Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Gerhard Stiens, Direktor des Arbeitsgerichts Dortmund Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung 1. Anzeige- und Nachweispflicht Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen § 5 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG (1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Definition: unverzüglich Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − ohne schuldhaftes Zögern − telefonisch vor Arbeitsantritt − spätestens wenn Entschluss gefasst ist, nicht zur Arbeit zu gehen − jedenfalls am ersten Tag − vor Arztbesuch, das heißt kein Abwarten bis die ärztliche Diagnose vorliegt − auch wenn der Arzt nur aufgesucht wird um die Arbeitsunfähigkeit erst zu klären Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Voraussichtliche Dauer Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − nach dem Arztbesuch ist erneut über die prognostizierte Dauer zu informieren − auch bei Fortsetzungserkrankungen − auch nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Nachweispflicht Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − bei längerer Dauer als drei Kalendertage − Vorlage am nächsten Arbeitstag − Arbeitgeber kann frühere Vorlage verlangen − Rückwirkung grundsätzlich unzulässig weil Grundlage die aktuelle ärztliche Untersuchung ist − bei Gewissheit des Arztes über einen bereits länger vorliegende Erkrankung maximal für zwei Tage rückwirkend Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Kündigungsfolgen Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − Verletzung einer gesetzlichen oder vertraglichen Nebenpflicht − ordentliche Kündigung erst nach Wiederholung und Abmahnung auch wenn keine Störung der Arbeitsorganisation oder des Betriebsfriedens vorliegt − Auswirkungen aber im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen − immer Einzelfallentscheidung − fristlose Kündigung ausnahmsweise bei erschwerenden Umständen des Einzelfalls Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung 2. Androhung einer Arbeitsunfähigkeit Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − Ankündigung einer objektiv nicht bestehenden Erkrankung um den Arbeitgeber zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen (z.B. Urlaubserteilung) = Nötigung, erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses − fristlose Kündigung möglich − bei objektiver bestehender Erkrankung ist der Vertrauensverlust weniger schwerwiegend, eine fristlose Kündigung ist nicht ohne weiteres möglich Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Darlegungs- und Beweislast Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − − − die Drohung hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen der Arbeitnehmer hat vorzutragen welche konkreten Krankheiten und Krankheitssymptome vorgelegen haben und seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden die Beweislast für das Nichtvorliegen der Arbeitsunfähigkeit trägt dann wiederum der Arbeitgeber Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen 3. Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit / Erschleichen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung − Verstoß gegen die Pflicht zu arbeiten − Lohnbetrug − Grundsätzlich geeignet eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen − Verdachtskündigung → vorherige Anhörung des Arbeitnehmers erforderlich Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Darlegungs- und Beweislast (1) Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − − − der Arbeitgeber hat das Fehlen am Arbeitsplatz und das Nichtvorliegen einer Erkrankung darzulegen und zu beweisen aber: Ansatz Indiztatsachen (z.B. Freizeitaktivitäten, Sport, anderweitige Arbeitstätigkeit) der Arbeitnehmer hat dann vorzutragen welche tatsächliche physische oder psychische Erkrankung vorlag und den behandelnden Arzt oder etwaige Sachverständige von der Schweigepflicht zu entbinden Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Darlegungs- und Beweislast (2) Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − ergibt sich aus dem Vortrag des Arbeitnehmers, dass eine Erkrankung vorlag, muss der Arbeitgeber Beweis dafür antreten, dass dies der Fall war (z.B. Vernehmung des behandelnden Arztes über die genauen Symptome und Therapien) − Ist die anderweitige Tätigkeit mit der geschuldeten identisch kann dies als Beweis ausreichen Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung 4. Genesungswidriges Verhalten Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − ein arbeitsunfähig krankgeschriebener Arbeitnehmer ist verpflichtet sich so zu verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann − der Arbeitnehmer hat insoweit auch auf die Interessen des Arbeitgebers (Arbeitsleistung, Entgeltfortzahlungsverpflichtung) Rücksicht zu nehmen Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung Kündigungsfolgen Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − eine Verletzung dieser Verpflichtung kann unter Umständen eine ordentliche Kündigung rechtfertigen (z.B. extreme Freizeitaktivitäten) − Bei groben Verstößen kann auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein (z.B. vollschichtige Nebentätigkeit nachts) Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung 5. Übernahme von Detektivkosten (1) Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − Der Arbeitgeber muss gegen den Arbeitnehmer einen konkreten Tatverdacht haben − Der Detektiv muss aufgrund dieses konkreten Tatverdachts beauftragt worden sein − Der Arbeitnehmer muss einer Vertragspflichtverletzung überführt worden sein − Diese Vertragspflichtverletzung muss der Arbeitnehmer vorsätzlich begangen haben Gerhard Stiens: Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung 5. Übernahme von Detektivkosten (2) Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr 29. Juni 2011 in Essen − Der Einsatz des Detektivs wäre auch von einem vernünftigen, wirtschaftlich denkenden , Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalls nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich ergriffen worden − Der Einsatz des Detektivs muss der Beseitigung einer Vertragsstörung oder der Verhütung eines weiteren Schadens dienen