Aktuelle Fragen der Finanzstabilität aus europäischer Sicht

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Professor Dr. Hermann Remsperger
Mitglied des Vorstands
der Deutschen Bundesbank
Vortrag
in der Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union
in Brüssel am 27. Juni 2007
– Es gilt das gesprochene Wort –
Deutsche Bundesbank • Zentrale • Presse und Information • Wilhelm-Epstein-Straße 14 • 60431 Frankfurt am Main
www.bundesbank.de • E-Mail: [email protected] • Tel.: 069 9566-3511 • Fax: 069 9566-3077
Bei publizistischer Verwertung wird um die Angabe der Quelle gebeten.
Inhalt
I
II
III
IV
1
2
V
1
2
Zusammenfassung ..........................................................................2
Währungs- und Finanzstabilität........................................................4
Aktuelle Stabilitätslage.....................................................................4
Strukturwandel im Finanzsystem .....................................................7
Neue Finanzinstrumente..................................................................8
Hedgefonds ................................................................................... 10
Integration der europäischen Finanzmärkte................................... 13
Finanzmarktintegration .................................................................. 14
Konsequenzen für die Finanzaufsicht ............................................ 15
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich habe meinen Vortrag unter den Titel „Aktuelle Fragen der Finanzstabilität aus
europäischer Sicht“ gestellt, 1 weil er es erlaubt, ein ganzes Bündel von drängenden Fragen auf dem Gebiet der Finanzstabilität anzusprechen – und dieses Bündel hat, was Sie bestimmt nicht überrascht, eine ausgesprochen komplexe Struktur.
I
Zusammenfassung
Um diese Komplexität zu reduzieren, habe ich mich am letzten Sonntag ganz
kurzfristig entschlossen, meine Rede noch einmal vollkommen umzubauen. Ich
beginne jetzt mit dem Schluss – und das heißt mit jenen sechs Aussagen, die ich
ursprünglich als Zusammenfassung vorgesehen hatte:
1. Trotz gewisser Risiken auf den Finanzmärkten – und hier besonders auf den
Kreditmärkten – halte ich das internationale Finanzsystem nicht zuletzt wegen der sehr guten Ertragslage und der reichlichen Kapitalausstattung systemrelevanter Banken für recht robust.
1
Für Unterstützung bei der Vorbereitung dieses Vortrags danke ich Frau Korbmacher.
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2. Mit dem Einsatz neuer Finanzmarktinstrumente zur Übertragung von Kreditrisiken und wegen des zunehmenden Gewichts unregulierter Finanzinvestoren
werden Kreditrisiken nicht mehr unbedingt dort gehalten, wo man sie traditionell vermutet. Das erschwert nicht nur das Risikomanagement von Marktteilnehmern. Vielmehr wird auch die Einschätzung von Stabilitätsrisiken des internationalen Finanzsystems durch offizielle Stellen diffiziler.
3. Für die Einschätzung der Stabilitätssituation wird es künftig noch mehr als in
der Vergangenheit darauf ankommen, die Durchleuchtung und Bewertung
neuer Finanzinstrumente mit der Analyse über das Verhalten der neuen
Marktteilnehmer zu vereinen. So wird man vielleicht am ehesten der Tatsache gerecht, dass das Finanzsystem nicht nur kompletter, sondern auch immer komplexer wird.
4. Da die Transparenz über die Verteilung von Risiken im Finanzsystem eher
abgenommen hat, stellt sich für die offiziellen Stellen die Frage, wie diese
Transparenz wieder erhöht werden kann. Letztlich kreist ein großer Teil der
Hedgefondsdiskussionen um diesen Punkt.
5. Die bemerkenswerte Initiative von Hedgefonds-Managern in London, die Einführung verbesserter und eventuell auch verbindlicher Branchenstandards zu
prüfen, deutet darauf hin, dass zwischen den offiziellen Stellen und den
Marktteilnehmern durchaus Konsenspotenzial für die unbedingt notwendige
Transparenzschaffung besteht.
6. Ein Teil der zunehmenden Komplexität der Finanzmärkte beruht auch auf ihrer wachsenden geografischen Integration. Die erhöhte Verflechtung im europäischen Bankenmarkt wirft dabei zugleich Fragen nach der Struktur der
Bankenaufsicht auf. Unter den politischen und rechtlichen Bedingungen in
Europa bietet das so genannte „Kooperationsmodell“ einen guten Rahmen,
um die erforderliche Konvergenz in der Aufsichtspraxis weiterzuentwickeln.
Wenn Sie mich nun fragen, wie ich zu dem 6-Punkte-Schluss gekommen bin,
dann lautet die einfache Antwort, dass am Anfang eine Definition stand.
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II
Währungs- und Finanzstabilität
Wir halten ein Finanzsystem für stabil, wenn es seine zentralen Funktionen, das
heißt die Allokation von Kapital und Risiken sowie die Abwicklung von Zahlungen
und Wertpapiertransaktionen effizient erfüllt, und zwar auch in Stresssituationen
und in strukturellen Umbruchphasen. Drei Aspekte möchte ich in diesem Zusammenhang besonders betonen:
1. Aus Störungen zentraler Funktionen des Finanzsystems resultieren in der
Regel volkswirtschaftliche Kosten in Form von Wachstumseinbußen und gegebenenfalls auch in Form direkter fiskalischer Aufwendungen zur Stützung
von Finanzinstituten. Das gilt es zu vermeiden.
2. Im Falle eines Schocks kann der Liquiditätsbedarf einzelner Finanzmarktteilnehmer plötzlich und stark steigen. In integrierten Finanzmärkten können sich
derartige Liquiditätsengpässe schnell übertragen und, vor allem wenn sie
systemrelevante Marktteilnehmer erreichen, das Finanzsystem als Ganzes
beeinträchtigen. Auch das gilt es zu vermeiden.
3. Und last but not least sei unterstrichen, dass Preisstabilität und Finanzstabilität zusammengehören. Störungen im Finanzsystem können die Übertragung
geldpolitischer Impulse in die Realwirtschaft verzögern oder beeinträchtigen.
Zentralbanken haben also ein besonderes Interesse an einem stabilen Finanzsystem.
III
Aktuelle Stabilitätslage
Vor diesem Hintergrund haben die meisten Notenbanken in den letzten Jahren
ihre Finanzstabilitätsanalyse ausgebaut und verfeinert. Im Vordergrund stehen
dabei die Risiken, das heißt nicht die wahrscheinlichste Entwicklung, sondern
eventuell eintretende ungünstige Entwicklungen.
Wenn Sie mich nun fragen, wie es derzeit um die Risiken für das internationale
Finanzsystem bestellt ist, dann möchte ich zunächst festhalten, dass die makro-
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ökonomische Entwicklung seit ungefähr zwei Jahren die Erwartungen übertrifft.
Die Weltwirtschaft schreitet auf ihrem Expansionspfad weiter voran, wobei das
Wachstum regional zunehmend ausgewogener wird. Die Aussichten für einen
allmählichen Abbau der finanziellen Ungleichgewichte – mit dem Leistungsbilanzdefizit der USA als einem der Kristallisationspunkte – haben sich damit verbessert.
In den USA scheint eine weiche Landung zu gelingen, die europäischen Länder
wachsen stärker als erhofft, und in den Schwellenländern, vor allem in Asien, ist
kein Ende des Booms abzusehen.
Diese Konstellation sollte jedoch nicht zu einer allzu rosigen Sicht verleiten. Makroökonomische Risiken bestehen sehr wohl. Entgegen meinen eigenen Erwartungen könnte die US-Konjunktur vielleicht doch noch stärker abkühlen. Darüber
hinaus ist eine ungeordnete Auflösung der finanziellen Ungleichgewichte in der
Weltwirtschaft immer noch nicht ganz auszuschließen. Sollte der Abschwung im
Wohnungsbau der USA auf andere Sektoren übergreifen, könnte dies zu einer
Umkehr im Kreditzyklus und zu einer Eintrübung der Stimmung an den Finanzmärkten führen, die die Widerstandsfähigkeit der Marktteilnehmer auf die Probe
stellen würde.
Allerdings zeigen sich die großen komplexen internationalen Finanzinstitute in
Europa und den USA, also diejenigen mit systemischer Relevanz für das internationale Finanzsystem, in einer recht robusten Verfassung. Der günstige konjunkturelle Hintergrund und das freundliche Kapitalmarktumfeld tragen dazu maßgeblich bei. Im Geschäftsjahr 2006 verzeichneten die großen internationalen Finanzinstitute Rekordergebnisse. Im Durchschnitt konnten sie Ertragszuwächse von
rund 30% gegenüber dem Vorjahr erzielen. Besonders stark sprudeln volatile Ertragsquellen wie der Eigenhandel, während der Risikovorsorgebedarf gering ist.
Der positive Ertragstrend scheint sich im laufenden Jahr fortzusetzen.
Die Widerstandskraft dieser Finanzintermediäre, also ihre Fähigkeit, externe
Schocks zu absorbieren, ist aufgrund ihrer sehr guten Ertragslage, der reichlichen Kapitalausstattung und der kontinuierlich verbesserten Steuerung der
Marktrisiken derzeit als hoch einzuschätzen.
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Auf mittlere Sicht bestehen natürlich zyklische Risiken, vor allem in Form der
schon seit einiger Zeit erwarteten Wende im Kredit(qualitäts)zyklus. Wir beobachten recht hohe und/oder steigende Verschuldungsgrade bei den privaten Haushalten in den USA, aber auch in einigen europäischen Ländern. Darüber hinaus
ist auch so manches nicht börsennotierte Unternehmen hoch verschuldet. Eine
Verschlechterung der makrofinanziellen Bedingungen dürfte sie und damit auch
ihre Kreditgeber belasten. Gleichzeitig könnte in einem eingetrübten Umfeld die
zunehmend ähnliche Ausrichtung großer Finanzinstitute dazu beitragen, ungünstige Finanzmarktentwicklungen zu verstärken.
An den internationalen Finanzmärkten werden die Preisbildung und Risikobewertung derzeit maßgeblich von den günstigen makroökonomischen Erwartungen
geprägt. Dabei weisen Teile der Kreditmärkte Anzeichen einer Überhitzung auf.
Am Markt für risikoreiche Konsortialkredite zum Beispiel haben Kapitalgeber die
Konditionen deutlich gelockert. Bei Leveraged-Buyout-Finanzierungen (LBO) ist
der Fremdkapitalanteil weiter gestiegen. Im freundlichen konjunkturellen Umfeld
und bei scharfem Wettbewerb hält der Trend zu eher lockeren Kreditauflagen an.
Diese in den letzten Jahren zu beobachtende Lockerung der Kreditstandards
schlägt sich am US-Hypothekenmarkt seit einiger Zeit in steigenden Ausfallraten
bei Schuldnern schlechterer Bonität nieder. Ein großer Teil der Kreditrisiken aus
Subprime-Hypotheken liegt in verbriefter und strukturierter Form bei institutionellen Investoren. Dazu gehören auch Hedgefonds. Die Nachrichten der vergangenen Tage haben das deutlich gezeigt. Die mit Blick auf den Gesamtmarkt eher
kleineren Verwerfungen stellen aus meiner Sicht aber bisher kein systemisches
Risiko dar. Gleichwohl werfen sie die grundsätzliche Frage nach der Bewertung
dieser verbrieften Kreditrisiken auf.
Eine Phase grundlegender Neueinschätzungen an den Märkten und damit auch
an den Unternehmens-Kreditmärkten brächte besondere Herausforderungen für
das Risikomanagement mit sich. Typischerweise treten dann Änderungen der
Korrelationen von Finanzmarktpreisen und Belastungen der Marktliquidität auf.
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Die schnelle Erholung nach den diesjährigen Frühjahrsturbulenzen sowie die bisher begrenzten Auswirkungen der Krise im Subprime-Hypothekengeschäft in den
USA haben die Marktteilnehmer in ihrer Zuversicht offenbar weiter bestärkt. Zuvor schon hatten sich die etwas turbulenteren Finanzmarktepisoden im Frühjahr
2005 und im Frühjahr 2006 als sehr kurzlebig erwiesen. Vor dem Hintergrund
dieser Erfahrungen sehe ich ein gewisses Risiko darin, dass dem Szenario eines
Endes der ruhigen Marktphase nicht überall genügend Beachtung gewidmet wird.
Insgesamt aber halte ich das internationale Finanzsystem derzeit für robust. Diese Einschätzung stützt sich vor allem auf die Widerstandskraft der Finanzinstitute, während ich im Finanzmarktgeschehen durchaus Risiken sehe. Diese Risiken
sind nicht nur zyklischer Art. Zum Teil stehen sie in engem Zusammenhang mit
dem Strukturwandel im Finanzsektor.
IV
Strukturwandel im Finanzsystem
Daher möchte ich nunmehr unter dem Gesichtspunkt der Stabilität des internationalen Finanzsystems auf zwei strukturelle Trends etwas näher eingehen, nämlich erstens auf den Trend zu neuen Finanzinstrumenten, vor allem an den Kreditmärkten, und zweitens auf die wachsende Bedeutung neuer Finanzmarktteilnehmer beziehungsweise Investorengruppen.
Innovative Finanzinstrumente und neue Investorengruppen und damit noch stärker differenzierte Finanzmärkte sind unter Effizienzgesichtspunkten mit Sicherheit
positiv zu werten. Sie ermöglichen eine bessere Allokation von Kapital und finanziellen Risiken. Damit sollte auch die Fähigkeit des Finanzsystems zunehmen,
Schocks abzufedern.
Gleichzeitig können jedoch von Investorengruppen mit volatilem Anlageverhalten
und von Finanzinstrumenten mit eingebauten Hebeln Risiken ausgehen — wohlgemerkt: können.
Ob diese Strukturveränderungen per saldo die Stabilität des Finanzsystems erhöhen oder verringern, können wir abschließend wohl kaum beurteilen. Wir
stimmen aber gewiss darin
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überein, meine Damen und Herren, dass diese Entwicklungen große Herausforderungen für Marktteilnehmer, Finanzaufseher und die Politik darstellen.
1 Neue Finanzinstrumente
Obwohl ich ja selbst aus dem Bankgeschäft komme, beeindruckt mich die Wandlungsfähigkeit der Finanzmärkte immer wieder aufs Neue. Das jüngste Beispiel
dafür sind die Kreditmärkte. Das Kreditgeschäft war über lange Zeit ein Geschäft
allein zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer, neudeutsch „buy and hold“.
Mittlerweile ist um dieses Basisgeschäft herum ein großer Markt mit vielen neuen
Instrumenten entstanden. So können Kredite auf dem Sekundärmarkt veräußert
werden. Darüber hinaus werden Kredite gebündelt und tranchiert als strukturierte
Produkte gehandelt. Und schließlich lässt sich das Kreditrisiko eines Schuldners
über Derivate auch ganz unabhängig von einer Kreditbeziehung handeln.
Mit allen diesen Möglichkeiten ist ein neues Geschäftsmodell entstanden. Die
Maxime heißt: „originate and distribute“. Gewiss, das Basisgeschäft der Kreditgewährung wird nach wie vor betrieben. Aber statt die Kredite in den eigenen
Büchern zu halten, werden die Kredite oder zumindest die isolierten Kreditrisiken
oft rasch an Investoren weitergereicht.
Diese neuen Formen der Kreditmärkte wachsen stürmisch, wobei der strukturelle
Trend starken Rückenwind von der zyklischen Situation der Weltwirtschaft —
kräftiges Wirtschaftswachstum bei niedrigen Zinsen — bekommen hat.
Das ausstehende Volumen an Kreditausfallswaps, der Grundbaustein der meisten Kreditderivate, hat sich nach der BIZ-Statistik in den Jahren 2005 und 2006
jeweils verdoppelt. Im Dezember 2006 belief sich das Nominalvolumen auf 29
Billionen US-Dollar. Dabei ist das Motiv der Bilanzentlastung durch eine Versicherung des Kreditausfallrisikos im Vergleich zum Handelsmotiv und zur Konstruktion neuer Finanzprodukte längst in den Hintergrund getreten.
So lassen sich durch eine entsprechende Strukturierung selbst aus einem Portfolio mit Krediten an bonitätsmäßig nicht einwandfreie Schuldner Anlagepapiere mit
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einem AAA-Rating schaffen. Da diesen Papieren trotz gleicher Ratingeinstufung
ein höheres Risiko anhaftet als den besten Staatsanleihen, tragen sie einen deutlich höheren Kupon. Der Zinsaufschlag macht sie für institutionelle Investoren mit
ratingbasierten Anlagekriterien attraktiv. Marktteilnehmer äußern allerdings Zweifel daran, ob sich gerade die Rechtsrisiken angemessen bewerten lassen. Die arrangierenden Banken ziehen derzeit einen großen Teil ihrer Provisionserträge
aus dem Strukturierungsgeschäft.
Zugleich verschaffen sich die Banken, die die Kredite ursprünglich vergeben haben, durch die Weitergabe ihrer Kredite neuen Kreditvergabespielraum. Bei der
Kreditgewährung – besonders für schuldenfinanzierte Unternehmensübernahmen – spielt die Möglichkeit der Weiterveräußerung eine wichtige Rolle. Dies
lässt bei aller Vorsicht darauf schließen, dass die große Nachfrage nach strukturierten Produkten die originäre Kreditvergabe erhöht.
Nun werden mit den neuen Instrumenten Kreditrisiken nicht nur umverteilt, sondern möglicherweise auch zusätzliche Risiken geschaffen. Operationelle Risiken
treten zum Beispiel dann auf, wenn der Ausbau der technischen Infrastruktur des
Marktes hinter der Entwicklung des Geschäftsvolumens zurückbleibt. So wurden
bis Anfang letzten Jahres Handelsbestätigungen für Kreditausfallswaps oft erst
Wochen nach dem Geschäftsabschluss geschrieben.
Worauf es mir bei alldem nun sehr ankommt, meine Damen und Herren, ist die
Einsicht in die einfache Erkenntnis, dass gerade an den neuen Kreditmärkten
zwei Typen von Finanzinvestoren eine wichtige Rolle spielen: Private Equity
Fonds und Hedgefonds. Sie haben recht: Eigentlich sind sie keine „neuen“ Finanzmarktteilnehmer. Ich selbst hatte gerade mit Hedgefonds schon lange vor
meinem Leben in der Bundesbank sehr viel zu tun. Aber die Bedeutung, die sie
mittlerweile für die Finanzmärkte erlangt haben, hat durch die anhaltenden Kapitalzuflüsse zu diesen Fonds – zunehmend auch von regulierten institutionellen
Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds – eine neue Dimension erreicht. Insofern sehe ich sie sehr wohl als „neue“ Player auf der Bühne des internationalen Finanzsystems an.
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So generieren Hedgefonds in einigen Kreditmarktsegmenten mittlerweile wohl
mehr als die Hälfte des Umsatzvolumens. Zugleich forcieren Kredite für die von
Private Equity Fonds betriebenen schuldenfinanzierten Unternehmensübernahmen das internationale Großkreditgeschäft. Kurzum, die Dynamik an den Kreditmärkten und bei neuen Finanzinstrumenten steht in einem engen Zusammenhang mit dem Aufschwung der Hedgefonds und Private Equity-Fonds.
2 Hedgefonds
Wie rasant sich die Hedgefonds 2 entwickelt haben, geht schon daraus hervor,
dass sich ihr verwaltetes Vermögen innerhalb der letzten sechs Jahre von knapp
500 Mrd USD auf gut 1.500 Mrd USD verdreifacht hat. Gleichzeitig hat sich die
Anzahl der Fonds – bei hoher Fluktuation – von knapp 4.000 auf rund 9.500
mehr als verdoppelt.
Natürlich handelt es sich bei dem Begriff Hedgefonds um eine sehr heterogene
Gruppe mit einer großen Vielfalt an Marktstrategien. Allen Hedgefonds ist jedoch
im Allgemeinen der Einsatz von hohen finanziellen Hebeln, auch über Leerverkäufe oder Derivate gemeinsam. Die von Hedgefonds bewegten Kapitalvolumina
liegen deshalb weit über ihrem ausgewiesenen Vermögen.
Wir beobachten die Hedgefonds unter dem Blickwinkel der Finanzstabilität aus
zwei Gründen sehr genau:
Erstens sind Hedgefonds Kreditnehmer und Geschäftspartner systemrelevanter
Finanzinstitute. Umfangreiche Geschäftsbeziehungen mit einer risikofreudigen
Gruppe könnten bei einer Ballung ungünstiger Entwicklungen systemrelevante
Finanzinstitute und damit im schlimmsten Fall die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems beeinträchtigen. Der scharfe Wettbewerb um das lukrative (Prime Brokerage-)Geschäft mit Hedgefonds kann zu größeren Zugeständnissen an diese
wichtige Kundengruppe führen, zum Beispiel im Hinblick auf Sicherheitenstellung.
2
Vgl.: Weber, Axel A., Hedge funds: A central bank perspective, in: Banque de France,
Financial Stability Review, Special Issue Hedge Funds”, April 2007, S. 161ff.
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Zweitens können Hedgefonds Quelle oder Verstärker von Finanzmarktstörungen
sein. Nicht nur der charakteristische hohe Leverage dieser Fonds, sondern auch
ihre zunehmenden Investitionen in illiquide und komplexe Instrumente stimmen
viele Beobachter nachdenklich. Dies umso mehr, als gelockerte Einschusspflichten bei ungünstigen Marktentwicklungen Nachschussforderungen mit entsprechendem Rückabwicklungsdruck nach sich ziehen können. In einer derartigen Situation können größere Marktanspannungen entstehen und die Marktliquidität
kann erheblich abnehmen oder gar versiegen.
Gleichwohl möchte ich aber unbedingt betonen, dass gerade Hedgefonds, sofern
ihre Positionen das zulassen, solche Situationen oft als gute Geschäftsgelegenheiten erkennen, gegen den Trend agieren und damit den Markt stabilisieren. Eine Vielzahl unterschiedlich positionierter Marktteilnehmer stellt ein stabilisierendes Element dar. Anders ausgedrückt wird die Marktliquidität durch die Heterogenität der Marktteilnehmer gefördert.
Diese Einschätzung ändert aber nichts an meiner Auffassung, dass wir mehr
Transparenz über Hedgefonds brauchen. Transparenz ist die Voraussetzung dafür, dass Investoren und Geschäftspartner das Risikoprofil der Fonds richtig einschätzen und auf dieser Grundlage fundierte Investitionsentscheidungen treffen
können.
Ich meine also, dass das Thema „Hedgefonds“ von der deutschen G7/G8Präsidentschaft zu Recht auf die Agenda genommen wurde und es war auch
konsequent, das Forum für Finanzstabilität, das FSF, um eine Stellungnahme zu
bitten. Im FSF haben wir uns im Konsens für eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die auf Marktdisziplin und eine indirekte Regulierung über die ohnehin regulierten Geschäftspartner der Hedgefonds setzen. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm fanden sie Zustimmung. Mit den Empfehlungen werden alle Beteiligten, also Investoren, Geschäftspartner, Aufseher und Hedgefonds, aufgefordert,
einen Beitrag zu mehr Transparenz und Risikobewusstsein zu leisten.
So soll die Hedgefonds-Branche selbst ihre bestehenden Branchenstandards
überprüfen und verbessern, vor allem in Bezug auf Risikomanagement, Bewertungs- und Offenlegungspraxis.
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Daher begrüße ich es, dass nun ein gutes Dutzend großer Hedgefonds, die allesamt in London gemanagt werden, eine bemerkenswerte Initiative ergriffen hat.
Die Gruppe unter der Leitung von Sir Andrew Large plant – ausgehend von den
diversen schon vorhandenen Empfehlungen und „Best Practices“ – verbesserte
Branchenstandards zu entwickeln. Für diesen selbst entwickelten Branchenstandard soll dann ein „comply or explain“ gelten. Inhaltlich soll dieser Standard Bewertung, Offenlegung und Risikomanagement und damit genau den Fragenkreis
abdecken, den das FSF in den Mittelpunkt der zu entwickelnden Standards gestellt hat.
Natürlich müssen wir abwarten, ob das Vorhaben der Gruppe uns einem im
Rahmen der deutschen G7G8-Präsidentschaft angestrebten Code of Conduct mit
verbindlichen Offenlegungspflichten näher bringt. Ich nehme diese Initiative jedenfalls ernst und sehe in ihr einen glaubwürdigen Schritt in die richtige Richtung.
Die Empfehlung des FSF an Investoren und Geschäftspartner lautet, die gewünschten Informationen aktiv einzufordern, damit Marktdisziplin überhaupt wirksam werden kann. Hier sind vor allem Informationen über das Risikoprofil gefragt.
Die anderen drei Empfehlungen des FSF wenden sich an die Finanzaufsicht. Sie
soll im Sinne eines indirekten Ansatzes darauf hinwirken, dass erstens systemrelevante Finanzintermediäre das Management ihrer Geschäftspartnerrisiken
verbessern, und dass sie sich zweitens für ein plötzliches Versiegen der Marktliquidität rüsten. Drittens soll die Finanzaufsicht schließlich prüfen, inwiefern eine
systematische Datenerhebung bei systemrelevanten Intermediären über deren
konsolidierte Geschäftspartnerrisiken gegenüber Hedgefonds einen zusätzlichen
Nutzen für die Aufsicht erbringen kann. In diesem Zusammenhang ist auch zu
überlegen, ob die internationale Kooperation der Aufsichtsbehörden ausgebaut
werden sollte.
Meines Erachtens kommt es jetzt darauf an, dass diese Empfehlungen von allen
Adressaten schnell mit Leben gefüllt werden, zumal das makroökonomische und
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finanzielle Umfeld bestimmt nicht immer so günstig bleiben wird, wie es derzeit
ist.
Lassen Sie mich an dieser Stelle, meine Damen und Herren, sozusagen als Zwischenergebnis eine ganz persönliche Erfahrung wiedergeben. Ich habe in all den
Diskussionen über die neuen Finanzinstrumente und die neuen Marktteilnehmer
die Erfahrung gemacht, dass die angelsächsische Perspektive oft eine ganz andere ist als die kontinentaleuropäische. Während hier immer wieder auf die Risiken hingewiesen wird, wird dort betont, dass die Stabilität des Finanzsystems
durch Innovationen im Bereich der finanziellen Instrumente und der finanziellen
Intermediäre eher gefördert wird. Ich meine, dass beide Perspektiven berechtigt
sind.
Und ich meine darüber hinaus, aber damit schlage ich schon ein weiteres Kapitel
meines Vortrags auf, dass sich diese beiden Perspektiven – also Chancen und
Risiken – auch bei der Beurteilung der Finanzmarktintegration wiederfinden.
Mit der Integration der Finanzmärkte und dem Zusammenwachsen der Bankensysteme verändert sich die Struktur des Finanzsystems. Die Finanzmärkte werden breiter und tiefer, wenn die Marktteilnehmer sich mehr und mehr über Ländergrenzen hinweg orientieren: eine größere Auswahl an Finanzinstrumenten,
größere Umsätze, höhere Liquidität. Das alles spricht dafür, dass ein integriertes
Finanzsystem Schocks besser absorbieren kann, dass es widerstandsfähiger ist.
Zugleich ist aber darauf hinzuweisen, dass sich Störungen in einem eng verflochtenen System schneller über Marktsegmente, Marktteilnehmer und Länder hinweg ausbreiten, also leichter eine ungünstige Eigendynamik entwickeln können,
die außerdem auch stärker sein dürfte als in einem fragmentierten Finanzsystem.
V
Integration der europäischen Finanzmärkte
Europa ist auf dem Weg zu einem Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen. Der
Finanzbinnenmarkt ist ein wichtiger Baustein der Europäischen Wirtschafts- und
Währungsunion – wir haben ja nicht nur eine EWU, sondern eine EWWU. Ein
engeres Zusammenwachsen weiterer Teilmärkte ist wünschenswert, damit die
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wirtschaftlichen Vorteile der gemeinsamen Währung so gut wie möglich ausgeschöpft werden können.
1 Finanzmarktintegration
Mit der Währungsunion kam fast über Nacht die Integration des unbesicherten
Geldmarktes und mit ihr einheitliche Geldmarktzinsen für die Länder des Euroraums.
Seit Beginn der EWU sind weitere Finanzmarktsegmente in Europa immer enger
zusammengewachsen. Die Integration vollzog sich beziehungsweise vollzieht
sich dabei umso schneller, je enger ein Finanzmarktsegment mit der Geldpolitik
verbunden ist und je großvolumiger das Geschäft ist.
Zu den recht gut integrierten Märkten gehören die Anleihemärkte. Bei Staatsanleihen haben sich die Zinssätze weitgehend angeglichen; die verbliebenen Zinsunterschiede spiegeln Unterschiede im Kreditrisiko der Länder und in der Liquidität der Papiere wider.
Bei Bankdienstleistungen ist das Geschäft mit großen Firmenkunden ebenfalls
recht gut integriert. Bei Konsortialkrediten zum Beispiel nimmt der Anteil derjenigen Finanzierungen zu, die von einer aus Sicht des Kreditnehmers ausländischen Bank arrangiert werden.
Im Privatkundengeschäft mit Bankdienstleistungen ist die Integration am wenigsten weit fortgeschritten. Manche Experten beklagen die „Fragmentierung“ im Retailgeschäft. Ich rate hier zu etwas größerer Gelassenheit.
Der regulatorische Rahmen für das Zusammenwachsen muss natürlich stimmen;
der FSAP samt Follow-up und das Lamfalussy-Verfahren sind hier mit Sicherheit
hilfreich. Aber die richtige Geschwindigkeit sowie geeignete Aktionsfelder und
Wege werden die Marktteilnehmer bestimmt selbst finden. Das gilt auch und gerade im Privatkundengeschäft, bei dem nationale Traditionen dem Grad und der
Geschwindigkeit der Integration natürliche Grenzen setzen. Integration lässt sich
nicht erzwingen.
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Nun wachsen allerdings nicht nur die Finanzmärkte in Europa zusammen, vielmehr werden hier auch die großen Bankkonzerne beziehungsweise Bankengruppen europäischer. Der Ausschuss für Bankenaufsicht des ESZB untersucht
diesen Prozess seit dem Jahr 2001 alle zwei Jahre (zuletzt mit Daten per Jahresende 2005) anhand der grenzüberschreitenden Aktivitäten von zuletzt 46 europäischen Bankenkonzernen. Die jüngste Untersuchung bestätigt eindeutig den
schon zuvor beobachteten Trend der Europäisierung.
Die europäischen Bankengruppen sind stark gewachsen, vor allem durch Fusionen; 30% der betrachteten Institutsgruppen haben Aktiva von über 500 Mrd Euro.
Die Auslandspräsenz dieser Konzerne steigt, und zwar sowohl in der Zahl der
EU-Länder, in denen sie eine Auslandsniederlassung unterhalten, als auch im
Anteil ihrer Auslandsaktiva. Sie betragen durchschnittlich 38% der konsolidierten
Konzernaktiva; das sind 14 Prozentpunkte mehr als noch 2003! Die Streuung
über die Länder ist groß: Der Anteil der Auslandsaktiva liegt zwischen 16% (Griechenland) und 65% (Italien); insgesamt acht Länder liegen auf bzw. über dem
Durchschnitt.
Der aggregierte Marktanteil der betrachteten Bankengruppen beträgt in den EU15 Ländern durchschnittlich 20%, in den neuen Mitgliedsstaaten mit 56% sogar
mehr als die Hälfte.
Wir sehen also eine deutliche Europäisierung auf der Ebene der größeren Bankkonzerne. Und ich brauche hier wohl nicht besonders zu unterstreichen, dass
diese Feststellung unmittelbar mit der Frage verbunden ist, welche Struktur für
die Bankenaufsicht von Europa angemessen ist.
2 Konsequenzen für die Finanzaufsicht
Diese Frage ist alles andere als leicht zu beantworten. 3 Denn den großen, europaweit aktiven Finanzintermediären steht eine viel größere Zahl rein national oder sogar nur lokal ausgerichteter Institute gegenüber. Zudem haben die EUMitgliedsländer jeweils ein eigenes Rechtssystem.
3
Vgl.: Meister, Edgar, European financial supervision: next steps, Lecture given at the
„Kangaroo group breakfast debate”, Europäisches Parlament, Brüssel, 29. März 2007.
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Ein europäisches Aufsichtsarrangement muss also sowohl der finanzwirtschaftlichen Realität eines zunehmend integrierten Finanzsystems Rechnung tragen als
auch der politischen Realität nationaler Rechts- und Verwaltungssysteme. Darüber hinaus, und das möchte ich besonders hervorheben, sollte die Aufsichtsstruktur zugleich wettbewerbsneutral sein. Das heißt, dass ein „level playing field“
herzustellen ist: zwischen heimischen Instituten und ihren ausländischen Wettbewerbern, aber auch zwischen national und international orientierten Instituten.
Das ist gewiss keine leichte Aufgabe.
Die EU hat jedoch ein System entwickelt, das diesen Anforderungen meines Erachtens bislang gerecht wird. Während die Institutsaufsicht in nationaler Verantwortung liegt, gilt für grenzüberschreitend tätige Institute ein Kooperationsmodell
zwischen Heimat- und Gastlandaufsehern: Die in der Bankenrichtlinie kodifizierte
Funktion des „consolidated supervisor“ sieht eine ergänzende Konzernaufsicht
durch die Aufsichtsbehörde des Heimatlandes eines Bankkonzerns in Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden der Gastländer vor.
Art und Umfang dieser Zusammenarbeit ist in den „home/host guidelines“ des
Ebene-3-Bankenausschusses CEBS skizziert. Dieser Expertenausschuss wurde
im Rahmen des Lamfalussy-Prozesses eingesetzt und soll unter anderem für eine konvergente Anwendung europäischen Bankenaufsichtsrechts sorgen.
Die „home/host-guidelines“ beschreiben auch so genannte „supervisory colleges“, in denen sich die beteiligten Aufsichtsbehörden eines Bankkonzerns organisieren. Diese dienen dem Informationsaustausch und der Koordinierung der
Aufsicht.
Eine ganze Reihe von Instrumenten wie zum Beispiel Mitarbeiteraustausch, gemeinsame Ausbildungsveranstaltungen oder die gegenwärtig in der Entwicklung
befindliche Option eines Mediationsverfahrens bei Streitfällen zwischen Aufsichtsbehörden, dienen der Vertiefung der Kooperation und der Konvergenz der
Aufsichtspraxis.
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Dieses Kooperationsmodell stellt unter den gegebenen politischen und rechtlichen Bedingungen ein Optimum dar. Die notwendige und gewollte Verbesserung
der aufsichtlichen Kooperation und Konvergenz sollte in diesem Rahmen weiterentwickelt werden.
Doch ich weiß, dass dieser Ansatz nicht allen weit genug geht. Große europäische Banken drängen schon seit längerem auf eine Konzentration der Aufsichtszuständigkeiten. Und Anfang Juni hat nun der IWF in seiner Schlusserklärung zur
Artikel-IV-Konsultation mit dem Euroraum die bestehenden Arrangements für Institutsaufsicht und Krisenmanagement deutlich kritisiert. Sie hinkten nicht nur den
Märkten hinterher, sondern verhinderten sogar eine weitergehende Integration.
Meines Erachtens lässt sich die Kritik des IWF am europäischen Aufsichtsmodell
aber unter anderem deswegen relativieren, weil für die vom IWF vorgeschlagene
Lösung für große, grenzüberschreitend aktive Finanzinstitute entscheidende
rechtliche und politische Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Vor allem müsste in den Mitgliedsländern ein vollkommen einheitliches Aufsichtsund Insolvenzrecht geschaffen werden. Und selbst dann bliebe die Frage, ob ein
faktisch zweigeteiltes Aufsichtssystem mit dem Konzept des Binnenmarktes und
dem Ziel eines „level playing field“ vereinbar ist.
Der IWF bemängelt auch einen schleppenden Fortschritt in den Vorbereitungen
für das Management etwaiger Finanzkrisen bei grenzüberschreitend tätigen Finanzinstituten.
Ohne Zweifel ist die Frage nach einem adäquaten Krisenmanagement im Finanzsektor von großer Bedeutung für die Finanzstabilität. Für Aufsichtsbehörden
und Notenbanken kommt es darauf an, im Falle eines Falles systemische Konsequenzen abzuwenden.
Bei der Vorbereitung auf etwaige Krisen sind in meinen Augen zwei Dinge entscheidend, nämlich erstens die Erwartungen, die das Arrangement für das Krisenmanagement bei den Marktteilnehmern erzeugt und zweitens die Flexibilität,
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die notwendig ist, um den individuellen Gegebenheiten einer kritischen Situation
bestmöglich Rechnung tragen zu können.
Die Erwartung, dass Zentralbank und Steuerzahler im Krisenfall Mittel bereitstellen werden, mindert die Eigenverantwortung der Finanzinstitute. Solche Erwartungen könnten sogar zu einem nachlässigen Umgang mit Risiken verleiten, wären also kontraproduktiv. Wegen dieses Moral-Hazard-Phänomens halte ich detaillierte Vorfestlegungen für nicht zielführend.
Das institutionelle Arrangement in der EU für das Krisenmanagement ist in den
letzten Jahren ausgebaut und in mehreren Krisenübungen getestet worden. 4 Es
trägt der Erwartungsproblematik Rechnung und bietet die notwendige Flexibilität.
Auf EU-Ebene existieren derzeit zwei Memoranda of Understanding für die Kooperation im Krisenfall. Das ältere (2003) besteht zwischen Aufsichtsbehörden
und Notenbanken, das zweite (2005) schließt die Finanzministerien mit ein. Diese Vereinbarungen umfassen Prinzipien und Verfahren für den Austausch von Informationen und Einschätzungen im Krisenfall. Hinzu kommt der ja ohnehin in
den „supervisory colleges“ institutionalisierte Informationsaustausch zwischen
den Aufsichtsbehörden.
Unabhängig davon hat das Eurosystem Vorkehrungen getroffen, um seine Funktionsfähigkeit im Krisenfall sicherzustellen; sie berücksichtigen auch eine etwaige
Bereitstellung von Liquiditätshilfen durch die nationalen Zentralbanken.
Mit diesem institutionellen Rahmen ist Europa für den Fall einer Gefährdung der
Stabilität des Finanzsystems meines Erachtens gut aufgestellt. Manchen Teilnehmern an der Diskussion über das Krisenmanagement schweben jedoch weiter gehende Vereinbarungen vor.
Bei weiter gehenden Vereinbarungen sehe ich aber die Gefahr, dass die Flexibilität in finanziellen Krisensituationen eingeschränkt wird. Jede Krise ist individuell.
Festgelegte Handlungsschemata würden den Aktionsspielraum einengen und
könnten daher einer optimalen Lösung im Wege stehen. Dies gilt umso mehr, als
eine Privatsektorlösung stets Priorität hat. Ex-ante-Vereinbarungen über die Tei4
Vgl.: EZB, Die EU-Regelungen zum Management von Finanzkrisen, Monatsbericht,
Februar 2007, S. 81ff.
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lung finanzieller Lasten einer Krise („burden-sharing“) halte ich für wenig praktikabel und zugleich für problematisch.
Meine Damen und Herren, ehrlich gesagt, fällt es mir jetzt doch schwer, das richtige Ende zu finden. So mache ich einfach Schluss, indem ich wieder auf den Anfang meiner Ausführungen verweise.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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