Lautstärkeabhängigkeit akustisch evozierter Potenziale zur

Werbung
5. ZUSAMMENFASSUNG
Die Schizophrenie ist ein hoch komplexes psychiatrisches Krankheitsbild mit heterogenen
Symptomen und unterschiedlichen Verläufen. Man geht davon aus, dass es für
psychopathologische Symptome der Schizophrenie neurochemische Korrelate gibt.
Aufgrund der erfolgreichen therapeutischen Anwendung serotonerger Substanzen wird
dem Serotoninsystem große Bedeutung in der Entwicklung der unter dem Begriff
Negativsymptomatik zusammengefassten Symptome zugeschrieben. Inwiefern eine
Serotonindysfunktion bei den unterschiedlichen psychopathologischen Symptomen
besteht, sollte anhand der Lautstärkeabhängigkeit akustisch evozierter Potenziale gezeigt
werden.
Die Lautstärkeabhängigkeit der N1/P2-Komponente akustisch evozierter Potenziale
(LAAEP) ist inzwischen ein gut validierter Parameter zur Erfassung des Funktionsniveaus
des zentralen Serotonins. Diese Beziehung ist in ihrer Eigenschaft invers: Bei niedriger
Aktivität des zentralen serotonergen Systems ist die LAAEP stark ausgeprägt und
umgekehrt. Tierexperimentell und anhand von Untersuchungen der Korrelationen
zwischen LAAEP und Persönlichkeitseigenschaften, psychiatrischen Erkrankungen sowie
Medikamentenwirkungen konnte die Beziehung der LAAEP zum serotonergen System gut
belegt werden. Hierbei erwies sich, dass die einzelnen psychiatrischen Störungen
spezifische serotoninbezogene Symptome aufweisen, die es ermöglichen Patienten in
Subgruppen zu unterteilen. Die LAAEP besitzt deutliche Vorteile: Sie ist weder invasiv,
noch stellt sie eine gesundheitliche Gefährdung dar. Zudem ist sie gut praktikabel,
preiswert und ermöglicht die Detektion serotonerger Dysfunktionen, was eine klinisch
nützliche Unterstützung für die Therapieplanung sein kann.
Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen dem
Ausprägungsgrad unterschiedlicher Symptomkomplexe der Schizophrenie und der
Aktivität des zentralen Serotonins. Es wurden die Hypothesen aufgestellt, dass
Schizophrene verglichen mit der Kontrollgruppe Gesunder eine niedrigere LAAEP als
Ausdruck erhöhter zentraler serotonerger Aktivität aufweisen und dass diese wiederum mit
dem Ausprägungsgrad der Negativsymptomatik korreliert.
Um diese Annahmen zu überprüfen, wurde in einer prospektiv offenen Studie die LAAEP
von 30 medikamentös behandelten schizophrenen Patienten sowie 30 alters- und
geschlechtsentsprechenden gesunden Kontrollprobanden gemessen und anschließend
68
verglichen. Beiden Gruppen wurden hierfür Töne in fünf verschiedenen Schalldruckpegeln
präsentiert. Anhand eines EEGs wurden die evozierten Potenziale abgeleitet. Anschließend
wurde
aus
der
N1/P2-Komponente
der
akustisch
evozierten
Potenziale
die
Lautstärkeabhängigkeit berechnet. Als Maß für die LAAEP wurde die Steigung der
gemittelten Verbindungsgerade („median slope“) verwendet. Der psychopathologische
Zustand wurde mittels validierter psychometrischer Ratingskalen erhoben, wobei spezielle
Skalen für die Erfassung von Positiv- und Negativsymptomen (PANSS, SANS) sowie
depressiver Symptomatik (CDSS, HAMD, BRMS und BDI) angewendet wurden.
Die Ergebnisse stehen im Einklang mit den aufgestellten Hypothesen. Schizophren
Erkrankte zeigten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden eine deutlich niedrigere
LAAEP. Weiterhin erwies sich eine negative Korrelation zwischen Negativsymptomen
und der LAAEP, was darauf hinweist, dass der Schweregrad der Negativsymptome mit
einer erhöhten zentralen Serotoninaktivität einhergeht. Bei anderen Symptomkomplexen
ergaben sich keine Zusammenhänge zur LAAEP.
Die Ergebnisse sollten unter Berücksichtigung einiger zu beachtender Einflussfaktoren
interpretiert werden. Die schizophrenen Probanden erhielten alle eine medikamentöse
Behandlung. Frühere Studien, welche ebenfalls mittels LAAEP sowohl medikamentös wie
auch
nicht-medikamentös
behandelte
Schizophrene
untersuchten,
ergaben
übereinstimmende Ergebnisse. Dennoch gibt es Unterschiede in der Korrelation von
psychopathologischen Symptomen und der LAAEP. Es lässt sich nicht ausschließen, dass
diese auf medikamentöse Nebenwirkungen zurückzuführen sind. Bezüglich der LAAEP ist
weiterhin unklar, inwiefern das Geschlecht einen Einfluss ausübt. Weitere Einflussfaktoren
können Nikotinabusus und Aufmerksamkeitsstörungen sein. Darüber hinaus gibt es im
Hinblick auf die Methode der LAAEP Faktoren, deren Einfluss noch nicht ausreichend
geklärt ist. Zwar besitzt Serotonin eine hohe Spezifität bezüglich der LAAEP, dennoch
bleibt die Frage offen, inwiefern andere Neuromodulatoren die LAAEP mit beeinflussen.
Klärungsbedürftig ist ebenfalls, in welcher Hinsicht die LAAEP den Mechanismus der
Wiederaufnahme, der Freisetzung und der Synthese von Serotonin beschreibt. Aus diesem
Grund lassen die Ergebnisse der erhöhten serotonergen Aktivität keinen Rückschluss über
die Ätiologie zu.
Die ermutigenden Ergebnisse sollten Anlass geben, weiterführende Studien in dem Gebiet
der schizophrenen Pathophysiologie durchzuführen.
69
Herunterladen