Physikalisches Anfängerpraktikum PCH Praktikum für Chemiker ‐ Februar/März 2010 (Kurze) Einführung in die Grundlagen der Fehlerrechnung oder besser: Bestimmung von Messunsicherheiten “Step inside, ladies & gentlemen,” said the museum attendant, “and see the dinosaurian skeleton which is 200.000.001 years old.” How are you so certain of its age?” asked a visitor. “Well,” he replied, “last year when I started this job it was 200.000.000 years old.” Citation from H. Hayden, Lab physics for the life sciences, Philadelphia. Uwe Schimpf, Institut für Umweltphysik [email protected]‐heidelberg.de Gliederung ► Begriffe ► Ursache und Arten von Messunsicherheiten ► Berechnung von zufälligen Messunsicherheiten ► Angabe von Messergebnissen ► Gaussverteilung ► Fehlerfortpflanzung ► Graphische Darstellung ► Lineare Regression [experimentelle Demonstration] [Lösungen zu den Arbeitsblättern] [zusätzliches Material] Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Experimentelle Demonstration Versuch 251 „Statistik“: Radioaktiver Zerfall von Kobalt 60 (Halbwertszeit 5.26 a) Einzelnes Atom: Keine Vorhersage möglich wann dieses Atom zerfallen wird. aber: Zerfall radioaktiver Atome gehorcht den Gesetzen der Statistik. Genaue Vorhersage wie sich Kollektive aus vielen Atomen verhalten werden ist möglich, auch wenn das Schicksal jedes Einzelatoms nicht vorhersehbar ist: Nach einer ganz bestimmten Zeit (Halbwertszeit), ist stets die Hälfte aller zunächst vorhandenen Atome zerfallen. Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Fehlerangabe Jede Messung ist mit einem Messfehler behaftet. Es gibt keine Messung die unendlich genau ist! Die Aussage ... “ Ich habe die Elementarladung gemessen, sie beträgt 1,602 × 10‐19 Coulomb” ... ist FALSCH !!! Charles Augustin de Coulomb (1736–1806) Zwei unabhängige Messungen ergeben ungleiche Resultate: Nur wenn man die jeweiligen Messfehler angibt, kann man diskutieren, ob die beiden Messungen ‐ innerhalb der Fehlergrenzen ‐ in Übereinstimmung sind oder nicht ! Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Fehlerangabe Um ein theoretisches Modell experimentell durch eine Messung zu überprüfen, muss die Qualität und die Aussagekraft der Messung bekannt sein. Beispiel: Die Bestimmung der Elementarladung ergab folgende Ergebnisse: Messung 1: e = (1,7 ± 0,1) × 10‐19 C Messung 2: e = (1,62 ± 0,01) × 10‐19 C Messung 1 ist konsistent mit dem Literaturwert Messung 2 ist zwar präziser, stimmt aber innerhalb der Fehlergrenzen nicht mit dem Literaturwert überein! Robert Andrews Millikan (1868–1953) Wir wollen realistische Fehler im Praktikum ! Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Angabe einer Messgröße Ziel einer Messung: bestimme einen Schätzwert für die betreffenden Messgröße, der zusammen mit der Messunsicherheit zur Kennzeichnung eines Wertebereichs für den wahren Wert der Messgröße dient. ► Beste Schätzung des „wahren“ Wertes xB ► Messunsicherheit Δx („Fehler“) ► Physikalische Einheit Angabe des absoluten Fehlers x = xB ± Δx e = (1,62 ± 0,03) × 10‐19 C Angabe des Relativfehlers x = xB ± (Δx/xB) × 100 e = 1,62 × 10‐19 C ± 1,9 % zugehörige physikalische Einheit gleiche Zehnerpotenzen für Messwert und Messunsicherheit sinnvolle Zahl der angegebenen Stellen (eine, max. zwei signifikante Stellen) Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Messunsicherheiten Grobe Fehler z.B. durch defekte Messgeräte, falsches Ablesen von Skalen, ungeeignete Mess‐ methoden oder Messbedingungen, Irrtum bei der Protokollierung oder Auswertung, … Grobe Fehler können durch sorgfältiges Experimentieren ausgeschlossen werden! Grobe („unerlaubte“) sollten im Praktikum nicht auftreten ! Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Messunsicherheiten Systematische Fehler führen zu einseitigen Abweichungen vom „wahren Wert“. Der Messwert ist entweder immer größer oder immer kleiner als der „wahre Wert“. Ursachen: Unvollkommenheit der Messgeräte ► Eich‐ und Justierfehler, Nichtlinearität, Reibung, .... teilweise bekannt (Herstellerangaben: Genauigkeitsklassen) Rückwirkung des Messgerätes (Prozesses) auf die Messgröße ► Innenwiderstand, Verformung, Erhitzung Umwelteinflüsse ► Auftrieb, elektromagnetische Felder, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, ... Systematische Abweichungen sind: ► prinzipiell erfassbar ► oft aber schwer oder gar nicht zu erkennen ► reproduzierbar und somit zumindest teilweise korrigierbar Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Messunsicherheiten Zufällige oder Statistische Fehler Beispiel ► Wiederholung von Messungen (unter gleichen Bedingungen): einzelne Messwerte werden sich voneinander unterscheiden. Stat. Fehler: klein Syst. Fehler: klein ► Statistische Fehler streuen „links“ und „rechts“ um den wahren Wert (in vielen Fällen sogar symmetrisch um den wahren Wert). Stat. Fehler: klein Syst. Fehler: groß ► Zufällige Abweichungen sind unvermeidlich und nicht exakt erfassbar. ► sind statistischer Analyse zugänglich: Die Größe zufälliger Messabweichungen kann mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsaussagen bestimmt werden. Durch Mehrfachmessungen können statistische Fehler prinzipiell beliebig klein gehalten werden ! Stat. Fehler: groß Syst. Fehler: klein Stat. Fehler: groß Syst. Fehler: groß Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Messunsicherheiten Beispiele für zufällige Messabweichungen: ► Abweichungen beim Ablesen (Parallaxe) ► Reaktionsvermögen (z.B. bei Zeitmessung) ► Unsicherheit der Skaleninterpolation ► variable Umgebungsbedingungen (Druck, Temperatur, ...) ► statistischer Charakter der Messgröße (Rauschen, Radioaktivität,…) Experiment zur Bestimmung des Schwerpunktes von Bierdosen (Experimental Physik I, WS 2007/08) Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Fehlerbestimmung Falls keine Messgenauigkeiten angegeben sind, kann der Fehler aus der Skalenteilung abgeschätzt werden Beispiel: Streckenmessung Lineal Auflösung: 1 mm Messschieber Mikrometerschraube Auflösung: 0,05 mm Auflösung: 0,01 ‐ 0,001 mm Messunsicherheit: Je nach Qualität des Messinstruments 30% – 50% der Skalenteilung Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Fehlerbestimmung An vielen Analogmessinstrumenten ist eine Genauigkeitsklasse angegeben. Genauigkeitsangabe: Max. Unsicherheit in % des Skalenendwertes Genauigkeitsklasse Bei Skaleneinteilungen ist die absolute Genauigkeit in der Regel etwas besser als die Ablesegenauigkeit Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Fehlerbestimmung Im Praktikum: Genauigkeitsangabe der Bedienungsanleitung entnehmen ! Beispiel: Es wurde eine Wechselspannung von 4,736 V gemessen Fehler: 0,9% von 4,736 = 0,043 V, 5 Digit = 5 mV Messfehler: 0,048 V Ergebnis U = (4,74 ± 0,05) V Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Fehlerbestimmung Beispiel: Zeitmessung mit Handstoppuhr Auflösung: 1/100 s zusätzlicher Fehler durch das endliche Reaktionsvermögen des Experimentators, Reaktionszeit ~ 0,2 s – 0,3 s (Bei Differenzmessungen kleiner!) Statistischer Fehler Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Statistische Fehler Um statistische Fehler zu bestimmen müssen mehrere Messungen unter gleichen Versuchsbedingungen durchgeführt werden: ► Stichprobe von N Messungen Vorgabe: ► Unabhängige, identisch verteilte Zufallsvariablen Gesucht: ► Beste Schätzung des wahren Wertes xw ► Aussagen über Genauigkeit der Messung Graphische Darstellung als Histogramm: Häufigkeit der Ereignisse in einem Intervall [xi , xi+Δx] siehe experimentelle Demonstration Der Zufall zeigt Gesetzmäßigkeiten – der zentraler Grenzwertsatz: Die Summe der n unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen ist im Grenzwert n→∞ normalverteilt („Gauß“ verteilt). Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Gaußverteilung 2 ⎛ μ − x) ⎞ ( 1 exp ⎜ − P( x) = ⎟ 2 ⎜ ⎟ σ 2 2π ⋅ σ ⎝ ⎠ P(x) heißt Wahrscheinlichkeitsdichte der Normalverteilung mit Erwartungswert μ und Varianz σ2 ∞ ∫ Normierung: P ( x) dx = 1 −∞ Erwartungswert: μ = ∞ ∫ x ⋅ P ( x) dx −∞ Varianz: σ = 2 ∞ ∫ ( x − μ ) 2 ⋅ P ( x ) dx −∞ Interpretation: ► Wahrscheinlichster Wert μ ist die beste Schätzung des „wahren Wertes“ ► Breite σ der Verteilung ist ein Maß für die Messgenauigkeit ! Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Gaußverteilung σ‐Abweichung Aufgabe 4 (AB Fehlerrechnung) Interpretation des Ergebnisses P(μ ) = 1 2π ⋅ σ x = μ ± σ bzw. x = x ± Δ x σ ∫ P ( x) dx = 0,683 −σ P(μ + σ ) = P(μ) e 2σ ∫σ P( x) dx = 0,955 −2 3σ ∫σ P( x) dx = 0,997 −3 Als beste Schätzung für den „wahren Wert“ wurde bei einer Messung x der Wert bestimmt. Der wahre Wert liegt mit einer Wahrscheinlichkeit [x − σ , x + σ ] von 68,3% im Intervall (1σ‐Umgebung). Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Schätzwerte aus endlicher Stichprobe Schätzwert für den Erwartungswert μ x → μ für n → ∞ Der arithmetische Mittelwert ist die beste Schätzung des wahren Wertes n Anmerkung: ∑ ( x −x ) = 0 i =1 i ∂ n ( xi −x ) 2 = 0 ∑ dx i =1 d.h. die Summe der Fehler verschwindet 1 n x = ∑ xi n i =1 d.h. die Summe der Fehlerquadrate ist minimal Schätzwert für die Standardabweichung σ S E → σ für n → ∞ Breite der Verteilung um den Mittelwert 1 n ( x − xi ) 2 σ = ∑ n i =1 kleine Stichproben: Streuung um den Mittelwert wird unterschätzt! Schätzwert für die Standardabweichung des Mittelwerts 10 mal höhere Genauigkeit erfordert 100 mal mehr Messwerte! 1 n 2 ( ) SE = x − x ∑ i n − 1 i =1 mittlerer Fehler einer Einzelmessung n SE 1 2 SM = ( x x ) = − ∑ i n(n − 1) i =1 n mittlerer Fehler des Mittelwertes Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Arbeitsblatt Fehlerrechnung 1 n 359 a = ∑ ai = mm = 71.8mm 5 n i =1 Mittelwert Standardabweichung der Einzelmessung Mittlerer Fehler des Mittelwertes 1 n 2.8 2 Sa = a − a = ≈ 0.84mm ( ) ∑ i n − 1 i =1 4 Sa = S a 0.84mm ≈ ≈ 0.37 mm n 5 Die Bearbeitung der beiden Arbeitsblätter verlangt Kenntnisse und Fähigkeiten, die für das erfolgreiche Arbeiten im Praktikum notwendig sind. Sie sollen Ihnen helfen, etwaige Lücken zu erkennen und diese noch vor Beginn des Praktikums zu schließen. Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Fehlerfortpflanzung Der Einfluss einer fehlerbehafteten Eingangsgröße x auf das Ergebnis f(x) kann mittels der Taylorreihe abgeschätzt werden: 2 f ( x + Δx) = f ( x) + 1 ∂f ( x) 1 ∂ f ( x) 2 x Δx + Δ + ... ( ) 2 1! ∂x 2! ∂x Bei genügend kleinem |Δx| kann die Reihenentwicklung nach dem linearen Glied abgebrochen werden (Näherungslösung!) ∂f ( x) Δf = f ( x + Δx) − f ( x) = ∂x Δx + ... Wie wirkt sich der Fehler Δx einer Messgröße x auf eine abgeleitete physikalische Größe f(x) aus? ∂f Δf ( x2 ) ≈ ( x2 )Δx ∂x ∂f Δf ( x1 ) ≈ ( x1 )Δx ∂x Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Gaußsches Fehlerfortpflanzungsgesetz In der Regel kann eine physikalische Größe nicht direkt gemessen werden, sondern wird aus einer oder mehreren Messgrößen bestimmt. Hängt eine physikalische Größe f von den Messgrößen x1 , x 2 ,..., x n mit den Fehlern Δx1 , Δx2 ,..., Δxn ab, d.h. f = f ( x1 , x 2 ,..., x n ) so berechnet sich der Mittelwert von f gemäß: f = f ( x1 , x 2 ,..., x n ) und der absolute Gesamtfehler zu: Δ f ( xi ) = ∂f ∂f Δ x1 + Δ x2 + ⋅ ⋅ ⋅ ∂ x1 ∂x2 Quadratische Addition: Messewerte streuen statistisch „links“ und „rechts“ um den MW, d.h. die Fehler kompensieren sich teilweise. Der Gesamtfehler* Δf(Δxi) von f(xi)ergibt sich zu: ⎛ ∂f ⎞ Δf (Δxi ) = ∑ i =1 ⎜ Δxi ⎟ ⎝ ∂xi ⎠ 2 n * Vorrausetzung: die einzelnen Messungen xi sind voneinander statistisch unabhängig. Carl Friedrich Gauß (1777–1855) Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Fehlerfortpflanzung Einfache Fälle f(x,y) ‐ nützlich zu Erinnern bei der Auswertung: ⎞ ⎛ ∂f ⎞ ⎛ ∂f Δf (Δx, Δy ) = ⎜ Δx ⎟ + ⎜ Δy ⎟ ⎝ ∂x ⎠ ⎝ ∂y ⎠ 2 Funktion: Fehler: f = kx Δf = k Δx 2 (Δx ) 2 + (Δy ) 2 f = x + y, f = x − y Δf = x f = xy , f = y ⎛ Δy ⎞ ⎛ Δx ⎞ ⎜ ⎟ +⎜ ⎟ y ⎝ x ⎠ ⎝ ⎠ Δf Δx = n f x f = x±n Δf = f 2 2 Die einfachen Fälle brauchen bei der Auswertung nicht hergeleitet werden, sondern können direkt angewendet werden! Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Arbeitsblatt Fehlerrechnung a) −5 dw = 3 y dx + 3 x dy + 2 dz z a) ⎛ −5 ⎞ Δw = ( 3y dx) + ( 3x dy) + ⎜ 2 dz ⎟ ⎝z ⎠ 2 2 2 b) b) 12 6 x2 dw = dx + 5 dy + 2 dz z z 2 2 ⎛ 12 ⎞ 2 ⎛ 6x ⎞ Δw = ⎜ dx ⎟ + ( 5 dy) + ⎜ 2 dz ⎟ ⎝z ⎠ ⎝z ⎠ Vollständiges Differential der Funktion w(x,y,z): dw = 2 ∂f ∂f ∂f dx + dy + dz ∂x ∂y ∂z Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Arbeitsblatt Fehlerrechnung Differenz D D ≡ U A − U B = 1.9V Fehler der Differenz ΔD ΔD = ΔD = ( ΔU A ) + ( ΔU B ) 2 (1.4V ) + (1.7V ) 2 2 2 ≈ 2.2V Vergleich von D mit ΔD der Differenz D = 1.9V < ΔD ≈ 2.2V ► nicht signifikant! Der Unterschied kann zufällig sein ‐> nicht signifikant Der Unterschied ist signifikant wenn es unwahrscheinlich ist, dass dies durch Zufall zustande kam. Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Graphische Darstellung wesentlicher Bestandteil einer Messung ► Veranschaulicht funktionale Zusammenhänge ► Erlaubt Kontrolle über mögliche Abweichungen (prinzipielle Abweichungen oder „Ausreißer“) Bitte beachten: ► Wahl von geeignetem Millimeterpapier (z.B. Logarithmenpapier) ► Wahl eines geeigneten Maßstabs für die Achsen ► Beschriftung der Achsen ► Messwerte (mit Fehlern) eintragen ► Funktion berechnen und Graph der Funktion eintragen ► Bei linearer Beziehung: Abschätzung der Steigung der Ausgleichgeraden und deren Fehler Diagramme von Hand anfertigen, keine Computerausdrucke !!! Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Arbeitsblatt Graphische Darstellung doppelt logarithmischer Plot: Exp. Funktionen y=xn ergeben eine Gerade mit der Steigung des Exponenten: ln(y) = x * ln(x) Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Arbeitsblatt Graphische Darstellung Halb‐logarithmischer Plot: Exponentialfunktionen y=c*exp(d*x) ergeben eine Gerade mit der Steigung d und y‐Achsenabschnitt c: ln(y) = ln(c) + d*x Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Arbeitsblatt Graphische Darstellung (1) y‘(x=50) = 10 (2) y‘(x=50) = 1.218 (3) y‘(x=50) = 0.707 Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Arbeitsblatt Graphische Darstellung Fehler von T2: Δ(T2) xi yi Δyi Berechnung aus Fehlerfortpflanzung ! Einführungsversuch: Berechnung der Federkonstante D aus der Steigung; der Fehler ΔD ist ebenfalls anhand der Fehlerfortpflanzung zu berechnen ! Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Ausgleichsgerade „von Hand“ y = a*x + b Gesucht: Steigung a sowie den Achsenabschnitt b und deren Fehler Zeichnung der Ausgleichsgeraden Eintragen von 2 weiteren parallelen nach oben bzw. unten verschobenen Geraden: ca. 70% der Messpunkte innerhalb der Geraden (1σ Abweichung) Fertigstellen des “Streubereichsrechtecks” Ergebnis: s2 a = (0, 0120 ± 0, 0 009) g Die Diagonalen in diesem Rechteck liefern in etwa den Fehler der Steigung sowie des Achsenabschnitts b = (0, 407 ± 0, 099) s 2 Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Ausgleichsgerade „von Hand“ Im Praktikum auch erlaubt: Min/Max‐ Abschätzung Zeichnen der Ausgleichgerade Δm=180g ΔT2/Δm = Zeichnen der Fehlergerade 0,0129s2/g Ausgleichsgerade ΔT2/Δm = 0,0120s2/g Δm=224g ΔT2=2,68s2 ΔT2=2,32s2 Fehlergerade Berechnung der Steigungen Berechnung des Fehlers: Δa = aFehler – aAusgleich Ergebnis: s2 a = (0,0120 ± 0,0009) g Fehlerabschätzungen ‐> Augenmaß ausreichend Eine exakte Fehlerrechnung ist mit einer Hilfe linearen Regression möglich ! Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Lineare Regression Gegeben: N Paare von Messwerten (xi, yi) mit linearer Abhängigkeit y = a∙x + b xi‐Werte fehlerfrei, yi‐Werte mit Standardabweichung σi „Prinzip der kleinsten Quadrate“ (C.F. Gauß, 1795) 2 2 ⎡ Δyi ⎤ ⎡ yi − (axi + b) ⎤ χ = ∑ ⎢ ⎥ =∑ ⎢ ⎥ sei minimal σi i ⎣ σi ⎦ i ⎣ ⎦ 2 xi yi xi yi ⎞ 1⎛ 1 − ∑ ∑ ∑ ⎟ ⎜∑ ξ ⎝ i Δyi2 i Δyi2 i Δyi2 i Δyi2 ⎠ xi2 y x xy ⎞ 1⎛ b = ⎜ ∑ 2 ∑ i 2 − ∑ i 2 ∑ i 2i ⎟ ξ ⎝ i Δyi i Δyi i Δyi i Δyi ⎠ xi2 Δb = ∑ 2 ξ i Δyi Steigung a = 0.01276 s2/g Fehler Δa = 0.00072 s2/g y‐Achsenabschnitt b = 0.40701 s2 Fehler Δb = 0.09938 s2 a= Δa 2 = 1 1 ∑ ξ Δy i 2 1 2 i xi2 ⎛ x ⎞ 1 ξ = ∑ 2 ∑ 2 − ⎜∑ i2 ⎟ i Δyi i Δyi ⎝ i Δyi ⎠ 2 Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Einführungsversuch Federpendel Aufgabe: Bestimmung der Erdbeschleunigung mit einem Federpendel Durchführung und Auswertung: Gemeinsam mit den Betreuern am ersten Tag Ziel: Einführung in das physikalische Experimentieren, Protokollführung, Fehlerabschätzung und grafische Darstellung Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Zusätzliches Material Ausgleichsgerade „von Hand“ y = a*x + b Gesucht: Steigung a sowie den Achsenabschnitt b und deren Fehler Zeichnung der Ausgleichsgeraden (geht bei gleichen Standardabweichungen durch Schwerpunkt S der Daten) Eintragen von 2 weiteren parallelen nach oben bzw. unten verschobenen Geraden: ca. 70% der Messpunkte innerhalb der Geraden Fertigstellen des “Streubereichsrechtecks”. Die Diagonalen in diesem Rechteck liefern in etwa den Fehler der Steigung sowie des Achsenabschnitts. Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 2 χ Lineare Regression mit ‐Fit 2 ⎡ yi − (axi + b) ] ⎤ ⎡ Δyi ⎤ [ 2 χ = ∑ ⎢ ⎥ =∑ ⎢ ⎥ 2 σi i ⎣ σi ⎦ i ⎢ ⎥⎦ ⎣ χ 2 sei minimal (Beispielrechnung für σ i =σ ∀ i)∗ 2 ∂χ −2 = 2 ∑ [ yi − axi − b) ] = 0 ∂b σ i 2 Partielles Ableiten: ! nach a & Nullsetzen ! ∂χ 2 −2 = 2 ∑ xi [ yi − axi − b)] = 0 ∂a σ i nach b & Nullsetzen ∑ yi = ∑ b + ∑ axi = bN + a∑ xi i Aufstellen der Funktion χ2(a,b) i i Gleichungssystem umformen i 2 2 x y bx ax b x a x = + = + ∑ii ∑ i ∑ i ∑i ∑i i i i i i * Allgemeiner Fall: siehe Praktikumsanleitung Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 2 χ Lineare Regression mit ‐Fit ∑ y = ∑ b + ∑ ax i i i i i = bN + a ∑ xi ∑ x y = ∑ bx + ∑ ax i i i 2 i i i i i = b∑ xi + a ∑ xi2 i i Auflösen nach a und b: Achsenabschnitt Steigung 1⎡ ⎤ 2 b = ⎢ ∑ xi ∑ yi − ∑ xi ∑ xi yi ⎥ Δ⎣ i i i i ⎦ 1⎡ ⎤ a = ⎢ N ∑ xi yi − ∑ xi ∑ yi ⎥ Δ⎣ i i i ⎦ 2 Varianz ⎛ ⎞ mit Δ = N ∑ xi2 − ⎜ ∑ xi ⎟ i ⎝ i ⎠ 1 2 − − ο 2 ≈ s2 = [ yi axi b] ∑ N −2 i Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Korrelationskoeffizient (nach Pearson) ρ ( x, y) := Cov( x, y) Var x ⋅ Var y n 1 ∑i=1 ( xi − x )( yi − y ) − 1 n rxy := n n 1 1 2 − ⋅ ( x x ) ( yi − y )2 ∑ ∑ i i =1 i =1 n −1 n −1 dimensionsloses Maß für den Grad des linearen Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen. Bei einem Wert von +1 (bzw. −1) besteht ein vollständig positiver (bzw. negativer) linearer Zusammenhang zwischen den betrachteten Merkmalen. Wenn der Korrelationskoeffizient den Wert 0 aufweist, hängen die beiden Merkmale überhaupt nicht linear voneinander ab. Quadrat des Korrelationskoeffizienten r2 : Bestimmtheitsmaß Es gibt an, wie viel Prozent der Varianz, d. h. an Unterschieden der einen Variable durch die Unterschiede der anderen Variable erklärt werden können. Beispiel: Bei r=0,3 bzw. 0,8 werden 9% bzw. 64% der gesamten auftretenden Varianz im Hinblick auf einen statistischen Zusammenhang erklärt. Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Regressionsanalyse Per Hand bzw. mit Taschenrechner mit überschaubarem Aufwand durchführbar bei linearen Funktionen mit wenigen Stichproben. Beispiel: Linearisierung von Funktionen y = a ebx ln y = ln a + bx „multiple“ Regression: Für komplexere Funktionen mit mehreren Variablen (alle mit Fehler behaftet) ist es sinnvoll geeignete Statistik Software verwenden (z.B. Mathematica, Maple, Origin, SPSS, Stata, SAS, … ). Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Prinzipielle Vorgehensweise Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Zusammenfassung n 1 ( x − xi ) 2 SM = ∑ n(n − 1) i =1 Häufigkeit 1 n x = ∑ xi n i =1 Messergebnis: x = x ±k⋅u u = (σM ) +(σSys ) 2 Mittelwert Zufallsabweichung Systematische Abweichung Einzelwert SE = 1 n ( x − xi ) 2 ∑ n − 1 i =1 wahrer Wert 2 k=1 für 68% Konfidenz und hinreichende Anzahl n von Einzelmessungen Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Beispiel Temperaturmessung mit PT100 Temperatursensor Zuleitung Ohmmeter Anzeigewerte Ω PT100 RL Systematischer Fehler (Zuleitungswiderstand) Arithmetischer Mittelwert sys = RL = 1.00 Ω m = 140.10 Ω Korrektur des Mittelwertes m mit dem bekannten systematischen Fehler mkorrig = m ‐ sys = 139.10 Ω 140.12Ω 140.13Ω 140.19Ω 140.08Ω 140.11Ω 140.12Ω 140.09Ω 140.10Ω 140.11Ω Standardabweichung Herstellerangabe Des Mittelwerts (Genauigkeit Messgerät) a = 0.15 Ω sm = 0.10 Ω Kombinierte Messunsicherheit Messgerät und Messunsicherheit ures2 = sm2 + a2 ures = 0.18 Ω Vollständiges Messergebnis: (m – sys) ± ures = 139.10 Ω ± 0.18 Ω Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Binomial‐Verteilung ⎛n⎞ k n−k B (k ; n, p ) = ⎜ ⎟ p (1 − p ) ⎝k ⎠ Ausfallwahrscheinlichkeit Trefferwahrscheinlichkeit Anzahl der Möglichkeiten (Permutationen) ∞ n=5 p=0.2 , q=0.8 Normierung: Mittelwert: ∑ B(k; n, p) = 1 k =0 ∞ k = ∑ k ⋅ B(k; n, p) = np k =0 Varianz: ∞ σ = ∑k 2 ⋅ B(k; n, p) − k = np(1 − p) 2 2 k =0 Standardabweichung: σ = np(1 − p) Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Ereignis genau k‐mal bei n voneinander unabhängigen Versuchen eintritt, wobei p die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Ereignisses, und (1‐p) die Wahrscheinlichkeit für das nicht Eintreten des Ereignisses darstellt. Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Zentraler Grenzwertsatz p=0.5 ► p=0.2 ► n=5 n=20 n=5 n=100 n=20 n=100 Konvergenz der Binomialverteilung an die Normalverteilung (Gauß) für n → ∞ ⎛n⎞ B ( k ; n, p ) = ⎜ ⎟ p k (1 − p ) n − k ⎝k ⎠ P( x) = ⎛ ( μ − x )2 ⎞ exp ⎜ − ⎟ 2 ⎜ ⎟ σ 2 2π ⋅ σ ⎝ ⎠ 1 Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Poisson‐Verteilung Eine asymptotisch asymmetrische Binomialverteilung, deren Erwartungswert np für große n und kleine p gegen eine von n unabhängige Konstante λ konvergiert, kann durch die Poisson‐Verteilung angenähert werden. P(k ; μ ) = k −μ μ e k! ∞ ∑ P(k ; μ ) = 1 Normierung: k =0 ∞ k = ∑ k ⋅ P(k ; μ ) = μ Mittelwert: k =0 Varianz: ∞ σ = ∑ k 2 P(k ; μ ) − k 2 2 =μ k =0 Standardabweichung: σ= μ Die Poisson‐Verteilung ist also die Grenzverteilung der Binomialverteilung für große n und kleine p. Die Verteilung wird durch einen Parameter μ (Erwartungswert) beschrieben. P ( k ; μ ) = lim ( k ; n → ∞ , p → 0) ; np → λ Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Poisson‐Verteilung & „Wurzel N Gesetz“ Für einen großen Mittelwert μ (μ >30) lässt sich die Poisson‐Verteilung in guter Näherung durch eine Gaußverteilung approximieren. μ=2 G (k ; μ ) = μ=20 1 e 2πμ ( μ − k )2 − 2μ mit σ = μ μ=100 G(μ,k) ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine sehr lange Messreihe den Mittel‐ wert μ ergeben würde, wobei das Resultat k einer einzigen Messung gegeben ist. Näherungswert für die Standardabweichung: σ = k Beispiel (z.B. Zählrate beim radioaktiver Zerfall): Interpretation einer Messung als Schätzung des Mittelwerts: N=4711 „counts“ Schätzung der Standardabweichung (absoluter Fehler): N Relativer Fehler : N / N = 1/ N Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010 Literatur Einführung in die Fehlerrechnung Physikalisches Praktikum für Chemiker Februar/März 2010