SEF/INEF NEWS Dezember 2015 Dezember 2015 Sehr geehrte geehrterLeserin, Herr Jung, Sehr sehr geehrter Leser, die Entstehung und Weiterentwicklung von Normen im Kontext von Frieden und Sicherheit ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt von sef: und INEF. Zum Abschluss des Jahres beschäftigen wir uns insbesondere mit den aktuellen Diskussionen um den Konflikt zwischen den Normen staatlicher Souveränität und internationaler Verantwortung. Neben einer angenehmen Lektüre wünschen wir Ihnen frohe und erholsame Feiertage sowie ein gutes, gesundes und glückliches Jahr 2016 Rebekka Hannes, sef: Jan Schablitzki, INEF SCHWERPUNKTTHEMA INHALT Souveränität und Internationale Verantwortung. Lebendige, da umstrittene Normen? : Schwerpunktthema Souveränität und Internationale Verantwortung : Veranstaltungen Internationaler sef: Expertenworkshop Bonn Symposium Video Interview sef: Policy Briefing : Publikationen Foreign Voices 4|2015 1 CC BY 2.0 dierk schaefer/flickr.com „Souveränität bleibt das Fundament der internationalen Ordnung. Doch je weniger Souveränität in der heutigen Welt als eine Mauer oder ein Schutzschild verstanden wird, desto besser sind die Aussichten, Menschen zu schützen und unsere gemeinsamen Probleme zu lösen“, verkündete UN Generalsekretär Ban Kimoon in einer offenen Debatte des UN-Sicherheitsrats im Februar 2015. Zu diesem Anlass und auf Einladung Chinas reflektierten rund 80 Redner die heutige Bedeutung der Grundprinzipien der UN-Charta, wobei sich zahlreiche Unterschiede in der Interpretation zeigten. Offensichtlich wurde vor allem der Widerstreit zwischen der nationalen Souveränität und dem Prinzip der Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten auf der einen sowie dem Schutz fundamentaler Menschenrechte und der Bereitstellung globaler Güter auf der anderen Seite. Während Russlands Außenminister Druck und Androhung eines Regimewandels „gegenüber denjenigen, die nicht willens sind nach den Regeln der dominanten Mächte zu spielen“ kritisierte, forderte der Vertreter der USA „robuste Aktionen zum Schutz der Menschenrechte“. China hingegen versuchte, eine Vermittlerrolle einzunehmen, indem es mahnte, „das Konfrontationsdenken zu verwerfen“ und durch eine stärkere, für alle Während Russlands Außenminister Druck und Androhung eines Regimewandels „gegenüber denjenigen, die nicht willens sind nach den Regeln der dominanten Mächte zu spielen“ kritisierte, forderte der Vertreter der USA „robuste Aktionen zum Schutz der Menschenrechte“. China hingegen versuchte, eine Vermittlerrolle einzunehmen, indem es mahnte, „das Konfrontationsdenken zu verwerfen“ und durch eine stärkere, für alle vorteilhafte Kooperation zu ersetzten. Außerdem solle Gerechtigkeit und nicht etwa Hegemonie die internationalen Beziehungen leiten, wobei Souveränität gegenseitig geachtet werden müsse. Wahrscheinlich der prominenteste Versuch, nationale Souveränität mit dem Schutz von Menschenrechten zu vereinen, ist die entstehende Norm der „Schutzverantwortung“ („Responsibility to Protect“, R2P). Diese besagt, dass nationale Souveränität die Verantwortung eines Staates umfasst, seine Bevölkerung vor massiven Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Ist ein Staat nicht willens oder in der Lage dies zu tun, so geht die Verantwortung auf die internationale Gemeinschaft über. Während R2P zu Beginn eine breite Unterstützung erfuhr, bzw. auf dem World Summit 2005 offiziell durch die Staatsund Regierungschefs bestätigt wurde, ist sie heute eine umstrittene Norm. Insbesondere nach der militärischen Intervention in Libyen 2011, in deren Zusammenhang sich die Sicherheitsrats-Resolution 1973 explizit auf R2P berief, teilten viele Akteure die Einschätzung, dass der Westen die Norm dazu missbraucht hatte, eigene Interessen durchzusetzen und einen Regimewandel zu rechtfertigen. Ist die R2P somit eine leblose Norm? Nein, ist sie nicht, argumentierte ein Großteil der Teilnehmer während des diesjährigen Internationalen sef: Expertenworkshops unter dem Titel „Achieving International Peace and Security: Towards a New Normative Consensus” (8./9. Dezember 2015 in Berlin). Ähnlich wie im Fall anderer entstehender Normen bzw. bei Normen allgemein können Dissens und Diffusion sogar wesentlich dazu beitragen, verantwortliche Souveränität und internationale Verantwortung für den Schutz von Menschenrechten aufrecht zu erhalten. 2 Zusätzlich tragen diese Prozesse dazu bei, deren Definition zu präzisieren und ihre Umsetzung voranzutreiben. Um dieses Argument zu untermauern, wurden in Berlin verschiedene konkrete Beispiele angeführt. Menschenrechte sind beispielsweise zu einem zentralen Aspekt der Sicherheitsrats-Debatten und Resolutionen geworden. Der Hohe Kommissar der UN für Menschrechte (UNHCHR) berät heute nahezu monatlich den Sicherheitsrat, was vor 10 bis 15 Jahren undenkbar gewesen wäre. Seit Libyen hat außerdem die Bezugnahme auf R2P in Sicherheitsrats-Resolutionen zugenommen. Darüber hinaus hat Brasilien das Konzept „Responsibility while Protecting“ (RwP) nach der NATO-Intervention in Libyen entwickelt, damit u.a. das Schutzziel der internationalen Gemeinschaft nicht von anderen Absichten wie einem Regimewandel untergraben wird. Mit der Präsentation des Konzepts hat Brasilien einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, die Norm weiterzuentwickeln sowie insbesondere deren Implementierung zu vereinheitlichen und zu überwachen. Dieser Vorstoß sollte in der Tat wieder aufgenommen werden, wie die Workshop-Teilnehmer einstimmig festhielten. Schließlich trägt auch die parodierende Verwendung von R2P durch Russland, welches damit seine eigenen Interventionen rechtfertigt, dazu bei, die Norm zu stärken bzw. deren Anwendungsregeln zu klären. Dennoch, so wichtig und hilfreich der Normendiskurs auch sein mag, entscheidend bleibt, den Kern der Norm nicht zu zerstören - und damit die Norm an sich nicht aufzugeben. Eine weitergehende Bewertung der aktuellen Debatte über Normen, die die internationale Friedens- und Sicherheitspolitik leiten, finden Sie bald in unserem Bericht zum sef: Expertenworkshop 2015. VERANSTALTUNGEN Internationaler sef: Expertenworkshop Achieving International Peace and Security: Towards a New Normative Consensus 8.-9. Dezember 2015 in Berlin 70 Jahre nach Gründung der Vereinten Nationen (VN) bleiben viele ihrer grundlegenden Normen und Prinzipien umstritten. Drei wesentliche Konfliktlinien prägen die Debatte: 1) die Absolutheit © sef: Eine weitergehende Bewertung der aktuellen Debatte über Normen, die die internationale Friedens- und Sicherheitspolitik leiten, finden Sie bald in unserem Bericht zum sef: Expertenworkshop 2015. VERANSTALTUNGEN Internationaler sef: Expertenworkshop Achieving International Peace and Security: Towards a New Normative Consensus 8.-9. Dezember 2015 in Berlin 70 Jahre nach Gründung der Vereinten Nationen (VN) bleiben viele ihrer grundlegenden Normen und Prinzipien umstritten. Drei wesentliche Konfliktlinien prägen die Debatte: 1) die Absolutheit staatlicher Souveränität vs. der Schutz der Menschenrechte, 2) die Universalität von Normen vs. Selektivität und doppelte Standards sowie 3) die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie © sef: vs. wirtschaftlicher Entwicklung für dauerhaften Frieden. Keine dieser Konfliktlinien ist neu, aber sie alle scheinen gegenwärtig mit mehr Nachdruck und vor allem mit einer größeren Bandbreite an Akteuren und Positionen aufzubrechen. Während des diesjährigen Internationalen sef: Expertenworkshops versuchten Teilnehmende deshalb, den Status bestehender und sich entwickelnder Normen der internationalen Kooperation für Frieden und Sicherheit zu eruieren und Perspektiven für ihre Fortentwicklung und Umsetzung aufzuzeigen. Einen Konferenzbericht mit den wichtigsten Diskussionsergebnissen finden Sie in Kürze online. : weitere Infos hier Bonn Symposium 3 Globale Ziele für nachhaltige Entwicklung lokal umsetzen – Strategien und Instrumente 17.-18. November 2015 in Bonn Bereits in den vergangenen Jahren hatte das Bonn Symposium der sef: den Beitrag von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft auf der lokalen Ebene zur Formulierung und Umsetzung der Post2015-Agenda in den Fokus gerückt. Nachdem die Vereinten Nationen nun die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung verabschiedet haben, ging auch das Bonn Symposium in die nächste Runde. Vom 17. bis 18. November 2015 diskutierten hochrangige internationale Gäste mit Vertreterinnen und Vertretern von Kommunen, welchen Beitrag die lokale Ebene rund um den Globus zur Umsetzung der 2030-Agenda leisten kann und muss. Ein Konferenzbericht sowie Präsentationen von Referentinnen und Referenten sind online verfügbar. : weitere Infos hier Video Interview © sef: Video Interview Interview mit Mercedes Mathebula Während des diesjährigen Bonn Symposiums sprach Mercedes Mathebula, Nachhaltigkeitsspezialistin der City of Tshwane in Südafrika, mit der sef: über die lokale und urbane Implementierung der Sustainable Development Goals (SDGs). Vor © sef: dem Hintergrund ihrer eigenen Arbeit identifizierte sie Möglichkeiten und Grenzen sowie den Beitrag, den die SDGs zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten können. : weitere Infos hier sef: Policy Briefing International Responsibility in the Global Garment Industry: What Role for the EU? 4. November 2015 in Brüssel Am 4. November führte die sef: erstmals ein Policy Briefing in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union durch. Unter dem Titel „International Responsibility in the Global Garment Industry: What Role for the © sef: EU?” diskutierten prominente Gäste die aktuellen Bemühungen um ein verantwortungsvolles Management der Lieferketten in der globalisierten Textilindustrie kritisch. Ein kurzer Bericht mit den 4 wichtigsten Diskussionsergebnissen ist nun online verfügbar. : weitere Infos hier PUBLIKATIONEN Foreign Voices 4|2015 Implementing the Sustainable Development Goals – The Municipalities’ Roles and Responsibilities Die Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) in den vergangenen 15 Jahren hat deutlich gezeigt, dass sich Erfolge ohne die Einbeziehung der lokalen Ebene nur sehr schwer einstellen. Zwar wurde einiges unternommen, um die Akteure vor Ort zu stärken, jedoch nicht genug. Mit der neuen 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung müssen diese Bemühungen entsprechend verstärkt werden. In einer neuen Ausgabe der Foreign Voices gibt die Autorin Esther Ofei-Aboagye, stv. Vorsitzende der National Development Planning Commission in Accra (Ghana), Empfehlungen, wie dies gelingen kann. Die Publikation ist in englischer Sprache erhältlich. : weitere Infos hier globalisierten Textilindustrie kritisch. Ein kurzer Bericht mit den wichtigsten Diskussionsergebnissen ist nun online verfügbar. : IMPRESSUM weitere InfosUND hier SERVICE Danke! Ich möchte den Newsletter weiterempfehlen © 2015 [email protected] englischer Sprache erhältlich. : weitere Infos hier IMPRESSUM UND SERVICE Danke! Ich möchte den Newsletter weiterempfehlen © 2015 Stiftung Entwicklung und Frieden (sef:) › Newsletter weiterempfehlen Ich möchte den Newsletter abbestellen › Newsletter abbestellen Meine Daten haben sich geändert › Daten ändern Development and Peace Foundation Dechenstraße 2 : D-53115 Bonn [email protected] www.sef-bonn.org www.inef.uni-due.de Tel +49 (0)228 959 25-10 Fax +49 (0)228 959 25-99 Die Stiftung Entwicklung und Frieden (sef:) wurde 1986 auf Initiative von Willy Brandt gegründet. Die überparteiliche und gemeinnützige Stiftung plädiert für eine politische Neuordnung in einer Welt, die zunehmend durch die Globalisierung geprägt ist. Weitere Informationen unter www.sef-bonn.org. Besonders eng arbeitet die sef: mit dem Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg Essen am Campus Duisburg zusammen. Beide Institutionen sind durch einen Kooperationsvertrag miteinander verbunden. Das INEF schlägt mit seiner anwendungsorientierten Forschung eine Brücke zwischen Theorie und Politik. Weitere Informationen unter www.inef.uni-due.de 5