Frankfurter InfektInfo Ausgabe 03-2015 Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in diesem Infekt-Info informieren wir Sie über die medizinische Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMF). Weiterhin berichten wir über die jüngsten Entwicklungen bezüglich MERSCoV. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Frankfurt am Main Mit der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland gelangen, ist auch die Zahl der vor allem aus Ostafrika und Afghanistan stammenden unbegleiteten Jugendlichen gestiegen. Sie sind mit einem Anteil von 84% überwiegend männlich. Bis zum 12.07.2015 wurden etwa so viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) registriert wie im gesamten Vorjahr. • • • • Hör- und Sehtest Urin- und Stuhluntersuchung Impfungen Ausschluss einer ansteckenden Lungentuberkulose durch Röntgen Thorax bzw. serologisch (IGRA) In Abhängigkeit von der Reisedauer und den Verhältnissen der Unterbringung während der Flucht wird oft eine Scabies diagnostiziert. Die folgende Graphik zeigt, dass auch eine Posttraumatische Belastungsstörung zu den häufigen Diagnosen gehört. 700 600 weiblich Ʃ 558 männlich 64 500 400 300 200 100 Ʃ 603 43 Ʃ 186 35 Ʃ 219 54 Ʃ 241 55 151 165 186 2010 2011 2012 Ʃ 314 38 494 560 Pathologische Untersuchungsbefunde bei 982 UMF von 2010 - 2014 (absolute Zahlen) 276 0 2013 2014 bis 12.07.15 Anzahl der im Gesundheitsamt FFM untersuchten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge von 2010 bis 2015 Nicht selten stammen die Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten. Auf der wochen- bis jahrelangen Flucht erfahren sie häufig physische und psychische Gewalt. Die von der Polizei in Frankfurt am Main aufgegriffenen UMF werden vom Jugendamt in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Untersuchung im Gesundheitsamt Innerhalb einer Woche nach Registrierung durch das Jugendamt werden die UMF in Begleitung von Übersetzern in der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin vorgestellt. Nach Erhebung der Anamnese folgen: • Körperliche Untersuchung • Zahnärztliche Untersuchung Den Altersangaben der UMF zufolge sind etwa 90% von ihnen älter als 15 Jahre. Die Diskussion, in welchem Umfang UMF auf eine aktive bzw. latente Tuberkulose untersucht werden sollen, ist in Deutschland noch nicht abgeschlossen. Zu berücksichtigen ist das von der Herkunft der UMF abhängige TB-Risiko. Bei Flüchtlingen aus Somalia etwa werden die höchsten Raten an aktiver Lungentuberkulose und latenter Infektion festggestellt1,2. Sie weisen auch das höchste Risiko auf, bei latenter Infektion in der Folgezeit aktiv zu erkranken2. In Frankfurt am Main werden zurzeit die über 15jährigen UMF zum Ausschluss einer aktiven Lungentuberkulose nach §36 Infektionsschutzgesetz geröntgt. Die Jüngeren erhalten einen Interferon gamma-Test (IGRA). Eine Röntgenaufnahme wird in dieser Altersgruppe nur im Falle eines positiven Testergebnisses durchgeführt. Impfdokumente liegen in der Regel nicht vor, so dass gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) zahlreiche Impfungen erforderlich sind. Im Gesundheitsamt erfolgen die Erstimpfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen sowie gegen 03-2015 / Seite 1 Herausgeber: Gesundheitsamt, Abteilung Infektiologie und Hygiene, Breite Gasse 28, 60313 Frankfurt am Main Nachdruck/Weitergabe mit Quellenangabe gestattet, ausgenommen zu gewerblichen Zwecken. Kontakt: Telefon 069 212-44374 | E-Mail: [email protected] Diphtherie, Polio, Tetanus und Pertussis. Die UMF erhalten neben dem Impfausweis eine Empfehlung zu den weiteren Impfungen, die als reguläre Kassenleistung von niedergelassenen Ärzten durchzuführen sind. Von 2010 bis 2014 wurden bei insgesamt 1.518 untersuchten UMF zahlreiche pathologische Stuhlbefunde erhoben, die im folgenden Diagramm zusammengefasst sind. Pathogene Erreger aus 1.518 Stuhlproben 2010-2014 UMF in der hausärztlichen Praxis bzw. in der Klinik. Grund für die stationäre Einweisung von UMF im Anschluss an die Untersuchung im Gesundheitsamt ist in erster Linie ein Tuberkuloseverdacht, der sich im letzten Jahr in elf Fällen bestätigte. Das Sozialamt der Stadt Frankfurt am Main trägt die Kosten nicht nur für Klinikaufenthalte sondern auch für die ambulante Behandlung. Das gilt insbesondere für die notwendige Komplettierung der Impfungen. Die Einrichtungen, in denen die Jugendlichen leben, sind mit entsprechenden Vordrucken für die Kostenübernahmeerklärung durch das Sozialamt ausgestattet. Literatur: 1 RKI Epidemiologisches Bulletin 11/12 2015 2 Kruijshaar ME, et al. Migration and Tuberculosis in the UK: Targeting screening for latent infection to those at greatest risk of disease. Thorax 2013;0:1–3. MERS-CoV Das Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS CoV) ist ein neuartiges Coronavirus, welches 2012 erstmals als Ursache schwerer Fälle von Atemnot diagnostiziert wurde. Bis zum 07.07.2015 sind der WHO seit 2012 weltweit insgesamt 1.368 laborbestätigte Fälle gemeldet worden. Hierunter waren mindestens 487 der Infektion zugeordnete Todesfälle. Saudi-Arabien ist weltweit das am stärksten von MERS-CoV betroffene Land. Seit Beginn dieses Jahres sind der Weltgesundheitsorganisation 423 laborbestätigte Erkrankungen durch das MERS-CoV gemeldet worden. 186 dieser Fälle, darunter 36 Todesfälle, sind dem sich seit Mai 2015 vollziehenden größten Ausbruch außerhalb der arabischen Halbinsel in Südkorea zuzuordnen. Aktuell sind hier noch 451 Kontaktpersonen in Isolierstationen oder zu Hause unter Quarantäne. 16.231 Personen wurden bereits wieder aus der Quarantäne entlassen. Dieser Ausbruch ist auf einen einzelnen importierten Fall zurückzuführen und ähnelt vorausgehenden nosokomialen Ausbrüchen in anderen Ländern (SaudiArabien, Vereinigte Arabische Emirate). Betroffen sind ausschließlich medizinisches Personal, Angehörige und Patienten im gleichen Krankenzimmer. Molekularbiologische Untersuchungen belegen, dass das koreanische Virus genetisch keine neue Linie darstellt sondern einem der aktuell zirkulierenden Virusstämme im arabischen Raum entspricht. Epidemiologische Daten deuten darauf hin, dass der Ausbruch bereits abklingt, wenngleich einzelne weitere Erkrankungen und Todesfälle nicht auszuschließen sind. Die Gefährdungslage für Deutschland und Europa hat sich aufgrund des aktuellen Ausbruchs in Südkorea nicht geändert. Die Wahrscheinlichkeit eines MERS-CoV-Ausbruches in Deutschland wird von Experten weiterhin übereinstimmend als gering eingestuft. Importierte Einzelfälle sind jedoch möglich. In Deutschland wurde 2012, 2013 und 2015 bislang je ein MERS-CoV-Fall behandelt. Bei keinem der Patienten kam es zu Folgefällen, obwohl die Diagnose zum Zeitpunkt der Einreise bzw. Verlegung nach Deutschland bei keinem der Patienten bekannt war. Abklärungsbedürftig und meldepflichtig sind Verdachtsfälle, die folgenden Kriterien genügen: 1. Jegliche respiratorische Symptome nach Kontakt mit einem bestätigten oder wahrscheinlichen MERS-CoV-Fall innerhalb der letzten 14 Tage vor Symptombeginn 2. Akutes respiratorisches Syndrom mit Hinweisen auf Beteiligung der unteren Atemwege, das innerhalb von 14 Tagen nach Reisen in Risikogebiete (derzeit Saudi-Arabien und angrenzende Länder, Kliniken in Südkorea) aufgetreten ist Falldefinitionen des RKI: http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/M/MERS_Coro navirus/Corona_Falldefinition.html 13.07.2015 03-2015 / Seite 2 Herausgeber: Gesundheitsamt, Abteilung Infektiologie und Hygiene, Breite Gasse 28, 60313 Frankfurt am Main Nachdruck/Weitergabe mit Quellenangabe gestattet, ausgenommen zu gewerblichen Zwecken. Kontakt: Telefon 069 212-44374 | E-Mail: [email protected]