Niereninsuffizienz und Dialyse

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SVEN-DAVID MÜLLER · CHRISTIANE WEISSENBERGER
Ernährungsratgeber
Niereninsuffizienz
und Dialyse
Genießen erlaubt
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Unsere Nieren – das müssen Sie wissen
•• Sie sind an der Bildung von aktivem Vitamin D3 beteiligt und
somit in die Kontrolle des Mineralstoffwechsels des Knochens
eingebunden.
•• Durch die Produktion des Hormons Erythropoeitin regulieren
die Nieren auch die Blutbildung im Knochenmark.
Purine sind
stickstoffhaltige
Zellbestandteile
und kommen
vermehrt in
tierischen Lebensmitteln vor.
Was sind harnpflichtige Substanzen?
Im Stoffwechsel des menschlichen Körpers fallen ständig Produkte
an, die nicht mehr weiter verwertet werden können. Neben der Leber
sind die Nieren für viele Stoffwechselendprodukte das wichtigste
Hauptausscheidungsorgan. Stoffe, die über die Niere mit dem Harn
ausgeschieden werden, werden als harnpflichtige Substanzen
bezeichnet. Kommt es zu Störungen bei der Ausscheidung von
harnpflichtigen Substanzen, so steigt deren Konzentration im Körper
in unterschiedlichem Ausmaß an. Harnpflichtige Substanzen sind:
• Harnstoff: Stoffwechselendprodukt der Eiweiße
• Kreatinin: Stoffwechselendprodukt der Muskulatur
• Harnsäure: Stoffwechselendprodukt der Purine (Purine sind
Eiweißbestandteile, die im Körper zu Harnsäure umgewandelt und
über die Nieren ausgeschieden werden. Ist die Harnsäurekonzen­
tration im Blut zu hoch, kommt es zu Ablagerungen von Harn­
säurekristallen in den Gelenken, die wiederum zu Zellverletzungen
und damit zu Gicht führen.)
Was bedeutet Niereninsuffizienz?
Von Niereninsuffizienz spricht man, wenn die Nieren ihre Funktionen verlieren.
In diesem Fall kommt es zu einer Retention zahlreicher harnpflichtiger Substanzen im Blut. Die mangelhafte Ausscheidung
saurer Stoffwechselendprodukte führt zu einer Übersäuerung des
Körpers, metabolische Azidose genannt. Die Nieren können die
Was bedeutet Niereninsuffizienz?
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Regulation des Elektrolyt-Haushaltes nicht mehr zuverlässig gewährleisten. Bei starkem Anstieg der Kaliumkonzentration im
Blut (Hyperkaliämie) droht ein Herzstillstand. Der Nierenfunk­
tionsverlust beeinträchtigt auch die adäquate Ausscheidung von
Salz und getrunkener Flüssigkeiten. Hieraus entstehen Wasseransammlungen im Körper, die sich in leichteren Fällen durch
Schwellungen der Beine bemerkbar machen, in schweren Fällen
kommt es zu einem Lungenödem.
Darüber hinaus sind typische Begleiterkrankungen bei chronischer Nierenschwäche die Entwicklung einer Blutarmut (renale
Anämie), die durch die mangelhafte Bildung von Erythropoeitin
Im medizinischen
Zusammenhang
bedeutet Retention
die Rückhaltung
bestimmter Stoffe
oder Flüssigkeiten.
verursacht wird und eine Knochenmineralisationsstörung (renale Osteopathie), ausgelöst durch die mangelhafte Ausscheidung
von Phosphat und einen gestörten Vitamin-D-Stoffwechsel.
Formen und Ursachen von Niereninsuffizienz
Man unterscheidet ein akutes Nierenversagen von einem chronischen Nierenversagen.
Das akute Nierenversagen tritt rasch auf und ist meist Folge
einer plötzlichen Mangeldurchblutung der Nieren, wie sie im
Rahmen eines schweren Blutverlustes (z. B. nach Unfall oder
schweren Operationen) und im Rahmen eines Kreislaufschocks
(z. B. nach Herzinfarkt oder bei Blutvergiftung) auftreten kann.
Eine akute Schädigung der Nierenkörperchen und des Tubulusapparates der Nieren kann auch durch bakterielle und virale Infektionen (z. B. Hantavirusinfektion) und Toxine verursacht werden
(z. B. Bakteriengifte, Röntgenkontrastmittel und zu hoch dosierte
Schmerzmedikamente).
Das chronische Nierenversagen ist gekennzeichnet durch
einen schleichenden langsamen kontinuierlichen Nierenfunk­
­
tionsverlust.
In unserer Wohlstandsgesellschaft sind langjähriger Bluthochdruck (hypertensive Nephropathie) und Diabetes (diabeti-
Langjähriger
Bluthochdruck und
Diabetes sind die
häufigsten
Ursachen für eine
chronische
Schädigung der
Nieren.
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Unsere Nieren – das müssen Sie wissen
sche Nephropathie) die häufigsten Ursachen für eine chronische
Schädigung der Nierengefäße und der Nierenkörperchen. Chronisch verlaufen meistens auch autoimmunologisch bedingte
Entzündungen der Nierenkörperchen (Glomerulonephritiden).
Die regelmäßige Einnahme von Schmerzmedikamenten kann
über eine Schädigung des im Nierenmark gelegenen Tubulusapparates ebenfalls zu einem chronischen Nierenversagen führen
(Analgetikanephropathie). Zu nennen sind dann noch angeborene Nierenerkrankungen wie die schwammartige Zersetzung der
Nieren durch flüssigkeitsgefüllte Bläschen (polyzystische Nierendegeneration).
Die Prognose des akuten Nierenversagens ist meist abhängig
von der verursachenden Grunderkrankung. Das Sterblichkeitsrisiko von Patienten mit akutem Nierenversagen ist hoch. Bei erfolgreicher Behandlung kann sich die Nierenfunktion von einem
akuten Nierenversagen aber vollständig erholen.
Im Gegensatz hierzu verschlechtert sich die Nierenfunktion
bei chronischer Niereninsuffizienz kontinuierlich. Manche chronischen Nierenerkrankungen führen erst nach 20 bis 30 Jahren
zu einer Dialysepflichtigkeit der betroffenen Patienten.
Diagnose der Niereninsuffizienz
Frühe Symptome von Nierenerkrankungen sind Verfärbungen
und Schäumen des Urins durch Blut und Eiweißverlust. Beinahe
jede Nierenerkrankung führt zu einem Anstieg des Blutdruckes.
Durch Eiweißverlust im Blut kommt es zu Wassereinlagerungen
im Gewebe mit Schwellungen der Augenlider und Unterschenkel
(Ödeme). In fortgeschrittenen Stadien der Niereninsuffizienz entsteht durch die mangelhafte Produktion des die Blutbildung stimulierenden Hormons Erythropoeitin eine Blutarmut, die zu
Blässe und allgemeiner körperlicher Schwäche führt.
Bei schwerer Niereninsuffizienz verschlechtert sich mit dem
Anstieg der Konzentration der harnpflichtigen Stoffwechselend-
Was bedeutet Niereninsuffizienz?
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Bei Diagnose,
Therapie und
Verlaufskontrolle der
Niereninsuffizienz
hilft ein genaues
Protokoll der
täglichen Flüssigkeitsaufnahme.
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Unsere Nieren – das müssen Sie wissen
produkte (Urämietoxine) im Blut das Allgemeinbefinden der betroffenen Patienten kontinuierlich. Der Appetit wird schlechter.
Es besteht zunächst eine Abneigung gegen Fleisch- und Wurstwaren. Hinzu kommt dann Übelkeit mit Erbrechen. Der katabole
Stoffwechsel führt zu einem körperlichen Verfall mit Muskelschwund.
Die Diagnose einer Niereninsuffizienz umfasst Laboruntersuchungen von Blut und Urin, bildgebende Verfahren wie Ultraschalluntersuchung und verschiedene Röntgenverfahren (Computertomographie, Magnetresonanztomographie, Angiographie)
sowie Untersuchungen von Gewebeproben, die mittels Nieren­
biopsie gewonnen worden sind.
Stadien der Niereninsuffizienz
Ein Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels, das Kreatinin, eignet
sich zur Beurteilung des Schweregrades der Niereninsuffizienz, da
dieses zu 99 Prozent über die Nieren ausgeschieden wird. Durch
Messung der Kreatininkonzentration im Blut und auch im Urin
kann die glomeruläre Filtrationsleistung der Nieren (GFR) mit
Hilfe verschiedener Formeln recht genau bestimmt werden.
Die glomeruläre Filtrationsleistung entspricht der Filtratmenge, die von allen Nierenkörperchen beider Nieren pro definierte
Zeit gebildet wird. Sie entspricht dem Primärharn und beträgt
pro Tag zwischen 120 bis 170 Liter. Umgerechnet pro Minute entspricht die GFR 90 bis 120 ml/min.
Eine chronische Nierenerkrankung kann auch bei noch normaler Filtrationsleistung vorliegen. In diesen Fällen besteht eine
Undichtigkeit der Membranen der Glomeruli, die sich durch einen Eiweißverlust im Urin bemerkbar macht. Die moderne Klassifizierung des Schweregrads chronischer Nierenerkrankungen
berücksichtigt deshalb neben der glomerulären Filtrationsrate
auch den Verlust des Eiweißpartikels Albumin im Urin.
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