit des Anstiegs bbest erhalten. 8 Einführung P2.max P2.min PS P1.max Ausgleichsgerade P1.min 1 , Y ln sowie den GeradenparameT tern A ln 0 und B EA / R . len X η / 10-3 kg m-1 s-1 Größe Y 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten 0,8 0,6 Größe X 0,4 Abb. 4 Graphische Darstellung einer Gerade mit Fehlerbalken für die x- und y-Messwerte, Punkte P2.max und P1.min bestimmen den größtmöglichen Anstieg Beispiel: Die Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität (Abb. 5) in Flüssigkeiten lässt sich in einem begrenzten Temperaturbereich durch eine Exponentialfunktion beschreiben: EA . RT = 0 exp Dabei sind T die absolute Temperatur, EA die molare Aktivierungsenergie, 0 eine Materialkonstante und R die allgemeine Gaskonstante. Die Überführung in eine Geradengleichung vom Typ Y = A + B X durch Logarithmieren E 1 mit den Variabergibt ln ln 0 A R T 320 340 360 T/K Abb. 5 Diagramm zur Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität einer Flüssigkeit Trägt man ln über der reziproken absoluten Temperatur auf (Abb. 6), lässt sich graphisch die Ausgleichsgerade ermitteln. ln ( η / Pa s ) Wenn der theoretisch zu erwartende Zusammenhang nichtlinear ist, so wird es doch oft möglich sein, diesen durch geeignete mathematische Transformationen in eine Geradengleichung zu überführen. In solchen Fällen ist manchmal auch die Verwendung von speziellem Koordinatenpapier (Funktionspapier) mit geeigneten Unterteilungen (z. B. einfach- oder doppeltlogarithmisch; Ordinate logarithmisch, Abszisse reziproke absolute Temperatur T) von Vorteil, bzw. man erstellt die graphische Darstellung mit einer geeigneten Software. 300 0,0 P2 -0,5 -1,0 P1 0,0028 0,0030 0,0032 1/T /1/K Abb. 6 ln -1/T-Diagramm zur Auswertung der Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität, Ausgleichsgerade rot, Punkte P1 und P2 sind Bezugswerte für die Anstiegsbestimmung Zu beachten sind dabei die Maßeinheiten, die Skaleneinteilung und die Größe der logarithmischen Einheit. Mit zwei ausreichend weit voneinander entfernt liegenden Punkten P1 ( 1, T1 ) und P2 ( 2 , T2 ) , die auf der Ausgleichsgeraden liegen, kann der 2.3 Ausgleichsrechnung (lineare Regression) Wert der molaren Aktivierungsenergie EA mit Hilfe der Gleichung E 1 1 ln 1 = A bestimmt werden. 2 R T1 T2 2.3 Ausgleichsrechnung (lineare Regression) Soll ein linearer Graph mathematisch analysiert werden bzw. ist die Festlegung des linearen Graphen wegen der Streuung der Messwerte nicht ohne weiteres möglich, erfolgt die Bestimmung der Geradenparameter mit Hilfe der Ausgleichsrechnung. Damit kann man bestmögliche Schätzwerte (Erwartungswerte) ermitteln. Im Fall eines linearen Zusammenhangs y = + x (1) besteht die Aufgabe darin, die Bestwerte (Mittelwerte) und für und zu finden. Unter Beachtung der Tatsache, dass im Experiment die Einflussgrößen xi häufig vorgegeben und die zugehörigen Zielgrößen yi mit zufälligen Messabweichungen behaftet sind, gilt yi = yi yi 0 (i 1, ..., n) , (2) d. h., Messwert yi und Schätzwert yi der Zielgrößen stimmen nicht überein. Zur Berechnung von und wird in der Regel die so genannte Gauß’sche Methode der kleinsten Quadrate verwendet, wonach die Summe der Quadrate der Abweichungen yi ein Minimum werden soll: n F ( , ) = ( yi xi ) 2 min . (3) i 1 Die notwendigen Bedingungen für ein Minimum lauten F F 0 . (3a) 9 Daraus ergeben sich zwei lineare Gleichungen (Normalgleichungen) mit den Lösungen xy x y xx x x = (4) bzw. = y x y xx xy x . xx x x (5) Die arithmetischen Mittelwerte sind definiert durch x= 1 n 1 n , x y = i yi , n i 1 n i 1 xy = 1 n 1 n xi yi , xx = xi xi . n i 1 n i 1 (6a) (6b) Den Anstieg der Ausgleichsgeraden bezeichnet man auch als Regressionskoeffizienten. Die Ermittlung der Unsicherheiten für die Geradenparameter und der Ausgleichsgeraden wird in Abschn. 3.2.3 beschrieben. Das Problem der Kurvenanpassung ist nicht beschränkt auf die bisher betrachtete Bestimmung der Ausgleichsgeraden bei linearen Zusammenhängen. Lässt sich z. B. eine Größe mit Hilfe eines Polynoms y = 0 1 x 2 x 2 ... n x n (7) darstellen, kann die Bestimmung der Regressionskoeffizienten 0, β1, …, βn in analoger Weise über die Lösung einer entsprechend größeren Zahl von Normalgleichungen erfolgen. Die Software für Kurvenanpassungen für eine Vielzahl anderer nichtlinearer Anpassungen mit Hilfe der in den Praktika vorhandenen Rechner steht heute im Allgemeinen zur Verfügung. Dabei werden in der Regel auch die Standardabweichungen der betreffenden Anpassungsparameter (Fit-Parameter) berechnet. 10 Einführung 3 Messunsicherheit Die Frage nach der Genauigkeit eines Messwerts oder eines Messergebnisses ist nur im Zusammenhang mit einer genauen Analyse der verwendeten Messverfahren und Messmethoden zu beantworten. Nach der deutschen Norm DIN 1319-3 wurde der traditionelle Begriff Messfehler durch den Begriff Messabweichung (Kurzform Abweichung) ersetzt. In den folgenden Abschnitten werden in kurzen Darstellungen die auf dieser DIN basierenden Regeln für die zahlenmäßige Erfassung der Messunsicherheit einer physikalischen Messgröße vorgestellt. Diese oft als „Abschätzung der Messunsicherheit“ beschriebene Methode wird umgangssprachlich auch noch häufig als „Fehlerrechnung“ bezeichnet. Bei der Angabe eines Messergebnisses ist in jedem Falle die Mitteilung der Messunsicherheit erforderlich, deren Größe bei Messungen im Physikpraktikum von unbekannten systematischen (im Folgenden kurz als systematische Abweichungen bezeichnet) und zufälligen Messabweichungen bestimmt ist. Das Messergebnis, d. h., der Messwert einer Einzelmessung oder der Mittelwert einer Messreihe, enthält den korrigierten Wert (Abschn. 3.1) verbunden mit einem Intervall, in dem vermutlich der Erwartungswert der Messgröße liegt. Die Differenz zwischen der oberen Grenze dieses Intervalls und dem korrigierten Wert bzw. die Differenz zwischen dem korrigierten Wert und der unteren Grenze dieses Intervalls nennt man Messunsicherheit (Symbol u). In der Regel haben die beiden Differenzen den gleichen Wert. Das Messergebnis wird dann in der Form „Ergebnis Messunsicherheit“ angegeben. Bei wissenschaftlichen Experimenten wird man immer bestrebt sein, die systematischen Abweichungen durch modernste Messtechniken und Messverfahren weitestgehend auszuschließen. 3 Messunsicherheit Ergänzend werden Hinweise auf die in der internationalen Metrologie üblichen Empfehlungen zur Ermittlung von Messunsicherheiten nach dem „Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen“ („Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement“, kurz „ISO-GUM“, ISO International Organization of Standardization) und des nationalen Metrologieinstituts der USA (National Institut of Standards and Technology, kurz NIST) sowie der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (kurz PTB) gegeben. In diesen Empfehlungen werden zwei Typen von Messunsicherheiten unterschieden, Typ A und Typ B. Systematische Abweichungen werden in diesem Leitfaden nicht mehr berücksichtigt. Unsicherheiten vom Typ A beziehen sich auf mehrfach wiederholte Messungen von Zufallsmessgrößen (z. B. die Standardabweichung als Standardunsicherheit, Abschn. 3.2.1) und können mit statistischen Methoden berechnet werden. Die Messunsicherheiten vom Typ B stammen aus anderen Quellen. Sie können nicht durch mehrfach wiederholte Messungen ermittelt werden. Für ihre wissenschaftliche Beurteilung sind alle verfügbaren Informationen über mögliche Abweichungen bei der Erfassung der Messwerte zu berücksichtigen. Dazu zählen u. a. die Erfahrung oder allgemeines Wissen über das Verhalten oder die Eigenschaften der relevanten Materialien, Phänomene und Instrumente, Spezifikationen und Herstellerangaben, Daten aus Kalibrierungs- oder anderen Zertifikaten und Informationen über Unsicherheiten, die entsprechenden Handbüchern entnommen werden können. Für die im Weiteren behandelten exemplarischen Beispiele werden für die Abschätzung der Messunsicherheiten auch systematische Abweichungen berücksichtigt, da diese bei den im Praktikum verwendeten Messmethoden und -verfahren nicht in jedem Falle vernachlässigt werden können. 2.0 Grundlagen 43 molare Masse M aus dem Anstieg (d ρ / d p) der Ausgleichsgeraden bestimmt werden: ⎛ dρ ⎞ M = RT ⎜ ⎟ . ⎝dp⎠ (56) Die Anlage ist zu Beginn der Messung mit einer Vakuumpumpe zu evakuieren, um Restgase aus vorherigen Messungen zu entfernen. Dazu sind die Hähne H1 und H3 geschlossen zu halten. Nach dem Evakuieren sind Hahn H2 zu schließen und die Vakuumpumpe abzuschalten. Für die Messung mit Luft kann über Hahn H1 nun Luft bis zum gewünschten Druck eingelassen werden. Bei der Messung mit dem Versuchsgas bleiben das Einstell-( EV) und das Reduzierventil (RV) zunächst geschlossen. Das Flaschenventil (FV) an der Druckgasflasche (GF) wird um eine viertel Umdrehung geöffnet. Durch Öffnen des Reduzierventils wird ein geringer Überdruck eingestellt. Anschließend ist die Schlauchverbindung zwischen dem Einstellventil und dem Hahn H3 herzustellen. Zum Durchspülen der Anlage wird über den Hahn H3 bei geöffnetem Hahn H1 das Versuchsgas durch Öffnen des Einstellventils EV in die Anlage geleitet. Der Hahn H2 ist dabei geschlossen. Der Spülvorgang wird beendet, indem man zuerst das Flaschenventil und nach Abbau des Überdrucks anschließend die Hähne H1 und H3 sowie Einstell- und Reduzierventil schließt. Durch diese Maßnahmen erreicht man, dass der Druck des Versuchsgases in der Anlage dem äußeren Luftdruck entspricht. Soll die Messung bei niedrigerem Druck erfolgen, lässt sich mit der Vakuumpumpe VP nach vorheriger Öffnung von Hahn H2 ein Teil des Versuchsgases aus dem Messraum auspumpen. Dies ist mit dem Druckmessgerät zu kontrollieren. Nach Schließen des Hahns H2 kann mit der Messung beim eingestellten Druck begonnen werden. Nach Abschluss der Messungen ist die gesamte Anlage durch Öffnen der Hähne H1, H2 und H3 zu belüften. 2 Schwingungen 2.0 Grundlagen Schwingungen sind zeitlich periodische Vorgänge. Das einfachste Beispiel ist der lineare harmonische Oszillator (Federschwinger), andere, im Rahmen dieses Buches behandelte mechanische Systeme sind das mathematische und das physikalische Pendel, der Drehtisch, das Torsionspendel sowie das Drehpendel. 2.0.1 Bewegungsgleichungen Bei einer mechanischen Schwingung finden Energieumwandlungen von potentieller in kinetische Energie statt. Bei vernachlässigbarer Reibung bleibt dabei die Amplitude x̂ der Schwingung konstant (ungedämpfte Schwingung), und es gilt die Bewegungsgleichung m d2 x + cx = 0 d t2 (1) bzw. d2 x + ω02 x = 0 2 dt (1a) mit der Eigenkreisfrequenz (Kennkreisfrequenz) der ungedämpften Schwingung ω0 = c . m (2) In Gl. (2) bezeichnet m die Masse des schwingenden Systems und c die Federkonstante. Die momentane Auslenkung (Elongation) x(t) ergibt sich als Lösung von Gl. (1a): x ( t ) = xˆ cos (ω0 t + ϕ 0 ) . (3) In Gl. (3) ist ϕ0 der Phasenwinkel zur Zeit t = 0. In analoger Weise stellt auch die entsprechende Sinusfunktion eine Lösung der Differentialgleichung (1a) dar. 2 Schwingungen 44 Mechanik Bei nicht vernachlässigbarer Reibung wird die Schwingungsenergie zunehmend in Wärme umgewandelt. Für die dann gedämpfte Schwingung lautet die Bewegungsgleichung d2 x dx m 2 +r +cx =0 dt dt (4) bzw. ωr = ω 02 − 2 δ 2 . 2 d x dx + 2δ + ω02 x = 0 . 2 dt dt (4a) Die Größe δ = r/2m wird als Dämpfungskonstante bezeichnet. Eine Lösung der Gl. (4a) (siehe Anhang A.2) wird durch Gl. (5) gegeben: x ( t ) = xˆ e −δ t cos (ω t + ϕ0 ) . (5) Dabei ist ω = ωd die Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung: ωd = ω02 − δ 2 . (6) Bei sehr großer Dämpfung ( δ 2 >> ω02 ) kommt keine Schwingung zustande; der Körper kehrt nach der Anfangsauslenkung langsam in die Ruhelage zurück (Kriechfall). Wirkt auf ein schwingungsfähiges System mit der Eigenkreisfrequenz ω0 eine äußere periodische Kraft F = F0 cos ω t , werden erzwungene Schwingungen beobachtet. In diesem Fall lautet die Bewegungsgleichung d2 x dx + r + cx = F0 cos ω t , 2 dt dt (7) F d2 x dx + 2δ + ω02 x = 0 cos ω t . 2 dt dt m (7a) m Eine Lösung dieser Gleichung lautet x (t ) = F0 m cos (ω t − θ ) (ω 2 0 −ω ) 2 2 Die Größe θ ist die Phasenverschiebung zwischen der erzwungenen und der Erregerschwingung. Nach dem Einschwingvorgang wird das schwach gedämpfte, schwingungsfähige System mit der vom Erreger erzwungenen Frequenz schwingen und die entsprechende Eigenkreisfrequenz ist + 4δ ω 2 . 2 (8) (9) Hat die Kosinusfunktion in Gl. (8) den Wert eins; ergibt sich die frequenzabhängige Amplitude A(ω). Diese wird durch den Betrag der Erregerkraft, die Differenz zwischen den Frequenzen ω und ω0 sowie die Dämpfungskonstante bestimmt, so dass gilt: A(ω ) = F0 m 1 (ω 02 − ω 2 ) + (2δ ω )2 2 . (10) In den folgenden Beispielen (außer Drehpendel, M.2.3) werden nur Systeme mit vernachlässigbarer Dämpfung betrachtet. Ein physikalisches Pendel (Abb. M.2.0.1) ist ein starrer Körper mit einer fest vorgegebenen Drehachse (A), die nicht durch den Massenmittelpunkt des Körpers geht. Nach einer Auslenkung führt das Pendel unter dem Einfluss der Schwerkraft Schwingungen um seine Ruhelage aus. In den folgenden Überlegungen wird vorausgesetzt, dass die Reibung im Achsenlager vernachlässigbar klein ist. Der senkrechte Abstand des Massenmittelpunkts (S) eines Körpers (K) von der Drehachse (A) soll mit sA bezeichnet werden (Abb. M.2.0.1). Ein beliebiges Massenelement dm habe den senkrechten Abstand r von der Drehachse. Zwischen r und sA sei der konstante Winkel α. Bildet sA mit der Vertikalen den Winkel ϕ, lautet die Bewegungsgleichung für das Massenelement dm r d 2ϕ = −dm g sin (α + ϕ ) . dt2 (11) 2.0 Grundlagen 45 Durch Multiplikation von Gl. (11) mit dem Kraftarm r und Integration über den gesamten Körper erhält man die Gleichung für das resultierende Drehmoment d 2ϕ 2 ∫ dt 2 r dm = − g K∫ r sin (α + ϕ ) dm . (11a) K ms g d 2ϕ = − A sin ϕ . 2 dt IA (14) Die Größe y DA = m sA g K x sA r α ϕ S dm sB ϕ α+ in( ) dm gs ml dm g B Da der Körper starr sein soll, ist die Winkelbeschleunigung d 2ϕ / d t 2 für alle Massenelemente gleich und kann vor das Integral geschrieben werden. Die Größe (12) K ist das Trägheitsmoment des Körpers in Bezug auf die Drehachse. Die Einheit des Trägheitsmomentes ist kg m2. Nach der Definition des Massenmittelpunkts gilt ∫ r sin (α + ϕ ) d m = ∫ x d m K = m xS = m sA sin ϕ , d 2ϕ = −m g sin ϕ dt 2 d 2ϕ g = − sin ϕ . 2 dt l Abb. M.2.0.1 Physikalisches Pendel I A = ∫ r 2 dm (15) hat die Dimension eines Drehmoments und wird als Direktions- oder Richtmoment des Pendels bezeichnet. Das mathematische Pendel stellt eine Idealisierung dar. Man denkt sich die gesamte Masse im Massenmittelpunkt vereinigt und sieht die Bindung an die Drehachse als „masselos“ an. Dieser Idealisierung entspricht näherungsweise das Fadenpendel, das aus einer Metallkugel besteht, die an einem dünnen Faden der Länge l aufgehängt ist. Die Bewegungsgleichung des mathematischen Pendels lautet x xS A K wobei m die Masse des Pendels ist. Mit den Gln. (12) und (13) folgt aus Gl. (11a) die Bewegungsgleichung des physikalischen Pendels (13) bzw. (16) Die Gln. (14) und (16), deren Lösung elementar nicht möglich ist, vereinfachen sich für kleine Auslenkungen ϕ < 5 ° : ms g d 2ϕ =− A ϕ, 2 dt IA d 2ϕ g =− ϕ. 2 l dt (14a) (16a) In den Gln. (14a) und (16a) wurde der Sinus durch das Argument ersetzt. [Die bisherigen Betrachtungen gelten nur für Bewegungen im Vakuum. Schwingt das Pendel in Luft (Dichte ρL), ist der Auftrieb (Gl. (M.1-2)) zu 2 Schwingungen 46 Mechanik berücksichtigen. Die rücktreibende Kraft auf ein Massenelement hat dann den Betrag ⎛ ρL ⎞ ⎟ sin (α + ϕ ) ⎝ ρ ⎠ und an die Stelle der Gl. (11a) tritt dm g ⎜ 1 − dϕ 2 ∫ dt K 2 ⎛ ρ ⎞ r 2 dm = − g ∫ ⎜1 − L ⎟ r sin (α + ϕ ) dm . ρ ⎠ K ⎝ Setzt sich das Pendel aus N homogenen Teilkörpern Ki zusammen, deren Massenmittelpunkte Si auf einer die Drehachse (A) schneidenden Geraden liegen und deren Massen bzw. Dichten mit mi bzw. ρi (i = 1, 2,..., N) bezeichnet werden sollen, ergibt sich N ⎛ ρ d 2ϕ 2 ⎜1 − L ∫K d t 2 r dm = − g ∑ ρi i =1 ⎜ ⎝ ⎞ ⎟ ∫ r sin (α + ϕ ) dm ⎟K ⎠ i oder IA N ⎛ ρ d 2ϕ − = − g ∑ ⎜1 − L 2 dt ρi i =1 ⎝ ⎞ ⎟ mi sAi sin ϕ . (14b) ⎠ Hierbei ist sAi der Abstand des Massenmittelpunktes des i-ten Teilkörpers von der Drehachse. Die Berücksichtigung des Auftriebs bedeutet also in diesem Falle: Man ersetzt in Gl. (14) sowie in den daraus gewonnenen Gln. (14a) und (22) den Ausdruck m sA durch ⎛ ρL ⎜1 − ∑ ⎜ ρi i =1 ⎝ N ⎞ ⎟ mi sA i . ⎟ ⎠ (17) Haben alle Teile des Pendels die gleiche Dichte ρ, dann vereinfacht sich Gl. (17) zu ⎛ ρ ⎞ m sA ⎜1 − L ⎟ . ] ρi ⎠ ⎝ (17a) Unter einem Drehtisch versteht man einen starren Körper, der um eine vertikale Achse gedreht werden kann. Bindet man dieses System durch eine Spiralfeder an eine Ruhelage, führt es nach einer Auslenkung Schwingungen aus. Wenn die elastischen Deformationen der Feder hinreichend klein sind, kann man das rücktreibende Drehmo- ment der Auslenkung ϕ proportional setzen. Bei Vernachlässigung der Reibung im Achsenlager lautet die Bewegungsgleichung d 2ϕ D =− ϕ. 2 dt I (18) Dabei ist I das Trägheitsmoment des Drehtisches um die vorgegebene Achse, und der Proportionalitätsfaktor D ist das Direktionsmoment (Richtmoment) der Feder. Ein Torsionspendel ist ein starrer Körper, der z. B. an einem Draht oder einem Band aufgehängt ist. Nach einer Verdrillung des Drahts bzw. Bands führt das Torsionspendel Drehschwingungen aus. Für sehr kleine Scherwinkel kann man annehmen (Gl. (M.3-26)), dass das rücktreibende Drehmoment der Auslenkung aus der Ruhelage proportional ist. Die Bewegung des Torsionspendels wird daher auch durch Gl. (18) beschrieben. Die Bewegungsgleichungen (14a), (16a) und (18) sind homogene Differentialgleichungen 2. Ordnung: d 2ϕ = −ω 2ϕ . 2 dt (19) Die vollständige mathematische Lösung enthält zwei Integrationskonstanten (c1, c2): ϕ = c1 cos ω t + c2 sin ω t , (20) die aus den Anfangsbedingungen zu bestimmen sind (Anhang A.2). Dem Versuchsbeginn entsprechen ϕ = ϕ0 und d ϕ / d t = 0 für t = 0 . Damit lautet Gl. (20) ⎛ ⎝ t ⎞ ⎠ ϕ = ϕ0 cos ω t = ϕ0 cos ⎜ 2π ⎟ . T (20a) T ist die Schwingungsdauer bei sehr kleinen Auslenkungen bzw. bei geringen elastischen Deformationen. Wenn man die Schwingungsdauer messen will, wählt man den Augenblick als Anfang der Zeitmessung, in dem das Pendel die 2.0 Grundlagen 47 maximale Geschwindigkeit hat, d. h., es ist ϕ = 0, dϕ ⎛ dϕ ⎞ =⎜ ⎟ . dt ⎝ dt ⎠max Dann ist ϕ= ⎛ dϕ ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ dt ⎠max ω sin ω t = ϕ0 sin ω t (20b) ⎛ t⎞ = ϕ0 sin ⎜ 2π ⎟ . ⎝ T⎠ Durch Einsetzen von Gl. (20a) oder (20b) in die Gln. (16a), (14a) bzw. (18) findet man für das Fadenpendel T = 2π l , g 2.0.2 Satz von Steiner Das Trägheitsmoment eines starren Körpers bezogen auf die Drehachse (A) ist gleich dem Trägheitsmoment bezogen auf die durch den Massenmittelpunkt gehende, zur Drehachse parallele und durch den Schwerpunkt des Körpers verlaufende Achse (S), vermehrt um das Produkt aus der Masse des Körpers und dem Quadrat des senkrechten Abstands der beiden Achsen. Zum Beweis dieses Satzes betrachtet man den in Abb. M.2.0.2 dargestellten ebenen Schnitt durch den Körper. y (21) r' A sA für das physikalische Pendel T = 2π IA m sA g I . D Die mathematische Behandlung der Gln. (14) und (16) liefert für die Schwingungsdauer 2 2 ⎤ ⎛ 1⋅ 3 ⎞ 4 ϕ0 + ...⎥ . ⎜ ⎟ sin 2 ⎝ 2⋅4 ⎠ ⎥⎦ (24) x Abb. M.2.0.2 Zum Satz von Steiner Der Ursprung des Koordinatensystems x, y, z (die z-Achse stimmt mit der Schwerpunktachse überein) soll im Massenmittelpunkt des Körpers liegen. Nach dem Kosinussatz gilt r 2 = r ′2 + sA2 + 2sA r ′ cos β = r ′2 + sA2 + 2sA x . Dann ist das Trägheitsmoment des Körpers in Bezug auf die Drehachse A I A = ∫ r 2 dm = ∫ r ′2 dm + sA2 ∫ dm + K Für T ist beim Fadenpendel Gl. (21) und beim physikalischen Pendel Gl. (22) einzusetzen. Wenn die Amplitude ϕ0 kleiner als 0,1 (d. h. kleiner als 5°) ist, gilt in sehr guter Näherung 1 ⎛ ⎞ T ′ = T ⎜1 + ϕ 02 ⎟ . 16 ⎝ ⎠ x (22) (23) ⎡ ⎛1⎞ ϕ T ′ = T ⎢1 + ⎜ ⎟ sin 2 0 + 2 ⎢⎣ ⎝ 2 ⎠ β S und für den Drehtisch oder das Torsionspendel T = 2π dm r (24a) K K + 2 s A ∫ x dm , K und wegen ∫ x dm = x S m = 0 erhält man K I A = I S + m sA2 . (25) 2 Schwingungen 48 Mechanik 2.0.3 Reduzierte Pendellänge Ein physikalisches Pendel hat die gleiche Schwingungsdauer wie ein mathematisches Pendel der Fadenlänge lA = IA . m sA (26) Dabei ist die Größe lA die der Achse A entsprechende reduzierte Pendellänge. Gegeben sei ein physikalisches Pendel mit den parallelen Drehachsen A und B (Abb. M.2.0.1). Der Massenmittelpunkt soll auf der Geraden von A nach B liegen, und der Achsenabstand sei l = sA + sB . Es soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen die Schwingungsdauern um diese beiden Achsen übereinstimmen. Aus TA = 2π IA l = 2π A bzw. m sA g g TA = 2π IB = TB m sB g folgt bei Verwendung des Steiner’schen Satzes I 1 I S + m ( l − sA ) lA = B = m sB m ( l − sA ) = lA = I A + ml 2 − 2 ml sA m ( l − sA ) 2 , mlA sA + ml 2 − 2 ml sA m ( l − sA ) oder l 2 − ( lA + 2 sA ) l + 2 lA sA = 0 (27) Die quadratische Gleichung (27) kann als ( l − lA )( l − 2 sA ) = 0 (28) geschrieben werden. Ist l ≠ 2 sA , muss l = lA sein, d. h., der Achsenabstand, bei dem die Schwingungsdauern gleich sind, ist gleich der reduzierten Pendellänge. Für l = 2 lA, d. h., der Massenmittelpunkt halbiert die Verbindungslinie der beiden Achsen, ist der Schluss l = lA jedoch falsch. 2.1 Fadenpendel Aufgabenstellung Die Schwerebeschleunigung g ist mit dem Fadenpendel zu bestimmen. Die relative Messunsicherheit des Ergebnisses soll 1 % nicht überschreiten. Eine Metallkugel hängt an einem dünnen Faden vor einer Spiegelskala mit einer Millimeterteilung. Der Nullpunkt des Maßstabs soll mit der Drehachse übereinstimmen. Die Fadenlänge l ist der Abstand der Drehachse vom Mittelpunkt der Kugel. Regt man das Pendel zu Schwingungen kleiner Amplitude an (ϕ < 5°), liefert Gl. (21) den Zusammenhang zwischen der Schwingungsdauer T, der Fadenlänge l und der Schwerebeschleunigung g: 2 ⎛2π⎞ g=⎜ ⎟ l . ⎝ T ⎠ (29) Das Fadenpendel ist streng genommen ein physikalisches Pendel, das in einem materiellen Medium (Luft) schwingt. Es empfiehlt sich zu prüfen, ob die verschiedenen Vernachlässigungen tragbar sind, die man bei der Verwendung der Gleichungen für ein im Vakuum schwingendes mathematisches Pendel macht. Das Trägheitsmoment I des Pendels setzt sich additiv aus dem der Kugel IK und dem des Fadens IF zusammen. Da das Trägheitsmoment einer homogenen Kugel mit dem Radius R und der Masse mK bezogen auf eine durch den Kugelmittelpunkt gehenden Achse I 0 = (2 / 5) mK R 2 ist, erhält man nach Gl. (25) 2.2 Reversionspendel 49 ⎡ 2 ⎛ R ⎞2 ⎤ 2 I K = mK l 2 + mK R 2 = mK l 2 ⎢1 + ⎜ ⎟ ⎥ . 5 ⎣⎢ 5 ⎝ l ⎠ ⎦⎥ Das Trägheitsmoment IF des Fadens der Länge lF und der Masse mF bezogen auf die 1 gegebene Drehachse ist I F = mF l 2 . Damit 3 folgt mit I = I K + I F und lF ≈ l ⎡ 2 ⎛ R ⎞ 2 1 mF ⎤ I = mK l ⎢1 + ⎜ ⎟ + ⎥. ⎢⎣ 5 ⎝ l ⎠ 3 mK ⎥⎦ 2 (30) Bezeichnet man die Dichte der Kugel mit ρK und die des Fadens mit ρF, folgt nach Gl. (14b) I d 2ϕ = − g mK l sin ϕ ⋅ dt2 (31) ⎞⎤ ⎟⎥ . ⎠⎦ Setzt man I gemäß Gl. (30) in Gl. (31) ein und beschränkt die Betrachtungen auf sehr kleine Auslenkungen, erhält man mit ⎡ ρ L 1 mF ⎛ ρL + ⎜1 − ⎢1 − ⎣ ρK 2 mK ⎝ ρ F 2 2 ⎛ R ⎞ 1 mF 1+ ⎜ ⎟ + 5 ⎝ l ⎠ 3 mK l∗ = l ⎡ρ 1 mF ⎛ ρ L ⎞ ⎤ 1− ⎢ L − ⎜1 − ⎟⎥ ⎣ ρ K 2 mK ⎝ ρ F ⎠ ⎦ die Differentialgleichung Die Länge l des Fadenpendels ermittelt man aus der Länge des Fadens lF und dem Radius R der Kugel : l = lF + R. Beide Größen lassen sich mit hinreichender Genauigkeit mit mechanischen Messmitteln bestimmen. Zur Messung der Schwingungsdauer T werden eine Lichtschrankenanordnung und ein Digitalzähler verwendet. Bei manueller Zeitmessung mit einer elektronischen Stoppuhr misst man mehrmals die Zeit für 100 Schwingungen. Der Versuch ist bei verschiedenen Fadenlängen (li, i = 1, …, n) zu wiederholen. Die Berechnung von g erfolgt mit Hilfe von Gl. (29). Da die Messungen bei großen Fadenlängen genauer als die bei kleinen sind, bestimmt man den gewichteten Mittelwert g= l1 g 1 + l2 g 2 + ... + ln g n l1 + l2 + ... + ln . Es ist nachzuweisen, dass die Verwendung von Gl. (29) anstelle von Gl. (32) zur Bestimmung von g gerechtfertigt ist. Dazu berechnet man den Wert in den eckigen Klammern in Gl. (32) und ermittelt dessen relative Abweichung zu 1. 2.2 Reversionspendel Aufgabenstellung d 2ϕ g =− ∗ ϕ . 2 dt l Für die Schwerebeschleunigung gilt daher Gl. (29) mit l* statt l. Da (R/l)2, mF/mK, ρL/ρK und ρL/ρF sehr klein gegen eins sind, sollen alle Produkte solcher Ausdrücke vernachlässigt werden. In dieser Näherung ist 2 2 ⎛ 2π ⎞ ⎡ 2 ⎛ R ⎞ g = ⎜ ⎟ l ⎢1 + ⎜ ⎟ ⎝ T ⎠ ⎢⎣ 5 ⎝ l ⎠ ρ 1 mF ⎤ + L − ⎥ . ρ K 6 mK ⎦ Versuchsausführung (32) 1. Die Schwerebeschleunigung g ist mit dem Reversionspendel zu bestimmen. Die relative Messunsicherheit von g soll kleiner als 0,1 % sein. 2. Die Abhängigkeit der Schwingungsdauer T ′ vom Auslenkwinkel ϕ0 ist mit dem Reversionspendel bei einer festen Lage des Laufgewichts experimentell zu ermitteln, um die Gültigkeit von Gl. (24a) nachzuweisen. Das Reversionspendel besteht im Allgemeinen aus einem Metallstab, der um zwei parallele Achsen A und B gedreht werden kann. Die Achsen haben den fest vorgegebenen Abstand l (Abb. M.2.2.1). Zwischen den 2 Schwingungen 50 Mechanik y K A (33) S0 S TA = TB = T , l Dabei soll mit sA der Abstand des Massenmittelpunkts S des Pendels von der Drehachse A bezeichnet werden. Wenn bei einer bestimmten Stellung x des Laufgewichts die Schwingungsdauer um die Achse A gleich der um die Achse B ist, entspricht der Achsenabstand l der reduzierten Pendellänge. Setzt man x 0 < sA < l / 2 . Eine analoge Beziehung gilt für die tatsächliche Schwingungsdauer um die Achse B. Im Experiment wird TA* = TB* = T * bestimmt. s0 sA Achsen befindet sich ein kleines Laufgewicht L der Masse mL. Durch Verschieben von L lässt sich die Schwingungsdauer des Pendels innerhalb gewisser Grenzen variieren. In der Nähe eines der Stabenden ist ein Zusatzkörper K (Masse mK) angebracht. Wenn mK hinreichend groß gegen mL ist, kann man den Abstand y so wählen, dass für jede mögliche Lage des Laufgewichts (0 < x < l ) gilt: L (34) B gilt für die Schwerebeschleunigung 2 ⎛ 2π ⎞ g =⎜ ⎟ l. ⎝T ⎠ (35) Die bisherigen Betrachtungen gelten streng für ein im Vakuum schwingendes Pendel, dessen Amplitude unendlich klein ist. In Wirklichkeit schwingt das Pendel in Luft mit endlicher Amplitude. Nimmt man an, dass das Pendel ein homogener Körper ist, d. h., dass alle Teile des Pendels die gleiche Dichte ρ haben, wird die Pendelbewegung durch Gl. (14b) mit N = 1 beschrieben. Aus den Gln. (24a) und (22) in Verbindung mit Gl. (17a) folgt für die tatsächliche Schwingungsdauer um die Achse A TA* = 2π IA 1 2⎞ ⎛ ⎜1 + ϕ0 ⎟ , ⎛ ρ ⎞ ⎝ 16 ⎠ m sA g ⎜ 1 − L ⎟ ρ ⎠ ⎝ −1 ρ ⎞ 1 ⎛ ⎞⎛ = TA ⎜1 + ϕ02 ⎟ ⎜⎜ 1 − L ⎟⎟ . ρ ⎠ ⎝ 16 ⎠ ⎝ Abb. M.2.2.1 Reversionspendel Dann gilt Gl. (34) mit T = T* 1− ρL ρ −1 1 2⎞ ⎛ ⎜1 + ϕ0 ⎟ . ⎝ 16 ⎠ (36) Setzt man T nach Gl. (36) in Gl. (35) ein, ergibt sich für die Schwerebeschleunigung 2 1 ⎛ ⎞ 1+ ϕ2 ⎛ 2π ⎞ ⎜⎝ 16 0 ⎟⎠ g =⎜ ∗ ⎟ l . ρL ⎝T ⎠ 1− 2 ρ Wenn man bedenkt, dass ρL/ρ < 10-3 und für ϕ0 < 0,1 (Einheit rad) auch (1/16) ϕ02 < 10-3 ist, sind alle Produkte solcher Größen vernachlässigbar und es gilt 2 ρ ⎤ ⎛ 2π ⎞ ⎡ 1 g = ⎜ ∗ ⎟ l ⎢1 + ϕ 02 + L ⎥ . ρ ⎦ ⎝T ⎠ ⎣ 8 (37) 2.2 Reversionspendel 51 Der obigen Beschreibung liegt die Annahme zugrunde, dass mindestens eine Stellung des Laufgewichts in dem Intervall 0 < x < l existiert, für die die Schwingungsdauern um die Achsen A und B gleich sind. Deshalb ist es von Interesse, die Bedingungen zu untersuchen, unter denen Gl. (34) erfüllt werden kann. [Dazu sind die Massenmittelpunktsabstände sA und sB, die Trägheitsmomente IA und IB und anschließend die Schwingungsdauern TA und TB als Funktionen von x darzustellen. Es gilt m sA = m0 s0 + mL x und m sB = m (l − sA ) = m0 (l − s0 ) + mL (l − x) . Dabei bedeuten m die Masse des gesamten Pendels, m0 die Masse des Pendels ohne Laufgewicht und s0 den Abstand zwischen dem Massenmittelpunkt S0 des Pendels ohne Laufgewicht und der Achse A. Für die Trägheitsmomente folgt: I B = I 0 + m0 (l − s0 ) 2 + I L + mL (l − x)2 . I0 ist das Trägheitsmoment des Pendels ohne Laufgewicht bezogen auf die durch S0 gehende, zu A und B parallele Drehachse, und IL ist das Trägheitsmoment des Laufgewichtes bezogen auf die zu A und B parallele Achse, die durch den Massenmittelpunkt des Laufgewichts geht. Mit der Abkürzung I = I 0 + m0 s02 (38) erhält man für die Schwingungsdauern IA 2π = m sA g g TB = 2π IB m sB g TB = 2π g I + mL x 2 , m0 s0 + mL x I + m0 l ( l − 2s0 ) + mL ( l − x ) m0 ( l − s0 ) + mL ( l − x ) + mL ⎡⎣ 2l + m0 l ( l − 4 s0 ) + mL l 2 ⎤⎦ x − [ I − m0 l s0 ] ⎡⎣ m0 ( l − 2 s0 ) + mL l ⎤⎦ = 0 . (41) Eine der drei Lösungen von Gl. (41) kann man sofort angeben. Für x = x3 sei sA = l/2 (Gl. (28)). Dann gilt l l m ( m0 + mL ) = m0 s0 + mL x3 , 2 2 x3 = ⎫ 1 ⎧ m0 ⎨ ( l − 2 s0 ) + l ⎬ . 2 ⎩ mL ⎭ Da die Ungleichung (33) erfüllt sein soll, ist x3 größer als l, d. h., diese Stellung des Laufgewichts kommt im Experiment nicht vor. Dividiert man Gl. (41) durch x-x3, erhält man die quadratische Gleichung I − m0 s0 l x2 − l x + = 0 , deren Lösungen lauten mL I − m0 s0 l l . (42) (1 ± ε ) , ε = + 1 − 2 2 ⎛l⎞ mL ⎜ ⎟ ⎝2⎠ Gl. (42) besagt, dass in dem Intervall 0 < x < l symmetrisch zu x = l/2 zwei Stellungen x1 und x2 des Laufgewichts zu finden sind, bei denen der Achsenabstand l der reduzierten Pendellänge entspricht, sofern die in Gl. (38) definierte Größe I der Bedingung 2 ⎛l⎞ I = m0 s0 l + mL ⎜ ⎟ (1 − ε 2 ) (43) ⎝2⎠ mit 0 < ε < 1 genügt. Gl. (43) lässt sich durch geeignete Wahl der Masse und der Anordnung des Zusatzkörpers K stets so erfüllen, dass die Ungleichung (33) erhalten bleibt. Es kann gezeigt werden, dass die Funktionen TA(x) und TB(x), die durch die Gln. (39) und (40) gegeben sind, nur je einen Extremwert, und zwar ein Minimum haben. Die beiden Minima liegen unter den oben gemachten Voraussetzungen in der Nähe des Werts x = l/2. Abb. M.2.2.2 zeigt den prinzipiellen Verlauf der Funktionen TA(x) und TB(x). ] x1,2 = I A = I 0 + m0 s0 2 + I L + mL x 2 und TA = 2π 2mL2 x3 − mL ⎡⎣ m0 ( l − 2s0 ) + 3mL l ⎤⎦ x 2 (39) 2 (40) Die Forderung TA = TB führt auf die nachstehende Gleichung dritten Grads in x: Versuchsausführung Bei Aufgabe 1 werden zunächst die Schwingungsdauern TA* und TB* für verschiedene Stellungen des Laufgewichts L bestimmt, 2 Schwingungen 52 Mechanik wobei darauf zu achten ist, dass die Amplitude bei allen Schwingungen den gleichen Wert ϕ0 < 5° hat. Das Laufgewicht soll in dem Intervall 0 < x < l von Messung zu Messung um einen vorgegebenen Abstand verschoben werden. Um die in der Aufgabenstellung geforderte Genauigkeit zu erreichen, werden die Schwingungsdauern mit einem elektronischen Messplatz (Lichtschranke, digitaler Präzisionszähler) ermittelt. Die Periodendauermessungen werden bei jeder Position des Laufgewichts dreimal durchgeführt und die Unsicherheit der Zeitmessungen soll dabei kleiner als 5 ms sein. T gegeben. Die Voraussetzung, dass das Reversionspendel ein homogener Körper ist, trifft nur selten zu. Wenn das Pendel aus Stahlund Messingteilen zusammengesetzt ist, kann der Term für die Berücksichtigung des Luftauftriebes ρL /ρ ≈ 1,5⋅10-4 gesetzt und g nach Gl. (37) berechnet werden. Bei der zweiten Aufgabe ist die Schwingungsdauer T ′ hinreichend oft für das Intervall 1°≤ ϕ0 ≤10° zu messen. Trägt man T ′ über ϕ02 (ϕ0 im Bogenmaß) auf, ergibt sich nach Gl. (24a) eine Gerade, die eine Steigung von (1/16) T hat und für ϕ0 = 0 den Wert T ′ = T liefert. Eventuelle Abweichungen vom linearen Verlauf sollen diskutiert werden. 2.3 Drehpendel TA=TB TB (x) TA (x) 0 l ε 2 l 2 l ε 2 l x Abb. M.2.2.2 Darstellung der Periodendauern TA(x) und TB(x) eines Reversionspendels Die gemessenen Periodendauern TA* und TB* werden als Funktionen von x graphisch dargestellt. Die Schnittpunkte der beiden Kurven werden sich im Allgemeinen noch nicht mit hinreichender Genauigkeit ermitteln lassen. Deshalb bestimmt man TA* und TB* in der Nähe von x1 und x2 in noch kleineren Abständen, um auf diese Weise eine relative Messunsicherheit von T * kleiner als 0,05 % zu erreichen. Der Achsenabstand l wird im Allgemeinen als Funktion der Temperatur In diesem Versuch werden freie, gedämpfte und erzwungene lineare sowie nichtlineare Drehschwingungen an einem Drehpendel nach Pohl untersucht. Das Drehpendel hat eine Eigenfrequenz, die vom Direktionsmoment der Feder und seinem Trägheitsmoment abhängt. Bei Erhöhung der Dämpfung beobachtet man neben dem stärkeren Abklingen der Amplitude auch eine geringe Abnahme der Eigenfrequenz. Im Falle eines periodisch angetriebenen Drehpendels kann der Resonanzfall bei Gleichheit der Erreger- und der Eigenfrequenz des Drehpendels realisiert werden. Die maximale Amplitude ist im Resonanzfall eine Funktion der Dämpfung. Zusätzlich soll das Drehpendel mit einer Zusatzmasse so versehen werden, dass eine Unwucht entsteht. Dadurch wird ein zusätzliches Drehmoment verursacht und der Zusammenhang zwischen Auslenkung und dem rücktreibenden Drehmoment ist nicht mehr linear. Das führt zu einem grundsätzlich anderen Schwingungsverhalten des Drehpendels, bei dem nun mehrere Amplitudenzustände möglich sind. Das System kann dadurch in Abhängigkeit von seinen Anfangsbedingungen und kleinen 1.0 Grundlagen 315 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik k 1.0 Grundlagen Viele physikalische Gesetze enthalten Fundamentalkonstanten, die die Eigenschaften des Vakuums sowie fundamentale Wechselwirkungen charakterisieren und nur durch Experimente bestimmt werden können. Dazu gehören u. a. die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c0, die Elementarladung e, die Avogadro-Konstante NA, die Boltzmann-Konstante k, das Planck’sche Wirkungsquantum h, die Elektronenmasse me und die Gravitationskonstante G. Im Folgenden werden Methoden zur Bestimmung von Fundamentalkonstanten beschrieben, die relativ einfache Versuchsanordnungen erfordern. Die Elementarladung e kann z. B. mit Hilfe des Millikan-Versuchs (O.6.2) ermittelt werden. Bei einem einwertigen Elektrolyten ist die Faraday-Konstante F die bei der Elektrolyse überführte Ladungsmenge Q pro Mol F = Q/NA und bei Kenntnis von e kann man die Avogadro-Konstante bestimmen: NA F . e (1) Die Bedeutung der Avogadro-Konstante liegt darin begründet, dass mit ihr eine Umrechnung von mikroskopischen auf makroskopische Größen möglich ist. Bei Kenntnis von NA lassen sich weitere Fundamentalkonstanten berechnen. Die Protonenmasse mp lässt sich z. B. durch Wägung aus der Masse M eines Mols Wasserstoff bestimmen. Da M(H2)/NA gleich der Masse von zwei Wasserstoffatomen ist, folgt mp 1 M H2 me . 2 NA Dabei liefert die Elektronenmasse me nur eine geringe Korrektur. Analog ergibt sich die Neutronenmasse mn aus der Wägung von Deuterium. Die Boltzmann-Konstante k lässt sich mit der bekannten Gaskonstanten R mit (2) R NA (3) berechnen. Die Größe von R kann z. B. mit einer Methode bestimmt werden, bei der man eine genau messbare Ladung einer bekannten Gasmenge durch Elektrolyse abscheidet und deren Zustandsgrößen Druck p, Volumen V und Temperatur T misst. Eine Bestimmung der Elektronenmasse me kann durch die Messung der Ablenkung von Elektronenstrahlen in einem magnetischen Feld bestimmt werden (O.6.4). Es ergibt sich die spezifische Ladung e/me, aus der man me mit dem bekannten Wert für e berechnen kann. Alle Methoden zur Bestimmung des Planck’schen Wirkungsquantums h beruhen auf dem quantenhaften Charakter der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie. Am einfachsten zu überblicken ist die Ermittlung von h/e aus der Einstein’schen Gleichung zum äußeren Photoeffekt (O.6.3.1) oder aus der kurzwelligen Grenzwellenlänge des Spektrums der Röntgenstrahlung (O.6.3.2). Während diesen Methoden die Umwandlung der Energie eines Lichtquants in kinetische Energie zugrunde liegt, stellt der FranckHertz-Versuch (O.6.5) im physikalischen Sinne die Umkehrung dazu dar: Die kinetische Energie von Elektronen wird bei unelastischen Zusammenstößen mit Atomen in die Energie eines Lichtquants umgewandelt. Dieser Versuch vermittelt die Realisierung einer Messmethode zur Bestimmung von h/e, wenn man neben den Anregungspotentialen auch die Frequenz des emittierten Lichts misst. Als eine weitere Methode zur Ermittlung von h wird in O.6.6 die Berechnung von h aus der Rydberg-Konstanten des Wasserstoffatoms beschrieben. 316 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik schwindigkeit c aus der fundamentalen Beziehung der Wellenausbreitung 6.1 Lichtgeschwindigkeit Aufgabenstellung 1. Die Lichtgeschwindigkeit c ist in verschiedenen Stoffen mit einem elektronischen Modulationsverfahren zu bestimmen. 2. Es soll die Brechzahl n verschiedener Stoffe ermittelt werden. Die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum c0 gehört zu den Naturkonstanten. Wie die Relativitätstheorie beschreibt, ist sie unabhängig von den Geschwindigkeiten der Quelle bzw. des Empfängers. In einem Stoff (Medium) ergibt sich die Geschwindigkeit des Lichts aus den Maxwell‘schen Gleichungen zu c 1 0 0 . (4) Dabei sind 0 die elektrische, 0 die magnetische Feldkonstante, die Dielektrizitäts- und die Permeabilitätszahl des Mediums. Die Brechzahl n eines Mediums ist das Verhältnis der Geschwindigkeiten des Lichts im Vakuum c0 und im entsprechenden Medium c n c0 . c (5) Für die meisten transparenten Stoffe ist μ = 1. Die Dielektrizitätszahl und die Brechzahl n sind frequenz- bzw. wellenlängenabhängige Größen, d. h., es gilt n = n () (Dispersion O.3.0.1). Versuchsausführung Bei der eingesetzten Methode wird die Geschwindigkeit eines sinusförmig modulierten Lichtsignals durch Phasenvergleich bestimmt. Der Abstand zweier Messpunkte gleicher Phase ist dann Δs = λ. Eine zusätzliche Messung der Modulationsfrequenz erlaubt die Berechnung der Ausbreitungsge- c f . (6) Gl. (6) ist eine Dispersionsrelation, die Teilchen- (Frequenz f) und Welleneigenschaften (Wellenlänge λ) über die Größe der Ausbreitungsgeschwindigkeit c miteinander verknüpft. Die Modulation ist erforderlich, da die Frequenz des Lichts f ≈ 1015 Hz nicht direkt messbar und die Messung der Wellenlänge zwar prinzipiell möglich, aber sehr aufwendig ist. Beträgt dagegen die Frequenz der Modulationswelle z. B. f = 50 MHz, ist die Wellenlänge λ ≈ 6 nm. Für die Durchführung der Messungen wird rotes Licht einer Senderdiode (LED, Light Emitting Diode) mit bekannter Wellenlänge verwendet. An der Senderdiode liegt eine hochfrequente Wechselspannung an, so dass die Intensität des emittierten Lichts periodisch moduliert wird. Der Modulationsfrequenz von 50 MHz entspricht eine Periodendauer von T = 2·10-8 s. Das Licht, das nach Durchlaufen einer gewissen Wegstrecke auf die Empfängerdiode (Photodiode) trifft, erzeugt an dieser eine Wechselspannung mit der gleichen Frequenz, die Phasenlage wird im Allgemeinen jedoch verschieden sein. Über die Phasenbeziehung zwischen beiden Spannungen ist zunächst keine Aussage möglich, da die einzelnen Perioden nicht unterschieden werden können. Misst man jedoch den Lichtweg, für den die Phasenverschiebung null ist, und einen zweiten Lichtweg, für den sich die Phasenlage des Empfängersignals gerade um 180° (im Bogenmaß π) verschoben hat, kann die Laufzeitdifferenz zwischen den beiden Lichtwegen z. B. für f = 50 MHz errechnet werden: t 1 1 108 s . 2 f (7) Mit der Differenz Δl beider vom Licht durch- 6.1 Lichtgeschwindigkeit 317 laufenen Wegstrecken ergibt sich für die Lichtgeschwindigkeit: c l t . (8) Ein sehr empfindlicher Phasenvergleich ist mit Hilfe eines Oszilloskops möglich. Legt man die beiden zu vergleichenden Wechselspannungen an den X- und den Y-Eingang des Oszilloskops, erscheint auf dem Bildschirm eine Lissajous-Figur. Bei zwei Spannungen gleicher Frequenz ergibt sich eine Ellipse (da die Amplituden der Spannungen nicht exakt gleich sein werden). Die Lage der Ellipse hängt vom Phasenverhältnis beider Spannungen ab (vgl. E.3.1). Beim Phasenunterschied Null oder π (bzw. ganzzahlige Vielfache von π) wird die Ellipse zu einer Geraden. Das zur Messung der Lichtgeschwindigkeit verwendete Gerät gestattet keinen direkten Vergleich der Phasenverschiebung bei 50 MHz. Deshalb wird den Spannungen von Sender und Empfänger (Frequenz = 50,1 MHz) zusätzlich eine hochfrequente f1 Spannung der Frequenz f2 = 50,05 MHz über lagert (Abb. O.6.1.1). Die zur Anwendung kommende Methode wird auch als Multipli- kative Mischung bezeichnet. Diese verwendet man häufig zur Konvertierung eines Signals hoher Frequenz in ein Signal tieferer Frequenz unter Beibehaltung der ursprünglichen Phaseninformation. Dabei wird ein hochfrequentes Signal uA(t) mit der Frequenz f1 mit einem Signal uB(t) der Frequenz f2 multipliziert, dessen Frequenz sich nur wenig von der Frequenz des Originalsignals unterscheidet. Nach der multiplikativen Mischung ergibt sich ein zusammengesetztes Signal uM (t ) mit einer tieferen (Differenzfrequenz f1 f 2 ) und einer höheren Frequenz (Summenfrequenz f1 f 2 ): uM (t ) uA (t ) uB (t ) uˆA cos(2 π f1 t ) uˆB cos(2 π f 2 t ) , cos[2 π ( f1 f 2 ) t ] 1 uM (t ) uˆA uˆB . 2 cos[2 π ( f1 f 2 t ) ] Durch Abtrennung des hochfrequenten Anteils mittels elektronischer Filterung verbleibt im Signal nur noch die tieffrequente Komponente. S f 1000 Hz f G 50,1MHz G X 50,05MHz Y ϕ Δx Abb. O.6.1.1 Schema des Versuchsaufbaus zur Messung der Lichtgeschwindigkeit in Luft 318 Optik und Atomphysik Dementsprechend lässt sich das Ausgangssignal am Ausgang der elektronischen Mischstufe durch 1 uM (t ) uˆA uˆB cos 2π f1 f 2 t 2 beschreiben, wobei die Phasenverschiebung konstant bleibt. Jedoch entspricht diese Phasenverschiebung jetzt einer anderen Zeitskala als derjenigen bei der ursprünglichen Modulationsfrequenz von f1, da die Zeitskala um den Faktor f1/(f1-f2) größer geworden ist. Dementsprechend gilt für eine Zeitdifferenz t die Umrechnung t f1 f 2 tM . f1 Dabei ist tM die nach der Mischung z. B. mit einem Oszilloskop gemessene Zeitdifferenz zwischen Empfänger- und Sendersignal, letzteres in derselben Weise wie das Empfängersignal gemischt. In dem oben beschriebenen Beispiel ergeben sich zwei Spannungen mit einer Frequenz von etwa 50 kHz für die Messung zum Phasenvergleich. Der Umlenkspiegel (S) und die Linsen werden so justiert, dass die hin- und zurücklaufenden Lichtstrahlen parallel zur Grundplatte verlaufen und das Signal der Empfangsdiode maximal wird. Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit in Luft wird der Umlenkspiegel zuerst möglichst dicht an das Betriebsgerät gestellt. Mit Hilfe eines Phasenreglers wird die Lissajous-Figur am Oszilloskop zu einer Linie (z. B. Gerade mit positivem Anstieg) verformt. Nun wird der Spiegel um Δx verschoben, bis sich die Phase um π geändert hat. Diese Messungen sind mehrmals zu wiederholen. Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit in einem vorgegebenen Medium wird dieses so in den Strahlengang gebracht, dass die Endflächen senkrecht zur optischen Achse stehen. Mit Hilfe des Phasenabgleichs wird die 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik Lissajous-Figur am Oszilloskop zunächst wieder zu einer Linie verformt. Das Medium wird dann aus dem Strahlengang entfernt und der Spiegel um Δx soweit verschoben, bis die Lissajous-Figur wieder die gleiche Phase wie bei der Messung mit dem Medium aufweist. Mit Hilfe eines Digitalzählers kann die Frequenz f / 1000 mit hoher Genauigkeit überprüft werden. Bei allen Messungen ist eine exakte Justierung des Strahlengangs erforderlich (maximale Intensität auf der Empfängerfläche der Photodiode). Steht keine Spiegelanordnung zur Reflexion des ausgesendeten Lichtstrahls zur Verfügung, reduziert sich der Lichtweg auf den einfachen Abstand zwischen Sender und Empfänger. Dann wird es zweckmäßig sein, die Phasenverschiebung bzw. die Zeitverschiebung zwischen Senderund Empfängersignal für verschiedene Wegstrecken des Lichts zu messen und diese statistisch oder graphisch auszuwerten. Zur Messung der Lichtgeschwindigkeit bei Aufgabe 1 in Luft wird der Lichtweg um Δl = 2Δx (Abb. O.6.1.1) vergrößert, so dass eine Phasenänderung um π eintritt. Das Licht benötigt für diesen Weg t 1 , 2f wobei f die Modulationsfrequenz des roten Lichts, 50,1 MHz ist. Damit ergibt sich für die Lichtgeschwindigkeit cL in Luft: cL l 4 x f . t (9) Anschließend wird die Messung der Lichtgeschwindigkeit in einem transparenten Medium mit Hilfe von Vergleichsmessungen durchgeführt (Abb. O.6.1.2). Bei der ersten Messung (mit Medium) legt das Licht in der Zeit t1 eine Gesamtstrecke l1 = 2 x1 + x2 zurück, wobei die Strecke (l1lM) mit der Lichtgeschwindigkeit cL und die Strecke lM mit cM durchlaufen wird. Da- 6.2 Elementarladung 319 mit ergibt sich für t1 t1 1 1 (l1 - lM ) + lM . cL cM (10) S (1) M lM x2 x1 Δx S x2 (2) Abb. O.6.1.2 Messung der Lichtgeschwindigkeit für transparente Medien: Messung mit Medium M (1) und mit Luft (2) Mit der zweiten Messung (ohne Medium) legt das Licht die Strecke l2 = l1 + 2Δx in der Zeit t2 1 (l1 2 Δ x) cL (11) zurück. Da die Phasenbeziehung zwischen Sender und Empfänger in beiden Fällen gleich ist, gilt demzufolge k t1 t2 f , k 0,1, 2,3,... . (12) Mit der in sehr guter Näherung erfüllten Beziehung cL = c0 folgt für die Brechzahl n n c0 2x k cL 1 . cM lM f lM (13) Die Messungen sind für zwei verschiedene Medien durchzuführen. 6.2 Elementarladung Aufgabenstellung Es ist die Elementarladung durch Messen der Sink- und Steiggeschwindigkeit von Öltröpfchen im elektrischen Feld einer Millikan- Kammer zu ermitteln. Die Messwerte sollen in einem Histogramm graphisch dargestellt und statistisch ausgewertet werden. Kleine Flüssigkeitströpfchen sind im Allgemeinen geladen. Ihre Ladung ist notwendigerweise ein ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung. Betrachtet man ein in Luft befindliches geladenes Tröpfchen in einem vertikal gerichteten elektrischen Feld E, wirken die Beträge der folgenden Kräfte: 1. Summe von Schwerkraft F0 im Gravitationsfeld der Erde und Auftriebskraft FA in Luft: F0 FA 4π 3 r ( L ) g . 3 2. Stokes’sche Reibungskraft in Luft (M.6.1): FW 6 π r v . Das Minuszeichen steht, weil die Reibungskraft immer der beabsichtigten Bewegungsrichtung entgegengerichtet ist. 3. Elektrische Kraft: Fe q E , Ihre Richtung hängt von der Richtung des Felds ab (positives Vorzeichen bedeutet Feldstärke in Richtung der Schwerkraft für positive Ladungen). Dabei sind r der Radius, q die Ladung und die Dichte des Tröpfchens, L die Dichte der Luft, der Koeffizient der inneren Reibung der Luft und E die Feldstärke. Unter Einwirkung dieser Kräfte bewegt sich das Tröpfchen bereits nach kurzer Zeit gleichförmig mit der Geschwindigkeit v. Sind elektrisches Feld und Schwerkraft gleichgerichtet, ergibt sich 4π 3 r ( L ) g 6π rv qE 0 , (14a) 3 320 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik sind sie entgegengerichtet, erhält man 4π 3 r ( L ) g 6π rv qE 0 . (14b) 3 Ohne elektrisches Feld errechnet man die Fallgeschwindigkeit v0 aus 4π 3 r ( L ) g 6π rv0 0 . 3 (14c) Die Addition der Gln. (14a) und (14b) liefert 8π 3 r ( L ) g 6π r (v v ) , 3 woraus sich der Tröpfchenradius ergibt: r 3 2 (v v ) . g ( L ) (15) Bildet man die Differenz der Gln. (14a) und (14b) und berücksichtigt außerdem Gl. (15), erhält man für die Ladung des Tröpfchens q 3π r (v v ) E (16) bzw. 9 3 1 q π 2 g ( L ) E (16a) (v v ) (v v ) . Die Gleichung für die Stokes’sche Reibungskraft setzt voraus, dass sich die kugelförmigen Tröpfchen in einem homogenen Medium bewegen. Diese Voraussetzung ist aber bei dem vorliegenden Experiment nur schlecht erfüllt, da die Radien der Tröpfchen r in der Größenordnung der mittleren freien Weglänge in Luft bei Normaldruck liegen. Diese Tatsache wird durch eine Korrektur der dynamischen Viskosität der Luft berücksichtigt (Cunningham-Korrektur): 1 0 1 0,63 . r (17) Die Viskosität 0 beschreibt den für große Tröpfchendurchmesser gültigen Koeffizienten der inneren Reibung. Bei der Berechnung von q nach Gl. (16) muss deshalb die Viskosität nach Gl. (17) verwendet werden, wobei der Wert von bekannt und der Tröpfchenradius experimentell zu ermitteln ist. Versuchsausführung Zur Messung werden in einen seitlich beleuchteten Kondensator (Abb. O.6.2.1) Öltröpfchen mit Hilfe eines Zerstäubers eingeblasen, wodurch gleichzeitig eine Ladung der Öltröpfchen erfolgt. Gesichtsfeld Polwender E U0 Kondensator Abb. O.6.2.1 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan Diese Tröpfchen beobachtet man mit einem Mikroskop mit kalibrierter Okularskala; die optische Achse des Mikroskops steht dabei senkrecht zum elektrischen Feld und zum einfallenden Licht (Dunkelfeldbeleuchtung, die Tröpfchen erscheinen hell auf dunklem Grund). Man wählt ein Tröpfchen aus, schaltet das elektrische Feld ein und ermittelt die Zeit, in der es eine bestimmte Anzahl von Marken der Okularskala passiert. Noch ehe das Tröpfchen den Skalenrand verlässt, polt man das Feld um und misst in gleicher Weise bei entgegengesetzt gerichtetem Feld die Zeit für die zurückgelegte Wegstrecke. Anschließend bestimmt man die Geschwindigkeit v0 des freien Falls ohne elektrisches Feld. Zur Auswertung überprüft man zunächst, ob die folgende Beziehung 2v0 v v 6.3 Planck’sches Wirkungsquantum innerhalb der Fehlergrenzen der Geschwindigkeitsmessung erfüllt ist. Ist das nicht der Fall, sind die Messwerte infolge von Umladungen des Tröpfchens während der Messung verfälscht und deshalb unbrauchbar. Ist obige Beziehung erfüllt, berechnet man zunächst nach Gl. (15) den Tröpfchenradius r. Man setzt hier für näherungsweise 0. Für die Berechnung von 0 wird die zugeschnittene Größengleichung 0 kgm1s1 [1,835 105 4,9 108 (20 )] genutzt, dabei ist der Zahlenwert der in Grad Celsius gemessenen Temperatur im Kondensator. Die Temperatur wird mit einem Digitalthermometer mehrfach während der gesamten Versuchszeit gemessen. Mit Hilfe des so gewonnenen Näherungswerts für den Tröpfchenradius berechnet man nach Gl. (17) den für diesen Radius gültigen -Wert ( = 610-8 m für Luft unter Normbedingungen). Die Feldstärke E ermittelt man aus der angelegten Spannung U0 und dem bekannten Abstand d der Kondensatorplatten; für die Dichte der Tröpfchen benutzt man den Wert für das verwendete Öl. Es sind möglichst viele Tröpfchen auszumessen; die Größe der Elementarladung erhält man aus den q-Werten als größten gemeinsamen Teiler. Eventuell auftretende Strömungseffekte, die z. B. durch das Einströmen der Öltröpfchen und Temperaturdifferenzen verursacht werden, können zu Turbulenzen in der Messkammer und damit zu systematischen Abweichungen führen. Ein geeigneter Wärmefilter kann den Wärmeeintrag in die Kondensatorkammer durch die Beleuchtungsquelle abschwächen. Um die Genauigkeit bei der Zuordnung zu den Vielfachen der Elementarladung zu erhöhen, kann mit einem bereits aus mehreren hundert Messungen bestehender Datensatz und den eigenen Ergebnissen ein Häufigkeitsdiagramm angefertigt und statistisch analysiert werden. 321 6.3 Planck’sches Wirkungsquantum 6.3.1 Äußerer Photoeffekt Aufgabenstellung Es sind das Planck‘sche Wirkungsquantum und die Grenzfrequenz zu bestimmen. Als äußeren photoelektrischen Effekt bezeichnet man die Erscheinung, dass durch Einwirkung von elektromagnetischer Strahlung Elektronen aus einem Material freigesetzt werden, wobei das ursprünglich eingestrahlte Photon im Material (vollständig) absorbiert wird. In Abb. O.6.3.1 ist das Prinzipschema des Versuchsaufbaus zur Messung des äußeren lichtelektrischen Effekts dargestellt. Der Messplatz besteht aus einer Spannungsquelle, einem Strom- und Spannungsmessgerät, einer Beleuchtungseinrichtung und einer Photozelle. Letztere stellt im Allgemeinen einen evakuierten Kolben dar, in dem sich die Photokatode und die Anode, die zum Sammeln der aus der Kathode ausgelösten Elektronen dient, befinden. Fällt nun Licht (Abb. O.6.3.1) auf die Photokathode, ist (unter bestimmten Voraussetzungen) am Messgerät ein Stromfluss nachweisbar. K - A hf A V + – U Abb. O.6.3.1 Prinzip des Versuchsaufbaus beim äußeren photoelektrischen Effekt