Landtag Nordrhein-Westfalen 14. Wahlperiode Information 14/465 alle Abg. Nachhaltige Finanzpolitik Bearbeitung: Sabine Hibben, Ute König (Rechtspraktikantin), Franz Unkel (Rechtspraktikant) Datum: 04.05.2007 Mit dieser Ausarbeitung wurde der Parlamentarische Beratungsund Gutachterdienst durch den Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen beauftragt. Die Gutachten des Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes des Landtags Nordrhein-Westfalen sind urheberrechtlich geschützt. Die weitere Verarbeitung, Verbreitung oder Veröffentlichung - auch auszugsweise - ist nur unter Angabe der Quelle zulässig. Jede Form der kommerziellen Nutzung ist untersagt. Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis A. GUTACHTENAUFTRAG....................................................................5 B. EINLEITUNG ......................................................................................6 C. ÜBERSICHT ÜBER WESENTLICHE PUBLIKATIONEN ..................9 I. WISSENSCHAFTLICHE GUTACHTEN UND STUDIEN ....................................9 II. SONSTIGE MATERIALIEN ......................................................................10 D. AUSWERTUNG DER MATERIALIEN..............................................12 I. FINANZWISSENSCHAFTLICHE NACHHALTIGKEITSKONZEPTE ....................12 1. Ressourcenverbrauchskonzept .........................................................13 2. Konzepte auf Grundlage intertemporaler Budgetrestriktionen ..........19 2.1. OECD-Konzept der "fiscal sustainability" .......................................20 a) Primärsaldo .......................................................................................20 b) Nachhaltigkeitslücke..........................................................................22 2.2. Generationenbilanzierung ..............................................................24 a) Basisjahrbezogene Variante .............................................................25 b) Generationenbezogene Variante ......................................................27 2.3. OECD-Konzept und Generationenbilanzierung im Vergleich.........29 3. Konzept der wachstums- und nachhaltigkeitswirksamen Ausgabestrukturen ................................................................................31 4. Zusammenfassende Bewertung der Nachhaltigkeitskonzepte..........33 II. NACHHALTIGKEITSBERICHTE ................................................................35 1. Nachhaltigkeitsberichte auf internationaler Ebene, insbesondere in den USA, Großbritannien und Neuseeland ...........................................36 2. Bericht des Bundesministeriums der Finanzen zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen ............................................................................40 2.1. Aufbau des Berichts .......................................................................41 2.2. Verwendete Indikatoren..................................................................42 a) Tragfähigkeitslücke 1 (sustainability gap 1) ......................................42 b) Tragfähigkeitslücke 2 (sustainability gap 2) ......................................43 3 A. Gutachtenauftrag 3. Mögliche Kriterien für ein Nachhaltigkeitsberichtswesen auf Länderebene......................................................................................... 43 3.1. Formale Anforderungen ................................................................. 44 3.2. Auswahl der Indikatoren ................................................................ 46 a) Nettovermögen ................................................................................. 49 b) Primärsaldo....................................................................................... 50 c) Fiscal gap.......................................................................................... 51 d) Wachstums- und nachhaltigkeitswirksame Ausgaben (WNA) .......... 52 3.3 Realisierbarkeit und Praxistauglichkeit des vorgeschlagenen Berichtswesens..................................................................................... 53 E. ZUSAMMENFASSUNG ................................................................... 53 F. LITERATURVERZEICHNIS ............................................................. 58 G. ABBILDUNGSVERZEICHNIS ......................................................... 62 ANLAGE: "WAS SIND GUTE NACHHALTIGKEITSINDIKATOREN? OECD-METHODE UND GENERATIONENBILANZIERUNG IM EMPIRISCHEN VERGLEICH" ............................................................... 1 4 A. Gutachtenauftrag A. Gutachtenauftrag Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat im Rahmen der Haushaltsplanberatungen für 2007 mit dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drucksache 14/3590 - den Haushalts- und Finanzausschuss aufgefordert, sich mit den verschiedenen finanzwissenschaftlichen Nachhaltigkeitskonzepten auseinanderzusetzen und dem Landtag eine Empfehlung auszusprechen im Hinblick auf die Ausgestaltung eines von Seiten der Landesregierung zukünftig wahrzunehmenden Berichtswesens. In Ausführung dieses Auftrags wurde der Parlamentarische Beratungs- und Gutachterdienst darum gebeten, die vorhandenen Materialien zum Thema "Nachhaltige Finanzpolitik" zusammenzustellen und aufzubereiten. Dabei sollte insbesondere auf folgende Fragen eingegangen werden: 1. Gibt es bereits Nachhaltigkeitsberichte auf nationaler bzw. internationaler Ebene? 2. Gibt es Kriterien für Nachhaltigkeitsberichte? 3. Welche Kriterien können derartigen Nachhaltigkeitsberichten zugrunde gelegt werden? Die nachfolgende Ausarbeitung gibt nach einer kurzen Einleitung (B) zunächst einen Überblick über die verwendeten wissenschaftlichen Publikationen und anderen Materialien (C) und wertet diese anschließend aus (D). Dabei werden einerseits die verschiedenen finanzwissenschaftlichen Konzepte zur Messung der Nachhaltigkeit Möglichkeiten für (D.I.) ein vorgestellt und andererseits Nachhaltigkeitsberichtswesen auf Bundesländerebene (D.II.) aufgezeigt. Das Gutachten schließt mit 5 B. Einleitung einer Zusammenfassung (E). Auf eine abschließende Entscheidung für ein bestimmtes Modell wurde verzichtet, da die Bewertung der verschiedenen Nachhaltigkeitskonzepte und ihrer Indikatoren der politischen Diskussion vorbehalten bleiben soll. B. Einleitung Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und bezeichnete bereits im 18. Jahrhundert die Bewirtschaftungsweise eines Waldes, bei der immer nur so viel Holz entnommen wird wie nachwachsen kann. 1 Der heutige zentrale Begriff der "nachhaltigen Entwicklung" oder "sustainable development" wurde maßgeblich durch die 1987 eingesetzte Brundtland-Kommission geprägt und bezeichnet eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. In den folgenden Jahren wurde der Nachhaltigkeitsbegriff weiter entwickelt und steht heute für das Leitbild einer Politik, die gleichzeitig und gleichrangig ökonomische, soziale und ökologische Belange berücksichtigen soll. Ziel ist der Erhalt der wirtschaftlichen, sozialen und natürlichen Grundlagen der Gesellschaft. 2 schaftlichen 1 2 Diskussion besteht im In der wissen- Einzelnen Uneinigkeit Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit (Stand: 02.05.2007) Vgl. Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1998 "Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer zukunftsverträglichen Entwicklung", Schlussbericht, BT-Drucksache 13/11200, S. 31 ff. 6 B. Einleitung bezüglich der verschiedenen Dimensionen von Nachhaltigkeit, ihrem Verhältnis zueinander und der aus dem Drei-Säulen-Modell "Ökonomie, Soziales und Ökologie" entstehenden Konfliktpotenziale. 3 Im Rahmen der Finanzwissenschaft wird der Nachhaltigkeitsbegriff ganz überwiegend einheitlich verwendet. Hier bedeutet Nachhaltigkeit, dass die haushaltspolitische Handlungsfähigkeit dauerhaft gesichert bleibt und die Finanzpolitik ihren Beitrag dazu leistet, die Grundlagen für eine wachsende Wirtschaft zu erhalten. 4 Hinzu kommt der Gedanke der Generationen- gerechtigkeit. Im Wesentlichen wird dabei an eine Zurückführung der expliziten und impliziten Staatsverschuldung gedacht. Um eine Verwechslungsgefahr Finanzwissenschaft mit der der Nachhaltigkeitsdefinition der Nachhaltigkeitsdefinition der Wirtschaftsvertreter im Sinne von Wettbewerbsfähigkeit und möglichst konstantem Wirtschaftswachstum auszuschließen, wird die Position der Finanzwissenschaftler als finanzielle Nachhaltigkeit bezeichnet. Die derzeitigen finanzpolitischen Regelungen im Bund und in den Ländern erscheinen in weiten Bereichen nicht zukunftsfähig. Es wird zunehmend bezweifelt, dass die Regelungen zur Begrenzung der Kreditaufnahme in Art. 115 Grundgesetz (GG) und entsprechend in den jeweiligen Landesverfassungen sowie die sog. Maastricht-Kriterien der Europäischen Union die Probleme, 3 Hierzu weiterführend Tremmel, Nachhaltigkeit als politische und analytische Kategorie, S. 115 ff. 4 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (BMF), Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik - Konzepte für eine längerfristige Orientierung öffentlicher Haushalte, S. 55 (S. 1 der Kurzfassung) 7 B. Einleitung die sich im Zusammenwirken der geltenden sozialstaatlichen Regelungen insbesondere im Bereich der Renten, der gesetzlichen Krankenversicherung und der Beamtenpensionen mit den sich abzeichnenden demografischen Veränderungen in Gestalt niedriger Geburtenziffern bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung ergeben, befriedigend lösen können. Die geltende Haushaltsplanung bildet den sich abzeichnenden Problemdruck nur ansatzweise ab. Haushaltsdefizite und Schuldenstand weisen im Wesentlichen nur auf den Umfang zukünftiger Zinsverpflichtungen und öffentlicher Kredite hin. Über die Probleme altersabhängiger der Sozialversicherung Staatsleistungen und vermögen sie anderer nicht zu informieren, denn diese können auch bei ausgeglichenem Haushalt und sogar bei Haushaltsüberschüssen auftreten. Auch ist die von der mittelfristigen Finanzplanung erfasste Zeitspanne viel zu kurz, um solche Entwicklungen aufzudecken. 5 In der öffentlichen Diskussion wird daher schon seit längerem die Abkehr von einer kurzfristig orientierten Haushaltspolitik und die Hinwendung zu einer langfristig angelegten nachhaltigen Finanzpolitik gefordert. Die in der Finanzwissenschaft vertretenen Nachhaltigkeitskonzepte zeigen Wege auf, anhand derer die Nachhaltigkeit der Finanzpolitik mit Hilfe bestimmter Indikatoren überprüft werden kann. Zugleich wird es für notwendig erachtet, ein geordnetes und zusammenfassendes Berichtswesen einzuführen, auf dessen Grundlage sich die finanzpolitisch Verantwortlichen systematisch mit den vorliegenden Problemen auseinandersetzen müssen. 5 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik, S. 2 8 C. Übersicht über wesentliche Publikationen Auf Bundesebene wurde mit dem ersten "Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen" des Bundesministeriums der Finanzen von Juni erscheinen 2005, der künftig soll, erstmalig einmal zu pro den Legislaturperiode Auswirkungen des demografischen Wandels auf die öffentlichen Finanzen und die sich daraus ergebenden politischen Handlungsnotwendigkeiten Bericht erstattet. Auf Landesebene ist bisher keine derartige Berichterstattung bekannt. C. Übersicht über wesentliche Publikationen I. Wissenschaftliche Gutachten und Studien Einen grundlegenden Überblick über bestehende Messkonzepte zur Überprüfung einer nachhaltigen Finanzpolitik geben das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) "Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik - Konzepte für eine langfristige Orientierung öffentlicher Haushalte" (2001) sowie das vom Finanzministerium Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebene Gutachten "Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für den Landeshaushalt NRW" (2004) vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung Essen (RWI). Letzteres ist dem Haushalts- und Finanzausschuss im Januar 2005 als Vorlage 13/3177 zugegangen. Dieses Gutachten analysiert zunächst die vorhandenen finanzwissenschaftlichen Nachhaltigkeitskonzepte und entwickelt auf dieser Grundlage ein Berichtskonzept für den Landeshaushalt Nordrhein-Westfalen. Das Gutachten des BMF aus 2001 wurde trotz seines schon älteren Datums einer näheren Betrachtung unterzogen, weil es eine ausführliche Beschreibung von Nachhaltigkeitskonzepten auf der Grundlage von inter- 9 C. Übersicht über wesentliche Publikationen temporalen Budgetrestriktionen enthält, die nach wie vor Gültigkeit besitzen. Die Diskussionspapiere Nr. 117/2004 "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren - OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" und Nr. 15/2007 "Konjunktur und Generationenbilanz - eine Analyse anhand des HP-Filters" vom Institut für Finanzwissenschaft bzw. dem Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg setzen sich vertieft mit den Messkonzepten der "fiscal sustainability" der OECD bzw. der Generationenbilanzierung auseinander. Schließlich ist das vom BMF in Auftrag gegebene Gutachten "Wachstums- und nachhaltigkeitswirksame öffentliche Ausgaben ("WNA") des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln aus 2004 zu nennen, in dem ein Konzept einer qualitativen Analyse der Ausgabenstrukturen entwickelt wird. II. Sonstige Materialien Speziell zur Einführung eines Berichtswesens kann der "Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen" des BMF von Juni 2005 Anhaltspunkte liefern. Er enthält Informationen über die fiskalischen Auswirkungen des demografischen Wandels und zeigt Ansatzpunkte für politisches Handeln auf. Zusätzlich zur Auswertung der genannten Publikationen wurde überprüft, inwieweit sich andere Landtage mit der Entwicklung eines entsprechenden Berichtswesens auseinandergesetzt haben. Eine Behandlung insbesondere in Bezug auf die Entwicklung von Berichtskonzepten hat bisher - soweit hier feststellbar - neben Nordrhein-Westfalen nur in Schleswig- 10 C. Übersicht über wesentliche Publikationen Holstein stattgefunden. Der dortige Landesrechnungshof hat dem Finanzausschuss im Januar 2004 mit der Vorlage "Investitionsbegriff und verfassungsmäßige Grenze für die die Kreditaufnahme" Konzepte zur vorgestellt und verschiedenen Überprüfung der vorgeschlagen, schnellstmöglich einen wissenschaftlichen finanziellen die Nachhaltigkeit Landesregierung finanziellen möge Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Ein Berichtswesen ist dort, soweit ersichtlich, bisher aber nicht entwickelt worden. Die Stellungnahmen der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung des Bundestages am 28.02.2007 zu dem Thema "Nachhaltigkeitsprüfung" haben sich in Bezug zu der hier aufgeworfenen Fragestellung als wenig ergiebig erwiesen. Ziel dieser Anhörung war es, verschiedene Konzepte für Nachhaltigkeitsprüfungen der Gesetzgebung allgemein sowie Möglichkeiten für deren Implementierung in parlamentarische Abläufe zu diskutieren. Dabei wurden sämtliche Politikfelder, in denen Nachhaltigkeitsprüfungen in Betracht kommen können, beleuchtet, so zum Beispiel die Umweltpolitik, der Arbeitsmarkt, die sozialen Sicherungssysteme, Bildung und Forschung sowie die öffentlichen Haushalte. Die in diesem Rahmen getroffenen Aussagen zur Überprüfung speziell der Haushalts- und Finanzpolitik waren jedoch zu unkonkret, um hier fruchtbar gemacht werden zu können. Die große Bedeutung einer nachhaltigen Haushalts- und Finanzpolitik wurde in der Anhörung aber von verschiedenen Experten betont. 6 6 Vgl. z. B. die Stellungnahmen der Sachverständigen Grunwald/Kopfmüller, S. 13, 17, 28; Diefenbacher, S. 21 11 D. Auswertung der Materialien D. Auswertung der Materialien Nachfolgend wird zunächst ein Überblick über die verschiedenen wissenschaftlichen Konzepte zur Messung der finanziellen Nachhaltigkeit und die dabei verwendeten Indikatoren gegeben (D.I.). Im Anschluss daran werden schon bestehende Nachhaltigkeitsberichte vorgestellt und aufgezeigt, welche der unter Ziffer D.I. beschriebenen Nachhaltigkeitsberichtswesen auf Indikatoren sich Länderebene für ein eignen würden (D.II.). I. Finanzwissenschaftliche Nachhaltigkeitskonzepte In der Finanzwissenschaft werden verschiedene Konzepte zur Messung der Nachhaltigkeit der Haushalts- und Finanzpolitik diskutiert, die auf unterschiedlichen Ansätzen beruhen. In den ökonomischen Analysen haben sich drei Aspekte herausgebildet, die die verschiedenen Konzeptionen einer nachhaltigen Finanzpolitik in unterschiedlichem Maße betonen: Sicherung des finanzpolitischen Handlungsspielraums, intergenerative Gerechtigkeit und Sicherung des Wirtschaftswachstums. Die verschiedenen finanzwissenschaftlichen Konzepte stellen jeweils unter- schiedliche Aspekte der Nachhaltigkeit in den Vordergrund, ohne zwangsläufig andere völlig aus der Betrachtung auszuschließen. So zielt das Ressourcenverbrauchskonzept, aber auch das OECD-Konzept der fiscal sustainability, eher auf die Sicherung der finanzpolitischen Handlungsfähigkeit des Staates ab. Die Generationenbilanzierung rückt die intergenerative Verteilungsgerechtigkeit in den Vordergrund, während das Konzept der nachhaltigen wachstumswirksamen Ausgabestrukturen (WNA) die 12 D. Auswertung der Materialien langfristige Sicherung des Wirtschaftswachstums als Basis staatlicher Finanzierung betont. 7 Diese verschiedenen Ansätze führen auch zu unterschiedlichen Indikatoren der Nachhaltigkeit, die nachfolgend im Einzelnen dargestellt und bewertet werden. 1. Ressourcenverbrauchskonzept Beim Ressourcenverbrauchskonzept werden Ansätze der Rechnungslegung aus dem kaufmännischen Rechnungswesen auf den öffentlichen Sektor übertragen. Dahinter steht die Überlegung, dass das herkömmliche kameralistische Rechnungswesen oder insbesondere strukturelle "cash accounting" wegen des Schwächen des Prinzips aufweist, öffentlichen der die Sektors Kassenwirksamkeit die finanzpolitischen Verantwortlichkeiten verwischen und zu Fehlsteuerungen im politischen und betriebswirtschaftlichen Sinne führen können. So verhindert die Kameralistik beispielsweise die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Leistungserstellung und Ressourcenverzehr. Auch gibt sie über den tatsächlichen jährlichen Ressourcenverbrauch keine Auskunft und berücksichtigt zukünftige, aber bereits bestehende Verpflichtungen (z. B. Rücklagen für Beamtenpensionen) nicht. Aus diesem Grunde haben die Gemeinden nach dem Gesetz zur Einführung des neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden im Land Nordrhein-Westfalen 16.04.2004 (NKF spätestens ab Einführungsgesetz dem Haushaltsjahr NRW) 2009 vom ihre Geschäftsvorfälle nach dem System der doppelten Buchführung (Doppik) zu erfassen und eine Eröffnungsbilanz aufzustellen. Für die Haushaltsführung des Bundes und in einzelnen Ländern steht 7 Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Essen (RWI), Nachhaltigkeitskonzept für den Landeshaushalt NRW, S. 13,15 13 D. Auswertung der Materialien die Übernahme von Elementen des kaufmännischen Rechnungswesens ebenfalls in der Diskussion. Das nachfolgende Schaubild soll die unterschiedlichen Konzeptionen öffentlicher Rechnungslegung verdeutlichen: 14 D. Auswertung der Materialien Schaubild 1: Finanzwirtschaftliche Größen unterschiedlicher Konzeptionen öffentlicher Rechnungslegung Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für den Landeshaushalt NRW; Endbericht, S. 18 Es stellt sich die Frage, welchen Informationsgewinn das kaufmännische Rechnungswesen oder "accrual accounting" für die Gestaltung einer tragfähigen Finanzpolitik erbringen könnte. In der RWI Studie wird vorgeschlagen, den Schwerpunkt auf die Erstellung einer Vermögensbilanz als einer von drei grundlegenden Komponenten der Doppik zu legen. 8 Die anderen Komponenten sind die Ergebnisrechnung (periodengerechte 8 Vgl. RWI, a.a.O., S. 17 15 D. Auswertung der Materialien Zurechnung des Ressourcenverbrauchs) sowie die Finanzrechnung, die die Zahlungsströme abbildet. Bei der Erstellung einer Vermögensbilanz für den öffentlichen Sektor werden die bestehenden Aktiva (Sachvermögen, Finanzvermögen und Geldbestände/Forderungen) den Passiva (Bruttoverschuldung und andere Verpflichtungen, die in der Vergangenheit begründet wurden) gegenübergestellt. Aus der Saldierung ergibt sich das Nettovermögen. Der Informationsgehalt des Nettovermögens und seiner Herleitung ist größer als der der herkömmlichen Indikatoren Finanzierungssaldo, Nettoneuverschuldung und Bruttoschuldenstand. Diese Indikatoren stellen nämlich lediglich eine Momentaufnahme dar, die noch keine Auskunft darüber gibt, ob die Finanzpolitik nachhaltig ist. Für eine umfassende Beurteilung der Tragfähigkeit der Finanzpolitik bedarf es aber zusätzlich der Einbeziehung der übrigen Aktiva (z. B. des Infrastrukturvermögens) und Passiva. Die kaufmännische Bilanz mit dem Nettovermögen als Kennziffer kann hier einen tieferen Einblick geben, wenngleich sie auch nur jenen Teil der impliziten, also verdeckten, Staatsschuld berücksichtigt, der in der Vergangenheit begründet ist. Dieser Ansatz zur Überprüfung der Nachhaltigkeit ist somit in erster Linie vergangenheitsorientiert, was auch eine erste wesentliche Beschränkung des Ressourcenverbrauchskonzepts darstellt. 9 Für eine bilanzgestützte Analyse der finanzpolitischen Nachhaltigkeit bietet es sich an, auf Veränderungen der Relation von Nettoverschuldung (vgl. Schaubild 2, Seite 19) und Sach- und Finanzvermögen abzustellen. Dieser Quotient nimmt implizit die verfassungsrechtliche 9 RWI, a.a.O., S. 17, 18 16 Schuldensgrenze auf, indem kredit- D. Auswertung der Materialien finanzierte Investitionen den Schuldenstand wie das Vermögen erhöhen. Eine Überschreitung dieser Schuldensgrenze erhöht ausschließlich die Nettoneuverschuldung. Es ist zudem erkennbar, dass Vermögenserlöse (z. B. Privatisierungen) nur dann einen Konsolidierungsbeitrag leisten, wenn die Erlöse zur Schuldentilgung eingesetzt werden. Ein Mangel dieses Ansatzes zur Messung der Nachhaltigkeit resultiert aus dem Umstand, dass die Bilanz die Werte der Aktiva nur isoliert betrachtet. Der (Unternehmens-)wert resultiert aber letztlich aus der Kombination der Vermögensbestandteile und der daraus resultierenden Ertragskraft. Dies führt zu der Überlegung, dass die Finanzpolitik die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, beispielsweise durch Steuereinnahmen, beeinflussen kann. Es stellt sich deshalb die Frage, ob nicht die zukünftigen Steuereinnahmen, die der Staat auf Grund seiner Regulierungs-, Ausgaben- und Finanzierungstätigkeit erwarten dürfte, als immaterielles Vermögen aktiviert werden müssten. Umgekehrt müssten dann aber auch die Tätigkeiten und darüber hinaus seine Verpflichtungen zum Angebot öffentlicher Güter sowie zur Einkommensumverteilung berücksichtigt und in Ansatz gebracht werden. 10 Weitere Probleme bei der Interpretation der Nettoposition - neben dem Aspekt der Vergangenheitsorientierung - ergeben sich aus der Aktivierung des öffentlichen Sach- und Finanzvermögens. Schwierigkeiten entstehen hier vor allem bei der Bewertung von historischen Gebäuden, Museen, Nationalparks u. ä. sowie von militärischen Einrichtungen und Infrastrukturvermögen, insbesondere von Netzinfrastrukturen (z. B. Straßen). Es existieren 10 RWI, a.a.O., S. 21 17 D. Auswertung der Materialien zum Teil keine Anschaffungspreise, aber auch keine Marktpreise. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Erfassung der Leistungsabgabe über die Abschreibung. Lösungsansätze für die Bewertungsprobleme können hier die Konzeptionen bieten, die in Deutschland insbesondere für die kommunale Ebene entwickelt wurden. 11 Das nachfolgende Schaubild soll die bisherigen Überlegungen verdeutlichen: 11 Siehe hierzu weiterführend RWI, a.a.O., Übersicht 2, S. 21 18 D. Auswertung der Materialien Schaubild 2: Full Accrual Accounting Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für den Landeshaushalt NRW; Endbericht, S. 19 2. Konzepte auf Grundlage intertemporaler Budgetrestriktionen Einen zukunftsorientierten Ansatz bieten das OECD-Konzept der "fiscal sustainability" sowie die Generationenbilanzierung. Beide Konzepte beziehen in ihre Analyse der finanziellen Nachhaltigkeit auch zukünftige Haushalte mit ein. Der OECD-Ansatz stützt sich auf die jährliche Budgetgleichung und stellt die Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit aus Sicht des Staates in den Vordergrund, während die Generationenbilanzierung auf die 19 D. Auswertung der Materialien intergenerative Lastenverteilung und damit auf die Zurechnung möglicher Nachhaltigkeitslücken auf zukünftige Generationen abstellt. 2.1. OECD-Konzept der "fiscal sustainability" Das OECD-Konzept geht zunächst von einer Fortsetzung der gegenwärtigen Finanzpolitik aus und betrachtet die Entwicklung der staatlichen Einnahmen und Ausgaben über einen bestimmten Zeitraum, bspw. 30 oder 40 Jahre. Dabei ist die Finanzpolitik dann nachhaltig, wenn ihre langfristige Beibehaltung zur Folge hat, dass die Schuldenstandsquote am Ende des Betrachtungszeitraums trotz bevorstehender fiskalischer Mehrbelastungen ihre heutige Höhe nicht übersteigt oder sogar sinkt. Hält eine Finanzpolitik diese Bedingungen bei langfristig zunehmenden Ausgaben oder sinkenden Einnahmen nicht ein, so ist sie dementsprechend nicht nachhaltig. Dabei zeigt die zu ermittelnde Nachhaltigkeitslücke an, in welchem Umfang der Haushalt konsolidiert werden muss, um die finanzpolitische Nachhaltigkeit wiederherzustellen. Im Einzelnen stützt sich dieses Konzept auf folgende Indikatoren: a) Primärsaldo Ausgangspunkt Nachhaltigkeit öffentlichen der ist Überlegungen das Gesamthaushalts Sozialversicherung), Messung der Finanzierungsdefizit des (Gebietskörperschaften und jährliche welches sich zur aus der - ohne Berücksichtigung von Kreditaktivitäten - Differenz zwischen öffentlichen Ausgaben und Einnahmen zuzüglich der Schuldzinsen ergibt. Das Finanzierungsdefizit liefert einen ersten Hinweis für den möglichen Konsolidierungsbedarf. Dabei ist vor allem der Primärsaldo von Bedeutung. Dieser ist definiert als die 20 D. Auswertung der Materialien Differenz zwischen öffentlichen Einnahmen und Ausgaben ohne Zinsausgaben (Primärausgaben). Mit diesen Primärausgaben werden die Kernaufgaben eines Staates finanziert. Ein positiver Primärsaldo (Primärüberschuss) bedeutet, dass die Einnahmen ausreichen, um diese Kernaufgaben zu finanzieren, und noch ein Teil der Zinsausgaben gedeckt werden kann. Ein negativer Primärsaldo (Primärdefizit) zeigt dagegen an, dass die Einnahmen nicht ausreichen, um die Kernaufgaben zu finanzieren. Für diesen verbleibenden Teil und zur Finanzierung des Zinsdienstes ist eine Kreditaufnahme notwendig. 12 Wenn - wovon nach den Erkenntnissen der Wachstumstheorie auszugehen ist - der Zinssatz langfristig über der Wachstumsrate liegt, kommt es bei einem Primärdefizit zu einem permanenten Anstieg der Schuldenstandsquote (Verhältnis zwischen ausstehender Staatsschuld und Bruttoinlandsprodukt) und damit zu einem explodierenden Staatsschuldenwachstum. Ein Primärdefizit ist damit a priori als nicht nachhaltig anzusehen. Wenn die Schuldenstandsquote im Zeitablauf konstant bleiben soll, muss der öffentliche Haushalt einen Primärüberschuss aufweisen. Wird ein Rückgang der Schuldenstandsquote angestrebt, muss der Primärüberschuss entsprechend höher ausfallen. Ausgehend vom laufenden Primärdefizit kann man bestimmen, welche Änderungen in den Budgetsalden erforderlich sind, um eine stabile oder sinkende Schuldenstandsquote zu erreichen. 13 12 Sachverständigenrat, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, S. 20 13 Vgl. ausführlich Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik, S. 10 ff.; RWI, a.a.O., S. 22 ff. 21 D. Auswertung der Materialien Der Indikator des Primärsaldos ist gut handhabbar und einfach zu berechnen. Er ist allerdings nur eingeschränkt aussagekräftig, weil er zeitpunktbezogen stets nur einzelne Haushaltsjahre untersucht. Konjunkturelle Einflüsse verzerren damit die Ergebnisse, weshalb auch nicht mit den aktuellen Zinssätzen und Wachstumsraten gearbeitet wird, sondern langjährige Durchschnittswerte angesetzt werden. Zudem können das laufende Defizit und selbst die ausstehende Staatsschuld die langfristigen Verbindlichkeiten der öffentliche Hauhalte (Renten- und Pensionsansprüche), die auch als zweite, implizite Staatsschuld bezeichnet werden, nicht erfassen. Der Primärsaldo wird deshalb durch den Indikator der Nachhaltigkeitslücke ergänzt. b) Nachhaltigkeitslücke Um die zukünftigen Haushalte in die Analyse mit einzubeziehen, wird das Konzept des Primärsaldos auf mehrere Perioden übertragen, wobei in der Theorie grundsätzlich von einem unendlichen Zeithorizont ausgegangen wird (Annahme der ewigen Existenz des Staates). Um die unterschiedlichen Zahlungszeitpunkte vergleichbar zu machen, werden alle zukünftigen Zahlungen auf die Gegenwart diskontiert, also als Barwerte ausgedrückt. Nachhaltigkeit ist dann gegeben, wenn der Barwert (Gegenwartswert) des aktuellen und aller zukünftigen Primärüberschüsse, also der laufenden Einnahmen abzüglich der Ausgaben ohne Zinsausgaben, der gegenwärtigen Staatsschuld entspricht. Ist der Gegenwartswert der Primärüberschüsse kleiner, besteht eine Nachhaltigkeitslücke (fiscal gap). Bei empirischen Analysen wird aber in der Regel ein endlicher Zeithorizont unterstellt. Kennzeichen nachhaltiger Finanzpolitik ist in diesem Fall die Stabilisierung der Schuldenstandsquote. Die Nachhaltigkeitslücke wird somit als Barwert der zusätzlichen 22 D. Auswertung der Materialien Primärüberschüsse ausgedrückt, die erforderlich sind, um die Schuldenstandsquote - je nach Zielsetzung - konstant zu halten oder zu verringern. Die Überschüsse können durch eine Kombination aus Abgabenerhöhungen oder Ausgabensenkungen erzielt werden. Die Nachhaltigkeitslücke Abgabenerhöhung kann (tax dementsprechend gap) bzw. auch als Ausgabensenkung (expenditure gap) dargestellt werden, die zu ihrer Schließung erforderlich ist. Der Barwert der zur Stabilisierung oder Verringerung der Schuldenstandsquote notwendigen Primärüberschüsse kann auch als Prozentsatz des gegenwärtigen Bruttoinlandsprodukts ausgewiesen werden. 14 In diesem Fall wird die Nachhaltigkeitslücke als jährlicher Konsolidierungsbedarf gemessen an der Wirtschaftskraft dargestellt. Eine derartige Zukunftsanalyse setzt eine Projektion der gesamtund finanzwirtschaftlichen Entwicklung voraus. Eine Vielzahl von Einflussfaktoren bei der Ermittlung der Ein- und Ausgabenentwicklung, wie das Wirtschaftswachstum, den zur Diskontierung verwendeten Zinssatz, die Entwicklung der Lebenserwartung und der Erwerbsbeteiligung muss prognostiziert werden. Hier wird in der Regel auf die Entwicklung der Vergangenheit zurückgegriffen und es werden mittel- und langfristige Durchschnittswerte gebildet, die für die Zukunft als konstant unterstellt werden. 15 14 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik, S. 13, 16; vgl. ausführlich zur Berechnung der Nachhaltigkeitslücke mit Berechnungsbeispiel RWI, a.a.O., S. 84 ff. 15 RWI, a.a.O., S. 24 23 D. Auswertung der Materialien Die Indikatoren der Nachhaltigkeitslücke stellen wegen ihrer Zukunftsorientierung gegenüber der Vermögensbilanz und dem Primärsaldo einen erheblichen Fortschritt dar. Auch ist die Quantifizierung des Konsolidierungsbedarfs praxisnah und leicht durchführbar. Allerdings sind die gefundenen Ergebnisse mit Unsicherheiten behaftet. So reagieren sie sensitiv auf die Wahl des Basisjahres sowie auf die gewählten Parameter für die Projektion der gesamt- und finanzwirtschaftlichen Entwicklungen. Die Wahl des Basisjahres entscheidet über die Höhe des Schuldenstandes, der als tragfähig angesehen wird und auch zukünftigen Generationen zugemutet werden kann. Die Wahl des Untersuchungszeitraums entscheidet darüber, welche Bedeutung z. B. demografischen oder anderen relevanten Entwicklungen zukommt. Im Übrigen sind Sensitivitätsanalysen erforderlich, um Rechenschaft über die Auswirkungen unterschiedlicher Zinssätze und Wachstumsraten zu geben. 16 2.2. Generationenbilanzierung Das Konzept der Generationenbilanzierung betrachtet ebenfalls die zukünftige Entwicklung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, wobei der Analysezeitraum um ein Vielfaches über den im OECD-Konzept hinausreicht. Es werden Steuerzahlungen einschließlich Sozialversicherungsabgaben einerseits und öffentliche Ausgaben andererseits den einzelnen Generationen zugerechnet und die Nettosteuerzahlungen jeder Generation als Differenz zwischen ihren Steuerzahlungen und den empfangenen Leistungen ermittelt. Unter Generation wird jeweils ein Jahrgang verstanden, die sog. Kohorte. Die Nettosteuerzahlungen der 16 RWI, a.a.O., S. 25 24 D. Auswertung der Materialien einzelnen Kohorten ergeben geteilt durch die jeweilige Jahresstärke der Bevölkerung im Basisjahr die Generationenkonten. In der Zusammenschau aller Generationen ergibt sich letztlich die Generationenbilanz. Nettosteuerzahlungen aller Wenn der gegenwärtigen Barwert und der zukünftigen Generationen ausreicht, die staatlichen Ausgaben zuzüglich der ausstehenden Staatsschuld zu finanzieren, so liegt Nachhaltigkeit vor. 17 Ebenso wie das OECD-Konzept weist auch dieses Konzept bei der Umsetzung auf Nachhaltigkeitslücken hin, die Ausdruck der tatsächlichen Staatsverschuldung als Summe der expliziten und impliziten Staatschuld sind. Die Nachhaltigkeitslücken lassen sich anhand zweier alternativer Indikatoren, nämlich der basisjahrbezogenen Variante und der generationenbezogenen Variante, darstellen. a) Basisjahrbezogene Variante Bei der basisjahrbezogenen Version werden die Belastungen, die sich aus der Schließung von Nachhaltigkeitslücken ergeben, sowohl den gegenwärtigen als auch den zukünftigen Generationen zugerechnet. Die notwendigen Konsolidierungserfordernisse in Form von Ausgabensenkungen oder Steuererhöhungen werden als Quote des Bruttoinlandsprodukts dargestellt und nicht weiter nach Generationen differenziert. Diese Variante der Generationenbilanzierung entspricht im Kern dem Ansatz der OECD. Der Indikator wird ähnlich gebildet wie 17 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik - Kurzfassung -, Ehrentraut/Raffelhüschen, Generationenkonten in den roten Zahlen 25 D. Auswertung der Materialien beim OECD-Ansatz, nämlich indem als Nachhaltigkeitslücke grundsätzlich nur der Barwert der gesamten Steuereinnahmen und öffentlichen Ausgaben ausgewiesen wird, nicht aber ihre Aufteilung zwischen den Generationen. Allerdings unterscheidet sich die Berechnungsgrundlage im Vergleich zum OECD-Ansatz. Während dort die jährliche Budgetgleichung die Grundlage der Berechnungen bildet, Nachhaltigkeitslücke wird aus im den Generationenkonzept die Nettosteuerzahlungen der verschiedenen Generationen hergeleitet. Diese methodischen Unterschiede führen bei der empirischen Umsetzung zu erheblichen Differenzen in den Ergebnissen. So unterscheiden sich die prognostizierten Einnahmen und Ausgaben, weil das Generationenkonzept kohortenspezifische Nettosteuerzahlungen verwendet. Ferner werden beim Generationenkonzept in der Regel deutlich längere Zeiträume untersucht. Schließlich kann auch die Annahme einer langfristig konstanten Schuldenstandsquote (oder anderer Beschränkungen der Verschuldenspolitik) im OECD-Konzept dazu beitragen, dass sich Unterschiede in der ermittelten Nachhaltigkeitslücke ergeben. Ein weiterer wichtiger Einfluss kommt der Wahl des Basisjahres zu, auf das sich die Nachhaltigkeitslücke bezieht. 18 Letzterem Kritikpunkt, nämlich der Abhängigkeit der Ergebnisse vom gewählten Basisjahr, Forschungszentrum Freiburg in ihrer treten Generationenverträge Veröffentlichung Benz/Hagist der vom Universität "Konjunktur und Generationenbilanz - eine Analyse anhand des HP-Filters" von Februar 2007 entgegen. In dieser Arbeit wird mit Hilfe des 18 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik, S. 31 ff. 26 D. Auswertung der Materialien sogenannten HP-Filters das gesamtstaatliche Budget Deutschlands des Jahres 2003 um den konjunkturellen Einfluss bereinigt und damit eine entsprechende Nachhaltigkeitsanalyse durchgeführt. Unter HP-Filter ist ein von Hodrick und Prescott 19 entwickeltes Verfahren zu verstehen, mit dessen Hilfe die auf Grundlage der Generationenbilanzierung ermittelten Generationenkonten von konjunkturellen Einflüssen bereinigt und so langfristig ein genauerer Wert dargestellt werden soll. Benz/Hagist kommen zu dem Schluss, dass die Konjunktur zwar einen Einfluss auf die Resultate zeigt, der entsprechende Fehler jedoch im einstelligen Prozentbereich liege und die Aussagen der Generationenbilanz damit insgesamt nicht verzerre. 20 b) Generationenbezogene Variante Bei der generationenbezogenen Version, die das ursprüngliche Konzept der Generationenbilanzierung darstellt, wird typischerweise unterstellt, dass die Nachhaltigkeitslücke von den zukünftig geborenen Generationen geschlossen werden muss. Die Nettosteuerzahlungen aller kommenden Generationen, also aller nach dem Basisjahr geborenen Kohorten, müssen genau im Ausmaß der Nachhaltigkeitslücke steigen. Im Unterschied zum OECD-Konzept wird also eine generationenspezifische Zurechnung der Nachhaltigkeitslücke vorgenommen, für die eine Aufschlüsselung der Abgaben und Transfers auf die Generationen notwendige Voraussetzung ist. Die Relation zwischen dem Beitrag, den die zukünftigen Generationen zur Schließung der 19 Hodrick/Prescott, Postwar U.S. Business Cycles: An Empirical Investigation, Discussion Paper Carnegie Mellon University, Nr. 451, 1980 20 Benz/Hagist, Konjunktur und Generationenbilanz - eine Analyse anhand des HP-Filters, Zusammenfassung und Fazit, S. 26 27 D. Auswertung der Materialien Nachhaltigkeitslücke aufwenden müssen, und dem Lebenszeitnettosteuersatz der gerade Geborenen repräsentiert eine im Status quo der Finanzpolitik angelegte Nachhaltigkeitslücke. 21 Intergenerative Gerechtigkeit wird als gegeben angenommen, wenn zukünftige Generationen mit dem gleichen Anteil am Lebenseinkommen bzw. dem gleichen Lebenszeitnettosteuersatz zur Finanzierung des Staatswesen herangezogen werden wie die Generation des Basisjahres. 22 Generell wird beim Konzept der Generationenbilanzierung bei beiden Varianten als problematisch angesehen, dass der Konsolidierungsbedarf, obwohl er schon gravierend ist, zusätzlich dramatisiert wird, indem die Finanzpolitik trotz steigender Ausgaben und zunehmender Finanzierungslücken über einen sehr langen Zeitraum als konstant angenommen wird. Zudem ist die generationenspezifische Zurechnung von öffentlichen Ausgaben und Einnahmen nicht einfach; auch erscheint der lange Analysezeitraum als solches problembehaftet. Schließlich wird kritisiert, dass die Generationenbilanzierung zu ungenau sei, da Wachstumsrate und Zinssatz, die in die Berechnung einbezogen werden, sehr langfristig geschätzt seien; ebenso werden Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Altersprofile und bei deren Fortschreibung, die mögliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen unbeachtet lassen, konstatiert. 23 21 Zur genauen Berechnung vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik, S. 34 ff. 22 RWI, a.a.O., S. 26 23 Benz/Hagist, Konjunktur und Generationenbilanz, S. 4 28 D. Auswertung der Materialien 2.3. OECD-Konzept und Generationenbilanzierung im Vergleich Sowohl der Wissenschaftliche Beirat beim BMF als auch das RWI halten das OECD-Konzept insgesamt für ein besser geeignetes Instrument der Nachhaltigkeitsanalyse, wenngleich auch hier die Auffassung vertreten wird, dass auf eine Untersuchung der finanzwirtschaftlichen Konsequenzen des demografischen Wandels nicht verzichtet werden sollte, beispielsweise durch eine Nutzung von Altersprofilen zur näheren Analyse der Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben. 24 In der Finanzwissenschaft wird dies zum Teil differenzierter gesehen. So haben Benz/Fetzer vom Institut für Finanzwissenschaften der Universität Freiburg die beiden Konzepte einem empirischen Vergleich am Beispiel der deutschen Finanzpolitik unterzogen und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass die konkurrierenden beiden Methoden Messkonzepte keine darstellen, grundsätzlich sondern sich ineinander überführen lassen. 25 Eine Zusammenfassung ihrer wissenschaftlichen Analyse, die auch eine Bewertung der Tragfähigkeit der verschiedenen Nachhaltigkeitsindikatoren enthält, ist diesem Gutachten als Anlage 1 beigefügt. Das nachfolgende Schaubild stellt die Konzepte der intertemporalen Budgetrestriktion nochmals im Vergleich dar: 24 25 Vgl. RWI, a.a.O., S. 37 Benz/Fetzer, Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? - OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich -, S. 22 29 D. Auswertung der Materialien Schaubild 3: Nachhaltigkeit und intertemporale Budgetrestriktion Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für den Landeshaushalt NRW; Endbericht, S. 35 30 D. Auswertung der Materialien 3. Konzept der wachstums- und nachhaltigkeitswirksamen Ausgabestrukturen Es hat eine lange Tradition, öffentliche Ausgaben (auch) nach ihrer Produktivität bzw. ihren Wachstumswirkungen zu begreifen. Ursprünglich galten alle öffentlichen Aufträge als unproduktiv. Es setzte sich aber der Gedanke durch, dass die öffentlichen Investitionen das gesamtwirtschaftliche Produktionspotential und damit die zukünftigen Kreditfinanzierung Einnahmen erschien erhöhen deshalb können. zulässig. Ihre Diese Überlegungen bildeten die Grundlage für die in Art. 115 GG und den jeweiligen Landesverfassungen (z. B. Art. 83 Landesverfassung NRW) verankerte sog. Golden Rule, wonach sich der Staat in dem Umfang neu verschulden kann, wie er (eigenfinanzierte) Investitionen tätigt. 26 Auch bei der Konsolidierung der staatlichen Haushalte stellt sich die Frage nach den qualitativen Aspekten staatlicher Ausgabenpolitik. Andernfalls droht das Risiko, mit quantitativen Konsolidierungsschritten diejenigen Ausgabenbereiche besonders hart zu treffen, von denen eine positive Wirkung auf Wachstum und nachhaltige Entwicklung ausgeht. Die herkömmliche Unterscheidung zwischen investiven gleich produktiven und konsumtiven gleich unproduktiven öffentlichen Ausgaben ist hierfür aber nicht geeignet, wie beispielsweise die Position der Bildungsausgaben zeigt, die als laufende (konsumtive) Ausgaben verstanden werden, denen aber zugleich Wachstumswirkungen zukommen. Das Konzept der sog. wachstums- und nachhaltigkeitswirksamen öffentlichen Ausgaben, welches im Rahmen eines Gutachtens für das Bundesministerium der 26 vgl. RWI, a.a.O, S. 29 31 D. Auswertung der Materialien Finanzen entwickelt wurde 27 , identifiziert diejenigen staatlichen Ausgaben, für die eine positive Korrelation mit Wirtschaftswachstum und nachhaltiger Entwicklung angenommen werden kann, und grenzt sie von solchen Ausgaben ab, die neutral oder negativ auf Wachstum und Nachhaltigkeit wirken. Danach werden basierend auf einem eng verstandenen Nachhaltigkeitsbegriff alle Ausgaben für die Förderung des Humankapitals und die Ausgaben für Infrastrukturleistungen im Verkehrs- und Nachrichtenwesen sowie die Sicherung der Lebensgrundlagen (Umweltschutz, Energieversorgung) als wachstums- und nachhaltigkeitswirksam eingestuft. Dieser funktionale Ansatz umfasst das Bildungswesen, Schulwesen, die das Wissenschaft Hochschulsowie und sonstige Forschung und Entwicklung außerhalb des Hochschulwesens, familienpolitische Maßnahmen, aktive Arbeitsmarktpolitik, Einrichtungen und Maßnahmen des Gesundheitswesens, Umwelt- und Naturschutz einschließlich Reaktorsicherheit und kommunaler Entsorgungsmaßnahmen sowie die Förderung erneuerbarer Energien. 28 Kritik begegnet dieser Ansatz insoweit, als dass die eindeutige Zuordnung bestimmter funktionaler Ausgaben als wachstumswirksam und nachhaltig Schwierigkeiten bereitet, weil jegliche Klassifizierung öffentlicher Ausgaben wenig über die Effizienz und die Effektivität konkreter finanzpolitischer Maßnahmen aussagt. Dies wird besonders deutlich, wenn man die wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung um die aktive Arbeitsmarkt- 27 Thöne, Wachstums- und nachhaltigkeitswirksame öffentliche Ausgaben ("WNA"), Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) Kurzfassung -, Monatsbericht des BMF 3/2004, S. 73 ff. 28 Thöne, a.a.O., S. 76 32 D. Auswertung der Materialien politik oder um den Sinn einzelner familienpolitischer Maßnahmen betrachtet. 29 4. Zusammenfassende Bewertung der Nachhaltigkeitskonzepte Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das OECDKonzept der "fiscal sustainability" sowie die Generationenbilanzierung an eine intertemporale Budgetrestriktion anknüpfen, wenn auch mit unterschiedlichen Akzentuierungen. Die abgeleiteten Indikatoren sind in beiden Fällen zukunftsorientiert. Beim OECD-Konzept geht es vorrangig darum, eine Explosion der Staatsschulden und des Schuldendienstes zu verhindern. Indikatoren zur Messung der Nachhaltigkeit sind der Primärsaldo und die Nachhaltigkeitslücke (fiscal gap), die als Barwert der zusätzlichen Primärüberschüsse definiert wird, die erforderlich sind, um die Schuldenstandsquote - je nach Zielsetzung konstant zu halten oder zu verringern. Die Nachhaltigkeitslücke kann auch als Abgabenerhöhung (tax gap) oder Ausgabensenkung (expenditure gap) bzw. als Prozentsatz des gegenwärtigen Bruttoinlandsprodukts dargestellt werden. Die Generationenbilanz stellt die intergenerative Gerechtigkeit in den Vordergrund. Zentraler Indikator ist der Vergleich der Lebenszeit-Nettosteuersätze, wobei bei der basisjahrbezogenen Variante die Nachhaltigkeitslücke - ähnlich wie beim OECDKonzept - den gesamten Konsolidierungsbedarf angibt, während die generationenbezogene Variante davon ausgeht, dass nur die zukünftigen Generationen zur Deckung der Nachhaltigkeitslücke herangezogen werden. Schwachpunkt beider Konzepte, also sowohl des OECD-Konzepts als auch der Generationenbilanz, ist die Fortschreibung des finanzpolitischen Status quo ohne 29 RWI, a.a.O., S. 33 33 D. Auswertung der Materialien Betrachtung der Wechselwirkung gesamtwirtschaftlicher zwischen Entwicklung und finanz- die und Notwendigkeit langfristiger Projektionen. Zudem reagieren die Konzepte sensitiv auf die Wahl des Basisjahres und die gewählten Parameter. Aufgrund der damit verbundenen Unsicherheiten ist sowohl bei der Ermittlung der Ergebnisse als auch bei deren Interpretation Vorsicht geboten. 30 Das zielt Ressourcenverbrauchskonzept ebenfalls auf die Sicherung des finanzpolitischen Handlungsspielraums ab. Sein Anliegen ist die Schaffung von mehr Transparenz hinsichtlich der fiskalischen Situation und der finanzpolitischen Verant- wortlichkeiten, indem es den Ressourcenverbrauch periodengerecht zuordnet und eine stärkere Überprüfung der Effektivität und Effizienz Erforderlich ist staatlicher eine Aufgabenerfüllung Übernahme von ermöglicht. Ansätzen des kaufmännischen Rechnungswesens (accrual accounting) in die öffentliche Haushaltsführung, hier insbesondere die Erstellung einer Vermögensbilanz als ein Bestandteil der Doppik. Indikator der Nachhaltigkeit ist dabei die Relation von Nettoschulden zum Nettovermögen. Veränderungen dieser Relation sowie der Vermögensstruktur liefern wichtige Hinweise auf bestehende finanzwirtschaftliche Probleme und Ursachen. Einschränkungen ergeben sich aus den bestehenden Bewertungsproblemen bei 30 Vgl. Landesrechnungshof verfassungsmäßige Grenze Schleswig-Holstein, für die Investitionsbegriff Kreditaufnahme, Vorlage für und den Finanzausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags vom 13.01.2004, S. 18 34 D. Auswertung der Materialien den staatlichen Aktiva sowie der Vergangenheitsorientierung des Ansatzes. 31 Das Konzept der wachstums- und nachhaltigkeitswirksamen öffentlichen Ausgaben ("WNA") zielt schließlich auf die Sicherung des Wirtschaftswachstums und legt den Fokus nicht auf den quantitativen, sondern qualitativen Aspekt der Konsolidierung. Die Ausgaben des Staates werden bei diesem Konzept danach klassifiziert, inwieweit sie wachstums- und nachhaltigkeitswirksam sind, unabhängig davon, ob es sich haushaltsrechtlich um Investitionen oder konsumtive Staatsausgaben handelt. Es wird also nicht die Frage gestellt, in welchem Umfang konsolidiert werden muss, sondern wo Ausgaben eingespart - bzw. wegen ihrer nachhaltigen Wirkung - nicht eingespart werden sollten. In der wissenschaftlichen Diskussion besteht Einigkeit, dass die Nachhaltigkeit der Finanzpolitik nicht alleine durch einen Indikator abgebildet werden kann, sondern es immer mehrere Indikatoren zu kombinieren gilt. Eine umfassende Nachhaltigkeitsanalyse soll deshalb nach verschiedenen allgemeiner Konzepte Auffassung nutzen und die Stärken mehrere der Indikatoren angeben. 32 II. Nachhaltigkeitsberichte Auf internationaler Ebene verfügen die USA, Großbritannien und Neuseeland über Erfahrungen mit Nachhaltigkeitsberichten. Auf nationaler Ebene ist der Bericht des BMF zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen von Juni 2005 zu nennen, aus dem sich Ansatzpunkte für ein Berichtswesen auf Landesebene ergeben 31 Vgl. RWI, a.a.O., S. 37 32 Vgl. RWI, a.a.O., S. 37, Benz/Fetzer, a.a.O., S. 22 35 D. Auswertung der Materialien können. Auf Länderebene gibt es bislang keine Nachhaltigkeitsberichte; allerdings hat das RWI Essen ein entsprechendes Berichtskonzept für das Land Nordrhein- Westfalen entwickelt. 1. Nachhaltigkeitsberichte auf internationaler Ebene, insbesondere in den USA, Großbritannien und Neuseeland Blickt man auf internationale Planungsinstrumentarien, fällt zunächst auf, dass deren Entwicklung eng mit neuen Konzepten für eine effizientere und effektivere Aufgabenerfüllung der öffentlichen Hand (sog. New Public Management) verbunden ist. In den OECD-Staaten ist ein Trend zur Adoption des kaufmännischen Rechnungswesens durch den öffentlichen Sektor zu beobachten. Eine vollständige Implementierung würde drei Elemente beinhalten: die Ergebnisrechnung (operating statement), die Vermögensrechnung (statement of financial position) und die Finanzrechnung (statement of cash flows). In der Praxis beschränkt man sich bisher in der Regel auf die Erstellung einer Vermögensbilanz, während man für das Budget beim herkömmlichen Neuseeland "cash und accounting" Großbritannien bleibt. erfolgt In Australien, die öffentliche Rechnungslegung bereits ganz auf kaufmännischer Basis (full accrual basis), wenngleich sich die Konzepte im Einzelnen auch dort erheblich unterscheiden. 33 Ergänzt wird das New Public Management weltweit durch langfristige Finanzberichte, die auch als strategische Finanzplanung (fiscal strategy) bezeichnet werden. 33 Vgl. hierzu weiterführend RWI, a.a.O., S. 38 ff. 36 D. Auswertung der Materialien Die OECD benennt in einer Best Practice-Studie 34 inhaltliche und formale Elemente, die eine strategische Finanzplanung umfassen soll: Erstens die Darlegung der Nachhaltigkeit der gegenwärtigen Finanzpolitik und der Einflüsse des demografischen Wandels, zweitens die Offenlegung der Annahmen, die den Projektionen zu Grunde liegen, sowie drittens einen Berichtsturnus von mindestens alle fünf Jahre. Der Analysezeitraum soll zehn bis fünfzig Jahre betragen. Erfahrungen mit Nachhaltigkeitsberichten gibt es bereits in den USA, Neuseeland und Großbritannien. Die USA verfügen über ein im internationalen Vergleich umfassendes und ausgeklügeltes Berichtssystem. Das Congressional Budget Office (CBO) erstellt unter anderem Projektionen über zehn und fünfzig Jahre. Es werden die Ausgaben mit Schwerpunkten bei der Sozialversicherung (Alterssicherung und Erwerbsunfähigkeit) und dem Gesundheitswesen (Medicare, Medicaid) sowie die Einnahmen projiziert. Dabei werden jeweils mehrere Szenarien untersucht, die aus alternativen Annahmen bezüglich der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung resultieren. Die Projektionen erfolgen modellgestützt. Seit Neuerem wird das sog. Congressional Budget Office Long-Term (CBOLT)-Policy Simulation Modell benützt, welches ein mikroökonomisches Simulationsmodell basierend auf einer repräsentativen Stichprobe darstellt. 35 Die Projektionen enthalten, da es sich beim CBO um 34 OECD, OECD Best Practices for Budget Transparency, PUMA/SBO 6/2000, Final.Paris, eds. 2001 35 RWI, a.a.O., S. 42; weiterführend O´Harra/Sabelhaus/Simpson, Overview of the Congressional Budget Office Long-Term (CBOLT) Policy Simulation Model, Technical Paper Series 2004-1, Washington D.C.: CBO 37 D. Auswertung der Materialien eine Institution der Legislative handelt, keine finanzpolitischen Zielsetzungen. In Neuseeland hat die Regierung seit 1994 jährlich ein sog. Budget Policy Statement (BPS) und einen Fiscal Strategy Report (FSR) vorzulegen. Während der BPS unter anderem die langfristigen politischen Zielsetzungen enthält, projiziert der FSR die relevanten finanzpolitischen Kennziffern über zehn und mehr Jahre. Der Zeithorizont reicht bis zum Jahr 2050. Die Ergebnisse werden als nominale volkswirtschaftliche Quoten ausgewiesen. Die Regierung ist verpflichtet, Abweichungen zwischen ihren finanzpolitischen Zielsetzungen und der absehbaren Entwicklung zu begründen. 36 Das nachfolgende Schaubild gibt einen Überblick über das Berichtssystem Neuseelands: 36 RWI, a.a.O., S. 42 38 D. Auswertung der Materialien Schaubild 4: Das Berichtssystem Neuseelands Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für den Landeshaushalt NRW; Endbericht, S. 43 In Großbritannien veröffentlicht das HM Treasury seit 2002 einen jährlichen "Long-term public finance report". Darin werden die finanzpolitischen Zielsetzungen dargelegt, die finanzpolitischen Herausforderungen geschildert, die (z. B. die Konstruktion demografische und Entwicklung) Aussagefähigkeit von Indikatoren der Nachhaltigkeit erörtert sowie die Ergebnisse der 39 D. Auswertung der Materialien Projektion der finanzwirtschaftlichen Entwicklung präsentiert. Der Untersuchungszeitraum beträgt etwa 50 Jahre. Die Untersuchungen stützen sich nicht auf ein ökonometrisches Modell, wie es in den USA und Neuseeland der Fall ist. Es werden den Untersuchungen zum Teil andere Projektionen (z. B. zur Bevölkerungsentwicklung), zum Teil Durchschnittsbildungen (z. B. zur Produktivitätsentwicklung) zu Grunde gelegt. Die getroffenen Annahmen werden verschiedenen offen Indikatoren gelegt der und die Ergebnisse Nachhaltigkeit (fiscal zu gap, Generationenbilanz) verdichtet. 37 2. Bericht des Bundesministeriums der Finanzen zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen Mit dem ersten Bericht über die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen von Juni 2005 will das BMF über die Folgen des demografischen Wandels für die Finanzpolitik informieren und Ansatzpunkte für ein rechtzeitiges Gegensteuern aufzeigen. Grundlage des Berichts sind Modellrechnungen und Tragfähigkeitsanalysen des vom BMF beauftragten ifo-Instituts. In dem Bericht werden die Ausgaben und Einnahmen des Staates (Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen) insgesamt betrachtet, ohne nach einzelnen Ebenen wie Bund, Länder und Gemeinden zu differenzieren. Das BMF gelangt hinsichtlich der Belastbarkeit der gefundenen Ergebnisse zu dem Schluss, dass aufgrund der Betrachtung sehr langer Zeiträume und der unzureichenden Berücksichtigung der Rückkoppelungswirkung von budgetären Entwicklungen oder politischer Maßnahmen auf das Verhalten von Unternehmen und privaten Haushalten die Rechnungen zwar grundsätzlich mit Unsicherheiten behaftet sind 37 RWI, a.a.O., S. 43 ff. 40 D. Auswertung der Materialien und vorsichtig interpretiert werden sollten. Dennoch lieferten die Analysen eine grobe Einschätzung künftiger finanzpolitischer Spielräume und eine vergleichende Beurteilung der Wirkungen alternativer Reformoptionen auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. 38 2.1. Aufbau des Berichts Der Bericht beschreibt im ersten Teil zunächst den in Deutschland zu erwartenden Entwicklung demografischen des Wandel Altenquotienten, also und die zeigt die Relation der Bevölkerung im Rentenalter ab 65 Jahren zur Bevölkerung im Erwerbsalter zwischen 20 und 64 Jahren, auf. Im zweiten Teil werden Modellrechnungen Modellrechnungen Ausgaben auf des die ifo-Instituts werden der wichtigsten Basis einzelne konkreter Ergebnisse dargestellt. Kategorien Annahmen In der den öffentlicher über die demografische und gesamtwirtschaftliche Entwicklung bis zum Jahr 2050 festgeschrieben. Das Interesse konzentriert sich dabei auf die möglichst genaue Abbildung der staatlichen Ausgaben in den von der Bevölkerungsalterung besonders betroffenen Bereichen. Explizit betrachtet werden die öffentlichen Ausgaben in den Bereichen staatliche Alterssicherung (Rentenversicherung, Beamtenversorgung), Gesundheit (Krankenversicherung, Pflegeversicherung) und Bildung sowie langfristige Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt (Ausgaben der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung). Auf dieser Grundlage wird die Ausgaben- und Schuldenstandsentwicklung aufgezeigt und Tragfähigkeits- indikatoren ermittelt, die Auskunft darüber geben, in welchem 38 BMF, Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen 2005, S. 4/5 41 D. Auswertung der Materialien Umfang heute Budgetkorrekturen erforderlich wären, um die Entwicklung öffentlicher Finanzen langfristig tragfähig zu machen. Die Berechnungen werden ergänzt durch eine Reihe von Sensitivitätsanalysen und Politiksimulationen. In den Sensitivitätsanalysen werden Änderungen in den Annahmen in den Bereichen Demografie, Erwerbsneigung, Beschäftigung, Produktivität und Zins berechnet und zudem Varianten der Kostenentwicklung in den einzelnen Ausgabenbereichen simuliert. In der Politiksimulation werden die Auswirkungen verschiedener Reformoptionen bzw. bereits verabschiedeter Reformen auf die Tragfähigkeit untersucht. Schließlich wird in einem dritten Teil ein Spektrum an politischen Lösungsansätzen aufgezeigt. 2.2. Verwendete Indikatoren Das ifo-Institut hat sich bei den Modellrechnungen der Methodik des OECD-Ansatzes unter Einbeziehung von Elementen der Generationenbilanzierung bedient. Ausgehend von dem in der mittelfristigen wiesenen Finanzplanung Finanzierungssaldo der Bundesregierung (also ausge- einschließlich der Zinszahlungen) für das Jahr 2008 werden Langfristszenarien für die Entwicklung der staatlichen Defizitquote und der Schuldenstandsquote bis zum Jahr 2050 entwickelt. Auf dieser Grundlage werden dann Tragfähigkeitsindikatoren berechnet, die den finanzpolitischen Anpassungsbedarf zur Herstellung einer langfristig tragfähigen Haushaltssituation abbilden. a) Tragfähigkeitslücke 1 (sustainability gap 1) Diese misst, welche betragsmäßige konstante Senkung der in jedem Jahr projizierten Ausgabenquote (bzw. welche Erhöhung der Einnahmequote) erreicht werden müsste, damit die Schuldenstandsquote im Jahr 2050 derjenigen Quote entspricht, 42 D. Auswertung der Materialien die sich bei einem über den gesamten Projektionszeitraum (hier ab 2009) ausgeglichenem Budget ergeben würde. Diese Kennziffer lehnt sich an das von der OECD entwickelte Konzept der Projektion von Finanzierungssalden mit begrenztem Zeithorizont an. Die Tragfähigkeitslücke wird als Prozentsatz des BIP angegeben. b) Tragfähigkeitslücke 2 (sustainability gap 2) Diese misst, welche Veränderungen der projizierten Ausgaben(bzw. Einnahmen)quote in jedem Jahr des Projektionszeitraums und auf Dauer erreicht werden müsste, damit über einen unendlichen Zeithorizont alle öffentlichen Ausgaben exakt den öffentlichen Einnahmen entsprechen. Diese Kennziffer greift das Konstrukt einer allgemeinen intertemporalen Budgetbe- schränkung des Staates bei unbegrenztem Zeithorizont auf. Sie wird ebenfalls als Prozentsatz des BIP angegeben. Der Indikator der Tragfähigkeitslücke oder "sustainability gap" wird auch von der EU-Kommission bei der jährlichen Prüfung der Stabilitätsprogramme sowie in den Jahresgutachten des Sachverständigenrats verwandt. 3. Mögliche Kriterien für ein Nachhaltigkeitsberichtswesen auf Länderebene Das RWI Essen hat in seiner Studie "Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für den Landeshaushalt NRW" Vorschläge für ein Berichtssystem auf Landesebene entwickelt, mit dem die Nachhaltigkeit des nordrhein-westfälischen Haushalts beurteilt und der ggf. bestehende Konsolidierungsbedarf festgestellt werden soll. In der Studie wird auch auf erste Erfahrungen aus dem Ausland zurückgegriffen und das entwickelte Konzept einem Praxistest unterzogen. Da es sich, soweit hier feststellbar, derzeit um die einzige Studie handelt, die 43 D. Auswertung der Materialien ein Berichtskonzept speziell für einen Landeshaushalt entwickelt und praktisch erprobt hat, wird bei der nachfolgenden Darstellung im Wesentlichen auf die Studie des RWI zurückgegriffen. Nachfolgend werden zunächst die Vorschläge des RWI bezüglich der formalen Anforderungen (Aufbau, Periodizität und Berichtszeitraum) an ein Berichtswesen dargelegt. Im Anschluss daran werden die inhaltlichen Anforderungen, insbesondere die Auswahl der Indikatoren zur Messung der Nachhaltigkeit, beschrieben. 3.1. Formale Anforderungen Der formale Aufbau des Berichts sollte nach dem Vorschlag des RWI fünf Abschnitte beinhalten. 39 In einem ersten Teil sollte die Landesregierung einführend ihre finanzpolitischen Zielsetzungen darlegen und konkretisieren, wie der finanzpolitische Handlungsspielraum gesichert, die intertemporalen Verteilungsgesichtspunkte berücksichtigt und die finanzpolitischen Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes geschaffen werden sollen. In einem zweiten Teil sollten komprimiert die methodischen Grundlagen, mit denen die Nachhaltigkeit der Finanzpolitik überprüft wird, dargestellt werden. In einem dritten Teil sollte der Einfluss langfristiger sozioökonomischer Entwicklungen auf die öffentlichen Finanzen des Landes aufgezeigt werden, entweder durch eine modellgestützte Abschätzung oder durch eine Fortschreibung der öffentlichen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung mit Hilfe gesamtwirtschaftlicher Parameter und unter Beachtung der demografischen Entwicklung. Der vierte Teil des Berichts sollte 39 RWI, a.a.O., S. 46 44 D. Auswertung der Materialien sich mit der Nachhaltigkeit der Finanzpolitik auseinandersetzen, wofür eine Reihe von vergangenheits- und zukunftsorientierten Indikatoren zur Verfügung stehen (hierzu näher unter Abschnitt 3.2., Seite 49 ff.). Die Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen und demografischen Analyse des dritten Teils fließen in die Berechnung und Interpretation der Indikatoren mit ein. In einem fünften und abschließenden Teil sollten bestehende Diskrepanzen zwischen den dargelegten finanzpolitischen Zielsetzungen und der finanzwirtschaftlichen Entwicklung erörtert werden, Einsparpotenziale aufgedeckt und eine wachstumspolitisch und demografisch angemessene Konsolidierungsstrategie aufgezeigt werden. Hinsichtlich der Periodizität des Berichtszeitraums betrachtet die OECD einen fünfjährigen Turnus als "Best Practice". Auch das RWI hält einen Fünf-Jahres-Rhythmus im Hinblick darauf, dass die Berichterstattung eine Beurteilung der Finanzpolitik durch das Parlament und die Öffentlichkeit in jeder Legislaturperiode ermöglichen soll, für gut geeignet. 40 Der Bericht sollte mit der mittelfristigen Finanzplanung verzahnt werden und eine längerfristige Perspektive abdecken. Die Vorlage könnte jeweils zur Mitte der Legislaturperiode erfolgen. Alternativ käme ein dreijähriger Turnus auf der Basis der jeweils aktuellen Bevölkerungsprognosen, die etwa alle drei Jahre aktualisiert werden, in Betracht, wobei zu Beginn der Amtsperiode eine Bestandsaufnahme und gegen Ende der Legislaturperiode dem Parlament eine Art "Nachhaltigkeitsbilanz" vorgelegt werden könnte. Gegenargument zum kurzen Turnus ist der hohe Aufwand und der ggf. nur begrenzte Informationsgewinn, da zwischen 40 RWI, a.a.O., S. 46 45 D. Auswertung der Materialien Bestandsaufnahme und Leistungsbilanz nur ein geringer zeitlicher Abstand läge. Hinsichtlich des Projektionszeitraums ergibt sich eine Restriktion bereits aus dem Umstand, dass Projektionen wichtiger Parameter der gesamt- und finanzwirtschaftlichen Entwicklungen (z. B. Bevölkerungsprognosen) in der Regel bis zu maximal 50 Jahren reichen. Ferner ist zu beachten, Untersuchungszeitraums die dass Höhe die der Wahl des festgelegten Nachhaltigkeitslücke stark beeinflusst, da die Fortschreibung struktureller Defizite im Basisjahr letztlich zu größeren Nachhaltigkeitslücken führt (insbesondere für Generationenbilanzen mit Zeithorizonten bis zu 250 Jahren). Die OECD empfiehlt in ihren "Best Practices" Projektionen von mindestens 10 bis 40 Jahren. Das RWI schlägt einen Zeitraum von zehn Jahren vor, da für diesen Zeitrahmen auch eine Fortschreibung der wichtigsten Parameter Durchschnittsbildungen finanzpolitische auf vertretbar Ausblick der Grundlage erscheint gegenüber der von und der mittelfristigen Finanzplanung immer noch um sieben Jahre erweitert würde. 41 3.2. Auswahl der Indikatoren Die Besonderheiten der föderalen Struktur führen zu folgenden Vorüberlegungen: Es stellt sich zunächst die Frage, ob die von der Finanzwissenschaft für den Gesamtstaat entwickelten Messkonzepte der Nachhaltigkeit sich für die Länderebene eignen. Das RWI ist der Auffassung, dass - mit Ausnahme der Generationenbilanzierung - alle Messkonzepte auch für die Landesebene angewendet werden können, wenn hinsichtlich 41 RWI, a.a.O., S. 46 46 D. Auswertung der Materialien Auswahl, Konstruktion und Interpretation der Indikatoren auf die föderalen Besonderheiten geachtet wird. Die grundsätzlichen Probleme beim Messkonzept der Generationenbilanzierung scheinen sich nach Meinung des RWI auf Länderebene hingegen noch zu verstärken, weil die Erstellung altersspezifischer Ausgaben- bzw. Nutzungsprofile hier erheblich erschwert wird, nämlich einerseits Realtransfers und wegen der andererseits großen wegen Bedeutung der der Nutzeninter- dependenzen in vielen Bereichen (Bildung, Gesundheitsstruktur). Diese Profile werden aber benötigt, da die Ausgabenstruktur auf Landesebene wegen ihrer besonderen Verantwortung z. B. für den Bildungsbereich sensibel auf demografische Einflüsse reagiert. 42 Auch die Tatsache, dass die intergenerative Gerechtigkeit wegen der geringen Verantwortung der Länder für die Sozialversicherung nur eine untergeordnete Rolle spielt, spricht aus Sicht des RWI für einen Verzicht auf das Messkonzept der Generationenbilanzierung. Zu den föderalen Besonderheiten, die berücksichtigt werden müssen, gehört weiter der Umstand, dass die Länder über keine eigene Gesetzgebungshoheit bezüglich der Erhebung von Steuern verfügen. Es macht nach Auffassung des RWI somit wenig Sinn, eine zur Schließung der Nachhaltigkeitslücke erforderliche Abgabenerhöhung (tax gap) zu berechnen. Wenngleich die Länder auch nur über eine eingeschränkte Ausgabenautonomie verfügen, ist aus ökonomischer, d. h. vor allem aus allokations- und ordnungspolitischer Sicht, auf die Ausgabensenkung (expenditure gap) abzustellen. 43 42 RWI, a.a.O., S. 51, 52 43 RWI, a.a.O., S. 49 47 D. Auswertung der Materialien Des Weiteren erfordert der bundesstaatliche Finanzausgleich eigentlich die Einführung eines weiteren Indikators als Maß für die Ausgewogenheit des aktiven und passiven Finanzausgleichs. Hierfür existieren mehrere Konzepte mit verschiedenen Vor- und Nachteilen, z. B. der vor allem in Kanada und Australien diskutierte Indikator der "Vertical Fiscal Imbalance" (VFI). Gefragt wird hier, inwieweit eine Ebene in der Lage ist, ihre zugewiesenen Aufgaben aus eigenen Quellen zu finanzieren. Dabei wird von einer eigenverantwortlichen Erhebung von Steuern ausgegangen, die in Deutschland in den Ländern nicht gegeben ist. Andere Ansätze verknüpfen das Konzept der "fiscal sustainability" mit dem VFI. Deutschland wendet für die Umsatzsteuerverteilung das Deckungsquotenprinzip an. 44 Für die Studie des RWI wurde auf eine Berechnung der strukturellen Ungleichgewichte zwischen aktivem und passivem Finanzausgleich indes verzichtet. Ferner stellt sich die Frage nach den Zielgrößen für die einzelnen Indikatoren. Während die Indikatoren, die an einer intertemporalen Budgetrestriktion anknüpfen, zwischen einer tragfähigen und nicht tragfähigen Finanzpolitik unterscheiden können, gilt dies nicht für die übrigen Indikatoren (insbesondere den WNA-Ansatz). Hier könnte eine mehrdimensionale Analyse oder ein BenchmarkingAnsatz, der auf einen Ländervergleich abstellt, helfen. Bezüglich der Verwendung des BIP als Bezugsgröße für die Indikatoren der intertemporalen Budgetrestriktion ist schließlich zu beachten, dass in einem föderalen Staat der Bund und das Land einschließlich seiner Gemeinden und Gemeindeverbände auf 44 RWI, a.a.O., S. 49; weiterführend zum VFI Matier/Wu/Jackson, Analysing Vertical Fiscal Imbalance in a Framework of Fiscal Sustainability, Department of Finance Working Paper 2001-23 48 D. Auswertung der Materialien dasselbe BIP zugreifen. Ländervergleiche stützen sich dagegen in der Regel auf Pro Kopf-Größen. Ihre Verwendung hätte den Vorteil, dass auch demografische Aspekte (Entwicklung der Einwohnerzahl) mittelbar in den Indikator einfließen. Das BIP könnte bei der intertemporalen Budgetrestriktion grundsätzlich auch durch Zielvorgabe die Einwohnerzahl müsste dann aber substituiert nicht werden. die Neue Konstanz der Schuldenstandsquote sein, sondern die Pro Kopf-Verschuldung müsste mit der gleichen Rate wachsen wie das nominale BIP je Einwohner. 45 Konkret schlägt das RWI folgende Indikatoren zur Analyse der Nachhaltigkeit vor: a) Nettovermögen Die Erstellung einer korrekten Bilanz zur Ermittlung des Nettovermögens ist aufwändig und es ergeben sich verschiedene Bewertungsprobleme (siehe oben unter Ziffer D.I.1.). Die Übertragung der größten Teile des Immobilienvermögens an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW sowie die Existenz weiterer Landesbetriebe vereinfacht indes die Berechnung, weil diese ihr Vermögen bereits nach kaufmännischen Gesichtspunkten bewertet haben. Der Wert des Landesstraßennetzes, das nicht zum Verkauf steht, könnte auf Grundlage der getätigten Investitionen und einer geschätzten Lebensdauer von 50 Jahren ermittelt werden. Der Barwert der zukünftigen Steuereinnahmen und spiegelbildlich die daraus resultierenden Verpflichtungen und das Angebot öffentlicher Güter des Landes - sollte ebenfalls aktiviert 45 werden, da das Steuerrecht und auch die RWI, a.a.O., S. 51 49 D. Auswertung der Materialien Steuerertragskraft ein wesentliches Kriterium für die Kreditwürdigkeit von Gebietskörperschaften ist und die Bilanz keinen überschuldeten Staat suggerieren soll. Auf der Passivseite schlägt das RWI bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen einen jährlichen kalkulatorischen Zuschlag zu den Gehaltskosten vor. Als Alternative zur klassischen Bilanz kommt das Ertragswertverfahren in Betracht, bei dem von gleich bleibenden Ertragsströmen in der Zukunft ausgegangen wird, deren Barwert ermittelt wird. Dieses Verfahren ist relativ einfach zu berechnen und erleichtert die Vergleiche mit anderen Ländern. 46 b) Primärsaldo Der Primärsaldo ist einfach zu konstruieren, das benötigte Datenmaterial der Haushalts- und Finanzstatistik sowie den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu entnehmen. Für die Wahl des Zinssatzes und der Wachstumsrate empfiehlt das RWI die Verwendung von Zehnjahresdurchschnitten. Ferner müsste der Primärsaldo um Konjunktureffekte bereinigt werden, was das RWI beim durchgeführten Praxistest der Einfachheit halber aber unterlassen hat. Die Entwicklung der Schuldenstandsquote spiegelt die Nachhaltigkeitslücke wider, die sich aus der Differenz von notwendigem Primärsaldo zur Stabilisierung der Schuldenstandsquote und dem tatsächlichen Primärsaldo ergibt. Obwohl der Primärsaldo auf das jeweilige Haushaltsjahr abstellt, lassen sich Phasen der Konsolidierung erkennen. 46 RWI, a.a.O., S. 61 50 und der Schuldenfinanzierung D. Auswertung der Materialien Als Beispiel dient folgende vom RWI durchgeführte Berechnung: Schaubild 5: Primärsaldo, notwendiger Primärsaldo und Schuldenstandsquote in NRW Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für den Landeshaushalt NRW; Endbericht, S. 62 c) Fiscal gap Die Berechnung der "fiscal gap" bzw. hier der "expenditure gap" erfordert neben der Wahl des Basisjahres, dass Annahmen hinsichtlich Zins und Wachstum getroffen werden. Das RWI hat in seinem Praxistest Zehnjahresdurchschnitte für Zinssatz und Wachstum in Nordrhein-Westfalen zu Grunde gelegt. Für Ausgaben und Einnahmen wurden die jeweiligen Jahreswerte gewählt. Die bereinigten Gesamtausgaben abzüglich Zinsausgaben und die bereinigten Gesamteinnahmen werden mit Hilfe der konstanten Wachstumsrate fortgeschrieben. Ziel ist die Konstanz der Schuldenstandsquote des Basisjahres. Der zeitliche Horizont erstreckt sich bis zum Jahre 2015. 51 D. Auswertung der Materialien d) Wachstums- und nachhaltigkeitswirksame Ausgaben (WNA) Der WNA-Ansatz unterstellt, dass zwischen bestimmten öffentlichen Ausgaben einerseits und der Nachhaltigkeit der Finanzpolitik andererseits ein positiver Wirkungszusammenhang besteht. Vor allem Ausgaben im Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereich sowie der Verkehrsinfrastruktur lassen sich als nachhaltig ansehen. Die Abgrenzung der WNA erfolgt im Einzelnen auf der Basis des Funktionenplans öffentlicher Haushalte. 47 Bei der Interpretation des Indikators stellt sich die Frage nach dem anzustrebenden Niveau. Dabei ist zu bedenken, dass ein bedeutender Teil der sog. wachstums- und nachhaltigkeitswirksamen Ausgaben grundsätzlich auf Länderebene getätigt werden, da diese u. a. für die vorschulische Erziehung, die Familien- und Jugendhilfe sowie das Schul- und Hochschulwesen zuständig sind. Hinzu kommt das Netz der Landesstraßen. Der Anteil der WNA an den Landesausgaben fällt damit a priori recht hoch aus. Das RWI schlägt daher vor, dass die Beurteilung der aktuellen Haushaltsstruktur übergreifenden Vergleichs auf mit der Grundlage anderen eines westdeutschen Flächenländern erfolgen sollte, wobei auch ein solcher durch Definitions- sowie inhaltliche und zeitliche Abgrenzungsprobleme erschwert wird. 48 47 Siehe Auflistung bei RWI, a.a.O., Übersicht A1: Wachstums- und nachhaltigkeitswirksame Ausgaben in funktionaler Gliederung, S. 74 ff.; Schaubild 12 und Tabelle: Funktionale Struktur der wachstums- und nachhaltigkeitswirksamen Ausgaben 2000-2005; S. 65 48 RWI, a.a.O., S. 64 52 E. Zusammenfassung 3.3 Realisierbarkeit und Praxistauglichkeit des vorgeschlagenen Berichtswesens Der auf Basis der Daten des Landeshaushalts, aber auch anderer amtlicher Datenquellen durchgeführte Praxistest hat nach den Feststellungen des RWI gezeigt, dass das von diesem entwickelte Berichtskonzept mit Blick auf die Verfügbarkeit von Daten und den erforderlichen Aufwand, aber auch im Hinblick auf die Interpretierbarkeit der Indikatoren unter dem Aspekt ihrer Validität und Verlässlichkeit realisierbar ist. Dabei müssen mehrere Haushaltsjahre in die Analyse einbezogen werden, um auch die Reaktion der Indikatoren auf gesamt- und finanzwirtschaftliche Entwicklungen testen zu können. 49 E. Zusammenfassung Zusammenfassend können die im Gutachtenauftrag gestellten Fragen wie folgt beantwortet werden: 1. Gibt es bereits Nachhaltigkeitsberichte auf nationaler bzw. internationaler Ebene? Auf internationaler Ebene bestehen in einigen Ländern (USA, Großbritannien und Neuseeland) Erfahrungen mit Nachhaltigkeitsberichten, die auf unterschiedlichen Konzepten beruhen und auf die Erfordernisse des Gesamt- oder Zentralstaats abgestellt sind. Die langfristigen Finanzberichte in 49 RWI, a.a.O., S. 68 53 E. Zusammenfassung diesen Ländern sind Teil eines New Public Management, das eine (ganze oder teilweise) Übertragung des kaufmännischen Rechnungswesens auf den öffentlichen Sektor vorsieht. Auch die OECD hat in einer Best-Practice-Studie inhaltliche und formale Elemente benannt, die eine strategische Finanzplanung umfassen sollen. Hierzu gehören die Darlegung der Nachhaltigkeit der gegenwärtigen Finanzpolitik und der Einflüsse des demografischen Wandels, die Offenlegung der den Projektionen zugrunde liegenden Annahmen sowie ein Berichtsturnus von mindestens fünf Jahren. Auf nationaler Ebene ist der Bericht des BMF zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen von Juni 2005 zu nennen, der erstmalig über die Folgen des demografischen Wandels für die Finanzpolitik informieren und Ansatzpunkte für ein rechtzeitiges Gegensteuern aufzeigen will. Grundlage des Berichts sind Modellrechnungen und Tragfähigkeitsanalysen des vom BMF beauftragten ifoInstituts, welches Langfristszenarien für die Entwicklung der staatlichen Defizitquote und der Schuldenstandsquote bis zum Jahr 2050 entwickelt und Tragfähigkeitsindikatoren berechnet hat, die den finanzpolitischen Anpassungsbedarf zur Herstellung einer langfristig tragfähigen Haushaltssituation abbilden. Auf Länderebene gibt es - soweit ersichtlich - bisher keine Nachhaltigkeitsberichte. Das RWI Essen hat einen Vorschlag für ein Berichtssystem auf Landesebene entwickelt, mit dem die Nachhaltigkeit des nordrhein-westfälischen Haushalts beurteilt und der Konsolidierungsbedarf festgestellt werden soll. Das Berichtskonzept wurde einem Praxistest unterzogen und mit Blick auf die Verfügbarkeit von Daten und den erforderlichen Aufwand, aber auch im Hinblick auf die Interpretierbarkeit der Indikatoren 54 E. Zusammenfassung unter dem Aspekt ihrer Validität und Verlässlichkeit für realisierbar gehalten. 2. Gibt es Kriterien für Nachhaltigkeitsberichte? In der Finanzwissenschaft werden unterschiedliche Konzepte zur Messung der Nachhaltigkeit der Haushalts- und Finanzpolitik diskutiert, die auf unterschiedlichen Ansätzen beruhen und ihren Schwerpunkt auf unterschiedliche Zielsetzungen legen: Sicherung des finanzpolitischen Handlungsspielraums, intergenerative Gerechtigkeit und Sicherung des Wirtschaftswachstums. Diese verschiedenen Indikatoren Ansätze der führen auch Nachhaltigkeit. zu Zu unterschiedlichen den wichtigsten Nachhaltigkeitskonzepten zählen das Ressourcenverbrauchskonzept, Konzepte auf der Grundlage intertemporaler Budgetrestriktionen (OECD-Konzept der fiscal sustainability und Generationenbilanzierung) sowie das Konzept der wachstumsund nachhaltigkeitswirksamen öffentlichen Ausgaben (WNA). Das (vergangenheitsorientierte) Ressourcenverbrauchskonzept hat die Sicherung des finanzpolitischen Handlungsspielraums im Auge. Bei diesem Konzept werden Ansätze des kaufmännischen Rechnungswesens in die öffentliche Haushaltsführung übertragen und eine Vermögensbilanz erstellt. Indikator der Nachhaltigkeit ist hier die Relation von Nettoschulden zum Nettovermögen. Das (zukunftsorientierte) OECD-Konzept der fiscal sustainability, welches ebenfalls auf die Sicherung des finanzpolitischen Handlungsspielraums abzielt, betrachtet die Entwicklung der staatlichen Einnahmen und Ausgaben über einen bestimmten Zeitraum und zeigt die Bedingungen auf, die die Finanzpolitik einhalten muss, damit die Schuldenstandsquote am Ende des Betrachtungszeitraums trotz bevorstehender fiskalischer 55 E. Zusammenfassung Mehrbelastungen ihre heutige Höhe nicht übersteigt oder sinkt. Die Indikatoren zur Messung der Nachhaltigkeit sind der Primärsaldo und die Nachhaltigkeitslücke (fiscal gap), welche auch als Abgabenerhöhung (tax gap) oder Ausgabensenkung (expenditure gap) dargestellt werden kann. Das Konzept der Generationenbilanzierung stellt dagegen die intergenerative Gerechtigkeit in den Vordergrund. Es wird ebenfalls die zukünftige Entwicklung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben betrachtet, wobei der Analysezeitraum deutlich weiter als im OECD-Konzept reicht. Zentraler Indikator ist hier der Vergleich der Lebenszeit-Nettosteuersätze der einzelnen Generationen. Das WNA-Konzept zielt schließlich auf die Sicherung des Wirtschaftswachstums und konzentriert sich nicht auf den quantitativen, sondern qualitativen Aspekt der Konsolidierung. Die Ausgaben des Staates werden danach klassifiziert, inwieweit sie wachstums- und nachhaltigkeitswirksam sind, unabhängig davon, ob es sich haushaltsrechtlich um Investitionen oder konsumtive Staatsausgaben handelt. In der wissenschaftlichen Diskussion besteht Einigkeit, dass die Nachhaltigkeit nicht alleine durch einen Indikator abgebildet werden kann und eine umfassende Nachhaltigkeitsanalyse deshalb die Stärken und Schwächen verschiedener Konzepte nutzen und mehrere Indikatoren angeben soll. 3. Welche Kriterien können derartigen Nachhaltigkeitsberichten zugrunde gelegt werden? Das RWI Essen, welches ein Konzept für ein Berichtssystem auf Landesebene entwickelt hat, schlägt folgende Indikatoren zur Messung der Nachhaltigkeit vor: Nettovermögen (Vermögensbilanz), 56 Primärsaldo, Nachhaltigkeitslücke (fiscal gap) und E. Zusammenfassung wachstums- und nachhaltigkeitswirksame Ausgaben. Eine Ermittlung der Lebenszeit-Nettosteuersätze gemäß dem Modell der Generationenbilanzierung erscheinen dem RWI ebenso wie eine Berechnung der zur Schließung der Nachhaltigkeitslücke erforderlichen Abgabenerhöhung (tax gap) für ein Nachhaltigkeitsberichtswesen auf Länderebene ungeeignet, weil die Länder grundsätzlich über keine eigene Steuergesetzgebungshoheit verfügen und nur geringe Verantwortung für die Sozialversicherungssysteme haben. Auch das ifo-Institut, welches die Modellrechnungen für den Bericht des BMF zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durchgeführt hat, hat sich bei seinen Berechnungen der Methodik des OECD-Ansatzes unter Einbeziehung von Elementen der Generationenbilanzierung bedient und den Indikator der Tragfähigkeitslücke errechnet. Diese Kennziffer lehnt sich an das OECD-Konzept der Projektion von Finanzierungssalden mit begrenztem Zeithorizont an. Der Indikator der Tragfähigkeitslücke wird auch von der EU-Kommission bei der jährlichen Prüfung der Stabilitätsprogramme sowie in den Jahresgutachten des Sachverständigenrats verwandt. Als formale Kriterien werden vom RWI neben einem bestimmten Berichtsaufbau ein Berichtsturnus von fünf Jahren jeweils zur Mitte der Legislaturperiode sowie ein Berichtszeitraum von zehn Jahren vorgeschlagen. Der Bericht des BMF zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen umfasst einen Berichtszeitraum von 42 Jahren (2008 bis 2050). 57 F. Literaturverzeichnis F. Literaturverzeichnis Benz, Ulrich; Fetzer, Stefan: Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? - OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich, Discussion Papers 117/04, Institut für Finanzwissenschaft der Universität Freiburg, April 2004, abrufbar unter: http://www.vwl.unifreiburg.de/fakultaet/fiwiI/fzg/publikationen.php?bereich=generatio nenbilanzierung Benz, Ulrich; Hagist, Christian: Konjunktur und Generationenbilanz - eine Analyse anhand des HP-Filters, Discussion Papers 15/2007, Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg, Februar 2007, abrufbar unter: http://www.vwl.unifreiburg.de/fakultaet/fiwiI/fzg/publikationen.php?bereich=generatio nenbilanzierung Bundesministerium der Finanzen: Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Juni 2005, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_de/DE/Finanz__und __Wirtschaftspolitik/001.html 58 F. Literaturverzeichnis Diefenbacher, Hans (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel): Beantwortung des Fragenkatalogs in der Öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung des Bundestages zum Thema "Nachhaltigkeitsprüfung" am 28.02.2007 in Berlin Ehrentraut, Oliver; Raffelhüschen, Bernd (Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg): Generationenkonten in den roten Zahlen, Essay in der Welt am Sonntag vom 27.02.2007 Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages: Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer zukunftsverträglichen Entwicklung, Schlussbericht 1998, BTDrucksache 13/11200 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NordrheinWestfalen: Handlungsfähigkeit gewinnen durch nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik, Dokumentation des Expertengesprächs des Haushalts- und Finanzausschusses am 06.02.2003, abrufbar unter: http://www.gruene-landtag.nrw.de/web-alt/publik/info03/pdf/0304Nachhaltige-Finanzen.pdf Grunwald, Armin, Kopfmüller, Jürgen (Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse- ITAS): Beantwortung des Fragenkatalogs in der Öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung des Bundestages zum Thema "Nachhaltigkeitsprüfung" am 28.02.2007 in Berlin 59 F. Literaturverzeichnis Hagist, Christian; Raffelhüschen, Bernd; Weddige, Olaf: Brandmelder der Zukunft - Die Generationenbilanz 2004, Discussion Papers 12/2006, Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg, September 2006, abrufbar unter: http://www.vwl.unifreiburg.de/fakultaet/fiwiI/fzg/publikationen.php?bereich=generatio nenbilanzierung Landesrechnungshof Schleswig-Holstein: Investitionsbegriff und verfassungsmäßige Grenze für die Kreditaufnahme, Vorlage für den Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 13.01.2004, http://www.shUmdruck 16/182, abrufbar unter: landtag.de/infothek/wahl15/umdrucke/liste.html#4100 Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Essen: Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für den Landeshaushalt NRW - Forschungsvorhaben im Auftrag des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, Endbericht, Oktober 2004, abrufbar über das Dokumentenarchiv des Landtags NRW unter: http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV133177.pdf Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR): Staatsverschuldung wirksam begrenzen, Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Wiesbaden, März 2007, abrufbar unter: http://www.sachverstaendigenratwirtschaft.de/ 60 F. Literaturverzeichnis Thöne, Michael: Wachstums und nachhaltigkeitswirksame öffentliche Ausgaben („WNA"), Kurzfassung eines Forschungsauftrags im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen, Monatsbericht 03/2004, S. 73 ff., abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de Tremmel, Jörg: Nachhaltigkeit als politische und analytische Kategorie - Der deutsche Diskurs um nachhaltige Entwicklung im Spiegel der Interessen der Akteure -, oekom Verlag, München 2003 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik - Konzepte für eine langfristige Orientierung öffentlicher Haushalte, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 71, Berlin 2001, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/cln_05/nn_25412/DE/Fina nz__und__Wirtschaftspolitik/Wissenschaftlicher__Beirat/Gutachte n__und__Stellungnahmen/Ausgewaehlte__Texte/9126.html 61 G. Abbildungsverzeichnis G. Abbildungsverzeichnis Schaubild 1: Finanzwirtschaftliche Größen unterschiedlicher Konzeptionen öffentlicher Rechnungslegung.............................. 15 Schaubild 2: Full Accrual Accounting .......................................... 19 Schaubild 3: Nachhaltigkeit und intertemporale Budgetrestriktion .................................................................................................... 30 Schaubild 4: Das Berichtssystem Neuseelands.......................... 39 Schaubild 5: Primärsaldo, notwendiges Primärsaldo und Schuldenstandsquote in NRW .................................................... 51 62 Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" Zusammenfassung des Diskussionspapiers von Ulrich Benz und Stefan Fetzer: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich", Institut für Finanzwissenschaft der Universität Freiburg, Juli 2004 Anfang der 1990er Jahre wurden verschiedene Ansätze zur Messung der fiskalischen Nachhaltigkeit entwickelt. Die beiden bekanntesten sind die Generationenbilanzierung und die OECDMethode. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anwendungen beider Methoden für die meisten westlichen Industrienationen. In bisherigen Erörterungen wurden vor allem die theoretischen und methodischen Unterschiede beider Konzepte betont und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen herausgestellt. Im Gegensatz hierzu möchte das Diskussionspapier die grundsätzliche Äquivalenz der beiden Ansätze herausstellen. Hierzu werden die Konzepte am Beispiel der deutschen Fiskalpolitik einem empirischen Vergleich unterzogen. Die dazu gewählte Vorgehensweise erlaubt es, die zum jeweiligen Konzept gehörenden Nachhaltigkeitsindikatoren auch auf das jeweils andere Konzept anzuwenden. Für alle Methoden sind gleichermaßen verschiedene Indikatoren möglich, die teilweise einen endlichen, teilweise einen unendlichen Zeithorizont zugrunde legen. Da, wie im Folgenden noch nachgewiesen werden wird, es keinem Indikator gelingt, bei den Kriterien Sensitivität, Verständlichkeit oder hinsichtlich des theoretischen Ansatzes vollkommen zu überzeugen, erscheint es vorteilhaft, jeweils verschiedene dieser Indikatoren in einem Nachhaltigkeitsbericht der Finanzpolitik anzugeben. 1 Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" 1. Indikatoren mit unendlichem Zeithorizont a) Nachhaltigkeitslücke: Die Nachhaltigkeitslücke dient nicht der Bemessung der Nachhaltigkeit selbst, sondern stellt lediglich einen Ausgangswert zur Ableitung weiterer Indikatoren dar. Die Nachhaltigkeitslücke bestimmt die Verschuldensquote, bezogen auf die gesamten (nicht nur die bereits bestehenden) Staatsschulden für einen unendlichen Zeitraum. Der Wert wird nicht absolut gemessen, sondern im Verhältnis zur Bruttoinlandsprodukt angegeben: Nachhaltigkeitslücke = Barwert des gesamten Schuldens tan des der öffentlichen Hand zum Ende des Betrachtungszeitraumes Basisjahr Ergebnisse nach OECD-Methodik und Generationenbilanzierung: Insbesondere nach der OECD-Methodik ergeben sich deutlich überhöhte Nachhaltigkeitslückenwerte, da lediglich die Steuerabgaben der berufstätigen Bevölkerung in die Rechnung einbezogen werden, jedoch unberücksichtigt bleibt, dass aufgrund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft dieser Anteil der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschaftsanteil der Nichtsberufstätigen zunehmend sinkt. Dies hat eine Senkung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Folge. Die Generationenbilanzierung legt hingegen eine Pro-KopfFortschreibung (mit nur bedingter Berücksichtigung der Erwerbstätigkeit) zugrunde, so dass die Nach-haltigkeitslücke tendenziell geringer ausfällt. Nachteile: Die Nachhaltigkeitslücke reagiert äußerst sensitiv auf die Zinswachstumsdifferenz (ZWD), da künftige negative Salden aus Staatseinnahmen und Staatsausgaben zunehmend an Gewicht verlieren 2 Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" Vorteile: Innerhalb der unendlichen Indikatoren stellt die Nachhaltigkeitslücke einen sehr verständlichen und illustrativen Wert dar, da er die "wahre Staatsschuld" beziffert und so im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert ist. b) Jährlicher Konsolidierungsbedarf: Ein weiterer Indikator stellt der jährliche Konsolidierungsbedarf, gemessen an der Wirtschaftskraft (Messwert: BIP) dar. Die Berechnung nach dem jährlichen Konsolidierungsbedarf setzt den absoluten Gesamtschuldenstand der öffentlichen Hand am Ende des Berechnungszeitraumes in Relation zum Barwert aller zukünftigen Bruttoinlandsprodukte. Dieser Indikator „jährlicher Konsolidierungsbedarf“ stellt einen relativen Wert (x % des Bruttoinlandsprodukts) dar und wird in der Wissenschaft mit α bezeichnet: α= dauerhafter Gesantschuldens tan d der öffentlichen Hand Summe aller zukünftigen Bruttoinlandsprodukte Ergebnisse nach OECD-Methodik und Generationenbilanzierung: Wie auch beim Indikator der „Nachhaltigkeitslücke“ ergibt sich nach der OECD-Methode, die die demografische Entwicklung unberücksichtigt lässt, dass der jährliche Konsolidierungsbedarf gegenüber dem nach der Generationenbilanzierung berechneten Wert verhältnismäßig hoch ausfällt. Nachteile: Erforderlich zur Berechnung des jährlichen Konsolidierungsbedarfes ist eine Prognose über das künftige BIP, die auf Unsicherheiten aufbaut und so eine potentielle Fehlerquelle darstellt. 3 Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" Vorteile: Da der jährliche Konsolidierungsbedarf im Verhältnis zum BIP beziffert wird, gibt dieser Indikator nicht nur einen langfristigen Wert an, sondern beziffert leicht verständlich den jährlichen Konsolidierungsbedarf und gibt der Regierung einen konkreten Jahreswert an die Hand, um so möglichst zeitnah das jährliche Schuldensdefizit auszugleichen. c) Veränderung der Abgabenquote: Ein weiterer in der Wissenschaft diskutierter Indikator ist die „Veränderung der Abgabenquote“. Dieser setzt an der Nachhaltigkeitslücke an, geht jedoch in seiner Bewertung über diesen Wert hinaus. Ausgangspunkt der Berechnung ist die Annahme, dass die Gesamtschuldenlast von allen gegenwärtigen und künftigen Generationen gleichermaßen durch Steuerzahlungen zu tragen ist. Um eine konstante Steuerlast für alle Generationen zu ermitteln (Ergebnis ist eine entsprechende Angleichung/Erhöhung des bestehenden Steuersatzes an die „nachhaltige Abgabenquote“), wird folgende Rechnung aufgestellt: Notwendige Erhöhung der Abgabenquo te = dauerhafte r Gesamtschu ldens tan d der öffentlich en Hand Bartwert aller heutigen und künftigen Abgaben Umgekehrt wird ein entsprechender Indikator zur "notwendigen Senkung des Transferquotienten" zur Erfüllung der intertemporalen staatlichen Budgetrestriktionen diskutiert. Vorteile: Gegenüber der Nachhaltigkeitslücke reagieren die beiden o.g. Indikatoren weniger sensitiv auf Veränderungen der ZinsWachstums-Differenz. 4 Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" Ergebnisse nach OECD-Methodik und Generationenbilanzierung: Zwar führt die genannte unterschiedliche Einnahmenfortschreibung nach beiden Methoden auch hier im Ergebnis zu unterschiedlichen Werten, die jedoch qualitativ zur gleichen Aussage führen. d) Verzögerte Anpassung einer Abgabenerhöhung: Während die bisher erläuterten Indikatoren die derzeitige Finanzsituation darstellen und ihren Berechnungen die Annahme einer sofortigen Änderung der Haushaltspolitik hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftlichkeit zugrunde legen, wird teilweise kritisiert, dass in den Berechnungen einfließen müsse, dass es realistischerweise einige Zeit dauere, eh die Finanzpolitik dergestalt novelliert wird. Diese Übergangsphase, in der sich die derzeitige Finanzlage noch verschlechtern werde, dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Der Indikator „Veränderung der Abgabenquote“ müsse daher um den Zeitfaktor „x“ erweitert werden. e) Soft Transition: Darüber hinaus wird eine weitere Anpassung des Indikators dergestalt gefordert, dass nicht unterstellt werden dürfe, eine Anpassung aller staatlichen Finanztransfers könne sofort in vollem Umfang erfolgen; vielmehr können diese jährlich lediglich um wenige Prozentpunkte angehoben werden, bis ein „nachhaltiger Finanztransfer“ erreicht sei. Als Indikatoren werden hier einerseits das erreichte staatliche Transferniveau im Verhältnis zum ursprünglichen Transferniveau (in %), andererseits die Anpassungsdauer (in Jahren/ Monaten) genannt. 5 Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" 2. Indikatoren mit endlichem Zeithorizont a) Nachhaltige Abgabenquote und "tax gap" nach Blanchard: Während die nachhaltige Abgabenquote nach der Generationenbilanzierung die Pro-Kopf-Steuerzahlung um einen konstanten Faktor erhöht, wird die "nachhaltige Abgabenquote nach Blanchard" als konstante Quote betrachtet. Der Indikator entspricht insoweit der Berechnung der Abgabenquote nach der OECD-Methode, die ebenfalls konstante Werte zugrunde legt. Auch Blanchard ermittelt (etwa für einen Zeitraum von 40 Jahren) die notwendige Steueranpassung hin zur nachhaltigen Abgabenquote ("tax gap"). Nachteile: Der ermittelte Wert ist erheblich von dem veranschlagten Zeitraum abhängig. Da die Methode nach Blanchard auf eine Berechnung auf Grundlage eines ähnlichen Zeitraums angelegt ist, ist dieser Indikator nicht geeignet, einen genauen Wert anzugeben. Auch aufgrund seiner Redundanz wird dieser Indikator kritisiert und dafür plädiert, ihn zu verwerfen. Vorteile: Durch die Darstellung eines zeitlichen Verlaufs ist dieser Indikator (wie auch die übrigen endlichen Indikatoren) für die Öffentlichkeit leicht verständlich. b) Entwicklung der Schuldensquote und der staatlichen Salden: Während die bisherigen Indikatoren die Finanzsituation am Ende des gewählten Bemessungszeitraumes darstellen, beschreibt der Indikator „Entwicklung der Schuldensquote und der staatlichen Salden“ keinen absoluten Wert, sondern die zeitliche Entwicklung 6 Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" der Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt des jeweiligen Jahres. Nachteile: Die Schuldensquote birgt theoretische Mängel und ist sehr anfällig für Schwankungen der Zinswachstumsdifferenz. Vorteile: Dieser Wert entspricht dem Maastricht-Kriterium des Maastrichter Vertrags zur Europäischen Währungsunion. Außerdem bietet er politisch wichtige zeitnahe Angaben. Durch die Darstellung eines zeitlichen Verlaufs ist dieser Indikator (wie auch die übrigen endlichen Indikatoren) für die Öffentlichkeit besonders leicht verständlich. c) Anteile des Primärdefizits am Staatshaushalt: Ebenso geeignet, den Entwicklungsverlauf darzustellen, ist der Indikator des „Anteils des Primardefizits am Staatshaushalt“, der angibt, um wie viel Prozent die Einnahmen des jeweiligen Jahres erhöht werden müssen, um in diesem Jahr außer den Zinsverpflichtungen auf die bestehende Staatsschuld keine neue Verschuldung zu akkumulieren. Er ist wie folgt zu berechnen: Anteil des Pr imärdefizi ts am Staatshaus halt = Pr imärdefizi t des Staates Gesamtstaa tseinnahme n im konkreten Jahr Diese jährlichen Primärdefizite geben nicht die Nachhaltigkeitslücke insgesamt an, sondern nur deren implizite Komponente, also die Summe der Zahlungsverpflichtungen über die Zinszahlungen auf die bestehende Staatsschuld hinaus (unberücksichtigt der bereits bestehenden, „expliziten“ Staatsschuld). 7 Anlage: "Was sind gute Nachhaltigkeitsindikatoren? OECD-Methode und Generationenbilanzierung im empirischen Vergleich" Vorteile: Da Salden und Einnahmen gleich berücksichtigt werden, ist dieser Indikator unabhängig vom Diskontsatz. Die Werte sind also sehr robust gegenüber Schwankungen der Zinswachstumsdifferenz. Zudem bietet auch er zeitnahe Werte zur Konsolidierung des Haushalts. Durch die Darstellung eines zeitlichen Verlaufs ist dieser Indikator (wie auch die übrigen endlichen Indikatoren) für die Öffentlichkeit leicht verständlich. Fazit: Insgesamt ist festzustellen, dass in der Wissenschaft verschiedene Ansätze diskutiert werden, die ihrerseits mehr oder weniger geeignet sind, die Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik zu bestimmen. Es wurden verschiedene Indikatoren entwickelt, um die finanzielle Nachhaltigkeit möglichst genau und langfristig bestimmen zu können. Als qualitative Beurteilungskriterien werden hierfür insbesondere die Sensitivität hinsichtlich der Zinswachstumsdifferenz, die Verständlichkeit und die theoretische Stringenz genannt, hinsichtlich derer die vorgestellten Indikatoren in unterschiedlicher Weise überzeugen. 8