Politik / Wirtschaft SEITE 6 NR. 260 . MITTWOCH, 9. NOVEMBER 2011 Norbert Walter: Rauswurf Griechenlands nützt nichts Interview Ex-Chefvolkswirt nennt Drohung „leichtfertig“ M Berlin. Die Probleme Griechenlands werden nicht durch einen Rauswurf aus der Euro-Zone gelöst, sagt Norbert Walter. Der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank spricht sich im Interview mit unserer Zeitung gegen diesen Schritt aus. Silvio Berlusconi packt ein. Bei einer Abstimmung im italienischen Parlament erhielt der Ministerpräsident eine entscheidende Schlappe. Ist es richtig, den Griechen den Euro-Rauswurf anzudrohen? In der gegenwärtigen Situation ist jede Art von Drohung leichtfertig. Damit will die Bundesregierung ihren Wählern nur die eigene Stärke demonstrieren. Europa wäre keinesfalls damit gedient, die Griechen herauszuschmeißen. Ich bin verblüfft, dass deutsche Professoren oder Politiker glauben, man könne den Griechen einfach eine neue Währung andrehen! Die Griechen wollen keine sich inflationierende, abwertende Währung, die die Drachme zweifellos werden würde. Foto: dpa Berlusconi fühlt sich verraten Italien Regierungschef scheitert an Leuten aus den eigenen Reihen – Rücktritt nach dem Umsetzen der Reform Von Hanns-Jochen Kaffsack M Rom. Sein Rechenschaftsbericht ist durchs Parlament gekommen, aber Silvio Berlusconi hat eine herbe Niederlage erlitten. Der italienische Regierungschef wurde vorgeführt von der Opposition, die Morgenluft wittert, und Abtrünnigen aus den eigenen Reihen. Das Votum in Rom offenbarte seine Schwäche. Von der absoluten Mehrheit weit entfernt, sah Berlusconi die letzten Felle im Tiber davonschwimmen – und entschloss sich daraufhin am späten Dienstagabend zum baldigen Rücktritt. Dabei wollte er eigentlich „vorwärts gehen“, wollte auch keine „nicht gewählte“ Übergangsregierung in Rom an seiner Stelle. Das war die Botschaft an die Seinen, mit der Silvio Berlusconi in die jüngste und letzte Schlacht um sein politi- sches Überleben gegangen war. Doch dann hatten seine Gegner, die nicht abstimmten, plötzlich numerisch die Mehrheit. Eine Routineangelegenheit wurde zur Falltür für den 75-jährigen Medienzar und Milliardär aus Mailand. Denn der Rechenschaftsbericht 2010, der seiner Mitterechts-Regierung bereits einmal, Mitte Oktober, eine schallende Ohrfeige im Parlament eingebracht hatte, ist normalerweise für Regierende eine Formalie. Vor dem Hintergrund der verschärften Krise um Berlusconi wuchs sich der zweimal vorgelegte Regierungsbericht jedoch zur Feuerprobe aus. Gedemütigt von den G20 Zuletzt haben sie alle „Katz und Maus“ mit ihm gespielt, dem einst erfolgsverwöhnten und gewieften Taktiker aus Italiens Norden – der aber doch in die Jahre gekommen ist. Die Finanzmärkte reagierten millimetergenau auf Gerüchte und Spekulationen über einen Rücktritt des „Cavaliere“ – wurde Berlusconi doch von Politikern, Analysten und Medien als entscheidender Grund für ein Glaubwürdigkeitsproblem Italiens genannt. Auf dem G20-Gipfel in Cannes gedemütigt, als die Atombehörde: Iran hat an Bombe gebaut Untersuchungsbericht Hinweise auf Entwicklung von Sprengköpfen – Israel bleibt noch ruhig M Wien. Selten ist ein Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zum iranischen Atomprogramm mit solcher Spannung erwartet worden. Und selten hat die IAEA so klare Worte über Irans atomare Aufrüstung gefunden. Die alarmierende Botschaft lautet: Der Iran hat auf jeden Fall bis zum vergangenen Jahr an der Entwicklung einer Atombombe gearbeitet. Dieses Programm könnte noch andauern, heißt es in dem 25-seitigen Bericht. „Die Informationen weisen darauf hin, dass der Iran Arbeiten zur Entwicklung eines nuklearen Sprengkörpers durchgeführt hat“, schreibt IAEA-Chef Yukiya Amano. Der Bericht zählt detailliert eine Reihe von Nuklearexperimenten auf. „Während einige Aktivitäten zivile wie militärische Zwecke haben könnten, sind andere speziell für Nuklearwaffen“, heißt es. Unter anderem schlussfolgert die IAEA, dass Wissenschaftler unter der Führung des Verteidigungsministeriums Komponenten für einen atomaren Sprengkopf entwickelt und getestet hätten. Dazu gehörten Arbeiten an Komponenten („Neutron Initiators“), die nukleare Kettenreaktionen auslösen. Zudem gebe es Hin- weise auf die Vorbereitung von Atomtests, für die der Iran spezielle Zünder unterirdisch ausprobierte. Israel hat zunächst nicht offiziell auf den Bericht reagiert. Mark Regev, ein Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, sagte am Dienstagabend, es werde keine „automatische Reaktion“ geben. Israel müsse den Bericht erst studieren. In israelischen Medien war bereits vor dem Bekanntwerden des Berichts über einen möglichen Militärschlag gegen iranische Atomanlagen spekuliert worden, sollte es neue Hinweise auf ein Atomwaffenprogramm geben. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak hatte sich am Dienstag aber bemüht, Sorgen vor einem unmittelbar bevorstehenden Krieg mit dem Iran zu zerstreuen. „Ein Krieg ist kein Picknick, und wir wollen keinen Krieg“, sagte Barak dem israelischen Rundfunk. „Israel hat sich noch nicht für einen militärischen Einsatz entschieden.“ Verschiedene Nationen, darunter auch die deutsche Regierung, warnten Israel vor einem Angriff. Der Iran hatte zuvor noch einmal betont, dass er kein geheimes Atomwaffenprogramm habe. Staats- und Regierungschefs der anderen Industrieländer den Internationalen Währungsfonds (IWF) als finanzpolitischen Wachhund für Italien benannten, vertiefte sich seine Krise nur noch weiter. „Regierungen werden vom Volk gewählt und nicht von den Finanzmärkten“ – das war eine der Begründungen, mit denen sich Berlusconi gegen den immensen Druck durch Rekord-Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen zur Wehr setzen wollte. Er musste in „Regierungen werden vom Volk gewählt und nicht von den Finanzmärkten.“ Mit dieser Begründung weigerte sich Silvio Berlusconi lange, zurückzutreten. Erfolglos. den dreieinhalb Jahren seiner Koalitionsregierung mit ansehen, wie seine Mehrheit im Abgeordnetenhaus allen Versprechungen an neue Bündnispartner zum Trotz weiter schrumpfte. Mitunter war auch gar keine Mehrheit für die Mitte-rechtsKoalition aus seiner PdL (Volk der Freiheit) und Umberto Bossis rechtspopulistischer Lega Nord mehr da. Aber irgendwie schaffte es der geschickte Medienzar immer Kompakt Boehringer investiert stark in Deutschland M Ingelheim. Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim investiert nach eigenen Angaben überproportional in Deutschland. „Obwohl wir 95 Prozent des Umsatzes im Ausland machen, fließt die Hälfte unserer Investitionen in die deutschen Forschungs- und Produktionsstandorte“, sagte der Sprecher der Unternehmensleitung, Andreas Barner, bei einem Treffen mit dem rheinland-pfälzischen Kabinett. Von den weltweit 42 000 Mitarbeitern sei ein Drittel in Deutschland beschäftigt, die Hälfte davon in Ingelheim. Barner forderte mit Blick auf die weiteren Investitionen eine „planbare Gesundheitspolitik“ der Bundesregierung. wieder, doch noch die Reihen geschlossen zu halten. Bis zu dieser denkwürdigen Niederlage. Berlusconi ist nun zum Rücktritt bereit. „Die Regierung hat nicht mehr die Mehrheit, die wir zu haben glaubten“, sagte der gescheiterte Regierungschef am Dienstagabend dem italienischen Fernsehen. „Wir müssen also diese Situation realistisch zur Kenntnis nehmen und uns um die Lage Italiens kümmern und um das, was auf den Finanzmärkten geschieht.“ Von der Opposition werde er fordern, dass sie den dringenden Reformmaßnahmen zustimmt, die er vor seinem Rücktritt noch durch das Parlament bringen will. Regierung schien lange stabil Italien war lange das einzige der stark von der Finanz- und Schuldenkrise erfassten Südländer der Europäischen Union, in dem sich bei der Regierung nichts Dramatisches zu tun schien. In Spanien gibt es Neuwahlen, auch die Griechen bekommen eine neue Regierung. Und nun also Berlusconi, der sich „verraten“ fühlt – von Männern und Frauen aus seiner vermeintlich ganz auf ihn zugeschnittenen Regierungspartei. aus. Dass Frauen länger arbeitsunfähig sind, führt die Kasse auf deren Doppelbelastung in Beruf und Familie zurück. Sie hätten oft weniger Zeit als Männer, um sich zu erholen. Früherer Ärztepräsident Hoppe ist verstorben Warum wäre der Euro-Austritt Griechenlands auch für Deutschland nicht gut? Weil die Probleme Europas mit Griechenland ja nicht beendet sind, sobald die Griechen ausgetreten sind. Es ist naiv anzunehmen, dass Griechenland einfach von unserer Landkarte verschwindet, nur weil das Land nicht mehr Euro-Mitglied wäre. Ich sage immer: Lampedusa ist überall! Nordeuropa würde sehr rasch das Ziel vieler griechischer Wirtschaftsflüchtlinge werden. Jörg-Dietrich Hoppe war zwölf Jahre Präsident der Bundesärztekammer. M Koblenz. Frauen fehlen nach Darstellung der Krankenkasse Barmer GEK deutlich häufiger und länger wegen psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz als Männer. Das berichtete die Kasse in Koblenz nach Auswertung ihres Gesundheitsreports. Demnach waren 2010 in Rheinland-Pfalz 1,9 Prozent der Frauen und 1,2 Prozent der Männer aufgrund der Diagnose „depressive Episode“ krankgeschrieben. Dabei fielen weibliche Beschäftigte aus gleichem Grund durchschnittlich 102 Tage, ihre männlichen Kollegen nur 67 Tage M Köln. Der ehemalige Präsident der Bundesärztekammer, JörgDietrich Hoppe, ist tot. Er starb am Montag im Alter von 71 Jahren nach längerer Krankheit in Köln, wie die Kammer am Dienstag mitteilte. Der Pathologe stand zwölf Jahre an der Spitze der Ärztekammer. Die Ärzteschaft verliere viel zu früh einen leidenschaftlichen Kämpfer für den freiheitlichen Arztberuf, sagte Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery. Er war erst im Juni als Hoppes Nachfolger gewählt worden. Ist es richtig, den Rettungsschirm EFSF auf Billionenhöhe zu hebeln? Ja, weil es keine andere vernünftige Alternative gibt. Die Vergrößerung ist nötig, um notfalls auch Italien helfen zu können. Die EZB sollte sich unbedingt heraushalten. Der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB ist nicht akzeptabel, weil die Schuldenkrise nicht durch das Anwerfen der Notenpresse gelöst werden darf. Das Interview führte Birgit Marschall EU ringt um neue Steuer Finanzminister Abgabe auf Transaktionen umstritten M Brüssel. Deutschland und Frankreich droht in Sachen Finanztransaktionssteuer eine herbe Niederlage: Die Abgabe stößt auf starken Widerstand bei den EU-Partnern. Sie dürfte – wenn überhaupt – nur im Alleingang für die 17 Euro-Staaten durchsetzbar sein, nicht aber auf der Ebene aller 27 Mitgliedsländer. Doch selbst in der Währungsunion wächst der Widerstand, wie sich beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel zeigte. „Ich glaube, die Steuer ist ein Rohrkrepierer“, sagte der schwedische Finanzminister Anders Borg. Großbritanniens Ressortchef George Osborne fragte in der öf- fentlichen Debatte ironisch, ob die Steuer-Debatte wirklich der „beste Zeitvertreib“ ist. Er fügte hinzu: „Wir müssen über das reden, was Europa weiterbringt und nicht, was Arbeitsplätze vernichtet und ein Geschäft vertreibt.“ Osborne forderte die Europäer auf, stattdessen entschlossener gegen die Schuldenkrise zu kämpfen. „Es ist schön und gut zu sagen, wir haben einen Schutzwall. Wir müssen der Welt überzeugend zeigen, dass dieser Schutzwall existiert.“ Damit spielte der Brite auf die offenen Details zum Euro-Rettungsschirm EFSF an – die auch jetzt nicht geklärt wurden. ing Öl-Fördermenge steigt nicht, aber die Preise (T) Mit Tarifansage M Wien. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) wird ihre Fördermengen bis 2013 wohl nicht erhöhen. „Ich glaube nicht, dass die Opec in diesem oder im nächsten Jahr mehr als 30 Millionen Barrel (159 Liter) am Tag produzieren wird“, erklärte Generalsekretär Abdalla Salem. Die Produktion in Libyen, die während des Bürgerkriegs komplett ausgefallen war, läuft wieder – dadurch steht dem Markt mehr Öl zur Verfügung. In den kommenden zehn Jahren wird der Barrel-Preis laut Opec zwischen 85 und 95 US-Dollar schwanken – das sind 10 Dollar mehr, als die Opec 2010 vermutete. Kein mobiles Internet: UMTS-Netz fiel aus Frauen fehlen öfter und länger wegen Depression Wie beurteilen Sie die Lage in Italien, das als die wahre Achillesferse der Euro-Zone gilt? Die negative Einschätzung Italiens durch die Finanzmärkte ist völlig Norbert übertrieben. Der Walter Schuldenstand in Frankreich, Deutschland und in den USA ist in den vergangenen Jahren viel stärker gestiegen als in Italien. Was die wenigsten sehen: In Italien haben wir Giulio Tremonti, einen durchsetzungsstarken Finanzminister. Ich finde es schrecklich, dass die Ratingagenturen Italien herabstufen, obwohl Tremonti seit Jahren die richtige Finanzpolitik macht. Die Steuerquote Italiens ist viel höher als die Griechenlands. Ich fordere die Akteure an den Finanzmärkten auf: Schaut euch Italien endlich ehrlich an! M Koblenz/Frankfurt. Probleme mit dem mobilen Datennetz im RheinMain-Gebiet und im Raum Koblenz: Kunden von E-Plus und Base hatten am Dienstag bis in die Abendstunden keinen UMTSEmpfang, beklagten sich, zwar telefonieren, aber nicht mobil das Internet nutzen zu können. Die Pressestelle von Base bestätigte, dass es ein technisches Problem in Frankfurt gab, das auch den Großraum Koblenz betraf. Das Unternehmen empfiehlt, in solchen Fällen in den Einstellungen des jeweiligen Gerät die Einstellungen auf GSM-Empfang zu verändern. Dieses – deutlich langsamere Netz – funktionierte. law Telefonieren Sie günstig: Uhrzeit Vorwahl Cent/Min. Ortsgespräche Inland – Mo bis Fr 17-19 Uhr 19-21 Uhr 21-17 Uhr 01028 01088 01088 01013 01088 01079 (T) 0,87 0,88 0,56 0,57 1,38 1,84 Ortsgespräche Inland – Wochenende 19-21 Uhr 21-19 Uhr 01013 01088 01088 01070 0,72 0,77 1,08 1,23 Ferngespräche Inland – Mo bis Fr 0-9 Uhr 9-18 Uhr 18-19 Uhr 19-21 Uhr 21-24 Uhr 01088 01041 01069 (T) 01041 01028 01041 01013 01070 01013 01070 0,68 0,83 1,17 1,18 0,76 0,83 0,58 0,71 0,58 0,71 Ferngespräche Inland – Wochenende 19-21 Uhr 21-19 Uhr 01013 01070 01069 (T) 01041 0,39 0,49 0,77 0,83 Vom Festnetz zum Handy – Mo bis So 0-24 Uhr 01069 (T) 01041 3,65 3,66 Alle Angaben ohne Gewähr Stand: 08. 11. 2011 Tarife auch im ZDF-Videotext auf den Seiten 587 und 588. Weitere Informationen zum Telekommunikationsbereich finden Sie unter www.teltarif.de im Internet. Quelle: www.teltarif.de rz Grafik