Elektrodynamik Einführung für Physiker und Ingenieure Von Akad. Oberrat Dipl.-Phys. Roland Kröger und Prof. Dr .-Ing. Rolf Unbehauen Universität Erlangen-Nürnberg 3., überarbeitete Auflage Mit 265 Abbildungen und 47 Aufgaben mit Lösungen EB B. G. Teubner Stuttgart 1993 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kröger, Roland: Elektrodynamik : Einführung für Physiker und Ingenieure I von Roland Kröger und Rolf Unbehauen. 3., überarb. Auf!. Stuttgart : Teubner, 1993 NE: Unbehauen, Rolf: Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt besonders für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-663-01221-4 ISBN 978-3-663-01220-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-0 1220-7 Softcover reprint of the hardcover 3rd edition 1993 © B. G. Teubner Stuttgart 1993 Gesamtherstellung: Zechnersche Buchdruckerei GmbH, Speyer Umschlaggestaltung: P.P.K,S-Konzepte, T. Koch, OstfildernlStuttgart VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Auf mittlerem mathematischen Niveau (dreidimensionale Vektoranalysis plus Wellengleichung) führt dieses Buch in die klassische Elektrodynamik ein. Dabei stehen die MaxwellGleichungen (einschließlich der zugehörigen Grenzbedingungen) im Mittelpunkt. Die traditionelle Unterscheidung zwischen "Maxwell-Gleichungen im Vakuum" und "Maxwell-Gleichungen in Materie" wird allerdings nicht übernommen. Statt dessen wird unterschieden zwischen Größen (E und B), die den (makroskopisch gemittelten) Zustand des Vakuums zwischen den Materieteilchen beschreiben und Größen (Pr' P, Ir, M), die ausschließlich der Materie zuzuordnen sind. Im Rahmen dieses Konzepts lassen sich D und H sehr einfach als Hilfsfelder definieren. Auf die spezielle Relativitätstheorie wird zwar nur kurz eingegangen, doch werden bewußt Aussagen vermieden, die zu ihr im Widerspruch stehen. Das betrifft vor allem die Formulierung des integralen Induktionsgesetzes (gemeint ist die einschlägige Maxwell-Gleichung) und die Darstellung der Induktion in bewegten Leitern durch Hinzunahme des entsprechend modifizierten Ohrnschen Gesetzes (vgL die Abschnitte 3A.lc und 7.5). Die Maxwell-Gleichungen werden im üblichen vektoranalytischen Formalismus dargestellt. Dieser ist seinem Wesen nach räumlich dreidimensional, so daß die zeitlichen Ableitungen der Felder immer extra angeschrieben werden müssen. Diese Äußerlichkeit eines nicht ganz adäquaten Formalismus läßt die Größen aEI a t, aBI a t als etwas Besonderes erscheinen, und als solches werden sie bekanntlich auch heute noch angesehen, obwohl die relativistische raum-zeitlich vierdimensionale Schreibweise der Maxwell-Gleichungen längst bekannt ist. Diese Schreibweise wird im Buch zwar nicht angewendet, doch wird konsequent vermieden, die Maxwell-Gleichungen in der üblichen Art zu interpretieren, wobei a E la t und aB lat als dynamische Ursachen vonB bzw. E aufgefaßt werden (vgl. Abschnitt 3.5). Eine Interpretation des elektrodynamischen Formalismus wird statt dessen an die retardierten Lösungen der Maxwell-Gleichungen geknüpft (vgl. Abschnitt 11.4.3). Besonderer Wert wird daher auf diese retardierten Lösungen im Zeitbereich gelegt, was hinsichtlich Umfang und konzeptioneller Bedeutung kaum anderswo in vergleichbaren Büchern zu finden sein dürfte. Das Buch betont also die begrifflichen Grundlagen und bemüht sich dabei um ausführliche Erläuterungen (u.a durch viele vollständig gerechnete Beispiele und Aufgaben mit Lösungen). Daher sollte es sich auch zum Selbststudium gut eignen. Die sehr ansprechende äußere Form verdankt diese zweite Auflage vor allem der engagierten Arbeit von Frau H. Schadel (Textverarbeitung) und Frau E. Orth (Bilder). Erlangen, Juli 1990 Die Autoren VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE Anläßlich der dritten Auflage wurden alle uns bekannt gewordenen Fehler korrigiert und der Text an zahlreichen Stellen überarbeitet. Insbesondere wurden die Beispiele 10.2.3 und 11.5.1 umgeschrieben und die alte Aufgabe 9.1, die identisch mit dem Beispiel 93.1b war, durch eine neue ersetzt. Auch die jetzige Aufgabe 11.5 ist neu. Sie und die Aufgabe 113 illustrieren die Integralform der inhomogenen Maxwell-Gleichungen in ungewohnter Weise. Unsere Behandlung der quasistationären Näherung wird jetzt durch eine "Zusammenfassung" am Ende des Abschnitts 6.5.1 abgeschlossen, wodurch stärker als bisher der uns wesentliche Punkt herausgestellt wird: Nicht die Verschiebungsstromdichte als Ganzes, sondern nur deren induzierter Anteil bleibt bei der quasistationären Näherung unberücksichtigt. So kann man dann etwa auch im Inneren von Kondensatoren, wo der coulombsche Anteil der Verschiebungsstromdichte unerläßlich ist. quasistationär rechnen (s. BeispieI10.3d). Im Vorwort zur zweiten Auflage fehlt ein Hinweis auf die erste Auflage. Sie erschien 1987 unter dem Titel ''Technische Elektrodynamik" in der Reihe "Teubner Studienbücher". Erlangen, Dezember 1992 Die Autoren INHALT Vorworte .................................................................................................. III, IV 1 VEKTORANALYfISCHE HlLFSMITIEL ................................................... . 1 1.1 1.1.1 1.1.2 Skalare und vektorielle Felder ......................................................... . Veranschaulichung durch Niveauflächen und Feldlinien .......................... . Beispiele ...................................................................................... . 2 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 Gradient eines skalaren Feldes ........................................................ . Definition des Gradienten und eine Folgerung ...................................... . Darstellung des Gradienten in kartesischen Koordinaten ........................ . Beispiel ....................................................................................... . 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 Quellen eines Vektorfeldes .............................................................. . fluß ............................................................................................ . Beispiel ....................................................................................... . Ergiebigkeit .................................................................................. . Divergenz..................................................................................... . Darstellung der Divergenz in kartesischen Koordinaten .......................... . Beispiele ...................................................................................... . 13 14 1.4 1.4.1 1.4.2 Satz von Gauß .............................................................................. . Eine Anwendung ........................................................................... . Anmerkung .................................................................................. . 17 19 20 Sätze von Green ............................................................................ . Satz von Gauß für den Gradienten ..................................................... . Wrrbel eines Vektorfeldes ................................................................ . 1.6 1.6.1 Zirkulation ................................................................................... . 1.6.2 Rotation ...................................................................................... . 1.6.3 Darstellung der Rotation in kartesischen Koordinaten ............................ . 1.6.4 Beispiele ...................................................................................... . 1.7 Satz von Stokes ............................................................................. . 21 22 22 23 25 26 28 1.5 1.5.1 1 3 5 5 6 7 8 8 9 11 12 31 1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.8.4 Verschiedenes ............................................................................... . Formeln ...................................................................................... . Gradientenfelder sind wirbelfrei ........................................................ . Rotorfelder sind quellenfrei ............................................................. . Satz von Gauß für die Rotation ......................................................... . 33 1.9 1.9.1 1.9.2 1.9.3 Skalares Potential ......................................................................... . Notwendige Bedingungen ................................................................ . Hinreichende Bedingungen .............................................................. . Beispiele ...................................................................................... . 37 37 37 39 Divergenz und Rotation als wesentliche Bestimmungsstücke eines Vektorfeldes......... .......... ................................................................ ........ 1.10.1 Poissonsche Differentialgleichung......................... ....... ........ ...... ......... 41 42 1.11 Zylinder- und Kugelkoordinaten ............ ................ . ... . . . . ... . ... . ....... . ... 1.11.1 Kurven-, Flächen- und Volurnenelement.............................................. 42 44 33 34 35 36 1.10 VI Inhalt 1.11.2 Vektoranalytische Operationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ll1.3 Beispiele....................................................................................... Lll.4 Nützliche Formeln.......................................................................... 46 49 49 2 lADUNG, STROM UND ELEKTROMAGNETISCHES FELD.......................... 52 2.1 2.Ll 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 Elektrische Ladung........................................................................ . Coulombsches Gesetz und elektrische Feldkonstante ............................. . Ladungsdichten ............................................................................. . Beispiel ....................................................................................... . Elektrischer Strom ........................................................................ . Stromdichten ................................................................................ . Beispiel ....................................................................................... . Amperesches Gesetz und magnetische Feldkonstante ............................ . Kontinuitätsgleichung .................................................................... . Beispiele ...................................................................................... . 52 53 55 57 2.4 2.4.1 Physikalisches Feldkonzept ............................................................. . Elektrische Feldstärke und magnetische Induktion ................................ . Elektromagnetisches Feld gleichfdrmig bewegter Punktladungen ............ . Elektromagnetische Wechselwirkung zweier gleichfönnig bewegter Punktladungen .............................................................................. . Beispiel ....................................................................................... . 2.5 2.5.1 2.5.2 2.6 2.7 58 60 62 64 66 67 69 71 72 75 76 Zeitliche Entwicklung der Felder ...................................................... . Abhängigkeit der Feldgrößen vom Bezugssystem ................................. . 80 3 MAXWELLSCHE GLEICHUNGEN............................................................ 82 78 3.1 Die Quellen von E... ..... ...................... ........................... ............... ... 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 Die Wirbel von B......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Gesetz von Biot-Savart..................................................................... 85 Beispiel...................................... .................................................. 87 Folgerungen .......... ..................... ............ .......................... ....... ...... 88 Durchflutungsgesetz........................................................................ 91 Verschiebungsstrom ........................................................................ 95 Die Quellen von B... .. ...... ............................................. . .. . ............... 97 Die Wirbel von E... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Magnetischer fluß und seine zeitliche Änderung............... ... ............... ... 97 Beispiele................................................ ....................................... 99 Induktionsgesetz. ............................................................................ 101 3.5 Vorläufiges zur Interpretation der Maxwell-Gleichungen..... .. .. . ....... . . . . .. 3.6 3.6.1 Integrale Form der Maxwell-Gleichungen... ....... ... . .. . ......... .. ...... . ... ...... 105 Beispiele....................................................................................... 107 3.7 3.7.1 3.7.2 Grenzbedingungen mr E und G.................................... .................... 112 Flächendivergenz.......................................................................... 113 Flächenrotation .. ... ... ... . . ... . .......... .. . . ....... . . . . . . . . .. ..... . ........... ..... . .. . .. . . 115 83 104 Inhalt 3.7.3 3.7.4 VII Zusammenfassung ............................................... ........................... 117 Beispiele....................................................................................... 118 4 ELEKTROSTATIK.................................................................................. 124 4.1 Elektrostatisches Potential .............................................................. . 125 4.1.1 Beispiele ...................................................................................... . 125 4.1.2 Elektrische Spannung und Verschiebungsarbeit .................................... . 127 4.2 Elektrischer Dipol ......................................................................... . 128 4.2.1 Kraft und Drehmoment auf elektrische Dipole im äußeren Feld ............... . 131 4.2.2 Beispiel ....................................................................................... . 133 4.2.3 Iiniendipol... ................................................................................ . 134 4.3 Multipolentwicklung des Potentials.................................................... 135 4.4 Poissonsche Differentialgleichung........................... ............. .............. 136 4.4.1 Beispiel....................................................................... ................. 137 4.4.2 Lösung für eine im Endlichen liegende Ladungsverteilung. ....................... 138 4.4.3 Eindeutigkeit der Lösung bei allgemeinen Potentialproblemen.................. 141 4.4.4 Beispiel........................................................................................ 142 4.5 Zwei Verfahren zur Lösung der Laplace-Gleichung. ............... ............... 143 4.5.1 Separation der Variablen bei kartesischen Koordinaten................. .......... 143 4.5.2 Beispiel........................................................................................ 145 4.5.3 Methode der fIniten Differenzen, Relaxationsverfahren........................... 148 4.6 Energie des E-Feldes........................................ ............................... 151 4.6.1 Energie einer statischen Ladungsanordnung.......................................... 151 4.6.2 Beispiel.......... ....................................................... ....................... 153 4.6.3 Räumliche Energiedichte des E-Feldes................................................ 154 4.6.4 Beispiel........................................................................................ 155 5 METALLISCHE LEITER.......................................................................... 156 5.1 5.2 5.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5 5.5.1 5.5.2 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 Ohmsches Gesetz........................... ..... .................. ......................... Hall-Effekt. . . . .. .. .. .. .. . . . .. . . . .. .. .. . .. . . .. . .. . . . .. .. .. .. .. . . .. . . . . .. . . .. . . .. . . . .. .. . .. .. .. . Joulesehe Wärme .......... .................................... ............................. Allgemeines Problem stationärer Stromverteilungen ............................ . Grenzflächen zwischen Bereichen verschiedener Leitfähigkeit ................. . Eindeutigkeit ................................................................................ . Ohmscher Widerstand .................................................................... . Beispiele ...................................................................................... . Stromlose ruhende Metallkörper... ............... ................. .... ............ .... Grenzbedingung an Metalloberflächen . .................. ...... ....... ................ Beispiele...................................................................................... Mehrleitersysteme ......................................................................... . Potential- und KapazitätskoeffIzienten .............................. " ................ . Reziprozität. ................................................................................. . Beispiel ....................................................................................... . Weitere Eigenschaften der KapazitätskoeffIzienten ............................... . 156 158 161 161 163 166 167 168 171 172 173 178 180 182 183 184 VIII 5.6.5 5.6.6 5.6.7 5.6.8 Inhalt Energie eines Mehrleitersystems ........................................................ Kondensatoren.......... .. . ........................................................... .... . .. Beispiele......................................... .............................................. Teilkapazitäten eines Mehrleitersystems .............................................. 186 187 189 192 6 MAGNETOSTATIK................................................................................. 194 6.1 6.1.1 6.2 6.2.1 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.5 6.5.1 6.6 Vektorpotential. ........................ .... ...... ..... ...... ..... ...... ..................... Beispiel.................... ......... ........... ...... ........... ........ ....................... Differentialgleichung für das Vektorpotential ...................................... Lösung für eine im Endlichen liegende Stromverteilung. .............. ............ Magnetischer Dipol. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kraft auf magnetische Dipole im äußeren Feld................................ ...... Feldparallelliegende magnetische Dipole............. .... ................ ... ......... InduktivitätskoetT"lZienten ................................................................ Selbstinduktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel......... ........... .......... ...... ........ ........ ............. ...... ........ ......... Wechselseitige Induktivitäten ............................................................ Beispiele....... ......... ........ ... ............ .......... ......... ........ ...... ............... Quasistatische Elektrodynamik......................................................... Quasistationäre Näherung ... ........... ......... ... ....... ...... .......... ... ........ .... Mathematische Ergänzung (Satz von HeImholtz) ................................. 194 195 196 197 200 203 205 207 207 209 211 213 216 218 219 7 INDUZIERTE QUASISTATIONÄRE STRÖME............................................. 221 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.4 7.4.1 7.4.2 Induzierte Schleifenströme............................................................... Selbstinduktion und wechselseitige Induktion bei zwei Stromschleifen ...... Energie des B-Feldes... ........................................................ ........ .... Bei einer Stromschleife ................................................... ............. .... Bei mehreren Stromschleifen.................................................. .......... Räumliche Energiedichte des B-Feldes.................................. .............. Beispiel........................................ ... ......... ............. .......... ............. Strom-Spannungs-Beziehung bei Spule und Transformator.................... Bei Spulen................. .......... .......................................................... Bei Transformatoren....................................................................... 223 225 227 228 229 231 233 234 234 238 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 Induktion in bewegten Leitern............................... ....................... ..... Beispiele... ...... .................... .................... ...................... ........ .... .... Bewegte Leiterschleifen ............................ ............. .......................... Beispiele..................................... ..... .............. ............................... Anmerkungen................................................................................ 239 240 243 244 246 8 ELEKTRISCH POLARISIERBARE STOFFE ................................................ 248 8.1 Elektrische Polarisation................................................................... 248 8.2 8.2.1 Polarisationsladungen. .................................................................... 249 Beispiele.............. ........... .......... ...... ............... ................. .............. 253 IX Inhalt 8.3 8.4 8.4.1 8.5 85.1 85.2 853 Polarisations strom ..................................................................... .... Freie Ladungen und elektrische Verschiebungsdichte ........................ .. .. Beispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrische Materialgrößen.................................... ................ .......... Grenzflächen zwischen verschiedenen Dielektrika.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele................................................................................... .... Kapazität von Kondensatoren mit dielektrischen Stoffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 256 258 259 260 262 268 9 MAGNETISCH POLARISIERBARE STOFFE............................................... 270 9.1 Amperesche Kreisströme ................................................................. 9.1.1 Paramagnetismus............................................................................ 9.1.2 Diamagnetismus......................................................................... .... 9.1.3 Ferromagnetismus .......................................................................... 9.2 Magnetisierung (Magnetische Polarisation) ........................................ Magnetisierungsströme.............................................................. ..... 9.3 93.1 Beispiele.... ... ..................... .................... ........ ..... .... ...................... 9.4 Freie Ströme und magnetische Feldstärke.............. ............................. 9.4.1 Beispiele................................................... .................................... 9.5 Magnetische Materialgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95.1 Grenzflächen zwischen verschieden permeablen Bereichen...................... 9.6 Ferromagnetische Materialien.......................................................... 9.6.1 Grundsätzliches zur Meßmethode ...................................................... 9.6.2 Magnetisierungskurve...................................................................... 9.63 Beispiel........................................................................................ 9.6.4 Induktivität von Spulen mit hochpermeablen Stoffen............................... 9.6.5 Anmerkungen................................................................................ 9.7 Zusammenfassung der Maxwell-Gleichungen mit D und H............... .... .. 270 271 272 274 275 275 278 280 282 285 286 287 287 290 293 294 295 296 10 ELEKTROMAGNETISCHE ENERGIEBILANZ ............................................ 298 10.1 10.1.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.3 103.1 103.2 Elektrische Leistungsdichte. .... .... ... ................................... ............... Gespeicherte elektrische Energie im Fall linearer Dielektrika................... Magnetische Leistungsdichte. ................................................... ........ Hystereseverlust. ............................................................................ Gespeicherte Energie im Fall weichmagnetischer Stoffe................. ......... Beispiel.. ............. .......... ........... ........ ....... .... .......... ........... ............ Elektromagnetische Energiestromdichte (Poynting-Vektor) .................... Beispiele ....................................................................................... Anmerkungen................................................................................ 299 301 303 305 307 308 309 312 317 11 RETARDIERTE LÖSUNGEN DER MAXWELL-GLEICHUNGEN .................... 318 11.1 11.2 11.3 Wellengleichungen. .. .. ........................ ......... ......... .......... ...... . . .. .. ..... 318 Inhomogene Wellengleichungen rur E und B..................... .... ... ............ 319 Inhomogene Wellengleichungen rur dynamische Potentiale...... ... ... ..... .... 321 X Inhalt 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.4.5 11.4.6 11.5 11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.6 11.6.1 11.6.2 11.7 Retardierte Potentiale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Rechnen mit retardierten Funktionen........................................... Beweise............................................... ................ ......................... Zusammenfassung und Interpretation................................................. Lösung der Maxwell-Gleichungen ohne Potentialansätze ......................... Arunerkungen................................................................................ Beispiele....................................................................................... Zeitveränderlicher elektrischer Dipol (Hertzscher Dipol).... .... .... ........... Beispiel........................................................................................ Zeitharmonisches Dipolmoment......................................................... Skalares retardiertes Potential........................................................... Zeitveränderlicher magnetischer Dipol (Fitzgeraldscher Dipol)............... Beispiel........................................................................................ Zeitharmonisches Dipolmoment......................................................... Zur Berücksichtigung von Materialeigenschaflen unter dynamischen Bedingungen....................................................... .......................... 322 324 327 329 331 332 333 341 344 347 349 351 354 355 357 Aufgaben ................................................................................................... 359 Lösungen ................................................................................................... 383 literatur . .. . . . . .. . .. . . . . . . .. . . . . . ....... . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . 408 Symbole ................. ~ . . .. . . . . . ...... .. . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. ... . . . . . . . . 409 Sachregister ............................................................................................... 411 1 Vektoranalytische Hilfsmittel Dieses erste Kapitel stellt die in der Elektrodynamik benötigten vektoranalytischen Hilfsmittel bereit. Es handelt sich dabei im wesentlichen um die Begriffe "Gradient", "Divergenz" und "Rotation" sowie um die Integralsätze von Gauß, Stokes und Green. Weil die Darstellung kurz und anschaulich sein soll, muß auf mathematische Vollständigkeit verzichtet werden. Stetigkeit oder Differenzierbarkeit der betrachteten Felder wird im jeweils nötigen Umfang stillschweigend vorausgesetzt. Die genannten Integralsätze werden nur plausibel gemacht. Ziel ist die von der Anschauung geleitete Anwendung der formalen Hilfsmittel und nicht deren restlos exakte Begriindung. Vom Leser werden erwartet die erforderlichen Kenntnisse über Vektoralgebra, partielles Differenzieren sowie Kurven-, Flächen- und Volumen-Integration. Eine gute Einführung in das gesamte hier angesprochene Stoffgebiet geben die Bücher von Bourne/Kendall und S. Großmann (s. Literaturverzeichnis). Generell sei vorausgesetzt, daß alle Koordinatensysteme rechtshändig sind. Dadurch werden Komplikationen insbesondere bei der Berechnung von Vektorprodukten vermieden. In diesem ersten Kapitel sind alle Größen dimensionslos und zeitunabhängig. 1.1 Skalare und vektorielle Felder Die Eigenschaft X sei innerhalb eines ausgedehnten Punktekontinuums örtlich variabel. Dann spricht man von einem X -Feld. Beispiele sind die Druckverteilung in der Atmosphäre und die Geschwindigkeitsverteilung (nach Betrag und Richtung) innerhalb einer Strömung. Ersteres nennt man ein skalares, letzteres ein vektorielles Feld. Formal handelt es sich hier also um Funktionen des Ortes, deren Werte skalare oder vektorielle Größen sind: U = U(r) (skalares Feld) , F = F(r) (vektorielles Feld). Dabei wird mit r der Ortsvektor bezüglich des Ursprungs (Nullpunktes) bezeichnet. Solange rein vektoriell gerechnet wird, genügt die Festlegung dieses einen Punktes, ohne zugleich auch schon Koordinaten einzuführen. Zwischen Punkten im Raum und ihren Ortsvektoren bezüglich des Nullpunktes besteht eine umkehrbar eindeutige Zuordnung, so daß man kurz vom "Punkt r" sprechen kann. 2 1.1.1 1 Vektoranalytische Hilfsmittel Veranschaulichung durch Niveauflächen und Feldlinien Zu einem vorgegebenen Punkt ro betrachte man diejenige Fläche durch ro, für deren andere Punkte r das skalare Feld U (r) den gleichen Wert Uo hat wie im Punkt ro . Diese durch U(r) = U(ro ) = Uo implizit definierte Fläche wird Niveaufläche zum Wert Uo genannt. Eine Schar derartiger Niveauflächen (s. Bild 1.1) gibt eine gute Veranschaulichung skalarer Felder. Meist wählt man die Flächen so aus, daß sich der Wert von U beim Übergang von einer Fläche zu einer benachbarten stets um den gleichen Wert ändert. o Bild 1.1 Vektorfelder lassen sich dadurch veranschaulichen, daß man in einzelnen Raumpunkten den Feldvektor anträgt, wie dies für die Punkte r l , r 2 und r im Bild 1.2 geschehen ist. Bild 1.2 o Übersichtlicher stellt man Vektorfelder mit Hilfe von Feldlinien dar. Das sind Kurven, die in jedem Punkt tangential zum dortigen Feldvektor verlaufen. Geht man also vom Punkt r aus ein infinitesimales Stück dr in Richtung des dortigen Feldvektors F (r), dann bewegt man sich auf der durch r verlaufenden Feldlinie (s. Bild 1.2). Die Parallelität von F( r) und dr wird durch die Gleichung 1.1 Skalare und vektorielle Felder 3 F(r)xdr = 0 (1.1) ausgedrückt. In einfachen Fällen können die Feldlinien zu einem gegebenen Vektorfeld durch Integration der GI. (1.1) ermittelt werden (vgI. Beispiel 1.1.2b). Andernfalls muß numerisch gerechnet werden: Zum Punkt r V +1 auf der gesuchten Feldlinie gelangt man näherungsweise gemäß wenn r v der zuvor ermittelte Feldlinienpunkt ist und die Schrittweite !1s genügend klein gewählt wird. Man beachte, daß F(r) und U(r)F(r) (U(r) t'0), obwohl es verschiedene Vektorfelder sind, die gleichen Feldlinien haben. Feldlinienbilder sind anschauliche Hilfen, aber kein vollwertiger Ersatz für die mathematische Beschreibung durch die Kenngrößen Divergenz und Rotation, die das Hauptthema dieses Kapitels sind. 1.1.2 Beispiele a) Ein skalares Feld sei durch U(r) = .l r für r = I r I t' 0 definiert. Die Niveauflächen 1/r = const sind offensichtlich Kugelflächen um den Ursprung (s. Bild 1.3). U=l U= Bild 1.3 ~ b) Ein Vektorfeld sei durch r F(r) = - r3 für r t' 0 definiert. Obwohl man dieser Darstellung unmittelbar entnehmen kann, daß die Feldlinien radiale Geraden bezüglich des Ursprungs sind, (s. Bild 1.4) soll dieser Tatbestand aus der Differentialgleichung (1.1) formal hergeleitet werden. Sie lautet in diesem Fall nach Einsetzen des Vektorfeldes und beidseitiger Multiplikation mit r 3 r x dr = O. (1.2) 1 Vektoranalytische Hilfsmittel 4 Bild 1.4 Legt man in den Ursprung ein kartesisches Koordinatensystem mit den drei Einheitsvektoren ex , ey und e z ' so gilt und r x dr = (ydz -zdy)ex (xdz -zdx)ey + (xdy - ydx)ez - • Wegen GI. (1.2) folgt hieraus ydz = zdy, xdz = zdx, xdy = ydx. (1.3) Gesucht wird die Feldlinie durch einen vorgegebenen Punkt Po = (x o , yo,zo), wobei das Achsenkreuz immer so gedreht werden kann, daß alle drei Koordinaten ungleich null sind. Die Feldlinie durch Po wird nun so weit berechnet, als auch für ihre anderen Punkte x 7c 0, Y 7c 0, z 7c 0 gilt. Dann dürfen die drei GIn. (1.3) in die Form dy = ~ z y dx _ ~ x z ~ = dx y x gebracht werden. Die Integration der ersten dieser Differentialgleichungen liefert lnL=ln~, Yo Zo und nach beidseitiger Anwendung der Exponentialfunktion zoY - Yo z = o. Analog ergeben sich Zo x - xo z = 0, Yo x - Xo Y = o. Jeweils eine dieser drei Beziehungen ist überflüssig, da sie von den anderen beiden linear abhängig ist. Durch die letzte Bedingung wird eine Ebene festgelegt, die den Punkt Po und die z -Achse enthält. Die vorletzte Bedingung bestimmt eine Ebene durch Po und die y -Achse. Da der Nullpunkt ausgeschlossen wurde, besteht der Durchschnitt beider "punktierten" Ebenen aus 5 1.2 Gradient eines skalaren Feldes zwei Halbgeraden, die in unmittelbarer Nähe des Ursprungs beginnen. Eine davon geht durch Po und ist somit die gesuchte Fe1dlinie. Wie elWartet, verlaufen also die Feldlinien geradlinig in radialer Richtung bezüglich des Ursprungs. In Bild 1.4, das man sich räumlich ergänzt denken muß, sind einige Feldlinien dargestellt. An diesem Beispiel ist typisch, daß sich aus GI. (1.1) Flächen (hier Ebenen) ergeben, deren Durchschnitt die gesuchten Feldlinien sind. 1.2 Gradient eines skalaren Feldes In einem skalaren Feld U (r) denke man sich zwei eng benachbarte Niveauflächen, deren U -Werte um !1 U differieren. Will man von einer der Flächen auf kürzester Wegstrecke M zur anderen, soll mit anderen Worten der Quotient 1!1 U 11 M maximal werden, dann muß man senkrecht zu den Flächen fortschreiten. Das wird im folgenden Abschnitt durch die Einführung eines Vektors zusarnmengefaßt, der in jedem Punkt eines skalaren Feldes Betrag und Richtung der maximalen Fe1dzunahrne angibt. 1.2.1 Definition des Gradienten und eine Folgerung Es sei ein skalares Feld U (r) gegeben. Im Bild 1.5 sind die Schnittlinien (gestri~helt) zweier infinitesimal benachbarter Niveauflächen dieses Feldes mit der Zeichenebene dargestellt. grad U(r). falls dU>O gradU(r). falls dU<O Bild 1.5 o• In der hier betrachteten sehr kleinen Umgebung von r sollen die Niveauflächen senkrecht zur Zeichenebene verlaufen. Als Gradient von U im Punkt r bezeichnet man den Vektor grad U (r), der wie folgt definiert ist: 6 1 Vektoranalytische Hilfsmittel (a) grad U ( r) steht senkrecht auf der Niveaufläche im Punkt r und zeigt in die Richtung zunehmender Werte von U. (b) Es gilt I grad U(r) I = I~~I , 1 wobei dl i der senkrechte Abstand ist, den die beiden Niveauflächen U = const und U + dU = const haben. Die Größe dU kann positiv oder negativ sein, da sie als die Differenz dU = U ( r + d r) - U (r ) definiert ist. Für die sehr kleine Ortsveränderung dr wird jetzt das Skalarprodukt (grad U)· dr berechnet. Mit den Bezeichnungen von Bild 1.5 gilt (grad U) • dr = ! lgradUI Idrlcosß, falls dU> 0, IgradUI I dr I COS(7T - ß), falls dU < O. Hieraus folgt mit der Eigenschaft (b) (grad U) • dr = ! ~ Idr I cosß, falls dU> 0, I ~~ I I dr I cos (7T - ß) , falls dU < O. dl i Nun gilt COS(7T-ß) = -cosß. Aus der Zeichnung entnimmt man ferner dl i Also gilt (grad U) . dr = ! ldUI, fallsdU>O, IdU I, falls dU< O. = I dr I cosß. _ Da dU = I dU I gilt, falls dU> 0 ist, und dU = - I dU I gilt, falls dU< 0 ist, ergibt sich schließlich allgemein dU = (gradU)· dr. ( 1.4) Kennt man also grad U, so kann man mit Hilfe der GI. (1.4) die Änderung von U beim Fortschreiten um dr bestimmen. Sie ist ersichtlich positiv und maximal, wenn dr gleiche Richtung hat wie grad U. Sie ist gleich null, wenn dr tangential zu einer Niveaufläche ist. 1.2.2 Darstellung des Gradienten in kartesischen Koordinaten Es sei U als Funktion der kartesischen Koordinaten gegeben: U = U(x,y,z). Das totale Differential dieser Funktion lautet au au au dU = - d x + - d y + - d z . ax ay az 7 1.2 Gradient eines skalaren Feldes Da dx, dy und dz die Komponenten von dr sind, läßt sich GI. (1.4) auch in der Form dU = Cx dx + cy dy + Cz dz schreiben, wobei cx ' cy und Cz die zu bestimmenden Komponenten von grad U sind. Nun können dx, dy und dz beliebig gewählt werden, insbesondere darf man jeweils zwei von ihnen gleich null setzen. Deshalb zeigt der KoeffIzientenvergleich, daß die partiellen Ableitungen von U gleich den Komponenten des Gradienten sind: au au au e + e +e . ax x ay y az z grad U = - (1.5) Häufig betrachtet man den Ausdruck a a a V= - e +8y- ey +8z - ez ax x (1.6) gesondert, bezeichnet ihn als Nablaoperator und schreibt kürzer (1.7) gradU = VU. 1.2.3 Beispiel Als Beispiel sei wieder das durch U ( r) = 1/r = 1/ aus Abschnitt 1.1.2a gewählt. Es ist hier au ax x = -VX2+y2+Z23 au ay y = _L , ,3 -vx2 + y2 + Z2 3 8U az -VX2+y2+Z23 -=- Z = -Vx 2 + Y 2 + Z 2 x -7 , Z -7 ~Linien / :-lf+-l,.--f-....-+.:......- Bild 1.6 definierte skalare Feld des Vektorfeldes grad ~ ~ - ;. 8 1 Vektoranalytische Hilfsmittel Damit wird 1 gradr r ( 1.8) = --. r3 Dies ist bis auf das Vorzeichen das in Abschnitt 1.1.2b als Beispiel behandelte Vektorfeld. Faßt man die Bilder 1.3 und 1.4 zusammen, nachdem man im letzteren die Feldliniemichtung umgekehrt hat, so ergibt sich Bild 1.6. Man sieht dort den Gradienten senkrecht auf den Niveauflächen stehen und in die Richtung zunehmender Werte von U zeigen. Sein Betrag wird dort größer, wo die Niveauflächen dichter liegen, wo sich U also stärker ändert (bezogen auf eine feste Schrittweite). 1.3 Quellen eines Vektorfeldes Die Feldlinien des im Beispiel 1.1.2b behandelten Vektorfeldes "entspringen" im Nullpunkt (s. Bild 1.4). Dieser Punkt kann daher als "Quelle" des Feldes aufgefaßt werden. Bei Bild 1.6 dagegen "verschwinden" die Feldlinien im Nullpunkt, und man spricht deshalb von einer "Senke". Ohne im Augenblick diese Begriffe schärfer zu fassen, kann ganz grob gesagt werden, daß auch bei anderen Vektorfeldern Bereiche vorkommen, die man als Quellen bzw. Senken des Feldes insofern betrachten kann, als die Feldvektoren "im Mittel" aus diesen Bereichen heraus- bzw. hineinzeigen. Die mathematische Präzisierung dieser Vorstellung führt über die Begriffe "Fluß" und "Ergiebigkeit" schließlich zur "Divergenz". 1.3.1 Fluß Gegeben sei ein Vektorfeld F ( r) und in diesem Feld eine Fläche S (s. Bild 1.7). An jeder Stelle von S denke man sich einen Einheitsvektor 11 senkrecht zur Fläche errichtet. Für die Richtung des Normalenvektors kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Eine davon sei für die gesamte Fläche fest gewählt. Unter dem (vektoriellen) Flächenelement da versteht man dann den Vektor da = 11 da, wobei da der Flächeninhalt eines infinitesimalen Stücks von S ist. Das skalare Produkt d'if; = F· da = F· 11 da = Fn da heißt Fluß des Vektorfeldes durch das infinitesimale Flächenstück. Dabei ist Fn = F· 11 die Komponente von F in Richtung 11 an der Stelle des Flächenelements (Fn und folglich auch d'if; sind negativ, falls Fund 11 einen stumpfen Winkel einschließen!). Der Betrag von d'if; ist ein Maß für den "Anteil" des Vektorfeldes, der das kleine Flächenstück "durchsetzt". Summiert, d.h. integriert man die Beiträge von allen infinitesimalen Flächenelementen, so erhält man den gesamten Fluß 'if; des Vektorfeldes durch S: 'if; = ffs F· da. (1.9) Der Name "Fluß" ist sehr anschaulich. Bedeutet nämlich F die Geschwindigkeit fließenden Wassers, so ist I 'if; I ein Maß für diejenige Wassermenge, die pro Zeit durch S hindurchströmt. 1.3 Quellen eines Vekloifeldes 9 Bild 1.7 Man beachte, daß d 1/1 bzw. 1/1 das Vorzeichen ändert, wenn man IJ umkehrt. Die Aussage, daß der Fluß durch eine Fläche gleich 1/1 sei, hat also erst dann einen genauen Sinn. wenn die Normalenrichtung oder, wie man auch sagt, die Orientierung der Fläche mit angegeben wird (nicht orientierbare Flächen, wie z.B. das Moebius-Band werden im ganzen Buch nicht betrachtet). In zeichnerischen Darstellungen geschieht dies mit Hilfe eines Zählpfeils (s. Bild 1.8). Er gibt die sogenannte Zähl- oder Bezugsrichtung an, die prinzipiell unabhängig von der Feldrichtung gewählt werden kann. Zu jeder Fläche S gibt es somit zwei Flüsse mit gleichen Beträgen aber ungleichen Vorzeichen gemäß den zwei möglichen entgegengesetzten Zählrichtungen. Im Bild 1.8 wurde die Zählrichtung so gewählt, daß 1/1 negativ ist. Bild 1.8 1.3.2 Beispiel Der Fluß 1/1 des Vektorfeldes F(,) =,/r 3 durch das im Bild 1.9 dargestellte (schraffierte) Quadrat S (Seitenlänge h ) soll berechnet werden bezüglich der eingetragenen Zählrichtung. In diesem Fall kann die Fläche S zerlegt werden in lauter infInitesimale Rechtecke mit Seitenlängen dy und dz. Also ist hier da = dy dz. 1 Vektoranalytische Hilfsmittel 10 Ferner wird in allen Punkten von S der in Zählrichtung zeigende Normaleneinheitsvektor n einheitlich durch e" gegeben (wäre für 1/1 die entgegengesetzte Zählrichtung gewählt worden, dann wäre n = - e" zu setzen). Das vektorielle Flächenelement wird somit durch da = dy dz e" dargestellt. Das gegebene Vektorfeld lautet in kartesischen Koordinaten und bei Beschränkung auf die Punkte von S (d.h. x = - h ) F h e" + y ey + z er I -- -Vh + + 2 S 3 y2 . Z2 Einsetzen in GI. (1.9) führt wegen ey • e" = e z ' e" = 0 schließlich auf das gewöhnliche Doppelintegral fo f h 1/1 = - h h 0 dy dz Vh 2 + y2 + Z2 3 = - !!. , 6 dessen explizite Auswertung dem Leser überlassen wird. Das Minus im Ergebnis wird verständlich, wenn man die Feldrichtung (s. Bild 1.4) auf der Fläche S mit der gewählten Zählrichtung vergleicht. (z) (y) ------ h Bild 1.9 -h h (x) Mit 23 weiteren Quadraten der Seitenlänge h kann man hier zur Oberfläche eines Würfels (Seitenlänge 2h) ergänzen, dessen Mittelpunkt im Ursprung liegt. Wählt man die Zählrichtung von innen nach außen, dann folgt mit dem letzten Resultat Dabei zeigt der hochgestellte Kreis an, daß sich der Fluß auf eine geschlossene Fläche (Hüllfläche) bezieht. Dies ist vorab ein Beispiel zum nächsten Abschnitt.