UNVERTRÄGLICHKEITEN Einfach unerträglich Wer oft unter Schmerzen, Durchfall oder Ausschlägen leidet, isst möglicherweise das Falsche. Längst nicht immer steckt aber eine Lebensmittelallergie dahinter. Solche Intoleranzen sind schwierig zu diagnostizieren: Denn der Zusammenhang mit den unverträglichen Nahrungsmitteln ist nicht so offensichtlich wie bei einer Allergie. Der Körper antwortet meist schleichend und mit ganz unterschiedlichen Signalen: zum Beispiel mit Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen, Pilzerkrankungen, ständiger Müdigkeit oder chronischen Hautausschlägen. Wie bei Allergien aber gilt: Bleiben Unverträglichkeiten unentdeckt, können ernsthafte Erkrankungen entstehen. V iele Menschen haben ständig Beschwerden – und wissen nicht weshalb. Eine Lebensmittelunverträglichkeit kann die Erklärung liefern: Milchzucker, Fruchtzucker, Getreideeiweiss und Zusatzstoffe in verarbeiteten Nahrungsmitteln sind die bekanntesten Übeltäter. Oft werden körperliche Reaktionen gegen Milch, Getreide oder Zusatzstoffe mit einer Allergie verwechselt. Wirklich allergisch auf einzelne Nahrungsmittel wie Erdnüsse und Erdbeeren reagieren in der Schweiz aber nur rund zwei Prozent der Bevölkerung. Bei einer echten Allergie antwortet das Immunsystem schnell und heftig – im schlimmsten Fall droht ein tödlicher Schock. Weniger dramatisch, aber viel häufiger als Lebensmittelallergien sind so genannte Unverträglichkeiten oder Intoleranzen. Dabei spielt das Immunsystem keine Rolle. Der Körper reagiert langsam – manchmal erst 72 Stunden später – auf das Essen. Die Auswirkungen können aber genauso quälend sein wie bei einer Allergie. 68 GETTYIMAGES Die Folgen von Intoleranzen sind oft allergieähnlich Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit: Nicht erkannte Unverträglichkeiten können den Betroffenen das Leben zur Hölle machen SPEZIAL ESSEN & TRINKEN ZEFA-BLUEPLANET Intoleranzen betreffen vor allem den Darm. Häufig fehlt den Betroffenen ein körpereigenes Verdauungsenzym, weshalb der Darm zum Beispiel Milchzucker, Getreideeiweiss oder Fruchtzucker nicht verarbeiten kann. Was das Erkennen einer Unverträglichkeit erschwert: «Manchmal reagiert der Körper beim Arztuntersuch auf kleine Probemengen, manchmal reagiert er nicht», sagt Werner Pichler, Leiter der Allergieabteilung im Berner Inselspital. Zwei Diagnosemethoden sind bekannt: Entweder versucht man, mit der verdächtigen Substanz eine entsprechende Körperreaktion zu provozieren und so die Unverträglichkeit nachzuweisen. Oder man meidet das Lebensmittel, in dem die auslösende Substanz vermutet wird, ganz. Laktose-Unverträglichkeit: Die meisten Betroffenen können Joghurt oder Quark problemlos essen – die Milchsäurebakterien helfen, den Milchzucker abzubauen Heilung gibt es bei Lebensmittelunverträglichkeiten nicht. «Die Betroffenen müssen die heiklen Nahrungsmittel ganz meiden», sagt Peter Schmid-Grendelmeier, leitender Arzt der Allergiestation des Universitätsspitals Zürich. ESTHER DIENER MORSCHER Die vier häufigsten Unverträglichkeiten FruchtzuckerUnverträglichkeit Es gibt nur wenige Menschen, die Fruchtzucker strikt meiden müssen, weil sie von Geburt an unter einem Enzymmangel leiden. Häufiger ist die mildere Form: Betroffene haben Blähungen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder sind gereizt, wenn sie dem Darm zu viel Fruchtzucker zugemutet haben. Dieser ist in Obst und Gemüse enthalten, meistens zusammen mit anderen Zuckerarten, die helfen, den Fruchtzucker besser zu verdauen. Vorsicht ist bei Diätund Light-Produkten mit Fruchtzucker angebracht: Sie enthalten zusätzlich künstliche SüssSPEZIAL ESSEN & TRINKEN stoffe, die ebenfalls Verdauungsbeschwerden auslösen können. Laktose-Unverträglichkeit Weitverbreitet ist die Unverträglichkeit auf Milch: Jede sechste Person in der Schweiz kann Milchzucker nicht vollständig abbauen. Milchprodukte verursachen bei den Betroffenen regelmässig Verdauungsbeschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit und Durchfall. Allerdings geht die Unverträglichkeit bei den wenigsten Menschen so weit, dass sie völlig auf Milch verzichten müssen. Die meisten vertragen kleinere Mengen Laktose und können zum Beispiel Joghurt, Quark oder Kä- se problemlos essen. In diesen Milchprodukten bauen die Milchsäurebakterien den Milchzucker weitgehend ab. Vorsicht ist bei allen Fertigprodukten angesagt: Backwaren, Desserts, Suppen, Wurstwaren und Streuwürzen enthalten oft Milchzucker. Dies sollte zwar in der Zutatenliste erwähnt sein, über die Menge sagt sie aber nichts aus. Zöliakie/Sprue Rund 36 000 Personen in der Schweiz können kein Getreideeiweiss verdauen. Diese Unverträglichkeit auf das so genannte Gluten kann bereits in den ersten Lebensjahren, aber auch erst im 69 UNVERTRÄGLICHKEITEN Erwachsenenalter auftreten. Bei Säuglingen und Kindern bezeichnet man sie als Zöliakie, bei Erwachsenen als Sprue. Bereits kleine Mengen glutenhaltiger Nahrungsmittel schädigen bei den Betroffenen die Dünndarmschleimhaut. Die Folgen: Ungenügende Nährstoffaufnahme, Gewichtsverlust, Durchfall, Blähungen, Übelkeit, manchmal auch psychische Veränderungen. Bei glutenfreier Ernährung erholt sich die erkrankte Dünndarmschleimhaut in der Regel innerhalb weniger Wochen. Be- troffene müssen aber lebenslang konsequent glutenfrei essen. Verboten sind die meisten Getreidearten. Erlaubt sind Reis, Mais und Hirse. Heikle Zusatzstoffe Die Lebensmittelindustrie mengt ihren Fertigprodukten freigiebig Zusatzstoffe bei: zum Haltbarmachen, fürs bessere Aussehen oder zur Geschmacksverstärkung. Einige dieser Stoffe stehen im Verdacht, Intoleranzen hervorzurufen. Die Symptome reichen von Schmerzen über Ausschläge bis zu Müdigkeit. Die Vielzahl der Zusatzstoffe, die es gibt, macht es nicht einfach, diejenige Substanz zu finden, die für Beschwerden verantwortlich sein könnte. Ein Zusatzstoff, der im Verdacht steht, Migräne, Hautrötungen, Bauchschmerzen oder Schläfrigkeit zu verursachen, ist der Geschmacksverstärker Glutamat (E 620). Blähungen verursachen auch künstlich gesüsste Light-Produkte. Verantwortlich dafür sind die Süssstoffe Sorbit (E 420), Xylit (E 967), Isomalt (E 953) und Maltit (E 965). Unverträglichkeiten – Beschwerden, Ursachen, Ausweichmöglichkeiten, Informationen Mögliche Ursache Beschwerden Lebensmittel, die zu meiden sind Getreideeiweiss (Gluten) Gewichtsverlust, Durchfall, abnorme massige Stühle, Blähungen, Übelkeit, Blässe Milchzucker (Laktose) Blähungen, Bauchschmerzen, oft Durchfall und Übelkeit, 30 Minuten bis 2 Stunden nach dem Essen oder Trinken Weizen, Roggen, Milch, Milchprodukte, Gerste, Hafer, Dinkel Fertigprodukte mit und alle daraus Lactose, Milchpulver, hergestellten Produkte Magermilchpulver, wie Mehl, Brot, Molke, Molkepulver Gebäck, Paniermehl, oder Milchserum, Teigwaren, Müesli Wurst- und Backwaren, und Saucen Aromat, Ovomaltine, Rivella Empfohlene Ausweichprodukte Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Quinoa, Amarant, glutenfreie Produkte aus dem Reformhaus Informationen Schweizerische Interessengemeinschaft für Zöliakie Tel. 061 271 62 17 www.zoeliakie.ch 70 Extrahart- und Hartkäse, in kleineren Mengen Joghurt, Sauermilch, laktosefreie Produkte aus dem Reformhaus Schweizerische Interessengemeinschaft für Zöliakie Tel. 061 271 62 17 www.zoeliakie.ch www.lactonet.de Fruchtzucker (Fruktose) Übelkeit, Bauchkrämpfe, Durchfall, Gereiztheit und Kopfschmerzen, 1 bis 3 Stunden nach dem Essen oder Trinken Äpfel, Birnen, Wassermelonen, Dörrobst, Lauch, Broccoli, Fruchtsäfte, mit Fruchtzucker gesüsste Diät- und Fertigprodukte Zusatzstoffe www.fructose.at.gs Heinz Knieriemen: «E-Nummern», Broschüre. Fr. 12.–, zu beziehen über Tel. 01 253 90 70 Chronische Hautausschläge, Migräne, Asthma, Gliederschmerzen, Pilzerkrankungen, ständige Müdigkeit Heikle Zusatzstoffe: Geschmacksverstärker Glutamat (E 620), Konservierungsstoffe wie Schwefeldioxid (E 220) und Nitritpökelsalz (E 250). Antioxidanzien wie Lecithin (E 322) und Phosphat (E 338). Künstliche Süssstoffe wie Aspartam (E 951) Fruchtzucker ist meist Unverarbeitete besser verträglich, Lebensmittel, wenn gleichzeitig auch Bio-Produkte Traubenzucker aufgenommen wird SPEZIAL ESSEN & TRINKEN