Bayerischer Landtag 16. Wahlperiode Drucksache 16/11989 17.04.2012 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FRAKTION FREIE WÄHLER vom 23.02.2012 Schmallenberg-Virus Das Schmallenberg-Virus ist jetzt auch in Bayern angekommen. Es ist eine Gefahr für Wiederkäuer. Deshalb frage ich die Staatsregierung: 1. Wie viele Fälle sind bisher in Bayern bekannt geworden? 2. Wie ist der Stand der Forschung? 3. Welche Ähnlichkeiten können zur Blauzungenkrankheit festgestellt werden? 4. Findet eine Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern statt? 5. Ist es richtig, dass keine Anzeigepflicht eingeführt werden soll. und wie steht Bayern dazu? bei Rindern, Schafen und Ziegen nachgewiesen. In Deutschland liegen derzeit bestätigte Fälle für alle Länder außer Bremen vor. Nicht bekannt ist bisher, inwieweit Wildwiederkäuer für das SBV empfänglich sind. Die Übertragung des SBV erfolgt vermutlich durch Insekten (Gnitzen und Stechmücken). Rinder mit akuten Infektionen zeigen milde Symptome wie Milchrückgang, Fieber und Durchfall. Diese Symptome wurden besonders während der Gnitzen- und Stechmücken aktiven Zeit (April bis November) im Jahr 2011 beobachtet. Von kleinen Wiederkäuern (Schafe, Ziegen) sind bisher keine Symptome bekannt. Die Virämiephase des SBV ist kurz (1 bis 6 Tage) und auch die klinische Symptomatik klingt innerhalb weniger Tage ab. Eine besondere Rolle spielt die fetale Infektion. Kommt es in etwa im ersten Drittel der Trächtigkeit zur Infektion, kann das Virus den Fetus infizieren und zu schweren Schädigungen führen. Neben Aborten und mumifizierten Feten sind insbesondere Früh- und Totgeburten sowie die Geburt lebensschwacher, missgebildeter Lämmer und Kälber typisch. Häufigste Missbildungen sind Gelenksteife, Sehnenverkürzungen, Schiefhaltungen des Halses und Hydrocephalus (Wasserkopf). Das zentrale Nervensystem kann schwerste Deformationen aufweisen. Insgesamt ist das klinische Bild dem von Infektionen mit dem Akabane-Virus sehr ähnlich. Der direkte Erregernachweis erfolgt mittels molekularer ­Diagnostik (real-time RTPCR) oder Virusanzucht. Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 12.03.2012 Zu 1.: In Bayern wurde mit Stand vom 12.03.2012 in 30 Fällen eine Infektion mit dem Schmallenberg-Virus (SBV) nachgewiesen (Anzahl der betroffenen Bestände: 21). In der akuten Infektion eignen sich hierfür Blutproben, die während der klinischen Phase zu entnehmen sind. Der Erregernachweis bei Feten, Aborten oder missgebildeten Lämmern und Kälbern erfolgt vornehmlich aus Gehirnproben. Der Antikörpernachweis erfolgt derzeit mittels indirekter Immunofluoreszenz oder durch einen Neutralisationstest. Ein enzymgebundener Immunadsorptionstest (ELISA) befindet sich in der Entwicklung. Zu 2.: Genetische Untersuchungen des SBV zeigen, dass eine enge Verwandtschaft zu Viren der Simbu-Serogruppe des Genus Orthobunya-Virus der Familie Bunyaviridae besteht. Viren der Simbu-Serogruppe, zu denen auch das am besten untersuchte Akabane-Virus gehört, wurden bei Wiederkäuern bislang in Asien, Afrika und Australien nachgewiesen, nicht aber in Europa. Die höchste genetische Ähnlichkeit wurde bisher zum Shamonda-Virus aus dieser Gruppe festgestellt. Es ist nach wie vor nicht abschließend geklärt, ob es sich um einen frischen Eintrag dieses exotischen Virus im Jahr 2011 handelt oder ob dieses Orthobunya-Virus schon seit mehreren Jahren in Europa zirkuliert. Der Schutz empfänglicher Tiere vor Gnitzen/Stechmücken ist vorerst die einzige Möglichkeit, SBV-Infektionen zu reduzieren. Ein Impfstoff steht derzeit nicht zur Verfügung. SBV wurde bisher in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg und den Niederlanden Akabane-ähnliche Viren, die bisher beim Rind aufgetreten sind, stellen kein Gesundheitsrisiko für den Menschen dar. Es handelt sich nicht um Zoonoseerreger. Aufgrund der Ver- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 16. Wahlperiode wandtschaft des SBV zu Shamonda-, Aino- und AkabaneVirus ist auch hier nach bisherigem Kenntnisstand nicht von einem Risiko für den Menschen auszugehen. Zu 3.: a) Auch die Blauzungenkrankheit (hier: BTV-8) ist eine nicht ansteckende, von bestimmten blutsaugenden Mückenarten (Gnitzen und Stechmücken) übertragene Infektionskrankheit der Wiederkäuer (Rind, Schaf und Ziege). Insofern weisen BTV-8 und SBV zum einen eine Vergleichbarkeit hinsichtlich des Wirtspektrums auf. Zum anderen ist der Übertragungsweg von BTV-8 und SBV ähnlich. Die Übertragung der beiden Erreger erfolgt nicht durch direkten Kontakt von Tier zu Tier, sondern durch blutsaugende Mückenarten (Gnitzen und Stechmücken). b) Nach bisherigem Kenntnisstand waren BTV-8 und SBV ursprünglich nicht in den gemäßigten Klimazonen Mitteleuropas beheimatet. Die Blauzungenkrankheit wurde zunächst vornehmlich in Südafrika sowie in arabischen und asiatischen Ländern nachgewiesen; das dem SBV ähnliche Akabane-Virus tritt saisonal in Australien, Japan und Teilen Vorderasiens, Afrikas sowie der Südwest-Pazifik-Region auf. c) Der Eintrag beider Erreger in Europa (erste Fälle im deutsch-niederländischen Grenzgebiet) sowie die nachfolgende zirkuläre Ausbreitung der Erreger innerhalb Deutschlands ist vergleichbar. Drucksache 16/11989 d) BTV-8- sowie SBV-Infektionen weisen insbesondere bei Rindern ein unspezifisches klinisches Krankheitsbild auf. e) Nach bisherigem Kenntnisstand ist weder bei BTV-8 noch bei SBV von einem Risiko für den Menschen auszugehen. Zu 4.: Eine Zusammenarbeit mit den anderen Ländern findet statt. Die Tierseuchenreferenten des Bundes und der Länder haben bereits am 11.01.2012 vereinbart, für SBV die Meldepflicht einzuführen und hierfür die „Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten“ zu ändern. Die Beschlussfassung im Bundesrat erfolgt am 30.03.2012. Des weiteren kamen die Tierseuchenreferenten überein, bereits im Vorgriff auf die Änderung der o. g. Verordnung den Verdacht sowie die Feststellung einer SBV-Infektion in TSN (= zentrale Tierseuchendatenbank des Bundes) zu erfassen. Zu 5.: Wie unter Frage 4 dargestellt, soll am 30.03.2012 zunächst die Meldepflicht für SBV eingeführt werden, um zum einen eine umfassende Übersicht über Vorkommen und Verbreitung des SBV zu erlangen. Zum anderen wird damit die Grundlage für mögliche Maßnahmen zur Vorbeugung gegen diese Tierkrankheit geschaffen. Nach Auffassung des StMUG ist die Einführung der Meldepflicht für das SBV gegenüber einer Anzeigepflicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausreichend.