RISIKEN MANAGEN QM-Dokumentation Von Birgit Knips Für viele Unternehmen und Organisationen ist ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem grundlegend, um in ihrer Branche zu bestehen und erfolgreich zu sein. Um eine Zertifizierung zu erhalten, fordert die Norm DIN EN ISO 9000ff die Dokumentation des QM-Systems. D ie Prüfung der QM-Dokumentation gehört zu den Schwerpunkten im Zertifizierungsaudit. Eine widersprüchliche oder unvollständige Dokumentation ist eine der häufigsten Abweichungen. Weist die Dokumentation schon im Vorfeld des Audits schwerwiegende Mängel auf, besteht sogar die Gefahr, dass der Vor-Ort-Termin abgesagt wird. Entsprechend gross ist die Unsicherheit vieler Qualitätsverantwortlicher im Umgang mit ihrer Dokumentation: Welche Mindestanforderungen stellt die Norm und wie können diese möglichst effizient erfüllt werden? besserungen sollen im Unternehmen ständig angestrebt und umgesetzt und die Prozesse dokumentiert werden. Dies hilft allen Mitarbeitern, den Überblick zu behalten und den Istzustand als Grundlage zur Veränderung zu nutzen. Erreichen lässt sich dies, indem man das QM-System an den Prozessen im Unternehmen ausrichtet und dokumentiert, an- Ein festes, unveränderliches Regelwerk? statt sich an der Gliederung der Norm zu orientieren. QM-Dokumentationen, die sich ausschliesslich an der Norm ausrichten, erleichtern zwar unbestritten die Überprüfung der Normkonformität. Sie schaffen jedoch eine Ordnung der qualitätsrelevanten Regelungen, die nicht immer den Prozessen im Unternehmen und damit den Arbeitsabläufen der Mitarbeiter entsprechen. Eine solche Dokumentation lässt sich in der Praxis schwer umsetzen Die Dokumentationsanforderungen der DIN EN ISO 9001 werden oft als überzogen und bürokratisch angesehen. Das Ziel einer praxisnahen Dokumentation ist jedoch genau das Gegenteil. Ver- Dipl.-Kffr. Birgit Knips, Produktmanagerin für die Lehrgänge und Seminare im Bereich Qualitätsmanagement bei der TÜV Rheinland Akademie GmbH, Am Grauen Stein, D-51105 Köln, T +49 (0)221 806 1660, [email protected] MQ Management und Qualität 9/2012 Hilfe für die Mitarbeiter und führt zu Ablehnung durch die Mitarbeiter. Forderungen der Norm Bei der Auswahl der Art und Weise, wie Organisationen und Unternehmen ihr Managementsystem dokumentieren, zeigt sich die DIN EN ISO 9001 flexibel. Im Grossen und Ganzen kann also jede Organisation den notwendigen Umfang ihrer Vorgabe- und Nachweisdokumente selbst bestimmen. Durch eine systematische Prüfung der Norm kann die Dokumentation auf diejenigen Vorgabedokumente reduziert werden, die zwingend von der Norm gefordert werden. Diese Forderungen lassen sich folgendermassen gliedern: n 1. Allgemeine Anforderungen: In der Norm finden sich zu folgenden Punkten entsprechende Forderungen – Qualitätspolitik und -ziele (4.2.1) – Produktanforderungen (oder Auftragsbestätigung) (7.2.1 und 7.2.2 ) – Qualitätsmanagement-Handbuch (4.2.1 und 4.2.2) – Von der Norm vorgeschriebene dokumentierte Verfahren (4.2.1) – Weitere für die wirksame Planung, Durchführung und Lenkung erforderliche Dokumente (4.2.1) – Ergebnis der Planung der Produktrealisierung zum Beispiel QM-Plan oder Prozessbeschreibungen (7.1) n 2. Dokumentierte Verfahren: Bei den folgenden Prozessen muss die Vorgehensweise in einer Verfahrensanweisung beziehungs- Die Norm ist flexibel weise Prozessbeschreibung festgehalten werden: – Lenkung von Dokumenten (4.2.3) – Lenkung von Aufzeichnungen (4.2.4) – Durchführung von internen Audits (8.2.2) – Lenkung fehlerhafter Produkte (8.3) – Korrekturmassnahmen (8.5.2) – Vorbeugungsmassnahmen (8.5.3) Mögliche Struktur der Dokumentation t Knapp, verständlich, normenkonform Grafik 1 25 RISIKEN MANAGEN Kundenzufriedenheit Kundenanforderungen Vertrieb Kommunikation Auftragsabwicklung Risikomanagement 26 Managementsysteme werden als internes «Werkzeug» zur Einarbeitung und Führung der Mitarbeiter verwendet. Diese Unterlagen beinhalten das Wissen des Unternehmens und werden daher nicht oder nur mit besonderer Einwilligung der Unternehmensleitung ausser Haus gegeben (Grafik 1). Umfang und Form der Dokumentation werden von jedem Unternehmen selbst festgelegt. Monitoring und Reporting Ein internes Werkzeug Wissen und Lernen Kernprozesse Innovation Produktentwicklung Service Auch die Wahl des Mediums (Papier, Datei, Intranet) ist von der Grösse und Infrastruktur des Unternehmens abhängig und nicht vorgeschrieben. Der Detaillierungsgrad ergibt sich aus der Komplexität der Produkte und Prozesse. Die Form der Darstellung der Prozesse (dokumentierte Verfahren, Verfahrensanweisungen) ist ebenfalls frei wählbar, sollte sich aber an den Lesegewohnheiten (Prosatext, Tabellen, Flussdiagramme …) der Mitarbeiter orientieren und so weit wie möglich innerhalb des Unternehmens einheitlich gestaltet werden. In vielen Unternehmen haben sich Flussdiagramme bewährt, da sie eine kompakte und übersichtliche Darstellung ermöglichen. Unterhalb der Ebene der Verfahrensanweisungen sind häufig noch weitere Vorgabedokumente erforderlich, die die Regelungen in den Verfahrensanweisungen ergänzen beziehungsweise präzisieren. Zu den Arbeitsanweisungen gehören unter anderem auch Spezifikationen, Zeichnungen, Stücklisten, Wartungspläne, Verpackungsanweisungen oder Kalibrieranweisungen. Der Umfang und die Tiefe dieser Dokumente hängen von Administration Rechtsabteilung IT-Management Patente Facility Management Personalmanagement Unterstützungsprozesse Buchhaltung In der Praxis hat es sich bewährt, die Dokumentation des QM-Systems in ein QM-Handbuch einerseits und die QM-Verfahrensanweisungen mit den weiterführenden QM-Arbeitsanweisungen andererseits zu trennen. Im QM-Handbuch werden die Arbeitsabläufe (Prozesse) in allgemeiner Form beschrieben und um die Hinweise auf die weiterführenden QM-Verfahrensanweisungen (Prozessbeschreibungen) ergänzt. Da das QM-Handbuch keine firmenspezifischen Details enthält, kann es an Kunden, Lieferanten, Behörden usw. weitergegeben werden. In den QM-Verfahrensanweisungen (Prozessbeschreibungen) und in den QM-Arbeitsanweisungen werden die unternehmensinternen Festlegungen, das heisst die «Spielregeln» des Unternehmens, festgelegt. Sie Grafik 2 Steuerungsprozesse Budgetierung Umsetzung in die Praxis allgemeine Beschreibungen der einzelnen Prozesse n Beispiel Prozesslandschaft Politik und Strategie Um die Dokumentation zu kürzen und Wiederholungen zu vermeiden, können thematisch ähnliche Verfahren zusammengefasst werden, zum Beispiel die Lenkung von Dokumenten und Aufzeichnungen oder auch die Massnahmen zur Korrektur- und Vorbeugung. der Ausbildung und der Erfahrung der Mitarbeiter ab. Im Mittelpunkt: das QM-Handbuch Das Qualitätsmanagement-Handbuch ist der zentrale Kern der QM-Dokumentation. Es ist das Dokument, das beschreibt, wie das Unternehmen vorgeht, um die Qualitätsforderungen zu erfüllen. Die Norm fordert in Punkt 4.2.2, dass im QM-Handbuch n der Anwendungsbereich des QM-Systems einschliesslich Einzelheiten und Begründungen für jegliche Ausschlüsse, n die für das QM-System erstellten dokumentierten Verfahren oder Verweise darauf und n die Wechselwirkung der Prozesse beschrieben werden. Das QM-Handbuch ist also eine Zusammenfassung der Verfahrensanweisungen, ergänzt durch die Qualitätspolitik und -ziele, das Organigramm und Führungsprozesse. Eine Untergliederung der Abschnitte ist in folgende Punkte möglich: n Zweck n Geltungsbereich des QM-Systems Als Anlage sollten geführt werden: n Begriffe (Eindeutigkeit der verwendeten Begriffe), n eine Querverweisung zu den QM-Verfahrensanweisungen, n eine Darstellung der Prozesslandschaft, also des Zusammenhangs der QM-Verfahrensanweisungen beziehungsweise der Wechselwirkung der Prozesse (Grafik 2). Entsprechend der Forderung der Norm ist im QM-Handbuch eine Verweisung zwischen den einzelnen Abschnitten und den QMVerfahrensanweisungen erforderlich. Hier bietet sich eine Matrix zum QM-Handbuch an, um den organisatorischen Aufwand bei Änderungen zu minimieren. Prüfung Folgende Qualitätsdokumente und -aufzeichnungen können bei einer Zertifizierung geprüft werden: Qualitätsmanagement-Handbuch Dokumentierte Prozesse, Verfahren und Arbeitsanweisungen wie – Arbeitsplatzbeschreibungen und Qualifikationsprofile der Mitarbeiter – Fertigungspläne – Spezifikationen – Lasten-/Pflichtenhefte – Konstruktionsunterlagen – Zeichnungen – Prüfpläne – Prüfanweisungen – Bedienungsanleitungen – Checklisten – Wartungspläne Aufzeichnungen wie – Konstruktions-FMEAs – Prozess-FMEAs – Lieferantenbeurteilungen – Ergebnisse von Prüfungen – Freigabeprotokolle – Prüfaufzeichnungen – Liste Korrekturmassnahmen usw. – Auditberichte Das Vorhandensein von gültigen Verordnungen, Gesetzen, Normen usw. MQ Management und Qualität 9/2012 RISIKEN MANAGEN Das Audit steht an Die Prozesse sind beschrieben und in die Dokumentation eingebunden, die vorgeschriebenen gesetzlichen Regelungen und Kundenanforderungen eingebracht. Bevor die QM-Dokumentation zur Prüfung an die Zertifizierungsstelle übergeben wird, werden alle Dokumente auf ihre Gültigkeit und Aktualität überprüft. Inhalte der QM-Dokumen- Praktikabel umsetzbar tation sind das QM-Handbuch, wichtige Verfahrens- und Arbeitsdokumente sowie Qualitätsaufzeichnungen. Die Prüfung dieser Schriftstücke ist wesentlicher Be- standteil des externen Audits. Zudem muss sichergestellt sein, dass alle Mitarbeiter des Unternehmens Zugriff auf die Dokumente und das QM-Handbuch haben (siehe Kasten «Prüfung» auf Seite 26). Die vorgelegte QM-Dokumentation wird dahingehend überprüft, ob n die Dokumentation den formalen Kriterien entspricht, zum Beispiel – Vollständigkeit – Verantwortung – Freigabe n hinsichtlich der Durchführung der Tätigkeit vermutlich genügend Informationen zur Verfügung stehen (endgültige Prüfung in der Befragung vor Ort), n der beschriebene Ablauf logisch erscheint (Überprüfung vor Ort) und Nachweise über die Lenkung der Dokumente und ihre Überarbeitung geführt werden, n eine Rückverfolgbarkeit und Wiederauffindbarkeit von Dokumenten gewährleistet ist, n Prüfungsstatus, Befugnisse und Genehmigungen vorliegen und n eine Rückverfolgbarkeit zum Prozess oder Produkt gegeben ist. n Fazit Die QM-Dokumentation eines Unternehmens kann individuell gegliedert und gestaltet werden. Wichtig ist dabei, sie für die Mitarbeiter praktikabel umzusetzen, um das Verständnis und die Akzeptanz zu erhöhen. Die DIN EN ISO 9001:2008 verlangt zwar die vollständige Abdeckung ihrer Forderungen. Eine Ausrichtung der Dokumentation an der Gliederung der Norm wird jedoch an keiner Stelle gefordert. Ein prozessorientiertes Managementsystem und damit eine prozessorientierte QM-Dokumentation bringen viele Vorteile. Die Prozesse werden auf den Kundennutzen ausgerichtet, das Qualitätsmanagement wird zu einem Instrument der ständigen Verbesserung und führt zu schlanken Prozessen. Der Umfang der Dokumentation lässt sich straffen und knapp, aber trotzdem den Forderungen der Norm entsprechend, gestalten. Weitere Informationen zum Thema QM-Dokumentation und Hinweise zur Umsetzung in die Praxis erhalten Sie im Seminar «QM-Dokumentationen – knapp, verständlich, normenkonform» der TÜV Rheinland Akademie. n Anzeige MQ Management und Qualität 9/2012 27