in Rom

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Sonderdruck aus
QUELLEN
UND
FORSCHUNGEN
AUS
ITALIENISCHEN
ARCHIVEN
UND
BIBLIOTHEKEN
64/1984
Herausgegeben vom
Deutschen Historischen Institut
in Rom
Niemeyer
ý
INHALTSVERZEICHNIS
Jahresbericht
VII-XXV
1983
.....................
Ludwig Schmugge, Die Anfänge des organisierten PilgerMittelalter
im
verkehrs
...................
Norbert Kamp, Der Episkopat und die Monarchie im staufeSizilien
Königreich
schen
..................
1-83
84-115
Dieter Girgensohn, Kardinal Antonio Caetani und Gregor
Papstmacher
1406-1408:
Jahren
den
zum Papstin
vom
XII.
116-226
gegner
..........................
Mariarosa Cortesi, Una pagina di umanesimo in Eichstätt
.
Jens Petersen, Rom als Hauptstadt des geeinten Italien
1870-1914. Politische und urbanistisehe Aspekte ......
Egon Johannes Greipl, Römische Kurie und Katholische
Partei. Die Auseinandersetzung um die Christlichsozialen in
Österreich im Jahre 1895 ..................
Rosario Romeo, Das Risorgimento in der neueren histoDiskussion
riographischen
.................
227-260
261-283
284-344
345-364
Miszellen:
Arnold Esch, Preise und Löhne im Florenz des Trecento
..
Tilmann Schmidt, Neue und alte Handschriften der Konstitutionen des Egidio Albornoz für den Kirchenstaat
.....
Hermann M. Goldbrunner, Quemcumque elegerit donainus,
ipse sanctus exit. Zur Leichenrede des Jean Jouffroy auf
Nikolaus V ..........................
Jose Ruysschaert, Johann Hess et Valentin Crautwvald redacteurs en 1514-1515 manuscrit Vat. lat. 524 pour 1'eveque
de Breslau Johann Turzo ..................
Christof Dipper, Maria Theresia oder der moderne Staat?
Nachrichten
........................
365-368
369-384
385-396
397-401
402-415
416-568
DIE ANFÄNGE
DES
PILGERVERKEHRS
ORGANISIERTEN
IM MITTELALTER
von
LUDWIG
SCHMUGGE
Zur Periodisierung
S. 1-2.
des Pilgerverkehrs
1. Einleitung
S. 4Erste Anfänge eines organisierten
Pilgerverkehrs
nach Rom in fränkischer Zeit
S. 4Die große Zeit der Pilgerfahrten:
Das 11. und 12. Jahrhundert
S. 83. Die Entstehung
im Hochmittelalter
S. 12 - Hospitalneuer Pilgerhospitäler
gründungen in Italien S. 12 - An der Via francigena S. 12 - San Nicola zu Bar!
S. 18
in
- Sankt Michael auf dem Monte Gargano S. 20 - Pilgerhospitäler
Frankreich
im
S. 21 - Pilgerhospitäler
in Spanien S. 27 - Pilgerhospitäler
deutschen Reich und in England (Canterbury)
S. 31 - Landhospitäler
S. 36 Paßhospitäler S. 40
S. 51 - Hospitäler an Brücken S. 46 - Zusammenfassung
4. Zu einigen Konsequenzen des organisierten
Pilgerverkehrs
S. 54 - Pilgerhosder kommerziellen
Gastung S. 54 - Orden im Dienst
pitäler und die Entstehung
S. 67 S. 62 - Die Pilgerführer
an den Pilgern S. 57 - Pilgerabzeichen
5. Wandlungen und neue Impulse des Pilgerverkehrs
im Spätmittelalter
S. 69 Pilgerfahrt,
Busse und Ablaß S. 70 - Die
Jahre" und periodische
Heiligen
Pilgerfahrten
S. 73 - Bußpilgerfahrten
S. 79 - Organisierte
Heilig-Land-Fahrten im Spätmittelalter
S. 81 - 6. Zusammenfassung
S. 82
1. Einleitung
Das Pilgerwesen gehört ohne Zweifel zu den bedeutendsten
Welt. Ohne
religiösen und sozialen Phänomenen der mittelalterlichen
Unterschied von Stand, Herkunft und Bildung ergriffen die Menschen damals den Pilgerstab: Arme und Reiche, Kleriker wie Bauern, Könige ebenso wie Gelehrte, Männer, Frauen und Kinder. Wir
müssen davon ausgehen, daß fast jedermann im Hoch- und Spätmittelalter, je nach Stand und Vermögen, Abkömmlichkeit
und Devo-
LUDWIG
2
SCI
IUGGE
tion, mindestens einmal in seinem Leben - vielfach jedoch öfter Heiligtum
ferneren
Pilgerfahrt
oder
nahegelegenen
einem
zu
eine
drei
haben
Rein
hat').
technisch
verschiegesehen
wir
unternommen
dene Arten von Pilgerfahrten zu unterscheiden.
(nach Jerusalem,
Rom und Santiago
1. Die Fernpilgerfahrten
der
Jahrhundert
im
in
der
Fachsprache
13.
de Compostela),
welche
Theologen und Kanonisten peregrinationes
mnaiores genannt werden.
Zu diesen Zielen sind die Wallfahrer
oft monatelang,
manchmal jahrelang
stehen
unterwegs.
Im
Zusammenhang
mit
den Fernpilgerfahrten
2. Überregionale Pilgerfahrten, die vielfach als Anschlußwallfahrten" zu den peregrinationes maiores Bedeutung erlangt haben.
Hier sind etwa zu nennen: San Nicola in Bari, das Michaelsheiligtum
Le
Puy
St-Maurice,
Vezelay,
Gargano,
der
MontMonte
dem
und
auf
St-Michel, Einsiedeln, San Antonio in Padua, Zurzach oder WilsAnteil
Den
machen
größten
numerisch
nack.
3. Die lokalen Wallfahrten aus. Sie dauerten oft nur ein bis zwei
Tage. Über die Verbreitung dieser lokalen Pilgerzentren haben wir
heute noch nicht einmal eine ausreichende statistische Grundlage. Es
die
Frömmigkeit
für
daß
festzustellen,
mittelalterliche
und
genügt
die Mentalität der Christen damals die vita peregrina, das Leben als
Grundmuster
Existenz
Pilgerfahrt,
ein
menschlicher
geradezu
eine
überhaupt gewesen ist2).
Recherches sur les pt lerins dans l'Europe des 118me et
1) Vgl. E. R. Labande,
12i me siecles, Cahiers de civilisation medievale 1 (1958) S. 159-169 u. 339-347.
Miracles and
P. A. Sigal, Les marcheurs de Dieu, Paris 1974. R. C. Finucane,
Popular Beliefs in Medieval England, London 1977. L. Schmugge,
Pilgrims.
Pilgermacht frei". Eine These zur Bedeutung des mittelalterlichen
Pilgerfahrt
74
(1979)
S.
Quartalschrift
16-31 mit weiterer Literatur.
Römische
H.
wesens,
Cahiers de Fanjeaux 15 (1980) S. 161-189. PelleLex peregrinorum,
Gilles,
in
Europa
dei
Santi
fino
alle 1` crociata (Convegni del Centro di
e
culto
grinaggi
Studi sulla spiritualitä
medievale 4) Todi 1963. R. Kriss
- L. Rettenbeck,
Europas, München 1950.
Wallfahrtsorte
Homo viator. Medieval Ideas on Alienation and Order,
2) Vgl. dazu G. Ladner,
Speculum 42 (1967) S. 233-259. Ich benutze die Ausdrücke Pilger und WallfahAnders W. Bruckner,
Zur
und Wallfahrt
ohne Unterschiede.
rer, Pilgerfahrt
des Wallfahrtswesens
Phänomenologie
und Nomenklatur
und seiner ErforI.
Dünninger,
Festgabe
Berlin
in:
1970, S. 384-424 mit anderer Unschung,
terscheidung.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
3
Sehen wir einmal von den lokalen Pilgerfahrten ab, so muß also
im Mittelalter
für die peregrini ein bedeutendes Versorgungsnetz
vorhanden gewesen sein. Wir fragen deshalb, wer wann, wo und wie
die notwendige Infrastruktur
für die mittelalterlichen Pilger geschaffen hat, welche Ideen, weltlichen und geistlichen Gewalten den organisierten Pilgerverkehr gefördert haben, und wie einzelne Kleriker
und Laien den peregrini behilflich waren und die Lebensform der
peregrinatio weiterentwickelten.
Hier sind zunächst einige Grundtatsachen mittelalterlichen
Pilgerwesens zu rekapitulieren: Es gab unter den Heiligen bis 1200 nur
etwa 15% Frauen3), gleichwohl betrug der Anteil der weiblichen
Pilger nach den Untersuchungen von Finucane und Rendtel allgemein zwischen 30 bis 50 %4). Ferner haben die Arbeiten von P. A.
Sigal und E. R. Labande gezeigt, daß die Gleichsetzung Pilger =
Armer für die Zeit des Hochmittelalters
nicht zutreffend ist: Nur
etwa einer unter zehn Pilgern läßt sich nach dem Befund der französischen Mirakelberichte in der Zeit des 11. und 12. Jahrhunderts als
Armer nachweisen. Manchmal führten die Pilger sogar sehr viel Geld
mit sich6). Sie benötigten es für den Lebensunterhalt unterwegs wie
für die Darbringung von Opfergaben am Zielort ihrer Reise, bisweilen wohl auch für unterwegs getätigte Geschäfte. Pilger waren durch
ihre Kleidung, durch Stab und Tasche, auch äußerlich als eine gesellschaftliche Sondergruppe erkennbar, die kirchlichem Schutz unterstand.
3) Diese Zahl beruht auf einer Auszählung der Bibliotheca Sanctorum durch J.
Tibbetts-Schulenburg,
Sexism and the Celestial Gynaeceum from 500 to
1200, Journal of Medieval History 4 (1978) S. 117-133. Vgl. dazu die Anzeige im
DA 37 (1981) S. 406.
') Der hohe Anteil weiblicher Pilger ist auf den ersten Blick überraschend, aber
der Quellenbefund
ganz eindeutig: Sowohl für England (vgl. dazu Finucane,
lassen sich diese Relationen herauslesen.
wie Anm. 1) wie auch für Frankreich
Mirakelberichte
Phil.
Vgl. dazu C. Rendtel,
als Quellen der Sozialgeschichte,
Diss. FU Berlin 1982.
5) P. A. Sigal, Pauvret6 et charit6 aux lleme et 12Öme siCcles d'apres quelques
in: Etudes sur 1'histoire de la pauvretd, hg. M. Mollat
textes hagiographiques,
(wie
(Publications de la Sorbonne, Etudes 8) Bd. 1, Paris 1974, S. 141. Labande
Anm. 1) S. 168.
4
LUDWIG
SCMIUGGE
2. Zur Periodisierung
des Pilgerverkehrs
an hat sich die Kirche den Schutz und die Betreuung von Pilgern zur Aufgabe gemacht, denn die Anfänge der Pilgerfahrten gehen in die Zeit der frühchristlichen
Kirche zurück'). Hospitalitas als Aufgabe von Gemeinden und Bischöfen wird demnach in
den Väterschriften
immer wieder hervorund frühen Mönchsregeln
Kanonisch
).
des Papstes Gelageworden ist eine Auskunft
gehoben?
Von Anfang
sius I. (494), in der vorgeschrieben
wird, daß ein Viertel der Kirchenden Armen und Pilgern zu reservieren
einkünfte
seil). Die Bereitkirchlicher
dieses einen Viertels
Einkünfte
ist das ganze
stellung
hindurch
Mittelalter
Maxime der Sozialfürsorge
eine unbestrittene
dieser Aufgabe hat die Kirche
Zur Verwirklichung
geblieben.
seit
dem 4. Jahrhundert
in Anlehnung
eigene Einrichtungen
an antike
die Xenodochia.
Vorbilder
Sie entstanden
geschaffen,
vielfach in
Verbindung
manche wurden durch fromme Laien gemit Klöstern,
ins Heilige Land im 5. und
stiftet0). Doch so sehr die Pilgerfahrten
teilweise noch im 6. Jahrhundert
sogar schon zu einer ModeerscheiPilgerverkehr
kann
nung geworden waren, von einem organisierten
noch nicht sprechen. Die islamische Expansion
man in der Spätantike
schnitt die Heiligen Stätten in Asien und Afrika von der westlichen
Christenheit
Xenodoab und machte zumindest dort den christlichen
chien ein Ende.
Erste Anfänge
eines organisierten Pilgerverkehrs
in fränkischer Zeit
nach Rom
Die entschiedene Hinwendung f äniischer Herrscher zur römischen Kirche führte in der Aufnahme der iro-schottischen mönchiS) Vgl. dazu B. Koetting,
Peregrinatio
religiosa. Wallfahrten
in der Antike
und das Pilgerwesen in der alten Kirche (Forschungen zur Volkskunde 33-35),
Münster 1950,21980.
7) Vgl. dazu W. Schoenfeld,
Die Xenodochien in Italien
im
und Frankreich
ZRG KA 12 (1922) S. 1-54, hier S. 3f.
frühen Mittelalter,
8) pauperibus
Brief 15. Epistolae Romanorum
et peregrinis,
pontificum,
ed. A.
1868, S. 380Thiel,
9) Vgl. dazu Schoenfeld
(wie Anm. 7) und O. Hiltbrunner,
Artikel
XenodoWissowa,
Realenzyklopaedie
Bd. XI A Spalte 1487-1503.
chium" in: Pauly -
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
5
sehen Wandertradition
zu verstärkten Pilgerfahrten aus Mittel- und
Nordeuropa nach Rom. Aus der fränkischen Zeit haben wir Zeugnisin so kontinuierlicher
Folge, daß fast von
se für Rom-Pilgerfahrten
einem nicht abbrechenden Pilgerstrom gesprochen werden kann'°)
Pilgerführer
in
und Notizen über Inschriften und Märtyrergräber
Rom aus der Zeit des 7. bis 9. Jahrhunderts bestätigen diesen Eindruck11). Für die Karolinger war die Armenfürsorge und damit auch
die Sorge für die Pilger eine Herrscherpflicht,
hospitalitas eine öffentliche Aufgabe, insbesondere der Kirche, d. h. insbesondere der
Denn
etwa 650 Klöster und der Stiftskirchen im Karolingerreich.
wenn die Gesetzgebung der Aachener Synoden von 816/817 konsequent durchgeführt worden wäre, hätte sie die Einrichtung eines
10) J. Zettinger,
Die Berichte über Rompilger aus dem Frankenreich
bis zum
Supplement-Heft
Jahre 800, Römische Quartalschrift
11,1900. Anscheinend ist
der Pilgerverkehr
auch bereits staatlich`
reguliert worden: Im Formular Marfür Rompilger, der den Träger als echten Pilger
culfs findet sich ein Begleitbrief
ausweist, welcher aus religiösen Gründen die Kirchen der Apostel Petrus und
Paulus zu besuchen wünschte. bIGH Formulae, ed. Zeumer,
S. 104, Formularium Marculfi 11,49. Beda bestätigt, daß auch Angelsachsen aller Schichten nach
Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum
Rom strebten: Beda Venerabilis,
V, 7;
S. 472:
lintina beatorum apostolorum
Gregorib
ad
ed. Colgrave-Mynors,
...
his tentporibus
Pontificatum
de gente Anglorum
tenente
plures
nobiles,
...
ignobiles, laici, clerici viri ac fentinae centatint fasere consueverunt.
Auch unter
den Alemannen, Franken und Bayern, die gen Rom zogen, fanden sich nicht nur
Bischöfe, Mönche und Kleriker,
sondern nach Ausweis des Heiligen Bonifatius
auch einfache Leute, Garnales Itontines idiotae. MGH Epp, III, ed. Duemmler,
Epistolae sancti Bonifatii
50 (742) S. 301. Angesichts
des Konflikts
mit den
Karolingern
in der Mitte
scheint die Kontrolle von Pilgern im Langobardenreich
des B. Jahrhunderts
besonders scharf gewesen zu sein. König Ratshis hatte im
Jahre 746 Grenzkontrollfür die Alpen-Klausen
und Paßvorschriften
gegen das
Frankenreich
erlassen, um den Verkehr mit dem feindlichen Ausland und die
Personen besser überwachen
zu können. In diesem Reglement
einreisenden
(MGH Leges IV, 192ff. ) werden auch Rompilger erwähnt, die Dokumente über
ihre Einreise und ihr Reiseziel erhielten, Wachstafeln königlicher Beamter, welche bei der Ausreise wieder vorgewiesen und mit dem königlichen Siegel versehen werden mußten. Die Pilger wurden offenbar auch verhört und kontrolliert
wenn sie als simpliciter
venientes erkannt wurund durften nur weiterziehen,
Die Paßvorschriften
des Königs Ratshis und ihre Bezieden. Vgl. G. Tangl,
hung zu dem Verhältnis
zwischen Franken und Langobarden vom 6. bis B. Jahrhundert. QFLAB 38 (1958) S. 1-66, besonders S. 36-37 und 40-41.
11) Vgl. dazu Zettinger
S. 45f.
6
LUDWIG
SCH¢IUGGE
Folge
haben
Stiftskirche
jeder
zur
müssens12). Damit
an
dichtes
die
für
und effizientes Netz von Verein
peregrini
wäre auch
im
karolingischen
Herrschaftsbereich
vorsorgungseinrichtungen
handen gewesen. Kann man ein solches Netz erkennen?
Die Quellen zeigen uns, daß man in den Klöstern die hospitalitas sehr ernst nahm, aber zwischen reichen und adligen Pilgern sowie
Wallern
wohl zu unterscheiden wußte. Der St. Galeinfachen
armen,
ler Klosterplan (um 820) zum Beispiel verzeichnet zwei Räumlichkeiten für die Aufnahme von Pilgern, differenziert nach ihrem sozialen
Stand, ein Hospitale pauperuni und ein Hospitale divitum. Ähnlich
Kurzum,
bereits
die für die Rompilger des
anderswo13).
war es auch
8. und 9. Jahrhunderts geschaffene Infrastruktur
muß beachtlich gewesen sein, entzieht sich aber weitgehend der Erforschung. Nur im
Raum von Lucca und in Rom selbst sind wir besser informiert. In den
Jahren zwischen 720 und 767 wurden in und um die Stadt Lucca etwa
zehn Xenodochien gegründet und reich ausgestattet14). Man hat
Hospitals
12) E. Boshof,
Untersuchungen
im fränkischen Reich des 9.
zur Amenfürsorge
Archiv für Kulturgeschichte
58 (1976) S. 265-339, Zitat S. 297.
Jahrhunderts,
Der St. Galler Klosterplan,
13) Vgl. H. Reinhard,
NeujahrsblätterdesHistoriSt.
Gallen
des
Kantons
92 (1942) S. 12. Ferner W. Horn
Vereins
sehen
- E.
Born, New views about the plan of St. Gall. A summary of recent views, in: H.
(Hrsg. ), Die Abtei Reichenau. Neue Beiträge zur Geschichte und KulMaurer
Sigmaringen 1974, S. 407-480. W. Horn
tur des Inselklosters,
E.
The
Born,
Plan of St. Gall. A Study of the Architecture
and Economy of, and Life in a
Carolingian Monastery, 3 vols, Berkeley 1979 (= California StudParadigmatic
ies in the History of Art, 19). Boshof hat aber sehr deutlich gemacht, daß im
Westen des Großreiches dem Osten in der Armenfürsorge
Frankenreich
der
S. 334). Jedenfalls fiel
Hauptlast
im Kampf gegen
voraus ist" (Boshof
die
S. 339) und damit auch die Sorge für die
Armut und Not der Kirche zu" (Boshof
peregrini.
14) H. Schwarzmeier,
Lucca und das Reich bis zum Ende des 11. Jahrhunderts. Studien zur Sozialstruktur
in der Toscana (Bibliothek
einer Herzogsstadt
Instituts
in Rom 14) Tübingen 1972, besonders S.
des Deutschen Historischen
Gli Ospedali Lucchesi del periodo longobardo, in: Atti del 1°
29ff. E. Coturri,
Reggio E. 1957, S. 148-162.
Boshof
congresse italiano di storia ospitaliera,
(wie Anm. 12) S. 273. Im Jahre 720 gründete ein gewisser Hertuald,
der Vater
des späteren Bischofs Pereto (gestorben 779), zum Teil auf Königsgut in Cipriano vor der Stadt Lucca ein Kloster, zu dessen Aufgaben auch die PilgerbetreuS.
(Schwarzmeier,
27f. Die Gründungsurkunde
im Codice
sollte
ung gehören
diplomatico longobardo 1,28 S. 101f. ). Im gleichen Jahr erhielt die Kirche San
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
7
dem Strom der Pilger, der aus dem Norden kam, Rechnung getragen, indem man für ihre Pflege und Beherbergung Sorge trug`s)
In der
Stadt
der Apostelfürsten
muß es gegen Ende des B.
Jahrhunderts
mehrere
große Xenodochien
gegeben haben, die im
Liber Pontificalis
erwähnt werden16). Das Kapitel von St. Peter hatder Pilger in der Hand. Die Kleriker
te Betreuung
und Versorgung
besaßen auch die Aufsicht über die
Herbergen,
Kirchen
nationalen"
in Rom, die schola Francorum,
Saxonum, Frisionum
und Friedhöfe
und Langobardorum17).
Silvestro außerhalb der Mauern bei der Porta Sancti Petri gelegen von mehreren
Stiftern unter Führung eines Theodoraci ein Haus als Pilgerspital
geschenkt,
S. 29f.; Codice
welches auch mit Gütern ausgestattet wurde (Schwarzmeier,
diplomatico longobardo 1,24-26 S. 91f. ). Zehn Jahre später wurde das größte
St. Columban, nicht weit entfernt von San SilveHospital Luccas gegründet,
stro. Die Gründer sind gasindi regis sowie ein Archipresbyter
aus Lucca als
künftiger Rektor. Da die Urkunde in Pavia ausgestellt wurde (Codice diplomatiS. 155) und von Mitgliedern
der
co longobardo 1,48 S. 156f., vgl. dazu Coturri
königlichen
Familie unterzeichnet
wurde, läßt sich daraus erkennen, daß das
der Hospitalgründung
langobardische
Königshaus selbst zu den Initiatoren
gehörte. Die Diaconia diente der susceptio peregrinorum.
Ein weiteres Xenodochium entstand 757 bei der Kirche San Gimignano mit der ausdrücklichen
Zweckbestimmung
der Betreuung von Armen und Pilgern.
15) Schwarzmeier
S. 369.
16) Liber pontificalis, ed. Duchesne, 1,440 und 11,25. Vgl. dazu P. F. Kehr,
Italia pontificia I S. 155f. sowie Boshof S. 277.
17) Als erklärte Pilgerherbergen
in der Stadt, nahe bei
gab es im B. Jahrhundert
St. Peter mindestens vier sogenannte Scholae, die alle mit einer Kirche verbunden waren: die Schola Saxonum (S. Maria), die Schola Francorum (S. Salvator),
die Schola Frisionum (S. Michael) und die Schola Langobardorum
(S. Justinus).
Die Schola Saxonum verdankt ihre Existenz nach dem englischen Chronisten
Parisiensis
Matthaeus
angeblich der Königin Ina (727? ), während die Schola
Francorum mit der Salvator-Kirche
(vgl.
nach der Legende des 9. Jahrhunderts
die Translation von Reliquien durch Abt Marquard von Prüm 844 von Rom nach
francorum
in ecclesia7n sancti
Prüm, NA 13 (1888) S. 235:
ad
sclzolanz
...
salvatoris ... ipsa est ecclesia, quanz beate memoriae domnus Carolus inzperator ad ele»zosinanz sui francis peregrinis nec non et aliis undique convenienti) auf Karl den Großen zurückgehen soll. Zettinger datiert
bus edificari voluit
...
(S. 96) die Gründung der Schola Francorum in die Zeit zwischen 781 und 799, da
sie beim Einzug Karls des Großen in die Stadt nach dem Liber Pontificalis
bereits existiert hat (11,6). Im 11. Jahrhundert
werden uns weitere VerfügungsSie besaßen
rechte über Hospitäler durch die Kleriker von St. Peter überliefert.
$
LUDWIG
SCHMIUGGE
Krisen
Die große Zeit
des 9. Jahrhunderts
haben jedoch
auch mit dem
Die politische
Rom-Pilgerwesen
blühenden
gründlich
aufgeräumt.
die Einfälle der Sarazenen, der Ungarn
Zerfall des Frankenreiches,
Unsicherheit
die
haben
im Karolingerreich
Normannen
der
zu
und
lassen
Dauerzustand
und auch die großen Klöster und
werden
einem
Folge
Die
dieser Ereignisse
Pilgerorte
verschont.
war gewiß
nicht
wenn nicht ein völliges Abebben des Pileine starke Reduzierung,
der
Jahrtausendwende
die
Zeit
hier
Erst
brachte
nach
gerverkehrs.
eine neue Entwicklung.
Die
der Pilgerfahrten:
Es ist unbestritten,
Das 11. und 12. Jahrhundert
daß seit der Jahrtausendwende
von einer
der peregrinationes zu einer wahren Massenbewegung
hatten
kann.
Daran
die
Bevölkerungsvermehwerden
gesprochen
ihren
Anteil:
Wandel
der
Nicht
soziale
und
mehr alle Hände
rung
wurden bei der Arbeit auf dem Feld, am Herrenhof, im Kloster oder
in der Stadt benötigt, die Möglichkeiten der Mobilität wuchsen. Aber
Ausweitung
zum Beispiel 1053 auch die Kirche und das Hospital S. Peregrini in Naumachia
Le carte antiche dell' archivio capitolare di S. Pietro in
(JL 4293, Schiaparelli,
della R. Societä Romana di Storia Patria 24 (1901) S.
Archivio
Vaticano,
393-496 und 25 (1902) S. 273-354, Nr. 17, S. 473-477), die Klöster San Giovanni e Paolo, San Martino, Santo Stefano maggiore e minore (JL 4294, SchiapaBei letzterem gab es auch ein Hospital und einen
Nr. 18, S. 477-480).
relli
Friedhof für ungarische Pilger seit dem Jahre 1058 (Schiaparelli
Nr. 21, S.
483-484). Angeblich soll dieses Hospital von König Stephan gegründet worden
Papst Urbans III. vom 13. Juni 1186 erfahren
sein. Aus einer Besitzbestätigung
von St. Peter auch in der Form des Fernbesitzes die
wir, daß den Kanonikern
Verfügung
über weit entlegene Hospitäler
zustand (JL 15632, Schiaparelli
Nr. 70, S. 331-336, vgl. auch Adrian IV. 1158 Februar 10, JL 10387, die Vorlage
für die Bulle Urbans III. ). Bezeichnenderweise
wurden die römischen Scholae
durch die Päpste reorganisiert:
die Schola Frisionum mit der
im 12. Jahrhundert
Michaels-Kirche
wurde unter Innozenz II. umgebaut (Altarweihe
1141 Januar
30) und durch Papst Innozenz III. 1198 März 13 erneut den Kanonikern
von St.
Die Schola Saxonum wurde bekanntlich von Innozenz III. in
Peter unterstellt.
das heute noch existierende Ospedale di Santo Spiriein Hospital umgegründet,
to, während der Papst den Kanonikern von St. Peter die Kirchen der drei Pilgerherbergen S. Michael, S. Maria in Saxia und S. Maria in Transpadina übertrug
und damit wohl auch die Aufsicht und Fürsorge für die Pilger.
PILGERVERKEHR
9
IM MITTELALTER
auch regionale Hungersnöte, Katastrophen, Seuchen und drückende
Feudallasten trieben die Menschen aus den angestammten Gebieten
fort und führten zu vermehrten Pilgerfahrten. Seit dem 10. Jahrhundert bemühte sich die Kirche verstärkt um den Schutz der Pilger.
Gottesfrieden und Treuga Dei nennen immer wieder unter den Begünstigten der Pax- und Treuga-Bestimmungen
auch die peregrini.
Das Reformpapsttum hat die Schutzforderungen der Gottesfriedensbewegung auch für Pilger übernommen18).
die Klöster
Nach Töpfer sind im 10. und 11. Jahrhundert
Zentren einer aufs höchste gesteigerten,
alle Gesellschaftsschichten
erReliquienverehrung
und einer daran sich entzündenden
greifenden
Doch sind uns aus dieser Zeit in dem von Töpfer
Pilgerbewegungs19).
Raum noch keine größeren
burgundisch-aquitanischen
untersuchten
bekannt.
Maßnahmen
Bei den meisten der von ihm
organisatorischen
Beispiele dürfte es sich um lokale oder regionale Wallangeführten
Vorsorge
größerer materieller
ohne die Notwendigkeit
gehandelt haben, zumal sie zumeist in der Zeit zwischen Ostern und
dem Advent lagen. Aber die hohe Zahl von Translationen
und neuen
fahrten
Klöstern stellt ein bemerkensReliquienschreinen
auch in kleineren
wertes Zeugnis für das religiöse Bedürfnis jener Zeit dar: 1010 wurde in St. Jean d'Angely das Haupt des Täufers entdeckt, 1037 fanden
die Mönche
von Vezelay die Gebeine der Heiligen Maria Magdalena.
Die Kirchen von Conques, Limoges, Autun, St. Gilles, Figeac, Tournus, Fleury standen in der Pilgergunst
ebenfalls obenan.
Mirakelberichte
im Volk durch die Predigt
verbreiteten
Großtaten
der Heiligen
(aber keineswegs,
wie Töpfer es sieht,
zur Disziplinierung
Wenn - nach Töpfer
des
die
nur
Kirchenvolkes"
und als Propaganda").
der
Pilgeraufschwung
Ausdruck
der
Verder Klassengegensätze"20)
in jener Zeit ist, welche von der
schärfung
Kirche und dem Mönchtum
Mirakeln
mit Reliquienkult,
und PilgerBahnen" gelenkt wurde, wenn also
wesen von oben in geregelte
18) Vgl. dazu Schmugge
(wie Anm.
1) S. 20f. mit weiterer
Literatur.
19) B. Toepfer, Reliquienkult und Pilgerbewegung zur Zeit der Klosterreform
im burgundisch-aquitanischen Gebiet, in: Vom Mittelalter zur Neuzeit (FestBerlin (Ost) 1956, S. 420-439, Zitat S. 422.
schrift H. Sproemberg),
20) Toepfer
S. 438-439.
10
LUDWIG
SCH¢IUGGE
Sozialfürsorge
nur als Systemstabilisierung"
auch kirchliche
dann
beide
Forscher
übersehen
(Epperlein)21),
wird
pretiert
des Pilgerwesens
Charakter
und werden
nent religiösen
Mentalität
mittelalterlicher
Menschen
nicht
interden emiauch der
gerecht.
Es läßt sich nämlich im Zeitalter der Kirchenreform ein neues
und vertieftes Verständnis der Armut beobachten. Die paupertas
Christi und seiner Apostel wurde von den Reformern erneut als Ideal
hingestellt, und diese Gedanken haben, wie wir aus zahllosen BeleGläubigen
den
bei
Aufnahme gefunden.
einfachen
gen wissen, auch
im 11. Jahrhundert ist
Die Entwicklung neuer Armutsbewegungen
das
Einfluß
Pilgerwesen geblieben'). Vor
auf
sicherlich nicht ohne
daß
Hospitalgründungen
zahlreiche
wir
sehen,
werden
von dieallem
ser neuen Einstellung her zu erklären sind. Vauchez spricht sogar
de la charitä" in jener Zeit23). Gleichzeitig mit
von einer revolution
der Forderung nach Pilgerschutz und hospitalitas haben die Reformder
Heiligenverehrung
neue Impulse gegeben. Den
auch
päpste
Grundstock dazu hat Papst Leo IX. gelegt, der neben dem Magdaledie
Nikolauskult
Verehrung
Michaelsund
nen-,
zahlreicher weiterer
Heiliger gefördert hat. Papst Gregor VII. insbesondere hat dann den
Petrus- und Marienkult in den Vordergrund gestellt, während Urban
II. die Kreuzesverehrung verbreitete und für den Heiligen Nikolaus
Devotion
besondere
zeigte).
eine
Die Förderung des Pilgerwesens durch Reformäbte und
-biBurgunds,
Flanderns
Lothringens,
und der Normandie')
schöfe
führte dazu, daß im 11. Jahrhundert die Quellen erstmals von größe21) S. Epperlein,
Zur weltlichen und kirchlichen Armenfürsorge
im karolingiWirtschaftspolitik
Ein
Beitrag
im Frankenreich,
Imperium.
Jahrbuch
zur
schen
(1963) Teil 1 S. 41-60. Der Ausdruck
für Wirtschaftsgeschichte
Systemstabilibei
Epperlein.
findet
nicht
sich
sierung"
Les pauvres au 1lloyen-age, Paris 1978. Zur
22) Vgl. dazu jetzt M. Mollat,
Tierney,
Medieval
Seite
B.
Poor Law, Berkeley-Los
rechtsgeschichtlichen
Angeles 1959.
S. 16523) Zitiert bei Mollat
Die vom Reformpapsttum
24) Vgl. dazu C. H. Brakel,
te, Studi Gregoriani 9 (1972) S. 239-311-
geförderten
Heiligenkul-
25) Vgl. G. Constable, lllonachisme et p8lerinage au 1lfoyen Age, Revue histoS.
besonders
13.
S.
3-27,
(1977)
258
rique
s
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
11
Gruppen berichten,
die gemeinsam auf eine Pilgerren organisierten
fahrt, zumeist nach Jerusalem,
gingen: Der Abt Richard von S. Vanim Jahre 1064/65 mit 700 Personen,
die auf seine
nes unternahm
Kosten an der Pilgerfahrt
teilnahmen,
Die Pilgereine peregrinatio.
fahrt des Bischofs Gunther von Bamberg und anderer hoher Geistliin der gleichen Zeit umfaßte mehrere
cher aus dem Reichsgebiet
tausend Pilger. Zu 1056 hören wir von einer großen organisierten
Pilgerfahrt
der Lütticher
nach Santiago26).
Der Aufschwung des Pilgerwesens traf auf eine im Vergleich
zur Karolingerzeit veränderte soziale Situation. Arme gab es nicht
nur auf dem Land, sondern in wachsendem Maße auch in den aufblühenden Städten. Hinzu kamen nun die durchziehenden Pilgerscharen, die - jedenfalls teilweise - auch der klösterlichen Sozialfürsorge zur Last fielen27). Seit dem 9. Jahrhundert aber hat sich (nach
Lesne) der Charakter der klösterlichen hospitalitas gründlich gewandelt. Unter dem Hospitium wird fast ausschließlich nur noch die
Beherbergung vornehmer Gäste begriffen, die Elemosyna umfaßt
jetzt die Armen- und Pilgerfürsorge, die Matrikel hat ihren Charakter als wohltätige Institution ganz verloren').
Es erhebt sich die
Frage, ob nicht wegen der Umschichtung und Einschränkung der
caritativen Dienste der Klöster einerseits, wegen der steigenden Anzahl von Leuten, die auf diese Fürsorge angewiesen waren, andererseits und wegen des gleichzeitigen Anschwellens der Pilgerströme
seit dem 11. Jahrhundert ein neues Netz eigens den peregrini dienender Hospitäler geradezu notwendig geworden ist? Jedenfalls legt die
Geschichte der Pilgerhospitäler
eine positive Beantwortung dieser
Frage nahe.
1) Richard v. S. Vannes: AA SS Juni III S. 469. Gunther
von Bamberg: Annales
Altahenses maiores, HIGH SS in usum schol. S. 66f. Lüttich: J. Stiennon,
Le
voyage des Liegeois ä Saint Jacques de Compostelle
en 1056; Melanges F.
Brüssel 1958, S. 553-581.
Rousseau,
27) Vgl. dazu Mollat
(wie Anm. 22) S. 78f. und S. lllf.
21) E. Lesne,
Histoire de la propriete ecclesiastique en France. Band 6: Les
eglises et les monasteres centres d'accueil, d'exploitation
et de peuplement, Lille
(S. 166) nimmt an, daß die Klöster im 13.
1943, S. 109 und S. 149-151. Mollat
Jahrhundert
für Hospitalitas
nur noch etwa 3-5% ihrer Einkünfte
und die Armen ausgaben.
12
LUDIVIG
SCHINGGE
Ein letzter Gedanke zur Ausbreitung von Pilgerorten und dem
Auftreten neuer Heiligenschreine sei noch angefügt: Die zu den PilHeilung
Krankheit
Waller
oft
und
suchten
von
gerorten strebenden
Gebrechen. Ihre letzte Hoffnung klammerten sie an die Schreine, da
Für
England
Mirain
konnten:
den
Ärzte
bezahlen
kaum
werden
sie
kelberichten Honorare von 40 Mark Silber genannt29). Man kann sich
fragen, ob das Pilgern im 12. Jahrhundert auch deshalb zunahm, weil
die klösterliche medizinische Versorgung zurückging und die neuen
Ärzte
sündhaft teuer waren, was auch
ausgebildeten
akademisch"
die Bezeichnung der Medizin als einer scientia lucrativa schon im 12.
Jahrhundert nahelegt. Zur gleichen Zeit entstanden auch zahlreiche
Spitäler.
städtische
3. Die Entstehung
neuer Pilgerhospitäler
im Hochmittelalter
Der seit der Jahrtausendwende anwachsende Strom von Wallfahrern forderte modern gesagt eine neue leistungsfähige Infrastruktur von Hospitälern, Straßen und Brücken für die peregrini. Diese
zuerst dort, wo der dringende Bedarf
entstand verständlicherweise
Pilgerstraßen
den
Zielen
der peregrinatio
zu
an
nämlich
auftrat,
Santiago.
Das
Rom
bedeutet nicht, daß die
Jerusalem,
und
maior:
hospitalitas der alten Benediktinerklöster
nicht auch weiterhin in
ihrem veränderten Rahmen von Pilgern in Anspruch genommen
Stifte
insbesondere
Klöster
und
waren an der Einrichauch
wurde,
tung neuer Pilgerhospitäler beteiligt, wie wir noch sehen werden.
Hospitalgründungen
in Italien
An der Via francigena
Die Straße zwischen Pavia und Rom, die Via Sancti Petri, auch
belebteStrada Romea oder auch Via fi ancigena genannt, war
der
Auf
ihr
Abendlandes`).
des
der
Pilger zu
Pilgerweg
gelangte
ste
Fuß in gut einem Monat entlang der alten Via Cassia nach Rom.
29) Finucane (NvieAnm. 1) S. 65.
30) W. Goez, Von Pavia über Parana-Lucca-San
Gimignano-Siena-Viterbo
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
13
Schon in karolingischer
Zeit fanden die Pilger hier bemerkensHospitäler
wert große und gut ausgestattete
vor. In Pavia (wo nach
Auskunft
des Opizino de Canistris noch am Anfang des 14. Jahrhunderts 16 Hospitälei-31) bestanden) hatte das Kloster Bobbio schon im
9. Jahrhundert
sowie 6 weitere Hospiein bedeutendes Xenodochium
täler mit einer Kapazität
von je 12 Betten. In Pavia wurden täglich
200 pauperes versorgt,
worunter
sicher nicht nur Pilger zu rechnen
Hospital
lag bei Casal
von Bobbio abhängiges
sind. Ein weiteres
Lugano am Adda-Übergang,
Diese Einwohl ein Brückenhospital32).
hospitalitas
benediktinischer
richtungen
werden im 10. Jahrhundert
nicht
alle untergegangen
sein.
Anders stand es mit den sogenannten hospitalia Scottorum,
welche irische Wandermönche in Italien für die Versorgung gen Rom
pilgernder Landsleute gestiftet hatten: So um 850 Bischof Donatus
von Vesolano, ein Ire, der bei der Kirche der Heiligen Brigitta in
Piacenza ein Hospital für iro-schottische Rompilger errichtete und
Ähnliche Einrichtungen
Bobbio unterstellte).
werden nordischen
Königen zugeschrieben3'). Viele dieser Schottenhospitäler
sind im
nach Rom, Köln 1972, S. 16. Zu den Straßen Italiens vgl. bes. K. Schrod,
im Königreich Italien 754-1197 (Beihefte
Reichsstraßen und Reichsverwaltung
Ospizi e
1931. Fier einen Teil des Weges: V. Di Flavio,
zur VSWG 25) Stuttgart
ospedali medievali da Antrodoco a Rieti, in: Fatti e figure del Lazio medievale
S. 97-109, Romii 1980. R. Stopani, La via Francigena in Toscana, (Collana di
Studi storico-territoriali
XI) Firenze 1984.
31) De laude Papiae, Muratori RISS IX S. 15-16.
Quellen bei C. Cipolla
),
Codice
diplomatico
del
G.
Buzzi
(Hrsg.
monaste3 Bde. (Fonti per la Storia
ro di S. Colombano di Bobbio fino all'anno MCCVIII,
d'Italia 52-54) Roma 1918; Bd. I S. 212,661; S. 234,30; S. 247,52; S. 278,60; Bd.
III S. 101-102. Die Adbreviatio
von 862 Bd. I Nr. 63 S. 184-217; De Xenodochiis S. 210-213 und S. 216. Italia Pontificia VI, 1 S. 222. A. G. Bergamaschi,
L'attivitä
ospitaliera del monastero di S. Colombano in Bobbio nell'alto medioevo
con particolare riguardo alla assistenza dei pellegrini irlandesi in Italia, in: Atti
Reggio Emilia 1962, S. 119-128.
del 1° Congr. Europeo di storia ospitaliera,
33) Cipolla
Bd. I Nr. 44 S. 165-169.
34) König Erich der Gute von Dänemark soll am Monte Bardone ein Hospital für
haben. Der isländische Abt Nikolaus
Pilger aus dem hohen Norden errichtet
hier
daß
Rompilger
freie
Kap.
4)
(s.
und
notiert,
nordische
unten
es
erwähnt
Vgl. L. Schuette,
Der Apenninenpaß
des Monte
Kost und Logis erhielten.
Historische
Studien 27) Berlin
Bardone und die deutschen Kaiser (Eberings
in: MIOG 23 (1902) S. 309.
1901, S. 32f. und Jung,
14
LUDWIG
SCITIIUGGE
Laufe des 9. Jahrhunderts eingegangen, denn schon unter Ludwig
dem Frommen fordern Synoden ihre Restituierung. Im 10. Jahrhunfür Pilger zu verspüren, die Errichtung
dert war wenig Aktivität
bzw.
921
in
Verona
931 steht singulär da').
Xenodochia
zweier
Im 11. und 12. Jahrhundert
setzte dann eine große Welle von
Hospitalneugründungen
ein, wobei wir die Leproserien
und städtioft nur schwer untervon reinen Pilgerhospitälern
schen Spitäler
im
läßt
Rahmen dieser Arbeit
Auch
können.
der ersich
scheiden
wähnte Vorgang nur an einigen ausgewählten
belegen.
beispielhaft
Pilgerverkehr
Gegenden
mit starkem
Welcher Impuls einen regelbewußten Benediktinerabt dazu anhielt, für Arme und Pilger zu sorgen, geht sehr deutlich aus der
Gründungsgeschichte des Hospitals der Badia Santa Maria in Flohatte
2.
November
Abt
Petrus
hervor:
1031 vor den Toren
am
renz
des Klosters ein Hospital gegründet und reich ausgestattet. Als vornehmste Aufgabe des Hospitals wird unter Berufung auf c. 53 der
Regula Sancti Benedicti die Fürsorge für Pilger in den Vordergrund
gestellt. Daneben gibt die Arenga eine ausführliche Begründung für
die christliche Pflicht der hospitalitas').
1) C. D. Fonseca,
Canoniche e ospedali, in: Atti del 1° Congresso europeo di
storia ospitaliera (1960), Reggio Emilia 1962, S. 482-499, hier S. 489. Auch in
(Les höpitaux en droit canoiiique, L'eglise
Frankreich
gab'es nach Imbert
et
1'etat au Moyen Age VIII: Histoire des höpitaux francais, Paris 1947) seit Ende
de traces de fondations ni de donations
9. bis Anfang 11. Jahrhundert
aux
plus
S. 35.
höpitaux",
31) Le carte del monastero Santa Maria in Firenze, ed. Schiaparelli
I Nr. 35 S.
86-93. Kaiser Konrad II. bestätigte 1034 Mai 6 die Gründung auf Intervention
der Kaiserin und des Abtes Petrus (DIGH DD K 11,210, S. 286/287). Trotz kaiserlicher Fürsorge ist das Gebäude bereits eine Generation später wieder baufällig
und Abt Petrus Damiani nimmt 1067/68 eine Restauratio vor. Offenbar war das
Hospital im Kampf zwischen reformerisch
eingestellten Mönchen und ihren GegStadt
in
der
Konvent
im
zwischen die Mühlsteine geraten. Hatten sich
und
nern
jetzt wieder die Reformer mit dem Akt der Neugründung
durchgesetzt?
Die
Urkunde bestimmt jedenfalls, daß das Hospital vorgesehen sei ad susceptionem
(Le carte
1,63, S. 158-165, Zitat S. 159,17f. ). Der
hospitum et peregrinorum
...
Besitz der Erstausstattung
wird bestätigt und durch weitere Schenkungen erPapst Alexanders
II. liegt ebenfalls vor (Schiapagänzt. Ein Schutzprivileg
Nr. 65 S. 167-170 und Nr. 73, S. 189-192. Italia pontificia 111,17,2). Ob
relli
Diplome Kaiser Heinrichs IV. ebenfalls auf diesen Vorgang zu
zwei umstrittene
ii
11
li
ýý
ý
i!
i!
d
ýý
i
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
15
Im subalpinen Raum finden wir Hospitäler an den Zugangswegen zu den Alpenpässen, so etwa im Aostatal und im Vercellese, wo
XII secolo si rafforza e si
solida
struttura
ospedaliera
ehe
nel
una
arrichisce di altre fondazioni" zu konstatieren ist und durch Schenkungen zwischen 1115 und 1173 urkundlich belegt werden kann37).
In Norditalien traten die Kanoniker als Erbauer und Förderer
von Hospitälern besonders hervor. In der Lomellina betreuten die
Kanoniker von S. Croce di Mortara mehrere hospitia. In Piacenza
wurde 1164 ein Hospital durch Regularkanoniker errichtet. In Pistoia
ließen Kanoniker der Kathedrale ein Hospital erstehen necessitatibus peregrinorum charitate debita providentes, welchem Papst Urban II. noch weitere Häuser unterstellte38).
beziehen sind, ist unklar: MGH DD H IV, 262, S. 332-336. Zur Geschichte der
Badia vgl. R. Davidsohn,
Geschichte von Florenz, Band 1, Berlin 1896, S.
115f., 127f., 161 und 191.
s7) Fonseca
(wie Anm. 35) S. 487-488.
28) Fonseca
S. 488 und S. 492 mit Anm. 14. Im Raume von Piacenza
seien
drei Hospitäler erwähnt: In der Stadt selbst haben die Bürger im Jahre 1090 zur
Sühne für die Ermordung
des Bischofs Bonizo zwei Hospitäler,
Santo Spirito
V, 509). Im weiteren Verlauf der
(Italia pontificia
und 1llisericordia
errichtet
Strada Romea errichtete
der Adlige Gandulf mit seiner Frau Gisela im Jahre
1110 bei Fontana Fredda in der Nähe des Ortes Marcaruda
ein Hospital zu
Ehren des Heiligen Petrus. Es ist im Liber Censuum mit drei Pfund Wachs
jährlich verzeichnet (LC 1,116). Seit Papst Calix II. sind auch päpstliche Schutzfür dieses Hospital erhalten (Italia pontificia V, 518). Schließlich ist
privilegien
das Hospital von St. Jakob de Madonara zu erwähnen, welches in der Pieve von
Fiorenzuola 1145 durch Bischof Arduin von Piacenza errichtet worden ist (Italia
pontificia V, 520). Nasalli Rocca weist in Piacenza seit der Mitte des 11. Jahrhunderts 8 Hospitalgründungen
besaß im 12.
nach (s. unten Anm. 114). Mantua
Jahrhundert
Das
Hospitäler.
mindestens drei auch den Pilgern offenstehende
Mathilde zurück, die es zur
älteste geht auf eine Gründung der Markgräfin
Aufnahme von Armen und Pilgern errichtet
hatte und den Mönchen von St.
Andreas zuwies. Kardinallegat
Bernhard jedoch entzog den Mönchen 1101 wedie Verwaltung
der Mathilde und
gen Unregelmäßigkeiten
mit Zustimmung
übertrug das Hospital dem Abt von St. Benedikt in Polirone, den Papst Pascha1158
lis II. 1105 im Besitz des erst jüngst neu erbauten Hospitals bestätigte.
hatte der Prior Johannes Bellus ein Hospital errichtet, für welches er von Friedrich Barbarossa ein Privileg erhalten hatte (DD F 1,221). Dieses Hospital ist von
Papst Hadrian IV. 1159 ebenfalls dem Kloster Polirone zugewiesen worden.
Im Liber Censuum (LC 1,129-130) erscheint es der römischen Kirche mit zwölf
16
LUDIVIG
SCHIINGGE
ist jedoch, dank den Forschungen
von Fein und
dor Schneider und Arnold Esch, die Kette der Pilgerhospitäler
in
der
Mitte
des B. Jahrhunläßt
Lucca39).
Hier
schon
sich,
wie
um
im 11. Jahrhundert
derts, eine zweite Welle von Hospitalgründungen
beobachten.
Auf der rund 35 km langen Straße zwischen Monte MaPilgerhospitäler
Altopascio
zehn
mindestens
nachzuweisind
gno und
sen. Die Stadt selbst ist, wie Schneider bemerkt hat, besonders reich
Am besten
bekannt
immerhin
dort
13 Hospitäler,
Spitälern.
Um
1260
es
gab
von dean
Einnahmen
St. Johannes Malenoctis,
von jährlich
nen das reichste,
der Einkünfte
des Bistums
2300 Pfund hatte, was etwa zwei Drittel
der
13
Hospitäler
Hälfte
Etwa
die
genannten
entstanden
entsprach.
In Lucca scheint auch ein ausgeprägim 11. und 12. Jahrhundert").
für die Pilgerfürsorge
Verantwortungsbewußtsein
tes bürgerliches
Häufung von Schenvorhanden
gewesen zu sein. Eine erstaunliche
ist gegen Ende des 11. JahrhunHospitäler
kungen für Luccheser
derts zu konstatieren,
als deren Zweck oftmals ausdrücklich
angegeben wird:
victum pauperu
et
m,
ad
usum
sint
peregrintoruna
eun...
"'1). Ferner ist an den Luccheser Häusern
tium et transeuntium
...
bestrebt waren,
gut abzulesen, daß die Päpste des 12. Jahrhunderts
möglichst viele Hospitäler
ten Exemtionsprivilegien,
unter ihren Schutz zu bringen. Sie erteildie meist mit der Verleihung
von Kapelle
Münze als zinspflichtig.
Mitte des 12. Jahrhunderts
Denaren Mailänder
wird
auch das dritte Hospital in Mantua erstmals erwähnt. Vielleicht lag es wie die
Erwähnung
beiden ersten, nach einer urkundlichen
von 1149 November 27 als
bezeichnet, außerhalb der Stadt, nämlich iuxta
noviter constructum
paludem et
stratam aquaeducis. Auch dieses Hospital ist im Liber Censuum mit 15 Mailän(LC II, 115, I, 125). Zu den Hospitälern
der Denaren zinspflichtig
in Mantua vgl.
Italia Pontificia VII, 1, S. 318-32011) F. Schneider,
Nachlese in Toscana, QFIAB
22 (1930/31) S. 31-86. A.
Habil. -Schrift (MS) Göttingen 1974.
Esch, Lucca im 12. Jahrhundert,
40) Seit 1076 ist das Hospital bei S. Martino belegt. Weitere Hospitäler haben bei
den Kirchen San Frediano (seit 1099), am Forum (1082), bei San Donato (1102),
bei St. Michael am Forum (1111), bei Santa Maria Forisportam,
bei San Pietro
(1097) gelegen; Aufzählung
(1140) und bei S. Reparata
Maggiore
nach
(wie Anm. 14) S. 65.
Schwarzmeier
Regesto del capitolo di Lucca (Regesta Chartarum
41) P. Guidi - 0. Pareti,
Italiae 6) Bd. 1, Roma 1910,424 (von 1077). Vgl. auch die Schenkungen für S.
Martino 224 (1076), 429 (1077), 432 (1077), 444-445 (1078), 456 (1081), 473,477,
478 (1084), 536 (1095), 614 (1101).
PILGERVERKEHR
und Friedhof verbunden waren.
50 meist italienische
Hospitäler
nungszins
zahlten
wurde das Hospital
anders
Schutz
17
IMi MITTELALTER
Im Liber
censuum der Kurie werden
die Rom einen Anerkenaufgezählt,
Schutz standen42). So
und unter apostolischem
San Pellegrino de Alpibus auf Intervention
Alex-
III.
1166 erneuert,
Im Liber
gestellt.
-tviederaufgebaut
und unter päpstlichen
censuum figuriert
es als der römischen
Kirche zinspflichtig
mit drei Goldobuli und vier Pfund Wachs. Es hat
Kaiser Heinrichs
VI. und Friedrichs
II. erspäter auch Privilegien
halten43). Auch das wichtige Hospital am Arnoübergang
bei FucecFürsorge
Alexanders
III. anheimgefallen.
chio ist der besonderen
Für die Erneuerung
der Arnobrücke
erteilte der Papst einen Ablaß
von 40 Tagen, und 1173 unterstellte
er das Hospital Altopascio44)
Schutz standen auch die Hospitäler
Unter päpstlichem
von Ponte
um 1173 durch den Herrn von Cassiobalbo gegründet und den
Päpsten aufgetragen.
Es zinste nach dem Liber censuum ein Pfund
Wachs-15). Das Hospital von Santa Maria de Cerbaria wird ebenfalls
im Liber censuum erwähnt.
Populi,
Mitten im schwierigsten Teil der römischen Pilgerstraße zwischen Lucca und dem Arnoübergang liegt das Pilgerspital von AltoAnlage sind noch
pascio. Glockenturm und Hof der mittelalterlichen
heute erhalten. Eine Glocke, die
den Pilgern in der
wies
Smarrita",
Dunkelheit die ganze Nacht hindurch den Weg durch das sumpfige
Gelände. Die Donaus Hospitalis Sancti Iacobi de Altopassu wurde
nach der Mitte des 11. Jahrhunderts errichtet. Die Umstände der
Gründung um 1080 sind nicht bekannt4G). Aber bereits Mitte des 12.
Jahrhunderts wurde das Hospital von Altopascio im Itinerar des isländischen Abtes Nikolaus als weltbekannt gerühmt47). Altopascio ist
das Mutterhaus einer weit verbreiteten Gemeinschaft geworden, des
Ordens der Jakobsritter von Altopascio, die sich der Pilgerpflege und
i-') V. Pfaff,
Jahrhunderts,
Hospitalaria,
Historisches
scholaria,
Jahrbuch
pecuniaria und die Päpste des späten XII.
97/98 (1978) S. 463-497.
Vgl. dazu Italia pontificia 111,486.
Schneider
(vie Anm. 39) S. 50f. mit Anm.
Italia pontificia 111,465.
i6) Vgl. Schneider
S. 39,56f. und 70.
4) Siehe unten S. 67f. mit Anm. 238.
2. Italia
pontificia
111,481.
18
LUDIVIG
SCFIDIUGGE
Bedeuhatten48). Die überragende
verschrieben
tung dieses reinen Pilgerhospitals
wird nicht zuletzt aus der Höhe
betrugen
1260
Einkünfte
sie sage und schreibe
ersichtlich:
seiner
6700 Pfund pro Jahr, fast doppelt soviel wie der nahe Bischof von
dem Brückenbau
Lucca einnahm`).
im Bereich
des
Teil der Pilgerhospitäler
Ein beträchtlicher
der Markgrafen
Apennin geht auf die Initiative
von Tuszien zurück.
des Grafenhauses mit der KirchenreformbeweDie enge Verbindung
der Mathilde
Freundschaft
dem
Papst
die
insbesondere
mit
gung,
Einfluß
dem
Gregors VII.,
Unter
Anbekannt.
Gregor VII.,
sind
Aosta
des
Kardinals
Bernard
Anselms
Lucca,
und
von
selms von
Uberti hat sich Mathilde besonders der Armen und Pilger angenomNutzen
Sie
das
ihrem
1102
übertrug
Stiftungen
gemacht.
zu
und
men
Hospital von Mantua an die Abtei S. Benedetto di Polirone, gründete
in Bombiano und unterstellte
1098 das Michaels-Hospital
es dem Hl.
S.
Paßhospital
das
Pellegrino
im Apennin
Petrus,
auch
vielleicht
(bei
(1110 erstmals erwähnt), von welchem zwei weitere in Cittanova
Modena) und Sassuolo abhingen. Ferner übertrug
sie das Hospitale
Auch bei der
S. Geminiani iuxta Alpem (1105) der Abtei Frassinoro.
Marola
Abtei
hat
Mathilde
es wohl ein Hospital
gegründeten
von
in
Lucca
Martins-Hospital
ihren
Das
nahm sie unter
gegeben.
Schutz, vielleicht hat sie auch Altopascio mit Schenkungen begabt").
An zwei Beispielen aus Süditalien soll die Entwicklung der Pilgerhospitäler und des Pilgerverkehrs noch weiter erläutert werden,
an Bari und Monte San Angelo.
San Nicola in Bari
Die Translation der Reliquien des Heiligen Nikolaus von Myra
in Kleinasien nach Bari 1087 war ein kühner kirchenpolitischer Coup,
durchgeführt von 62 Kaufleuten, Klerikern und
Bari,
aus
Marinai"
48) Siehe unten S. 62 mit Anm. 214.
S. 36.
49) Vgl. dazu Schneider
del Rio,
60) Vgl. dazu M. Bertolani
Illemorie
Atti
in:
infermi,
e
grini e agli
8
(1956)
VIII,
Ser
modenesi
provincie
delle Alpi in Garfagnana, Roma 1926,
Matilde di Canossa e 1'assistenza ai pelledella Dep. di Storia patria per le antiche
S. 35-67 und A. Mercati,
S. Pellegrino
S. 80.
PILGERVERKEHR
19
IM MITTELALTER
Situation
der der Stadt in politisch noch instabiler
einen neuen Patron bescherte51). Nicht zuletzt mit Hilfe der römischen Kurie verbreitete sich der Ruhm des Heiligen Nikolaus in Windeseile über die
Christenheit.
Papst Urban II. weihte persönlich die Krypta der neuim
en Basilika des Heiligen schon zwei Jahre nach der Translation
insbesondere
Jahre 1089. Bald danach setzte - begünstigt
durch die
Bari ein. Schon im Jahre
Pilgerverkehr
Kreuzzüge
nach
ein
reger
de Civitate Bari in einer
Sancti Nicolai
1101 wird das ospitalium
Schenkung Herzog Boemunds erstmals erwähnt. Es dürfte bald nach
zeitgleich mit der Basilika erbaut worden sein62). Das
Hospital,
dessen Rector et guver nator (! ) der vir egregius de civitate
Bari Urso war, welcher 1134 als Prior hospitalis
erstmals erwähnt
beati
civitate Bari in curte Ecclesiae
wird, lag intus in predicta
53). Hier in Bari entstanden also kurz nach der Translation
Nicolai...
die notwendigen
Einrichtungen
für Unterbringung
und Versorgung
des Heiligen Nikolaus strömenden
Pilger. Auf
der zu den Reliquien
die Pilgerhospitäler
entlang der apulischen Küste über den Monte
Gargano kann hier nicht eingegangen werden. Eine Reihe von Hospider Translation
tälern
wurden
im 12. Jahrhundert
von den Päpsten
privilegiertTM).
ai) Dazu zuletzt A. Pertusi,
La contesa per le reliquie di San Nicola tra Bari,
Venezia e Genova, in: Quaderni medievali 5 (1978) S. 6-56.
I") Codice diplomatico barese V: Le pergamene di S. Nicola di Bari, ed. F. N itti
di Vito, Bari 1902, Nr. 34 S. 59.
1) Codice diplomatico V, 82, S. 141,5f. Für die weiteren umfangreichen
SchenS. 148f., 110, S. 186f.
kungen an das Hospital vgl. CD Ban V, 83, S. 143,7,86,
5) Vgl. das Hospital bei Foggia, welches ein Privileg Papst Alexanders
III.
in
IX, 226. Das Hospital der Johanniter
Italia pontificia
erhielt (1167-1169)),
III. ebenfalls unter päpstlichen Schutz genomBarletta wurde von Alexander
men (Italia pontificia IX, 305) und schließlich erhielt das Hospital bei San LeonarSchutzurkunde
(Italia pontificia
do di Siponto schon 1137 eine päpstliche
IX, 262-265). Das Hospital zahlte dem Papst jährlich eine Unze Gold. In Barletta gab es auch ein offenbar um 1195 von einem gewissen L. de Brundisio gegründetes Hospital zu Ehren des Heiligen Thomas, welches Anfang des 13. Jahrhunderts reich von Bürgern und Adligen aus Barletta und Umgebung beschenkt
übernommen wurde, die auch 1260 das
wurde, dann aber von den Deutschherren
Hospital von San Leonardo di Siponto übertragen
erhielten (vgl. dazu Italia
Barese X, 37, S. 57,60, S. 85,66-85
pontificia IX, 304 und Codice Diplomatico
und 102f. ). Wir können am Beispiel Barlettas und Sipontos sehr schön sehen,
immer mehr Hospiim Laufe des 13. Jahrhunderts
wie die großen Hospitalorden
20
LUDIVIG
SCHIINGGE
Sankt Michael auf dem Monte Gargano
Das Michaelsheiligtum
auf dem Monte Gargano
Zeit
ältere Tradition
als Bari. Schon in langobardischer
Erzengel
Michael
Pilgerverkehr
zu
zum
nuierlicher
Doch hört man gegen Ende des 11. Jahrhunderts
nichts
hat eine viel
ist ein kontikonstatieren.
von entspredas
Klobei
dem
Dann
Heiligtum.
Einrichtungen
gründeten
chenden
Graf
Heinrich
der
Cassino
lokaler
Adliger,
Monte
von
und
ein
ster
Urkundliche
Monte Sant'Angelo,
um 1098 ein Pilgerhospital).
und
Jahre
lassen
der
bis
Quellen
1098
1105
die
Vorgänge
uns
erzählende
Im Jahre 1098 überläßt Graf Heinrecht deutlich rekonstruieren):
Abt
dem
Johannes
Sant'Angelo
de
Onkel,
Monte
seinem
rich von
Land außerhalb der Stadt Monte Sant'Angelo,
um ein Xenodoin
Pilger
der normanfür
Graf
Heinrich
erscheint
zu
errichten.
chium
nischen Geschichte zwischen 1078 und 1101 vor allem in Opposition zu
1084 steht er in Verbindung
Robert Guiscard, seit mindestens
mit
Ort suptus
dem Kloster Monte Cassino. Der dem Abt überlassene
quae perget Sipontum
umschrieben.
wird sorgfältig
viam publicam
des
Nach zwei Jahren bestätigt
Papst Paschalis II. die Errichtung
Hospitals durch den Abt Johannes de Curte. Er gewährt dem XenoCurte
dochium
die Immunität
von der gräflichen
Gewalt
und das Recht,
übernahmen, die sich in ihrer Struktur und Orgatäler und Pilgereinrichtungen
worden war, nämlich als Klerientwickelt
nisation, wie sie im 12. Jahrhundert
ker- bzw. Laiengemeinschaft,
nicht mehr halten konnten. Vgl. zusammenfasCulto e pellegrinaggi
send A. Gambacorta,
a San Nicola di Bari fino alla prima
(vie Anm. 1) S. 485-502.
crociata, in: Pellegrinaggi
65) Vgl. dazu Italia pontificia IX S. 247/248. Ferner A. Petrucci,
Aspetti del
di S. Michele Arcangelo sul Monte Gargano, in: Pelleculto e del pellegrinaggio
Note di diplomatica norgrinaggi ... (wie Anm. 1) S. 145-180. A. Petrucci,
Conte
di
Montesantangelo
in:
Enrico
documenti,
Bullettino
II:
i
ed
suoi
manna
Le Colonie
dell'Istituto
storico Italiano 72 (1960) S. 135-180, D. T. Leccisotti,
Cassinesi in Capitanata IV: Troia, Miscellanea Cassinese 29, Montecassino 1957,
Le Colonie Cassinesi in Capitanata II: Il Gargano, MiscellD. T. Leccisotti,
Montecassino
1938
Gargano
Il
Santuario
di
S.
Michele
15
Cassinese
und
sul
anea
Atti
dal VI al IX Secolo, Contributo
alla storia della Langobardia
meridionale,
1978, a cura di C. Carletti
G. Otranto
(Vetera Christiadel Convegno
...
Bari
2)
1980.
Scavi
ricerche
e
norum,
MGH SS 34, Hannover
5') Chronik von Monte Cassino, ed. H. Hoffmann,
1938, S. 29-32.
1980, Buch 4c 24 S. 491. Leccisotti
PILGERVERKEHR
IM MIITTELALTER
21
Schenkungen entgegenzunehmen57). Im April des Jahres 1100 überträgt Graf Heinrich auf Bitten des Abtes Johannes das Pilgerhospital
dem Abt Oderisius von Monte Cassino68). Außerdem schenkt Graf
Heinrich dem Hospital umfangreiche Besitzungen. Nach dem Tod
Graf Heinrichs bestätigt sein Bruder Wilhelm alle dem Hospital und
damit Monte Cassino gemachten Schenkungen60).
Es scheint, daß der Hauptopponent gegen Robert Guiscard und
Roger I. einen Großteil seiner Besitzungen der Hand und dem Zugriff des Gegners durch die Übertragung an Monte Cassino und das
Pilgerspital entzogen hat. Denn 1105 eroberten Truppen Rogers den
Monte Sant'Angelo, und seit 1106 treffen wir dort residierend einen
normannischen Katepan, der im Namen des Herzogs regiert. Die
Grafschaft Heinrichs ist damit jedenfalls untergegangen, seine Besitzungen sind jedoch zum Teil dem Hospital verblieben. Der Katepan
erscheint zuerst in einer Urkunde des Jahres 110650).Aber die Normannen belassen das Hospital vom Monte Sant'Angelo im Besitz des
Klosters Monte Cassino. Auch die Päpste bestätigen im Laufe des 12.
Jahrhunderts regelmäßig diesen Besitz der Abtei61)
Pilgerhospitäler
in Frankreich
Frankreich weist von allen Landen der Christenheit bei weitem
die größte Anzahl von Pilgerorten im Mittelalter auf. Es wird nicht
nur von den vier klassischen Pilgerstraßen nach Santiago durchzogen, der Via Tolosana, Via Podiensis, Via Lemovicensis und der Via
Turonensis, sondern hier gibt es so alte und traditionsreiche Pilger57) Leccisotti
1938, S. 33-34.
58) Leccisotti
1957 S. 171-173.
s9) Leccisotti
1938 S. 35-46.
60) Leccisotti
1938 S. 47-49.
6i) Vgl. Italia pontificia IX, 247. Ferner H. Dormeier,
11lontecassino und die
Laien im 11. und 12. Jahrhundert,
Schriften der MGH 27, Stuttgart
1979, S. 49
La Terra di S. Benedetto. Studio storico-giuridico
und 61-62 sowie L. Fabiani,
di Montecassino dall' VIII° al XIII° secolo (Miscellanea Cassinese
sull'Abbazia
33-34)3 Bde., Montecassino 1968. Ferner M. S ensi, Pellegrinaggi
a Montesantangelo al Gargano dei notarili della Valle Spoletana sul Galare de medioevo,
Campania sacra 8-9 (1977/78) S. 81-120.
22
LUDWIG
SCMIUGGE
in Tours, die Heiligtümer
der Mutter
ziele wie das Martinskloster
Gottes in Rocamadour und Le Puy, den Schrein der Heiligen Fides in
Conques oder das Grab der Maria Magdalena in Vezelay (bzw. in St.
Maximin).
Gegenüber dem bisher untersuchten italienischen Raum läßt
der Hospitalsich in Südfrankreich eine leichte Zeitverschiebung
gründungen feststellen, und zwar weiter in das 12. Jahrhundert.
Eine Ausnahme macht offenbar nur das Gebiet um die Stadt Toulouse. Generell hat man ferner festgestellt, daß die Languedoc in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gekennzeichnet ist par une
de
la
des
problemes
pauvrete et de la miseconscience plus accusee
re"62). Die Testamente und Schenkungen, insbesondere des niederen
Adels, lassen einen Wandel der Schenker-Mentalität
zugunsten der
caritativen Einrichtungen im Laufe des 12. Jahrhunderts erkennen.
Man entwickelte mehr Sinn für die Armut. Nutznießer dieser Tendenz waren auch die Pilger, die in den Hospitälern Aufnahme fanden.
In der südlichen Languedoc entfaltete sich der weitaus größte
Teil der caritativen Einrichtungen (Hospitäler, Caritates und LeproAuch
im
Rouergue gab es eine Welle
1230.
1150
und
serien) zwischen
im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert
von Hospitalgründungen
Pilgern
Betreuung
der
dem
Zweck
von
mit
und Reisenden. Im Gebiet um Avignon schossen seit dem Ende des 12. Jahrhunderts Hosdem
Boden:
Ende
Pilze
des 13. Jahrhunderts besaß
aus
wie
pitäler
Avignon etwa 10, um 1350 zwischen 15 und 25 Hospitäler.
monde
Le
höpitalier que se developpe entre 1180 et 1350 est done lie tres etrola route des echanges du pelerinage""). Die Stadt Naritement ä
...
bonne hatte am Anfang des 13. Jahrhunderts sechs Hospitäler aufzuweisen, von denen vier in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts
die
beiden
sind,
während
andern, das der Hospitaliter
entstanden
1) S. F. Roberts,
Les consulats du Rouergue et l'assistance urbaine
au 13Pme
et au debut du 14eme siecles, Cahiers de Fanjeaux 13 (1978) S. 131-146, Zitat
(wie Anm. 22) S. 127f. und
139. Vgl. für den französischen Raum jetzt Mollat
insbesondere Bd. 13 der Cahiers de Fanjeaux: Assistance et charit6, Toulouse
1978, besonders die Arbeiten von N. Coulet
und J. Chiffoleau.
1) J. Chiffoleau,
Charite et assistance en Avignon et dans le Comtat Venaissain (fin XIIIe
- fin XIVe), Cahiers de Fanjeaux 13, S. 59-85, S. 63.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
23
und der Templer, erst 1177/91 bzw. 1204/12 errichtet wurden. Weitein der nur
kamen im 13. bzw. 14. Jahrhundert
re acht Hospitäler
In
etwa 28000 bis 30000 Einwohner
zählenden Stadt noch hinzu').
Arles entstanden
die 16 Hospitäler
in und um die Stadt zwischen
des Hospitals
1116/19, der Gründungszeit
Darunter
befanden sich mindestens
vier
der Johanniter,
und 1254.
die allein auf
Hospitäler,
Pilgerbetreuung
waren, so auch das Johanniterhospital,
spezialisiert
zerstört wurde, bis dahin aber das größwelches im 14. Jahrhundert
te Hospital der Stadt war`5). Aix kannte bereits im 11. Jahrhundert
Palais. Im 12. Jahrhundert
kamen
ein Hospital beim erzbischöflichen
die Hospitalorden
in die Stadt, die Templer
1185, die Hospitaliter
gab es dann am
zwischen 1130 und 1192. Neun weitere Hospitäler
in Aix).
Anfang des 13. Jahrhunderts
Wie in Aix der Erzbischof,
so
das Kloster von Saint-Victor
leisteten in Marseille
und der Bischof
den Löwenanteil
bis ins 12. Jahrhundert
der Fürsorge für Arme und
Pilger. Erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts
machte die expansive
für Pilgerreisen
als Ausgangspunkt
Heilige Land einen Ausbau notwendig:
1188 gründeten
vom Heiligen Geist hier ein Hospital17). Um 1260 gab es
in Marseille,
und eine Leproserie
zehn Hospitäler
Michaelshospital,
am Anfang des 13. Jahrhunderts
von
der Stadt
Situation
für Pilger bestimmt
ausdrücklich
in der Stadt.
sich auch ein Johanniterhospital
Roquefort
befand
gegründet,
zur See ins
die Brüder
dann an die
das
wobei
der Familie
war. Ferner
Toulouse ist geradezu als eine
des PilgerverDrehscheibe
kehrs" zwischen Rom, Santiago, Notre Dame du Puy, Sainte-Foi-deConques, Notre Dame de Rocamadour und dem Montserrat bezeich')
Vgl. J. Caille,
Hbpitaux et charitb publique ia Narbonne au Moyen Age (fin
Hospices et assistance ä NarXIe - fin XV s. ) Toulouse 1978 und J. Caille,
bonne, Cahiers de Fanjeaux 13 (1978) S. 261-280.
') G. Giordanengo,
Les höpitaux arlesiens du XIIe au XIVe siecle, Cahiers
de Fanjeaux 13 (1978) S. 189-212.
') Grundlegend N. Coulet,
Hbpitaux et oeuvres d'assistance dans le diocese et
(1978)
Fanjeaux
13
la ville d'Aix-en-Provence.
de
XIIIe
XIVe
Cahiers
Ali
s.,
S. 213-237, bes. S. 221f. und N. Coulet,
Un gite d'etape: Les auberges it Aixen-Provence au XVe siecle, Senefiance 2 (1976) S. 105-120.
'-') P. Amargier,
La situation hospitaliere a Marseille, Cahiers de Fanjeaux 13
(1978) S. 239-260, bes. S. 239f.
24
LUDWIG
SCHMUGGE
hat es in
Eine erste Welle von Hospitalgründungen
net worden).
des KloReform und der Aktivitäten
der Folge der gregorianischen
sters Cluny in der Stadt gegeben, eine zweite setzte ab Mitte des 12.
(wie auch anderswo in Südfrankreich)
Jahrhunderts
ein als Zeichen
Beteiligung
des neuen Armutsbewußtseins
starker
unter
schenLaien. Eine dritte Phase begann in Toulouse nach
kungsfreudiger
Die Daten für die etwa 25000
dem Abschluß der Albigenserkriege.
bis 30000 Einwohner
zählende Stadt hat John Mundy zusammengedie Kanoniker
von Saint-Sernin
stellt: Um 1075 richteten
ein HospiSt. Raymond) ein, welches das größte in der Stadt
tal (Patrozinium
übernahmen
war. Die Johanniter
um 1114 das Hospital von S. Remeder Daurade hatten ein Hospital,
welches zwizy; die Benediktiner
schen 1119 und 1130 erwähnt wird, 1148 wird ein Hospitale
portae
Grand-Selve
Arnaldi
Bernardi
Zisterzienser
die
von
genannt;
unterhielten am Ende des 12. Jahrhunderts
ein Hospital in der Stadt, eine
laikale Stiftung
ursprünglich
von 1147 und 1178, welche aber am
Ende des 13. Jahrhunderts
in ein Kolleg umgewandelt
wurde. Auch
das Hospital des Klosters Moissac geht auf Schenkungen
Toulouser
das
Cluniazenser-Kloster
ferner
Hospitäler
besaßen
zurück.
Saint Pierre-de-Lezat
von Roncevaua.
sowie das Pyrenäenhospital
Insgesamt zählt Mundy für die Zeit bis Mitte des 13. Jahrhunderts
15
Bürger
Hospitäler
auf, 5 davon gehen auf das späte 11. oder frühe 12. Jahrhundert zurück, 6 weitere sind in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts oder am Anfang des 13. vor den Albigenser-Kriegen
gegründet
für Pilger bestimmt
waren unter den Toworden69). Überwiegend
der
losaner Hospitälern
Jakobshospital
das
an
alten Brücke, das
wohl
Jakobshospital
die Hospitäler
im Burgus (Petit-Saint-Jacques),
von
Saint-Sernin,
von Saint-Raymond,
von Notre-Dame-de-la-Daurade,
das Hospital
der Abtei Grand-Selve
und das Hospital
von NotreDame-du-Puy.
vergleichbar
In kaum einer anderen Stadt
dichtes Netz von Pilgerherbergen
Frankreichs
war
ein
vorhanden.
c'8) R. De la Coste-Messeliere
des pelerins ä TouL'accueil
G.
Jugnot,
louse, Cahiers de Fanjeaux 15 (Le pelerinage) 1980, S. 117-135, Zitat S. 119.
69) Grundlegend für Toulouse: J. Mundy,
Charity and Social Work in Toulouse,
1100-1250, Traditio 22 (1966) S. 203-287, bes. S. 235f., sowie Anm. 68.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
25
Raum ist auf ein weiteres PhänoIm südfranzösisch-spanischen
welches aus dem Zusammenspiel
von Pilgerfahrt
men zu verweisen,
Die Forschungen
und Siedlung erwuchs: die Salvitates.
von Lacarra
und Higounet sowie von Flach und Ourliac haben auf die Anlage von
Salvitates
entlang dem Weg zum Grab des Apostels Jakobus aufmerksam gemachti0). Diese Salvitates entstanden seit der Mitte des
11. Jahrhunderts,
am Pilgerweg,
von den Klöstern
gegründet
als
für PilNeusiedlungen
zum Schutz für die Schutzlosen,
privilegierte
Sehr treffend
heißt es im Privileg
Herzog Wilger und Kaufleute.
für die Salvitas von Bordeaux:
Confir»mo
helms IX. von Aquitanien
illuc
et qui ad orationem
eidem loco, ut omnes peregrini
et mnervenerunt in toto, via eundo et redeundo secui-i sint, similiter
Intra termivel ad mnercatum illuc venerunt.
catores qui ad feriam
securi sint sive ntilites sive rustici mercanos gutem ipsius salvitatis
"71).
tores omnesque homines
...
ist auch bei den Salvitates
Aber wie schon bei den Hospitälern
das Primäre
der Pilgerverkehr
und die Errichtung
von Salvitates
salvitatem
Bedürfnisse
auf vorhandene
von Kaufleuten
eine Reaktion
und Pilstellt ganz eindeutig fest, daß die Sauvetes dem Pilgern. Higounet
de ces chemins
gerweg folgen und nicht umgekehrt.
L'existence
...
l'emplacement
des sauvetes"72).
et le döveloppement
a determind
der Franci entlang
Auch in Spanien geht die Siedlungsbewegung
dem Camino de Santiago südlich der Pyrenäen mit dem Auftreten
der Salvidades
(Extremdaten
1027 bis 1141) einher73).
Einen wesentlichen Anteil an der Entstehung von Pilgerhospitälern in Frankreich haben die Santiagopilger. De la Coste-Messeliere
hat die nachweisbaren Pilgerhospitäler von Straßburg und Lille bis
zu den Pyrenäen verkartet und faßt seine Resultate wie folgt zusamLes chemins de Saint-Jacques et les sauvet6s de
10) Vgl. dazu C. Higounet,
Gascogne, Annales du Midi 63 (1951) S. 293-304 mit der älteren Literatur.
de
Ferner J. M. Lacarra,
La repoblaci6n de las ciudades, in: L. Vazquez
Parga
Riu, Las peregrinaciones
a Santiago de
- J. 31. Lacarra
- J. Uria
Compostela, 3 Bde., Madrid 1949, Bd. I S. 465-497.
71) C. Higounet,
Bordeaux pendant le moyen-age, Histoire de Bordeaux 2,
Bordeaux 1963, S. 243 Anm. 33.
i2) Higounet
(, wie Anm. 70) S. 300.
7a) Vgl. dazu Higounet
S. 302.
26
LUDWIG
SCHMUGGE
men: La carte confirme d'abord que la densite de ... reseau hospitalier saint-jacquaire s'accroit au sud de la Loire, ä fest de son cours
superieur et du Rhone, et de plus en plus en approchant des Pyreneesi74).
Ein ähnliches Netz von Pilgerhospitälern ist in der Normandie
um den Mont Saint Michel zu bemerken. Das Michaelsheiligtum war
Im 9. Jahrhunschon im B. Jahrhundert ein bekannter Wallfahrtsort.
dert wurden dort die Gebäude, welche Pilger beherbergen sollten,
in Genets (nordöstlich des
vergrößert,
ein Hospital existierte
Mont)').
1060 wurde dort übrigens - wie in Altopascio - ein Glokkenturm zur Orientierung für irrende Pilger im Nebel erbaut, und im
12. Jahrhundert rissen die Pilgerströme (nach dem berühmten Preisgedicht des Mönches Wilhelm v. Saint-Pair) nicht ab. Häufig kam es
zu Unglücksfällen, so 1318, als 13 Pilger im Gedränge beim Heiligtum
erdrückt wurden, 30 im Meer ertranken oder im Treibsand umkamen. Im Jahre 1368 (nach dem Register von S. Jacques, Paris) fanden 16690 Pilger zum Mont S.
S. Jacques UnterHospital
im
-Michel
kunft, pro Nacht etwa 45
Bouhier
hat gezeigt,
pelerznss76).
povres
wie das Kloster vom Mont S. Michel für die zum Erzengel strömenden Pilger noch im 10. Jahrhundert im direkten Umkreis des Mont,
dann im 11. Jahrhundert bis zu 15 km entfernt Hospitäler einrichtete
und die Betreuung der Pilger in Absprache und mit der Hilfe der
Nachbarabteien organisierte (Savigny, 0. Cist; Caen, Tours, Marmoutier, La Lucerne, 0. Praem; Montmorel, Augustiner). Weitere
Hospitäler entstanden, bis das Versorgungsnetz um 1250 voll
ausge74) R. De la Coste-Messeliere,
Importance reelle des routes dites de SaintJacques
Bulletin philologique et historique du comitd des travaux historiques
-,
et scientifiques 1969, Paris 1972, S. 451-470, Zitat S. 468/469, Karte S. 470. Vgl.
Sources et illustrations
de l'histoire
auch R. de la Coste Messelidre,
des
dtablissements
hospitaliers
et du polerinage de Saint-Jacques de Compostelle:
des passages du Loire au grand chemin
chaussd des polerins de Saint-Jacques,
Bulletin de la Socidtd historique et scientifique des Deux-Sevres
sdr. 2,12: 2-3
(1979) S. 113-216.
45) Grundlegend
Milldnaire
du Mont Saint-Michel,
4 Bde., Paris
monastique
Culte du Saint Michel et polerinage au Mont, 1971, darin beson1966-1971,3:
dem E. R. Labande,
Les p8lerinages au Mont Saint-Michel pendant le Moyen
Age (Milldnaire
monastique Bd. 3 S. 237-250).
76) Dazu Labande
S. 240-245.
PILGERVERKEHR
IMI MITTELALTER
27
baut war77). Als
in der Norentwickelten
sich
Anschlußpilgeroi-te"
mandie schon vor 1100 neben dem Mont vier weitere, viel besuchte
Schreine: St. Ouen in Rouen, Fecamp (Hl. Blut-Reliquie), Fontenelle
(Hl. Wulfram) und Coutances (N. Dame), wo es bereits im 12. Jahrhundert diversa et congrua hospitia gab78).
Pilgerhospitäler
in Spanien
gleichzeitig mit der Entwicklung in Italien, wenn
nicht sogar etwas früher, entstand am Pilgerweg nach Santiago de
Compostela der größere Teil der Pilgerhospitäler schon im 11. Jahrhundert. Ubieto Arteta hat festgestellt, daß der
turisticoComplejo
hotelero del camino de Santiago" zwischen 1070 und 1080 sich herausbildete'). Der Prozeß entlang dem Camino frances ist etwas früher
abgeschlossen als in Italien, während - mit Ausnahme von Toulouse
Phasenverschiebung
in
Südfrank
Jahren
100
eine
von
etwa
eich
bei der Gründung von Pilgerhospitälern
zu beobachten ist.
Mindestens
lassen sich
Pilgerbetreuung
Die ersten Anfänge organisierter
ausmachen.
am Weg nach Santiago schon Ende des 9. Jahrhunderts
König Alfons III. der Kirche von Orense die Errich866 gestattete
tung eines Hauses pro susceptione peregrinorumn
et sustentationibus
Urias wurde die Pilgerversorgung
in
Nach dem Urteil
pauperum.
77) C. Bouhier,
Les chemins montais dans les anciens dioceses d'Avranches et
de Coutances, in: Milldnaire monastique du Mont Saint-Michel Bd. 3, Paris 1971,
S. 251-270, bes. S. 269.
78) Vgl. L. Musset,
Recherches sur les pelerins et les pelerinages en Normandie jusqu'ä premiere croisade, Annales de Normandie
12 (1962) S. 127-150,
Zitat S. 148.
J.
;g) Für Santiago grundlegend:
de Parga - J. M. Lacarra
L. Vazquez
Uria Riu, Las peregrinaciones
a Santiago de Compostela, 3 Bde. Madrid 1949.
A. Ubieto
Arteta,
Los primeros afios del Hospital de Santa Cristina del
Somport, Principe de Viana 27 (1966) S. 267-276, Zitat S. 273. Vgl. ferner zum
du reseau d'assistance aux
Santiagopilgenveg
G. Jugnot,
Le developpement
pelerins en Navarre de la fin du 106me siecle au debut du 14eme, in: Assistance
Socidtes
des
Congres
jusqu'ä
du
Actes
1610,
97e
savantes
national
assistds
et
Paris 1979, S. 223-239 und
(Nantes 1972) - Section de philologie et d'histoire,
H. Treuille,
Les hbpitaux de pelerins entre la Basse-Garonne et le Pays Basque, ebenda S. 241-249.
28
LUDWIG
SCH1üUGGE
Spanien bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts
von den Klöstern wahrgenommenSO).
noch fast ausschließlich
Im 10. und 11. Jahrhundert
setzten dann Hospitalgründungen
ein: 971 durch Gf. Garcia Fernandez bei Näjera, 1047 durch Gf. Gomez in Arconada: Er gründete ein cenobiurn eleemnosynarium
convein
Arconada
villa
nientium
pauperum
vel hospitum
secus
...
...
fundatam
temporibus
euntium
stratam
vel regredienab antiquis
tium Sancti Petri et Sancti Iacobi apostoli"81). Bis Mitte 11. JahrhunSahagün,
dert wurden Hospitäler
in
Viela, Vascones,
errichtet
neu
Arconada, Näjera und Santo Domingo de la Calzadaß`). 1050 (? ) grünbeim Kloster Irache
dete König Garcia ein ospitium
peregrinorum
und stattete es aus83); 1103 König Alfons VI. in Copiän (Mieres bei
Oviedo)
in monte Copeane - ubi sedeatfacta
alberqueria
...
... ende
hospitium
divites
8-'),
habeant transeuntes
1200 wurde
et
pauperes
...
ille locus, qui tam vaste solitudinis
das Hospital neu besiedelt
ut
...
et alii ... transeuntes
erat, populetis
et peregrini
possint evadere
tam rerum quarr cor porum, quod a raptoribus
periculum
et predonibus et perversis hominibus
mztltos in eodein loco frequenter
cognoviJahrhunderts
des
11.
Mitte
incurrisseßs).
der
Ab
traten Laimus
Geistliche
(Bischöfe und Mönche),
Grafen)
(Könige,
und
enfürsten
durch Stiftungen
für Santiagopilger
heraber auch einfache Kleriker
des 12. Jahrhunderts
schenkte ein Kleriker
vor: Im ersten Drittel
Michael in Pamplona seine Häuser, damit sie als Hospital dienten ad
transettntium88);
in Leon
receptaculum
pauperumz et peregrinorttm
1084 ein Hospital vor
waren es die Bischöfe Pelagius (er errichtete
der Kathedrale
für omnes pauperes, debiles, claudi, ceci, nudi, aliain timore Christi hospitium
peregrini
rumque provinciarumn
quereninvenientes,
tes, refectionem
quietem noctis gaudentes87),
corporis
80) Uria
Riu (wie Anm. 79) Bd. 1 S. 286-
81) Lacarra
sz) Uria Riu
8s) Lacarra
tung. 1054).
84) Lacarra
8) Lacarra
ac) Lacarra
87) Lacarra
(wie Anm. 79) Bd. 3 Nr. 36 S. 44.
(wie Anm. 79) Bd. 1 S. 294.
(wie Anm. 79) Bd. 3 Nr. 37 S. 44/45 und Nr. 38 S. 45/46 (AusstatBd.
Bd.
Bd.
Bd.
3
3
3
3
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
42
57
44
40
S.
S.
S.
S.
49/50.
62-63.
51/52.
47/48.
PILGERVERKEHR
IAI bIITFELALTER
29
in Santiago stiftete Bischof Diego Gelmirez schon vor
und Peter);
Bei den Orden sind neben Cluny und
seiner Wahl ein Pilgerhospital.
Citeaux die Augustinerchorherren
besonders gut vertreten
mit ihfür die Pilger. Von den spanischen Ritterorden
rem Engagement
Für das 12.
sorgte nur der von Santiago für die Compostela-Pilger.
Jahrhundert
kann daher festgestellt
werden: Las peregrinaciones
Die hohe Zahl von Hospitälern
in den
son una cosa organizadai&9).
Städten erklärt
sich zum Teil aus der geringen Bettenzahl
und aus
ihrer Organisationsform
In Burgos gab es 25 (nach
als Bruderschaft.
De la Coste-Messeliere
22 Hospitäler.
Nur
sogar 31), in Astorga
Stil erbaut wie das Hospital del Rey in
wenige waren im basilikalen
Burgos und von größerer Kapazität90).
Besonders gut untersucht sind auch die Pilgerhäuser im Bereich der Pyrenäen. Zwischen Bordeaux, der Dordogne und den Pyrenäen (Ostabat), entlang den beiden von den Pilgern bevorzugten
Straßen, Bordeaux - Bäline - Sordet - Ostabat - Roncevaux sowie
Pdrigueux - Ostabat - Roncevaux, sind eigene Pilgerhospitäler,
wie Treuille gezeigt hat, seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts zu
beobachten91). In Bordeaux gründete 1119 Graf Wilhelm IX. von
Aquitanien das Hospital Saint-Jacques, aber die Hospitäler an der
Straße La Reole im Perigueux nach Ostabat scheinen noch älteren
Datums zu sein als die an der näher am Meer gelegenen Route. Im
Raum des ungastlichen Pyrenäenlandes Navarra bot die Beherbergung der Jakobspilger besondere Schwierigkeiten92). Im Dreieck
zwischen Ostabat, Jaca und Estella, dem Knotenpunkt der Jakobswege, entstanden die Hospitäler schon am Anfang des 11. Jahrhunderts, zuerst mit Unterstützung
des Königs von Navarra und der
Benediktinerklöster
Iraje, Leyre und Iranzu, bei denen bis etwa
s') Lacarra
Bd. 3 Nr. 48 S. 54-55: 1123.
s') Uria (wie Anm. 79) Bd. 1 S. 288.
80) Uria S. 362ff. Vgl. U. Craemer,
Das Hospital als Bautyp des Mittelalters,
Köln 1963.
91) Vgl. dazu H. Treuille,
Les höpitaux de p8lerins entre la Basse-Garonne et
le pays basque. Assistance et assistes
(wie Anm. 79) S. 241-249.
...
g) G. J ugn ot, Le d8veloppement
du reseau d'assistance aux pelerins en Navarre de la fin du die siecle au debut du KIVe siöcle. Assistance et assistCs ...
S. 223-239, Karte S. 225.
30
LUDWIG
SCMIUGGE
1059 je ein Pilgerhospital errichtet wurde. Nach einer Phase der
Stagnation während der Barbastrofeldzüge kamen die Augustinerchorherren in das Gebiet und gründeten sogleich Hospitäler (Jaca,
Pamplona, Conques mit seinen navarresischen Dependancen, ferner
Estella (1090) und Puente la Reina unter königlich-navarresischer
Protektion). Die Präponderanz der Kanoniker, besonders seit der
Übernahme von Roncevaux (zwischen 1127 und 1134) nebst den Filialen beiderseits des Passes ist bis ins 14. Jahrhundert unbestrittenl3). Daneben spielten der Bischof von Pamplona und die Johanniter hier nur eine begrenzte Rolle. Bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts ist eine regelrechte Hospitalkette im Raum zwischen Bordeaux
und Navarra voll ausgebildet.
Gebiete abseits des Santiago-Pilgerrwvegs
die spanischen
informiert,
Barcelofür
doch
lassen
umfassend
sich
so
sind wir nicht
Pilger
Angaben
für
Bedeutung,
Hafenstadt
von
einige
auch
na, als
besaß schon im 11. Jahrhundert
ein durch einen
machen: Barcelona
Pilgerhospital,
das, durch Schenkungen
1034 und
Laien gegründetes
1044 belegt, seit der Wende zum 12. Jahrhundert
eine
endgültig
indem es ein neues Haus und eiInstitution"
wurde'),
permanente
(1092). Daß auch das 1147
als procurator
erhielt
nen Geistlichen
Bürger Barcelonas,
durch einen wohlhabenden
Bernat Marcus, geAnfang
Hospital
am
auch den pauperes et peregrini
gründete
offenDirekt am Strand lag die Pilgerherstand, ist sehr wahrscheinlich.
berge S. Nicolas de Bari (12. Jahrhundert?
), außerhalb der Mauern
das Hospital S. Eulalia de Camp (1210) von Bürgern gestiftet,
ebenFür
den Pilgern zugedacht und mit 30 Betten ein recht
falls überwiegend
der
Nach
Aufstellung
Haus05).
ist in ganz Spagroßes
von Lindgren
der Hospitalgründungen
nien ein Anschwellen
zwischen 1050 und
1150 zu beobachten.
93) Vgl. G. Jugnot,
Deux fondations augustiniennes
en faveur des pelerins:
Aubrac et Roncevaux. Cahiers de Fanjeaux 13 (1978) S. 321-34194) U. Lindgren,
Bedürftigkeit
- Armut - Not. Studien zur spätmittelalterliBarcelonas (Spanische Forschungen
der Görres-Gesellchen Sozialgeschichte
schaft 2. Reihe Bd. 18) Münster 1980, Zitat S. 14.
95) Lindgren
S. 17-18, Tabelle LX.
PILGERVERKEHR
Pilgerhospitäler
IM MITTELALTER
im Deutschen Reich und in England
Im mittelalterlichen
31
(Canterbury)
Deutschen Reich traten neue Hospitäler
13. Jahrhundert
auP6). Im 9. (Aamassiert im 12. und beginnenden
(Eichstätt,
Augsburg,
und 10. Jahrhundert
chen, Köln, Bremen)
dagegen wurden
Köln, St. Pantaleon)
nur wenige Hospitäler
gewie das von Bischof Konrad I.
nannt. Vielfach waren sie kurzlebig,
(935-976) von Konstanz zum Unterhalt
von 12 Armen und Pilgern in
Hospital.
Kreuzlingen
1125, bei der Translation
seiner Geerrichtete
Ansgar heißt
beine, mußte es neu errichtet
werden. Von Erzbischof
multis locis
es bei Adam von Bremen ad susceptionem peregrinorum
die dann aber in der Mitte des 11. Jahrhunhospitalia
preparavit,
in
Bremen').
derts keine elemosina mehr austeilten
wenigstens
Seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts
wuchs die Liste der HospitalKoblenz (P, 1110), Bonn (P, 1112), Trier (P, 1136,
gründungen):
S. Maximin),
Mainz (P, 1145), Köln (P, 1149
Dom; St. Matthias,
(1159),
1188 Georg; St. Martin; 1230 Gereon), Regensburg
Speyer (P), Würzburg
(P), Hildesheim
(P), Bamberg,
Frankfurt
(P,
St. Michael),
Eichstätt
(P), Ulm (Michaelsberg,
Dom, St. Moritz,
Heribert;
der Johanniter:
Würz1183). Dazu kamen eine Reihe von Spitälern
(1189), Rothenburg
(1192), Regensburg
burg (P, 1129), Duisburg
(1192). Der Orden vom Hl. Geist und der Deutsche Orden sind erst
im Reich präsent.
im 13. Jahrhundert
Sehr gut untersucht ist die Situation der Hospitäler Brüssels im
Im 2. und 3. Dezennium gründeten Laien (der
12. Jahrhundert).
Graf von Flandern und Bürger der Stadt) drei Hospitäler: S. Marien
mit 12 Plätzen, S. Nikolaus und S. Jacques beim Gastrum Coudenberg. Bonenfant erklärt diese Gründungen aus der gesteigerten Mobilität der Bevölkerung, der Pilger, Kaufleute und der Unbehausten,
9c) Das Folgende nach S. Reicke,
Das deutsche Spital und sein Recht im MittelD.
Stuttgart
Bde.
1932
2
(Kirchenrechtliche
Abhandlungen
111-112)
und
alter
Jetter,
Geschichte des Hospitals, (Sudhoffs Archiv, Beiheft 5) Wiesbaden 1966.
97) B. Konrad: Reicke
S. 38 und 73f. Ansgar: Adam v. Bremen 1,30 und 111,57;
31917, S. 36 und 203.
MGH SS rerum germ. ed. B. Schmeidler,
99) Ein P hinter dem Ort bedeutet, daß er an einem Pilgerweg liegt, vgl. dazu
unten Kap. 4.
89) Vgl. dazu P. Bonenfant,
de Bruxelles au XIIe
Les premiers
hospitia"
si8cle, Annales de la Soci6te beige d'histoire des hbpitaux 11 (1973) S. 3-25.
32
LUDWIG
SCHIIUGGE
Herberge
suchten. Darin,
welche gerade in den Städten temporäre
sieht sie den Hauptgrund
nicht in der Armen- und Krankenfürsorge,
für die Entstehung
von Hospitien
einer Vielzahl
- vor allem als
Raum.
im
belgisch-flandrischen
fromme Stiftungen
Die
Aufsicht
über die drei genannten Brüsseler Hospitäler,
von denen Papst Alexander III.
sagte, sie dienten ad receptionem pauperum
et peregrinoseit 1174 das Kapitel von S. Gudule.
rum100), beanspruchte
Pilgerverkehr
im Mittelalter
Daß dem organisierten
häufig die
ist besonders deutlich am Beispiel
vorausgeht,
spontane Wallfahrt
der Verehrung
des Heiligen Thomas Becket abzulesen. Keine drei
in der eigenen Kathedrale
Jahre nach seiner Ermordung
von Canteram 29. Dezember 1170, wurde
21. Februar
1173 heiliggesprochen.
nicht zuletzt dank der publizistischen
buchstäblich
Thomae,
eruditi sancti
über den
Die ersten Mirakelberichte
dikt von Peterborough
und Wilhelm
bury,
zeichneten,
drucksvoll"').
belegen
die
Entstehung
III. am
er von Papst Alexander
Sein Kult verbreitete
sich Aktivität
der
seiner Anhänger,
in Windeseile
über Europalos)
Heiligen
Thomas, welche Benevon Canterbury
vor 1175 aufWallfahrten
spontaner
einim
sich Pilger von Schottland
1172 machten
Bereits
ihre
Norden und von Le Puy im Süden auf, um dem neuen Märtyrer
Reverenz zu erweisen. Die forma sanctitatis
wurde noch rascher ausWirkung
des aus seinem Grab
durch die wunderkräftige
gebreitet
Wassers, welches die Pilger in Flaschen und Ampullen
quellenden
Hause
trugen103).
Canterbury
nach
aus
Die zwischen Mai 1172 und Juli 1174 abgefaßte Thomas-Vita
100)Bonenfant
S. 14/15.
The Becket Conflict and the Schools. A Study of
dazu B. Smalley,
in Politics, Oxford 1973. R. Foreville
(Hrsg. ) Thomas Becket.
Intellectuals
de S6dieres (1973) Paris 1975, darin besonders R.
Astes du colloque international
Le culte de Saint Thomas Becket en France, S. 163-187.
L.
Foreville,
Thomas Becket und König Heinrich II. in der Sicht des Radulfus
Schmugge,
Niger, DA 32 (1976) S. 572-579.
La diffusion du culte de Thomas Becket dans la
102) Vgl. dazu R. Foreville,
R.
France de l'Ouest avant la fin du XIIe siöcle, CCM 19 (1976) S. 347-369.
S. Thomae Cantuariensis",
Les
in: Assistance et assistes
Foreville,
Miracula
(wie Anm. 79) S. 443-468.
(vie Anm. 1) S. 90 und R. M. Clay, The Medieval
103) Vgl. dazu Finucane
Hospitals of England, London 1909, S. 265.
101) Vgl.
PILGERVERKEHR
33
IM MITTELALTER
des sogenannten 2. Anonymus
beobachtet den urplötzlich
einsetzenden Pilgerverkehr
wenn sie schreibt: In brevi namsehr zutreffend,
que rei gestae fama non solum intimos
et ultimnos angulos Angliae
In
penetravit,
sed et multos exterarum
gentium populos percucurrit.
tantum etiam urbes, oppida, vicos et ipsa mnapalia permovit ubique
usque ad maximos pauci substiterint
perAngliant,
ut a minintis
qui
tumulum
praeclari
martyris
non ad visendum et honorandunt
veneet laicos, pauperes et divites, populares et nobirint. Illuc ordinatos
idem devotiodominos cum familiis,
les, Patres ac inatres cztmfiliis,
ducunt tanto tabernutraxit. Stratae quae Cantuariam
nis spiritits
las et pergulas exercentium
agnaine pressae sunt,
contmeantiunnque
densitas cerneretur.
ut ubique fere tanquant nundinantium
Der Andrang der Pilger in Canterbury
sei so groß gewesen wie
nicht in Rom oder Santiago: Fact us est pariter et tantus ex remotis ac
illuc peregrinoritm
transnzarinis
concursus,
ut lti perregionibus
distarent,
numero frequentiave
ab indigenis
et (ut testati
parum
sunt vizi magni fzdeque digni qui loca sancta per orbem visitarant),
Jacobi vel alicuius
nec ad beati Petri sedem, nec ad maioris
sancti
imo nec ad gloriosem
illud Christi
ta7n
sepulchrum,
menzoriant,
continue vel in honzinibus celebritas nzaior, vel in donaniis perspecta
Nach der Kanonisation
clarior1°').
wurden dann auch
est veneratio
Schon vor 1183
des Heiligen in der Christenheit
Reliquien
verteilt:
von Sizilien durch den Bischof von Bath
Thomas. Kirchen und Kapellen wurden
bis
gestellt. (In einer ersten Gründungswelle
erhielt Königin Margarete
des Heiligen
ein Reliquiar
unter sein Patrozinium
zur Mitte des 13. Jahrhunderts
sind allein in Frankreich
an die 132
Kirchen
Thomas geweiht wordenlo5) )
dem Heiligen
und Kapellen
Erst im nachhinein
Pilgerentstand die von den nicht abreißenden
Herbergen,
Hospitäler
Infrastruktur:
scharen geforderte
und der
Devotionalienhandel.
Die zumeist in der Hoffnung
auf Heilung zum
Grabe strömenden
Pilger kamen - wie Foreville
und ihre MitarbeiIrland, der Norterinnen nachgewiesen
haben - aus ganz England,
mandie,
der Bretagne,
dem französischen
Königreich,
aus Italien
und
104) Materials for the History
RBSS 67
of Thomas Becket, ed. J. C. Robertson,
S. 140/141 und S. XIV.
305) Foreville
1975
1976 (vie Anm. 102) S. 359 und S. 365f. sowie Foreville
Nie Anm. 101) S. 163-187.
34
LUDWIG
SCH31TIGGE
der
Jahre
bis
Pilger
1171
der
1174
Hauptmasse
Deutschland.
Die
aus
Norden
km
km
im
im
700
Umkreis
500
und
von
aus
einem
wanderte
Süden nach Canterbury und umfaßte alle sozialen Schichten, doch in
der Mehrzahl die mittleren Schichten, darunter besonders viele milites und Kleriker. Diese waren es, die durch die Aktivitäten der eruditi sancti Tlaomae, durch ihre Briefe und vor allen Dingen durch die
Predigten über das Leben des Heiligen angetrieben, aus ganz Europa zur Kathedrale nach Canterbury wanderten100).
Man kann davon ausgehen, daß durch den Kult des Heiligen
Thomas nicht nur auf den Britischen Inseln eine neue Welle des
Pilgerverkehrs entstanden ist. Dort ist es im 12. Jahrhundert nur zu
Zusamder
Hospitalgründungen
gekommen,
wobei
einigen wenigen
(zumindest
Pilgerversorgung
der
vor 1170) nicht immer
menhang mit
in Worklar nachzuweisen ist. 1085 ist das St. Wulfstan-Hospital
Harbledown
bei Canterbury,
Hospital
das
belegt,
1084
von
cester
das
Lanfranc,
Bartholomäushospital
in
Erzbischof
durch
gegründet
Smithfield bei London seit 1123.1141 tauchte erstmals das St. Bartholomäushospital in Backland bei Dover an der Küste auf, und unter
König Stephen wurde in York das St. Leonardshospital neu erbaut,
König
Aethelstan gegründet
Petershospital
von
welches schon als
worden warb')
bei den Häfen und an den
Nach 1170 wuchsen Pilgerhospitäler
Straßen nach Canterbury
wie Pilze aus dem Boden. Die ersten ThoCanterbury
für
Southwark
befür
selbst
und
sind
mashospitäler
imponierenden
Liste
der
Nach
von mehr als 750 sicher
zeugt108).
im mittelalterlichen
England, welche Clay zubezeugten Hospitälern
43
(49)
hat,
80 (79)
wurden
vor 1170 und weitere
sammengestellt
dem
1220,
Becketjubiläum,
1170
ersten
und
erstmals erzwischen
wähnt109)
Les miracula (wie Anm. 102) S. 448-451 und Finulos) Vgl. dazu Foreville,
cane (wie Anm. 1) S. 125f. und 162f.
107) Vgl. dazu Clay (wie Anm. 103) S. 2ff. und das Verzeichnis bei D. Knowles
Medieval Religious Houses. England and Wales, London
Hadock,
N.
R.
1953, S. 310-410.
108) C. Dainton,
The Story of Englands Hospitals, London 1961, S. 4,297 und
323.
109) Clay S. 277-337, in Klammern die Zahlen bei Knowles
Dabei
- Hadock.
berücksichtigt.
Leprosenhäuser
die
nicht
reinen
sind
PILGERVERKEHR
35
IM MIITTELALTER
In Canterbury
selbst, wo schon König Eduard der Bekenner
der Thomaswallfahrt
vor dem Entstehen
verehrt wurde, bestanden
Lanf ancs zwei Hospitäler.
Das erste wurseit den Tagen Erzbischof
de seit 1123 von Augustiner-Chorherren
und stand unter
geführt
dem Patrozinium
des Heiligen Gregor, das zweite für je dreißig arme
Männer
Johannes des Täufers.
und Frauen hatte das Patrozinium
hinzu. Zwischen 1175 und 1224 wur1137 kam ein Laurentiusspital
drei neue Hospitäler
den dann in Canterbury
gegründet,
offenbar als
Pilgerfahrt
Folge der anschwellenden
Thozum Grab des Heiligen
um 1175 für Beherbergung
und Versormas: das Eastbridgehospital,
von einem gewissen Eduard errichtet,
gung der Thomaspilger
und in
Huberts
der Zeit Erzbischof
(nach 1193) das Nikolaus- und Katharinenhospital,
welches aber schon 10 Jahre später mit dem Eastbridgehospital, welches nun den Namen des Heiligen Thomas trug, vereiMarienhosnigt wurde. Das besonders für arme Priester bestimmte
Die dem Thopital geht wohl noch auf die Zeit vor 1220 zurück`)
Dienstleistungen
von Unterkunft
angebotenen
und Versind bekannt: Man kann bei Chaucer
pflegung im 14. Jahrhundert
seine 29 Pilger im Gasthaus
nachlesen, welch exquisite Betreuung
in Fülle finden sie
Heroldsrock"
zu Southwark
erhielten:
Raum
dort, und eine bessere Pflege können sie nicht verlangen. " Als ein
Beispiel mittelalterlicher
Pilgerwut
besonders drastisches
erwähne
die Tuchhändlerin
ich nur eine seiner Figuren,
von Bath, welche
dreimal nach Jerusalem gepilgert ist sowie Rom, Bologna, Köln und
So verwundert
Santiago als Pilgerin besucht hat").
es bei dem groin Canterbury
ßen Andrang
von Wallfahrern
nicht, daß Erzbischof
maspilger
1342 verfügen
mußte, gesunde Pilger seien nur für eine
Nacht im Thomashospital
An kaum einem anderen
aufzunehmen").
Pilgerort
läßt sich schlagender
die erwelche Wirkung
nachweisen,
folgreiche
Etablierung
bedeutsamen
Heiligeneines überregional
kults hatte: Hospitäler,
Herbergen
und Tavernen mit den damit verStratford
bundenen Dienstleistungen
bildeten
sen blühte, der Devotionalienhandel
110) Vgl. dazu Knowles
111) Vgl.
112) Clay
Geoffrey
S. 7.
-
Chaucer,
Hadock
sich heraus. Das Herbergsweder Kirche
und die Einkünfte
S. 349/350.
Canterbury
Tales,
Prolog
19f.
und 446f.
36
LUDWIG
von Canterbury
nahm die Kirche
SCHIiIUGGE
stiegen sprunghaft
an: Anfang des 14. Jahrhunderts
25% ihrer Einkünfte
aus den Opfergaben der Pilger
ein113)
Landhospitäler
Unsere Kenntnisse über das mittelalterliche
Pilgerhospitaiwesen betreffen überwiegend den städtischen Bereich. Jedoch haben
die Fernpilger zum Teil beträchtliche Distanzen zwischen den Städten überwinden müssen und diese Strecken nicht ohne Etappen zurücklegen können. Es muß also auch Unterkunftsmöglichkeiten
auf
dem Lande gegeben haben. Für das hohe Mittelalter
hat Nasalli
Rocca die Bedeutung der Pievi für die hospitalitas erkannt, die im
ländlichen Bereich Aufgaben der Pilgerversorgung übernommen haben"'). Er untersuchte einige
Plebani" im Gebiet von PiaOspedali
cenza, so die Pieve Castel San Giovanni, neben der ein Hospital
bestand, die Pieve Castel Arquato im Val d'Arda, bei welcher mehrein
Händen
haben
(auch
Hospitäler
Laien)
existiert
re
und das
von
Landhospital S. Pietro Cadeo zwischen Piacenza und Fiorenzuola an
Plebani" mißt er
der Via Emilia (gegründet um 1100). Den
Ospedali
zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert eine wesentliche Bedeutung für den Pilgerverkehr zu11s)
Auch in Südfrankreich gab es Hospitäler bei ländlichen Pfarreien am Pilgerweg. Der Bischof von Cavaillon (süd-östlich von Avignon an der Durance) schrieb zum Beispiel seinen Kanonikern im
Jahre 1278, er teile ihnen einige Landpfarreien zu, damit dort hospitalitas geübt werde:
Hospitalenz decenter tenere et hele7nosynam
...
116) In der Erzdiözese Aix-en-Provence besaß die Hälfte
facere
...
der Pfarreien in der Zeit um 1300 ein vom Erzbischof abhängiges
Hospital. Sie scheinen am Anfang des 13. Jahrhunderts entlang den
113) Im Jahre 1313
Medieval
waren das 7500 Florenen; vgl. dazu C. R. Cheney,
Texts and Studies, Oxford 1973, S. 357.
114) E. Nasalli
Rocca, Pievi ed ospedali, in: Atti del 1° congresso italiano di
storia ospedaliera, Reggio E. 1957, S. 493-507.
116) Nasalli
Rocca S. 503. Zur Pieve von Fucecchio vgl. zuletzt C. Violante,
Pievi e parrochie nell'Italia
in: Le istituzioni ecclesiastiche,
centrosettentrionale,
Miscellanea del Centro di Studi medioevali 8,1977, S. 727.
116)
Chiffoleau
(wie Anm. 63) S. 68.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
37
Pilgerstraßen entstanden zu sein, manche von ihnen sind bis ins 15.
Jahrhundert erhalten geblieben117).
Eine
Erforschung
dieser ländlichen
Hospitäler
vergleichende
daß sie für die Organisteht noch aus. Es scheint aber festzustehen,
Pilgerverkehrs
sation eines regelmäßigen
eine bedeutende Rolle gefür den italienischen
Bereich geben die
spielt haben. Insbesondere
Rationes
decimarum
Auskunft
über die Hospitäler
der
außerhalb
ist deren geographische Verteilung:
größeren Städte. Aufschlußreich
Während
der Süden keine solchen
mit ganz wenigen Ausnahmen
Landhospitäler
aufwies, fanden sie sich zu Hauf in der Emilia Romagna und in der Toscana,
zahlreich
sind Hospitäler
also an den Straßen nach Rom. Besonders
im Erzbistum
Bologna im Abgabenverzeichnis von 1300 erwähnt,
von denen aber viele keinen Zehnt zu
Im Gebiet des Bistums Farina gibt das Zehntverzahlen hatten"").
zeichnis von 1230 einige Hospitäler
an in Noceto am Taro, in Fornovo, Borgo S. Donnino, die insgesamt 31 Pfund und 18 s schuldeten;
ferner ein hospitale
duchesse (der Markgräfin
von Tuszien? ) in S.
Dario d'Enza119). Für das Bistum Piacenza sind Extimaciones
omI')
Vgl. Coulet
(, vie Anm. 66) S. 218 mit der Karte S. 214. Zu den Landhospi(wie Anm. 35) S. 127, der für diese eine
tälern in Frankreich
vgl. Imbert
Kapazität von 3-25 Plätzen annimmt.
118) Rationes decimarum
Italiae (RDI) Aemilia,
a cura di A. Mercati
- E.
Nasalli
Rocca - P. Sella (Studi e Testi 60) Cittä del Vaticano 1933. Die
Zahlen beziehen sich auf die Nummern in den RDI. 2408: Hospitalis de Ralta
(abgegangen); 2411: Galliera, N. von Bologna am Reno; 2412: Quaderna (abgegangen) 30 S; 2413: S. Proculus (abgegangen); 2414: S. Jacobus de Planorio (abgegangen) 59 S; 2415: Hospitale S. Marie et S. Salvatoris in S. Giovanni in Persiceto; 2416: Pontecchio (am Reno S von BO), 8 S; 2417: S. Maria de Caritate (?);
2418: Vulpino (?); 2419: S. Maria de Veze (?); 2420: Hospitale S. Christofori,
Castenaso (am Idice-Fluß); 2421: Flamenga (?); 2423: Hospitale S. Jacobi, Auzola
(NW von BO); 2424: Hospitale pontis Ydicis (?); 2425: Hospitale S. Martini de
Apossa (?); 2426: Hospitalis S. Antonü de Busco (?); 2429: Hospitalis S. Marti de
ponte Floriani (? ); 2432: Hospitalis S. Blasü de Lombiano (?); 2434: Hospitalis de
Borgo Panigale (\V von BO); 2435: Hospitale de S. Spiritu, Galiera (N von BO);
2436: Hospitalis de Munzuni (?); 2765: Hospitalis S. Jacobi de Vasso, pieve Panico
(S von BO); 2839: Hospitalis S. Jacobi et Antonii, Greglio, pieve Vezuno; 2844:
Hospitalis S. Johannis, Casio, pieve, 22 S; 2877: Hospitalis S. Marie de Porcole,
pieve di Guzzano.
IIS) Rationes decimarum (vie Anm. 118) 5317 (4036,4581),
4036,4051,4456,
4489,4852,4902,4901,4916,5315.
38
LUDIVIG
SCH¢IUGGE
nium ecclesiarum des 13. Jahrhunderts überliefert, in denen Hospitäler aus dem Gebiet des Bistums mit ihren Einkünften verzeichnet
sind. Ein Vergleich dieser Daten mit dem Liber Clericorum Placentiae et episcopatus des 14. Jahrhunderts läßt einen starken Abfall der
Erträge dieser Häuser erkennen'-'0). Das Absinken der Hospitaleinkünfte auf zum Teil weniger als die Hälfte des Standes vom 13.
Jahrhundert scheint charakteristisch zu sein, denn es kann auch bei
beobachtet
italienischen
Landhospitälern
weiteren
werden.
Weitere
ein in den Jahren 1278/79 zuvermittelt
der Kreuzzugszehnten
Verzeichnis
der Diözese
sammengestelltes
Arezzo121). Auch hier sind einige Hospitäler
angegeben, deren Einkünfte - wie diejenigen aus dem Bistum Piacenza - zwischen 10 und
Allerdings
270 Pfund gelegen haben dürften.
ist zu bedenken,
daß
Aufschlüsse
den das 2. Konzil von
eigentlich
vom Kreuzzugszehnten,
Lyon beschlossen hatte, befreit waren'2).
In einem späteren Zehntdiese
Hospitäler
Arezzo
verzeichnis
sind
von
- soweit sie vorkomIm Bistum Chiusi
men - weit weniger belastet oder ganz befreit').
Hospitäler
120) Rationes
(wie Anm. 118). Im einzelnen führen die genannten
decimarum
Quellen folgende Hospitäler
an (in Klammern die Nummern der Rationes deciin Pfund Silber): Fiorenzuola d'Arda
marum Italiae und die Höhe der Einkünfte
(5421,5539: 60 Pfund; 5834: 20 Pfund), Obolo (5430,5550:
50 Pfund; 5846: 15
Pfund), Pellizone (5442,5561: 100 Pfund; 5845: 25 Pfund), Ongina (5456 (?), 5574:
50 Pfund; 5842: 30 Pfund), Pontenure (5461,5588: 150 Pfund), Montale (5462,
100 Pfund),
5585: 300 Pfund; 5984: 150 Pfund), Nicolo a Trebbia (5482,5610:
Bardoneggia (5508,5642: 100 Pfund; 5960: 15 Pfund), Caverzago (5632: 30 Pfund;
5945: 10 Pfund).
121) Rationes decimarum Italiae: Tuscia I, hg. v. P. Guidi,
(Studi e Testi 58)
Cittä del Vaticano 1932, S. 81-101.
122) RDI Tuscia I, S. 229,23. Oktober 1274: De redditibus et proventibus
leprohospitalium
Dei
domorum
paupenem,
et
qui in usus infirlnorum
et
siarum
decimna
non solvetur. Wir finden hier die folgenden
convertuntur,
pauperum
(Arno):
Montevarchi
27 Pfund 4s (2014), Levanella (ArHospitäler
aufgeführt:
Sietina:
1766),
(2015,
15 Pfund (2018), Pieve Lucigna17
Pfund
3
auch
vgl.
s
no):
Pfund 10 s (2087), Pieve Partina: Hospitale S. Leo1
Marande:
S.
Hospital
no,
nardi de Ponte Aioli: 2 Pfund 16 s (2261), Pieve Partina: Hospitale S. Egidii de
Cerreto: 1 Pfund 4s (2268), Pieve Capolona: Hospitale S. Egidii de Quercia
7 Pfund (2322, vgl. auch 1767), Pieve Laterina: H. Pontis de Valle:
Frexenaria:
10 Pfund 16 s (2338), Traiana: 1 Pfund 10 s (2369).
123) Rationes decimarum Italiae, Tuscia 2, hg. v. M. Giusti
et P. Guidi (Studi e
Testi 98) Cittä del Vaticano 1942, S. 91-137. Das gut dotierte Michaels-Hospital
PILGERVERKEHR
IAI AIITTELALTER
39
treffen wir weitere Landhospitäler an, deren Einkünfte gegen Ende
Eine gleiche
des 13. Jahrhunderts
ebenfalls stark abnahmen`).
Feststellung läßt sich nämlich für viele Hospitäler im Bistum VolterOb diese ländlichen Hospitäler alle nach der starken
ra treffen").
Beanspruchung während des Heiligen Jahres 1300 nun keinen Zehnt
mehr zahlen konnten?
der ländIm Sprengel von Lucca war die Entwicklungstendenz
lichen Hospitäler zwischen 1260 und 1302/03 ähnlich negativ. Ausgehend vom Kirchenkatalog des Jahres 1260 ist die Zahl und wirtschaftliche Situation der ländlichen Hospitäler in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts gut zu überblicken: Der Luccheser Katalog nennt eine Reihe von Hospitälern mit ihren Einkünften an der Straße Richtung
durch das Sürchio-Tal")
Genuar2"), über die
und
nordöstlich
Alpe"
ist befreit (1900), das Lucia-Hospital
in Levanella zahlt nur
von Montevarchi
noch 1 Pfund 4s (1901), das Hospitale S. Marande (Pieve Lucignano; 1987), das
in Cerreto (2221)
(Pieve Portina, 2191), das Egidius-Hospital
Leonards-Spital
(Pieve Capolona) nur noch 2 Pfund
sind befreit, während das Egidius-Hospital
zinst (2279). Auch die Spitäler Pontis de Valle (Pieve Laterina, 2296) und des Hl.
Andreas in Traiana (2332) sind frei vom Zehnten.
121) Rationes decimarum (wie Anm. 123) Hospitale S. Marci, Cittä della Pieve
(2728): 8 Pfund 6 s, 1275/1276,2873: 6 Pfund, 1276/1277). Die beiden Hospitäler
von Chiusi (S. Marie und S. Petri) zahlen 1302/1303 nichts (2699,2700), ebensoSeggiano (2815), Arcimbaldo
(2824: 1
wenig die von Radicofani (2778,2779),
Obricolis" in der Pieve Bagno Vignoni (2825; es zahlte
Pfund), das Hospitale
de
1275 noch 6 Pfund 15 s, 2708; 1276 7 Pfund 12 s, 2802), ein Hospitale Alamanorum
S. Johannis, 2833: 5 Pfund
in Monticchiello
(2832; dort ferner ein Hospitale
2840). Das Hospital in Chianciano zinst 1
zahlend und ein Hospitale Misericordie,
Pfund 10 s (2862), das von Sarteano nichts (2869).
`) Bis auf die Johanniter-Häuser
(3022-3027) und das Hospital von Colle Val
d'Elsa (3028: 1 Pfund 10 s), zahlen die andern nach der Liste von 1302/1303
keinen Zehnt: Peccioli, 3029; Ponte di Cecina (?), 3030; Padule (?), 3031; Casole
d'Elsa, 3032; Podio Romei (?), 3033; Montieri, 3034; Belforte, 3035; Radicondoli,
3036; Pomarance, 3037; Monticiano, 3038.
')
4889,
RDI Tuscia 1 (wie Anm. 121) Piazzano, 4888,100 Pfund; Valpromaro,
14 Pfund; das Hospital von Montemagno in der Pieve Camaiore, 4989,100 Pfund;
das Hospital des Peters-Klosters
von Camaiore, 5000,170 Pfund; Pietrasanta,
5008,150 Pfund.
')
RDI Tuscia 1: Pieve Decimo, Hospital S. Martini in Greppo, 5089,125 Pfund;
das Hospital von Ponte Populi, Pieve Loppia, 5117,100 Pfund; Calavorno, 5131,
200 Pfund; die Hospitäler
von Colle Asinario (5153,50 Pfund) und Garilliano
40
LUDWIG
SCIThIUGGE
Südlich der Stadt werden aufgezählt Pontetetto,
von Lucca").
S. Leonardo de Treponzio, Vorno und Castel del Bosco am Arno'£).
Wenn die für 1260 angegebenen Einkünfte der Hospitäler der Wirklichkeit entsprachen, dann gingen sie jedenfalls im Laufe der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts stark zurück, wie ein Vergleich der Zehnteinschätzungen von 1275/77 und 1302/03 ergibt13o)
Wie ist dieser Befund zu erklären? Für 1302/03 ist eine starke
des Heiligen Jahres als Grund für
Belastung durch den Pilgerverkehr
die Insolvenz vieler Hospitäler
an der Strada Romea anzunehmen.
Nachdem
der Pilgerverkehr
seit der Mitte des 13. Jahrhunderts
die
Einkünfte
hatte,
der Hospitäler
waren
stark abgenommen
offenbar gesunken oder entfremdet
worden und nun dem Andrang
von
in Nord1300/1301 nicht gewachsen. Jedenfalls ist der Pilgerverkehr
und Mittelitalien
nicht denkbar.
ohne die ländlichen Hospitäler
Paßhospitäler
Für die Fernpilgerfahrten
besonderer
Apenninkonnten.
nach Santiago und Rom war von
daß die Pilger
die unwirtlichen
Alpen-,
einigermaßen
unbeschadet überwinden
und Pyrenäenpässe
Hier in erster Linie war eine Assistenz für die Pilger vonWichtigkeit,
nöten.
Schon Papst Hadrian hatte Karl den Großen ermahnt, die PilAlpenpässen,
den
welche pro peregrinoru7n susceptioan
gerhospize
131)"
fördern
Karl der
zu
erhalten
und
seien,
zu
worden
ne erbaut
Große, von dem Einhard berichtet, er habe die Pilger sehr geliebt
Pfund) im Bereich der Pieve Gallicano, 5134; das Hospital von Montedas Peregrinus-Spital
Pfund)
(5198,200 Pfund) in der
(5197,65
und
perpori
Pieve Fosciana, schließlich S. Pellegrino delle Alpi auf der Paßhöhe, welches im
Verzeichnis von 1260 aber nicht erwähnt wird.
Hospital in
128) Lunata 4797,350 Pfund; ein Concordius- und ein Bartholomeusder Pieve Segromigno, 4967 und 4968, je 300 Pfund; das Hospitale de Strada in
der Pieve S. Petri in Campo, 5206,50 Pfund; Pescia, 5208,150 Pfund.
129) 4791: 116 Pfund; 4832: 200 Pfund; 4838: 100 Pfund; 5387: 40 Pfund.
130) Nach RDI Tuscia 1 und 2.
(5155,170
131)Codex Carolinus 87, MGH Epp. III,
S. 623.
PILGERVERKEHR
IM ¢SITTELALTER
41
und sich um ihre Versorgung außerordentlich bemüht 132),hatte für
diese Bitte sicher ein offenes Ohr. Mindestens das Pilgerhospital am
Mont-Cenis geht auch tatsächlich auf die Karolinger, wahrscheinlich
auf Ludwig den Frommen, zurück. Nach einer Urkunde Lothars hat
sein Vater ... in 7nonte Ciniso quoddann hospitale ... ad peregrinor7c72treceptionem erbauen lassen").
Die westlichen
Alpenpässe
durch die Sarazenengefahr
waren jedoch dann im 10. Jahrhundert
bedroht.
Wahrscheinlich
sind auch
die Pilgerspitäler
Das Kloster Novalese wurde
alle untergegangen.
906 geplündert,
St-Maurice
um 939, und selbst der Abt von Cluny
geriet noch im Jahre 972 mit seinem Gefolge am Großen St. Bernhard
Erst nach der Beseitigung
in Gefangenschaft.
der Sarazenengefahr
konnte man die Hospitäler
an den Pässen erneuern und die räuberides lokalen Adels, welcher sich inzwischen
der
schen Zollpraktiken
hatte, beseitigen.
Pässe bemächtigt
Dieses geschah kaum vor der
Mitte
des 11. Jahrhunderts.
Über das Hospital am Mont-Cenis fehlen indes für dreihundert
Jahre jegliche Nachrichten. Anfang des 13. Jahrhunderts standen
das ehemals königsfreie Hospital und die Kirche Santa Maria unter
der Aufsicht des Klosters Novalese. In Konkurrenz mit dem Bischof
von Turin hat es wohl in Verfälschung der obengenannten Karolingerurkunde seinen Anspruch auf das Hospital durchgesetzt, dabei auch
der Grafen von Savoyen und des lokalen Adels
die Unterstützung
erfahren, wie das auch für Hospitäler an anderen Orten typisch ist.
Seit dem 11. Jahrhundert stand das Marien-Hospital des Mont-Cenis
unter der Leitung von Augustinerchorherz en'3'). 1227 nahm Papst
Gregor IX. es unter seinen Schutz. Das Hospital dehnte seinen Be19
Einhard, Vita Caroli Magni c. 21, ed. G. Waltz,
MGH SS in usum schol.
19116, S. 26.
13') MGH DD Carol. III, hg. v. T. Schieffer,
1966, S. 61: DLo I4 (825 Februar
14). Zur Urkunde vgl. C. Cipolla,
Monumenta Novaliciensia Vetustiora
(Fonti
per la storia d'Italia 82) Bd. I, 27, S. 71-75. Die Urkunde ist zugunsten des
Klosters Novalese verfälscht worden, welches das Hospital später für sich beanspruchte.
L'ospizio del Moncenisio alla luce di documen'3') Vgl. G. Donna D'Oldenico,
ti inediti dell'archivio
arcivescovile di Torino, Atti del primo ... (wie Anm. 35) S.
461-474, besonders S. 466.
LUDWIG
42
SCH¢iUGGE
sitz nach beiden Seiten des Passes aus, sowohl im Bistum Turin wie
im Bistum Sitten war es begütert13'). Auch weitere kleine Hospitäler, davon zwei Brückenspitäler, standen unter der Aufsicht der
Mont-Cenis-Spitalbrüder,
so daß auch die Betreuung der Zugänge
beiderseits des Passes in den Händen der fratres lag'36)
das
Hospital
über
wir
sind
am Großen St.
Bernhard,
dem Mons Jovis. Die Erneuerung
oder der Bau eines
Hospitals dort kann kaum vor der Mitte des 11. Jahrhunderts
gescheSt. Nikohen sein, wie die ersten Schenkungen an die Hospitalkirche
laus insbesondere
durch die Grafen von Savoyen nahelegen 137). Eine
Besser
informiert
Bernhard
vom Archidiakon
von
der 1123 kanonisiert
Aosta (gestorben
1086) vorgenommen,
wurde.
Neubau der Kirche ging wohl
Der durch Bernhard
unternommene
der frühesten
Schenkungen
wurde
ein
mit dem des Hospizes einher, nachdem bereits im 9. Jahrhundert
Bourg-St.
in
hatte').
Hospital
Petrus-Kloster
existiert
mit
-Pierre
des Hospitals
Der Bekanntheitsgrad
am Großen St. Bernhard
erder
Mitte
des
in
12. Jahrhunderts
dann
europäireichte
aber schon
Besitzbestätigung
Papst Alexanders
III. von
Ausmaße.
In
einer
sche
des Hospitals
1177 wurden 76 Benefizien
nördlich und südlich der
Alpen
aufgezählt,
131) Vgl. G. Sergi,
in una competizione
S. 435-487.
136) Dazu G. Sergi,
storico-bibliografico
198-204; G. Sergi,
zum Teil weitab
vom Großen St. Bernhard
in Apu-
Cenisii". Lo sviluppo di un ente ospedaliero
montis
Domus
di poteri, Bullettino
storico-bibliografico
subalpino 70 (1972)
la via Francigena da Chambery a Torino, Bullettino
subalpino 77 (1979) S. 153-229, besonders S. 184-190 und
lungo la strada di Francia, Neapel 1981,
Potere e territorio
Lungo
passim.
Les hospices du Grand et du Petit Saint-Bernard
137) Vgl. L. Quaglia,
du Xe
in
Alta
Italia
dopo
Monasteri
le
invasioni saracene e magiare
in:
XIIe
cle,
sit
aus
Congr. storico subalpino, Torino 1966, S. 427-441, bes. S.
XXXII
(Relazioni
...
Gli ospizi del Monte Giove nell'ordinamento
427f. und O. Aureggi,
giuridico
di G. Donna
in
d'Oldenico,
Studi
Torino 1958, S.
onore
medievale,
...
289-305.
S. 435. Ferner jetzt L. Quaglia,
138) Vgl. dazu Quaglia
Fondation de l'hospice
du Mont-Joux par Saint Bernard, Novarien 10 (1980) S. 12-19. Weitere Lit. bei
Germania pontificia 11,2: Provintia
Maguntinensis
2 (Berlin
A. Brackmann,
(Hrsg. ), Die Papsturkunden
der Schweiz
1927) S. 131-135 und A. Largadier
II S. 327-328 (Zurich 1970).
I
PILGERVERKEHR
43
IM MITTELALTER
lien oder in England gelegen, aber jeweils entlang großer PilgerstraAbtes Nikolaus ... ),
ßen. In der Reisebeschreibung
des isländischen
(um 1154) heißt das Hospital - «ie noch heute - Hospital des Heili(nach Bernhard
von Aosta). Es hatte bereits im 12.
gen Bernhard
Exemtion
GeJahrhundert
von der bischöflichen
eine weitgehende
walt
erz eicht140)
Das Hospital auf dem Kleinen St. Bernhard, ebenfalls mit einer
Nikolauskirche ausgestattet, wird erst im 12. Jahrhundert erwähnt.
Erzbischof Petrus von Tarantaise hat es um 1141 ausgestattet und an
Vernes gegeben, was Papst Eugen III. im Jahre 1145 bestätigte.
Erst im 15. Jahrhundert wurden die beiden Hospitäler vereinigt141).
Für den Lukmanier
war das Kloster Disentis der zuständige
In Casaccia, südlich des Septimers, wurde 1136
Organisationsträger.
ein neues Hospiz erbaut, bereits 1104 ist ein erstes Hospital belegt
Auf dem Septimer wurde ein Petrushospi(Heiliggrabpatrozinium).
Am Splügenpaß ertal erstmals im Jahre 1186 urkundlich
erwähnt.
richtete Bischof Gaudenzius von Chur (gestorben 1122) auf der PaßFür den Umbrailpaß
höhe ein Hospital.
und den
Kloster St. Johann in Müstair die Pilgerherberge,
zwischen Mals und
paß ist ein St. Valentinhospital,
Gotthardweg,
belegt.
Auch
der
1140
um
erstmals
Ofenpaß
war das
für den Reschen-
Nauders
gelegen,
seit dem 13. Jahrbezeugt, hat erst in dieser Zeit ein Hospital
hundert
erhalten 142).
Petrus von TaranNach dem Bericht seiner Vita hat der Erzbischof
taise (gestorben 1174) zwei Pilgerhospitäler
eingerichtet,
als er noch
iss) S. unten S. 67f. mit Anm. 238.
10) Vgl. Aureggi
S. 303.
`)
Quaglia
S. 438f.
')H.
Kloster Disentis,
das Bleniotal
Büttner,
Barbarossa,
und Friedrich
Zeitschrift
für schweizerische Kirchengeschichte
47 (1953) S. 47-64, bes. S. 54.
des Heiligen Gotthard, SchweizeriVgl. I. Müller,
Zur älteren Kultgeschichte
für Geschichte 28 (1978) S. 249-264, besonders S. 260f. Ferner
sche Zeitschrift
F. Güterbock,
Die Lukmanierstraße
und die Paßpolitik der Staufer, Quellen
11 (1908) S. 1-24.
und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken
Italien
K. Schrod,
im Königreich
Reichsstraßen
und Reichsverwaltung
Am Umbrailpaß
754-1197
(Beihefte der VSWG 25) Stuttgart
1931, S. llff.
errichtete
ein Johannes de Gava aus Müstair 1228 ein Hospiz im silva plana
(Bündner UB II Nr. 678,704,713-714,750
und 774).
44
LUDWIG
SCHMUGGE
Abt von Tamie war, eines davon im Jura und das andere am Mont de
la Lösion'43).
Im östlichen Alpenbereich entstand unter Bischof Hartmann
(1140-1160) in Brixen ein Kreuzspital, welches, durch den Domherren Richer besonders gefördert, 1157 erstmals erwähnt wurde. Es
war ausdrücklich für Pilger eingerichtet und erhielt eine Sepultur144).
Die Salzburger Erzbischöfe gründeten im 12. und insbesondere in
der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts Berghospize für zahlreiche Pilgerzüge durch ihren Sprengel nach Süden145).Schließlich richtete Markgraf Ottokar V. von der Steiermark das Marienhospital auf dem Semmering, dem bis dahin unbewohnten Cerwald, für Pilger ein146)
In den Pyrenäen spielten die beiden Hospitäler von Roncevaux
und Somport die überragende Rolle für den Pilgerverkehr nach Santiago de Compostela, beide standen unter der Leitung von Augusti(Kapitel 4: De tribus hosnerchorherren. Der Santiago-Pilgerführer
pitalibus cosmi) zählt das Hospiz der Heiligen Christina auf dem
Somport neben dem Großen St. Bernhard und dem Jerusalemer HosPilgereinrichtungen:
drei
den
Refectio sancweltbekannten
pital zu
torum peregrinorum,
requies egentium, consolatio infir inorum, salus mortuorum,
subsidium vivor unt werde hier geleistet147). Der
Weg über den Somport nach Spanien wurde erst seit dem 11. Jahrhundert begangen148). Das Hospital tritt erst Anfang des 12. Jahrhunderts in den Quellen auf, gleichwohl dürfte es schon unter König
Sancho Ramirez (gestorben 1094) gegründet worden sein, vielleicht
Arteta
Ubieto
1078.
In
vermutet
um
wie
einer nicht ganz unverdächtigen Urkunde König Pedros I., der schon 1104 starb, während
143) Acta Sanctorum Mai II S. 325 D-E.
144) Vgl. Reicke
(vie Anm. 96) Bd. 1, S. 77f.
146) Vgl. Reicke
Bd. 1, S. 55.
lac) Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark Bd. 1, Nr. 406, S. 394, Reicke
Bd. 1, S. 61. Zusammenfassend vgl. H. Hassinger,
Zur Verkehrsgeschichte
der Alpenpässe in der vorindustriellen Zeit, Vierteljahrschrift
für Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte 66 (1979) S. 441-465 (Literaturüberblick).
147) Le Guide du Pelerin (-vie Anm. 242) S. 10.
148) Zum Spital am Somport vgl. A. Ubieto
Arteta,
Los primeros anos del
Hospital de Santa Cristina del Somport, Principe de Viana 27 (1966) S. 267-276,
bes. S. 272.
PILGERVERKEHR
IM AIITTELALTER
45
die Urkunde angeblich von 1130 datiert, werden dem Hospital jährlich 200 Solidi zugewiesen. 1108 bestätigte Alfonso el Batallador
ebenfalls die fueros" des Hospitals, die König Pedro gewährt hat149)
Auch eine Bruderschaft von 120 confratres hat bereits am Anfang
des 12. Jahrhunderts existiert150). Papst Eugen III. wandte sich in
einer Bulle vom 5. März 1151 an den Propst und die Brüder des
Hospitals der Heiligen Christina, die dort in aller Demut täglich den
Armen und den Pilgern dienten. Er nahm die Bruderschaft und das
Xenodochium unter päpstlichen Schutz, wobei er sich auf nicht erhaltene Urkunden Paschalis II. berief151). Das Hospital von Roncevaux,
auf 950 Meter Höhe gelegen, ist jedenfalls jünger als dasjenige auf
dem Somport15'). Um 1132 dürfte es vom König von Aragon und dem
Bischof von Pamplona gegründet worden sein. König Sancho schrieb
in der Gründungsurkunde: Facio donzum ad praesens unanz ad receptionem peregrinorum sive quorunzlibet omnium illic in necessitate hospitari volentium in vertice montis, qui diciturRonzasbals
iuxta
capellam Caroli Alagni ... 153). Es hatte schon bald neun weitere
abhängige Hospitäler unter sich (14. Jahrhundert). Ein Gedicht des
späten 12. Jahrhunderts preist die Wohltaten, welche den Pilger im
Hospital von Roncevaux erwarteten: Ihm wurden wie üblich die Füße gewaschen, die Haare geschnitten, seine Schuhe besohlt, die Kleider gewaschen, Essen und Trinken gereicht, und er konnte sich dort
ausruhen. Ein Friedhof für verstorbene Pilger war beim Hospital
vorhanden15').
Weiter westlich auf dem 1300 m hoch gelegenen Cebrero hat
bereits König Alfons VI. von Kastilien 1072 ein Hospital den Mön-
. a9) Lacarra
(wie Anm. 79) Bd. 3 Nr. 43, S. 50-51.
15°))Vgl. Ubieto
Arteta
(wie Anm. 148) S. 268-274.
161) Vgl. P. F. Kehr, Nachträge zu den Papsturkunden
Italiens VIII S. 60-62;
PU in Italien 5 (1977) 497-499.
16=) Zu Roncevaux vgl. Uria Riu in Vazquez de Parga (wie Anm. 79) Bd. 1, S.
281-399 sowie E. Jugnot,
Deux fondations augustiniennes
en faveur des p81erins: Aubrac et Roncevaux, Cahiers de Fanjeaux 13 (1978) S. 321-341.
163) Lacarra
(wvie Anm. 79) Bd. 3 Nr. 51 S. 56-58.
16+) Das Gedicht
bei Lacarra
(-wie Anm. 79) Bd. 3, S. 66-68. Vgl.
Preciosa"
S. 331f.
auch Jugnot
46
LUDWIG
SCHMUGGE
chen von Aurillac angetragen. Zahlreiche Schenkungen an das Hospital sind für das 12. Jahrhundert bezeugt").
Auf dem Wege nach Santiago und Conques hatte der Pilger die
wo in Aubrac auf 1400 m
rauhen Berge der Auvergne zu durchqueren,
(vielHöhe um 1120/22 von einem adligen Pilger namens Adalhard
leicht einem Schenken des Grafen von Flandern)
ein Pilgerhospital
errichtet
worden war. Auch hier bildete sich eine Spitalgemeinschaft
von Klerikern
und Laien, welche 1172 vom Bischof von Rodez eine
Regel
gelangte
erhielten,
und das Hospital
unter
päpstlichen
Schutz 156)
Da auch auf den Höhen des Apennin Mitte des 11. bis Anfang
des 12. Jahrhunderts eine Reihe von Paßhospitälern für Rompilger
entstanden167), können wir nun zusammenfassend festhalten: In allen
drei Gebirgszügen, den Alpen, den Pyrenäen und dem Apennin wurden seit etwa 1070 bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts Hospitäler
den
Pilgern
den
die
schwierigen Weg durch die umwirtlierrichtet,
chen Berge erleichtern sollten. Während in den Pyrenäen die spanischen Könige initiativ wurden, und dann die Augustinerchorherren
die Leitung der Hospitäler übernahmen, traten in den Alpen Bischöfe und Klöster als Gründer und Ausstatter in den Vordergrund. Im
Apennin kommt der Markgräfin Mathilde das Hauptverdienst für die
Einrichtung von Pilgerhospitälern zu, ohne die eine sichere Überquekaum
denkbar
Hochgebirge
der
gewesen wäre.
rung
Hospitäler
an Brücken
Ähnlich wie die Gebirge stellten auch die Flußläufe eine schwiefür
Reisende,
Kaufleute
Passage
rige
und Pilger dar. Erich Maschke
hat in einem meisterhaften Aufsatz gezeigt, daß das 12. Jahrhundert
165) Vgl. E. Valina
Sampedro,
El camino de Santiago. Estudio historicode historia ecclesiastica 5) Madrid 1971, S. 136ff.
juridico (CSIC-Monografias
156) Vgl. Jugnot
(wie Anm. 152) S. 323. Mollat
(wie Anm. 22) S. 116.
157) Als Beispiele seien genannt das Hospital S. Pellegrino delle Alpi (1110 erstmals erwähnt, s. Anm. 127), das Erichshospital
am Monte Bardone (s. Anm. 34)
des Btms. Parma zu
und das Hospital am Cisa-Paß, welches im Zehntverzeichnis
1230 mit einem Zins von 9s genannt wird (Rationes decimarum Italiae: Aemilia,
(Studi e Testi 60) Rom 1933, Nr. 4346).
PILGERVERKEHR
47
IM DIMELALTER
die große Zeit des Brückenbaus
im Mittelalter
gewesen ist' ). Was
die Versorgung
der Pilger betrifft,
so können wir ergänzen, daß in
dieser Zeit gerade an Flußübergängen
eine Reihe von Pilgerhospitälern entstand. Bruderschaften
taten sich zusammen, um an den großen Pilgerstraßen
Brücken zu errichten,
denn neben dem Kirchbau
oder Reparatur
war die Erstellung
einer Brücke ein höchst verdienstvolles
Werk und wurde
hung belohnt.
Eine Dekretale
wiederholt
auch durch AblaßverleiAlexanders
III. (X 5.38.4) half die
Brückenablässe
In der Dekretale,
die an den Erzbischof
verbreiten.
ist, heißt es:
fiunt
von Canterbury
gerichtet
reinissiones,
que
...
Theologen und Kanonipontium
conferentibus
ad edificationem
....
In allen drei von uns untersuchten
sten haben sie gerechtfertigt15s)
für den PilgerRegionen läßt sich die Bedeutung
des Brückenbaus
für Italien, Frankreich
und Nordspanien.
verkehr nachweisen,
belegten Aufsatz
Cognasso hat in einem kleinen, ausgezeichnet
im subalpinen Gebiet Oberitadaß im 12. Jahrhundert
nachgewiesen,
Brücken an Flußläufen
liens verschiedene
erbaut wurden 1G°). Deren
die Eintreibung
des Brückenzolls
wie auch die Sammlung
den
lag
in
Händen von Kanonikern,
die bei der Brücke
Almosen
von
Entlang
Romea
der
Strada
Hospital
führten.
lagen zahlreiche
ein
Ein schönes Beispiel ist das Haus am Übergang
Brückenspitäler.
über die Staffora bei Voghera. Es wurde Streitobjekt
zwischen dem
Unterhalt,
Bischof von Tortona und der Abtei Santa Maria del Senatore in Pavia
in den Jahren 1179-1183,
und der Fall gelangte bis vor Papst Alex161).
III.
Aus den Dokumenten
ander
geht hervor, daß die Brücke (auf
die Initiative
die dann auch den Zehnten erhielvon Einzelpersonen,
ten, erbaut) im Lauf der letzten
den Fluten weggerissen
wurde.
Dezennien
mindestens
dreimal
von
158) E. Maschke,
HZ 224 (1977) S. 265-292. Vgl.
Die Brücke im Mittelalter,
(wie Anm. 22) S. 117.
auch Mollat
11) N. Paulus,
Geschichte des Ablasses im Mittelalter
vom Ursprunge bis zur
Mitte des 14. Jahrhunderts,
3 Bde., Paderborn 1922-1923,
Bd. 2 S. 247-262
S. 282f.
und Maschke
16°) F. Cognasso,
Ospedali di ponte, in: Studi di storia ospedaliera piemontese
d'Oldenico,
in onore di G. Donna
Torino 1958, S. 109-114.
161) Vgl. Cognasso
S. 360f.
48
LUDWIG
SCHl\MUGGE
Im Bereich des Apennin erwähne ich nur das Brückenspital am
Secchiaübergang (neben der Pieve di San Faustino bei Rubiera) auf
dem Territorium
der Markgräfin Mathilde. Bekannter noch waren
Brücke und Hospital von San Leonardo de Stagno bei Pisa162). Das
Hospital war 1155 von Erzbischof Villanus von Pisa gegründet worden. 1185 bemühte sich eine Bruderschaft um den Bau einer Brücke
iuxta portum Pisanumn und Papst Lucius III. bewilligte einen Ablaß
von 30 Tagen für die Helfer und Wohltäter bei der Durchführung
dieses Unternehmens. Noch berühmter ist die Brücke über den Arno
bei Fucecchio mit dem Hospital beim Kloster San Salvatore. Das
Hospital diente eindeutig der Pilgerbetreuung beim Arnoübergang,
sei es über die Brücke, sei es mit dem Kahn. Denn auch hier scheint
die Brücke oft weggeschwemmt worden zu sein. Papst Alexander
III. gewährte nämlich zur Erneuerung der Arnobrücke einen Ablaß
von 40 Tagen, Bonifatius VIII. erneuerte ihn, nur daß es jetzt ein
Jahr und 40 Tage Ablaß für die Helfer beim Brückenbau gab").
Nicht zuletzt durch das Volkslied verbreitet ist die Kenntnis
die sich in Frankreich im 12. Jahrvon den Brückenbruderschaften,
hundert zum Zweck des Baus und des Unterhalts von Flußbrücken
Laienbruderschaften,
Diese
haben.
die sich als fratres pongebildet
tis bezeichnen, traten zuerst im Rhonetal hervorl& ). Ihr Hauptziel
war der Bau und der Unterhalt von Brücken und die hospitalitas für
arme Pilger. Solche Gemeinschaften fanden sich überall in Europa
Schottland
über Schweden und Deutschland bis nach
von
zusammen,
Spanien; Italien und nach Polen's').
In Lyon begannen offenbar Bürger der Stadt den Bau einer
Rhonebrücke. Eine Bulle Papst Lucius III. (1184/85) erwähnt einen
Bruder Stephan und eine Gemeinschaft von fratres pontis. Bei der
Brücke gab es im 13. Jahrhundert ein Hospital, eine Kapelle und
162) Italia
pontificia
11,251 und 111,375.
11) Vgl. Paulus (wie Anm. 159) Bd. 2, S. 250 und Italia pontificia 111,481.
Ferner F. Schneider (%vieAnm. 39) S. 50ff.
164) Vgl.
M. N. Boyer,
The Bridgebuilding
Speculum 39 (1964)
Brotherhoods,
S. 635-650 und D. Le Blevec,
Une institution
d'assistance en pays rhodanien:
Les freres pontifes, Cahiers de Faujeaux 13 (1978) S. 87-110.
165) Vgl. Le Blevec
S. 89.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
49
für Pilger'66. Die Brücke stürzte
mit Begräbnisrecht
Philipps II. und Richards 1190
offenbar unter dem Kreuzzugsheer
Für einen Wiederaufbau
zusammen.
wurden Almosen gesammelt.
de ponte unter seinen
Papst Innozenz IV. nahm 1247 die fratres
einen Friedhof
Schutz und bewilligte
einen Ablaß von einem Jahr und 40 Tagen für
beitrügen.
Bei
in der Vaucluse
alle, die zum Wiederaufbau
Maupas"
1166 eine Confraternitas
existierten
von fabricatores
pontis und ein
Hospital1e7). Von den Päpsten Lucius III. und Clemens III. wurde
das Werk unter päpstlichen Schutz gestellt. In der Urkunde Clemens
III. von 1189 heißt der Ort nicht mehr
Bonpas
sondern
Maupas",
1284 schlossen sich die Fratres den Hospitalitern
wie noch heute').
an.
bei Grenoble
wurde unter Bischof Hugo (gestorben 1132) erbaut. Als sie 1219 zerstört wurde, vergab der damaliist nicht
ge Bischof Ablässe für die Helfer beim Neubau. Allerdings
deutlich,
tätig wart.. ). Weitere
ob hier auch eine Confraternitas
durch Klöster in Frankreich
Brücken, die im 11. und 12. Jahrhundert
Die Isere-Brücke
erbaut
zählt Boyer
wurden,
auf1i0)
Am bekanntesten aber sind die Rhonebrücken bei Avignon und
Der Bau der Brücke in Avignon wurde am 13. NoPont-St-Esprit.
des
heiliggesprochenen
Initiative
Benezet
1177
später
auf
vember
unter bischöflicher und kommunaler Leitung begonnen. Eine seit
1181 bezeugte Bruderschaft von Laien, Männern wie Frauen, unter
Aufsicht Bänezets brachte die Mittel für den Bau zusammen. Ein
Hospital bei der Brücke, an der noch im 13. Jahrhundert permanent
gebaut wurde, ist erst Ende dieses Jahrhunderts erwähnt, dürfte
aber schon bald nach Erstellung der Brücke errichtet worden sein.
1187 wurde den Brüdern eine Kapelle mit Friedhof gewährt. 1188,
als der Prior Benedikt die Bruderschaft leitete, war die Brücke provisorisch vollendet171). Im 13. Jahrhundert wurden trotzdem weitere
166) Vgl.
Paulus
106 Anm. 6.
167)
Boyer
168) Vgl.
Le
(wie Anm.
159) Bd. 2 S. 256, Boyer
S. 646.
Blevec
S. 90.
I69) Vgl. Paulus
(wie Anm. 159) Bd. 2 S. 258.
11-0)Boyer
S. 649.
171) Vgl. Boyer
S. 93ff.
S. 641 und Le Blevec
S. 642 und Le BlevecS.
50
LUDWIG
SCHMUGGE
Ablässe für die Beteiligung am Brückenbau verliehen, so durch Innozenz IV. 1251 ein Jahr und 40 Tage172). Nachdem die Stadt das Werk
am Ende des 13. Jahrhunderts übernommen hatte, widmete sich die
die
Bruderschaft nur noch dem Hospital und der Pilgerbetreuung,
nicht nur einen nebensächlichen Teil des opus pontis" darstellte173).
Nördlich von Avignon liegen Brücke und Hospital von Pont-StEsprit174). Im Sog des Erfolgs von Avignon begann man Mitte des 13.
Jahrhunderts zwischen Vienne und Avignon eine Brücke über die
Rhone zu bauen, gefördert durch eine Bruderschaft. Ein Hospital
entstand dort ebenfalls noch im 13. Jahrhundert. Als die Brücke 1309
vollendet ist, hat der französische König Philipp der Schöne aber
bereits seine Hand darauf gelegt. Das Hospital hatte im 14. Jahrhundert immerhin eine Kapazität von 36 Betten.
Im Bereich der Santiago-Pilgerwege
sind ähnliche Aktivitäten
bekannt, allerdings schon einige Zeit früher: Dominicus de la Calzada
(gestorben
1109) und der Eremit Johannes von Ortega (gestorben
Brücken- und
1163) sind Beispiele solcher später heiliggesprochener
im Dienst der Pilger. Über den Mino hatte ein Petr its
Straßenbauer
ihm
Brücke
König Alfons
dafür
schenkte
eine
gebaut,
peregrinus
Maria
Santa
de Portomarin
Kastilien
1126
die
Kirche
von
von
Brückenspitals173).
ihm
die
Betreuung
Auch das
überließ
und
eines
San Marcos-Hospital
in Leon ist im Zusammenhang
mit der Brücke
über den Fluß Bernesca zwischen 1150 und 1170 entstanden.
1152
werden ministri
pontis und 1171 ein Hospital an derselben Brücke
des
Ordens
Besitz
den
Dieses
ist
dann
in
erwähnt.
von Santiago
VII.
gekommen176).
So ist beim
eine ähnliche zeitliche Verschiebung
festzustellen
Spanien und Frankreich
zwischen Italien,
wie bei der
In
Deutschland
Gründung
Pilgerhospitälern.
sind Brückenbauvon
belegt, hier fehlen auch
ten erst seit dem 12. Jahrhundert
im
Brückenbau
172) Belege bei Paulus
(wie Anm. 159) Bd. 2 S. 253f.
173) so Boyer
S. 641.
S. 98-105.
174) Boyer
S. 644, Le Blevec
175) Lacarra
(wie Anm. 79) Bd. 3 Nr. 3 S. 15-16.
176) D. W. Lomax,
La orden de Santiago (1170-1275),
dios medievales, Estudios 38, Madrid 1965, S. 69f.
CSIC-Escuela
de estu-
PILGERVERKEHR
IDI MITTELALTER
51
BrückenbruderNachbarländern
zu den romanischen
schaften fast ganz. Doch gibt es auch im deutschen Reich zahlreiche
So ist die mittelalterliche
Brücke
Spitäler
an Brücken.
historisch
unmittelbar
zum Spital zu stellen. Beide dienten vor allen anderen
den Pilgern" 1TT).
Unterschied
Zusammenfassung
Untersuchung einiger PilgerNach der schwerpunktmäßigen
in Frankreich, Italien und Spanien
hospitäler und Hospitalketten
lassen sich einige allgemeine Ergebnisse formulieren. Vorab ist zu
bemerken, daß hier nur die Hospitäler, welche für Pilger und Reisende auf dem Weg zu heiligen Stätten errichtet wurden, von Interesse
sind. Die städtischen Spitäler und Leproserien blieben grundsätzlich
außer Betracht, wenn sie auch gelegentlich Pilgern offenstanden.
bildete eine wichtige Stütze des FernpilgerDas Hospitalwesen
Romea
der
An
via
wurden zwischen etwa 1030 und 1120
verkehrs:
eingerichtet,
ebenso am camino de Sanviele neue Pilgerhospitäler
(zwischen 1050 und 1130), während in
tiago südlich der Pyrenäen
die Hauptwelle
der SpitalSüdfrankreich
(Toulouse ausgenommen)
datiert.
1230
Im Raum von Lucca
1120
und
gründungen
zwischen
Abstand
der mittlere
zwischen den Hospitälern
nach Esch
nur etwa 5 km, Nasalli Rocca schätzt diese Distanz an der Emilia auf
etwa 10 Meilen178), während der Pilger am camino de Santiago im
Durchschnitt
entstanalle 15 km auf ein Hospital traf. Paßhospitäler
in den Westalpen und im Apennin
den neu oder wurden restauriert,
betrug
Ostalpen
in
den
Jahrhundert
1140,
11.
erst
und
etwa
zwischen
In den Pyrenäen
waren die Häuser am
ab Mitte 12. Jahrhundert.
(um 1132) schon um 1150
Somport (vor 1094) und in Roncesvalles
Brücken und
Seit dem 12. Jahrhundert
erleichterten
weltberühmt.
Mitte
117) ¢Maschke (wie Anm. 158) S. 287. Vgl. auch dort S. 266f. und 282f. In
Namur z. B. lassen sich Brücke und Hospital im 12. Jahrhundert
nachweisen:
Aux origines du grand Höpital de Namur,
Vgl. A. M. Bonenfant-Feytmans,
Annales de Ia Societe arch@ologique de Namur 60 (1980) S. 23-65, bes. 34ff.
1'111)Esch (vie Anm. 39) und E. Nasalli
Rocca, Ospedali e canoniche regolari,
in: La vita commune del clero nei secoli XI e XII (Miscellanea del Centro di Studi
Medioevali 111,2) Mailand 1962, S. 16-25.
52
LUDWIG
SCH¢MUGGE
mit diesen verbundene Hospitäler das Reisen in Italien, Spanien,
Deutschland und Frankreich.
Träger der Gründungswelle waren neben den Königen (Spanien) und Grafen (Mathilde) auch Bürger südfranzösischer und italieden
Unter
Städte.
geistlichen Förderern ragen neben Klönischer
stern und Bischöfen die Kanonikerstifte hervor. Fonseca verdanken
wir den Hinweis, daß viele Kanonikerstifte im 11. und 12. Jahrhundert mit Hospitälern und Assistenzaufgaben für Arme und Pilger
gegründet worden sind, was sich sowohl am titulus dedicationis
(Christophorus, Egidius, Jakobus, Julianus) als auch an den normatiläßt179).
Kanonikergemeinschaften
Auch Nader
Texten
ablesen
ven
salli Rocca hat auf den Zusammenhang zwischen den sich ausbreitenden Kanonikerstiften
seit dem Ende des 11. Jahrhunderts und dem
Ausbau von Hospitälern besonders an Pilgerstraßen und in Pilgerorten aufmerksam gemacht' 0).
Die Gründung vieler Hospitäler, welche vornehmlich den pereLaien
die
Initiative
von
zurück, die auf
offenstanden,
grini
geht auf
diese Weise der Forderung nach hospitalitas und Armenfürsorge
nachkamen. Sie haben dann ihre Gründungen alsbald unter den
Schutz der römischen Kirche gestellt, wie an vielen päpstlichen Privilegien abzulesen ist. Der Liber Censuum, das päpstliche Zinsbuch
von 1192, nennt 50 Hospitäler, von denen sich zwei Drittel in Italien
befanden, die nach Rom einen Anerkennungszins zahlten und unter
dem Schutz der römischen Kurie standen1ß1). Dieser Zins war relativ
niedrig und machte noch nicht ein Prozent aller nachweisbaren Gesamteinnahmen der Kurie aus. Mit dem Hospital war immer eine
Kirche, oft auch ein Friedhof verbunden, die Hospitäler hatten das
Dieser Eingriff in die Rechte von
entsprechende Begräbnisrecht.
Bischöfen und Pfarrern führte oft zu Konflikten und Streitigkeiten
mit den lokalen kirchlichen Instanzen, bei denen aber die Kurie die
179) Vgl.
Fonseca
(wie Anm. 35) S. 484f. und 496f. Er führt die Consuetudines
von S. Jean de Vigne und den Liber Ordinis von S. Victor in Paris als Beispiele
(wie Anm. 22) S. 115f. Zwei Beispiele für Kanonikerstifte
an. Vgl. auch Mollat
mit Spital im deutschen Raum: Brixen, Neustift (1142) und Ulm (1183), Ulmer
UB 1,15.
180) Nasalli
Rocca (wie Anm. 178).
181) Vgl. Pfaff
(wie Anm. 42) S. 497.
I¢I
PILGERVERKEHR
53
¢IITTELALTER
Anliegen der Hospitäler nach Kräften förderte. Geleitet wurden die
Hospitäler meist von Geistlichen (mnagistri oder rectores), die einer
Gemeinschaft von fratres vorstanden und das Hospital verwalteten.
Im Bereich der städtischen Hospitäler gab es daneben auch Laien als
provisores oder procuratores. Die Häuser lebten und versahen ihren
Dienst auf der Basis von Schenkungen, Grundbesitz und Almosen,
wie andere geistliche Institutionen auch.
im Laufe des 12.
von neuen Hospitalgründungen
Jahrhunderts
les
erlaubt die These le douzieme siecle a vu proliförer
fondös par de pieux laics", wie Bienvenu
etablissements
charitables
hatten zumeist nur die
hat's). Noch im 11. Jahrhundert
es formuliert
ihren Klöstern Hospitäler
für Arme und
großen Benediktinerabteien
Die Vielzahl
Pilger
Deren soziale Aktivitäten
nahmen im 12. Jahrangegliedert.
hundert ab und wurden durch die schon im 11. Jahrhundert
einsetBemühungen
der neuen Kanonikerund Mönchszenden karitativen
gemeinschaften
ergänzt, so daß man auch für das 12. Jahrhundert
traditionnelle"
von einem net progres de la charite ecclesiastique
Trägerschicht
der karitativen
Aktivitäten
waren
sprechen kann").
vor allem Laien, die burgenses, eine neue,
seit dem 12. Jahrhundert
kleine
Schicht der Bevölkewenn
auch
recht
vermögende,
relativ
durch eine neue Wertung
des Armutsrung. Sie wurde inspiriert
des 11.
ideals, welches seit der Kirchenreform
von den Predigern
Jahrhunderts
wurde. Da diese Laien für die Teilnahme an
verbreitet
Kreuzfahrten
den bewaffneten
weniger geeignet schienen, sicherten
sie ihr Seelenheil in der Sorge um die stetig wachsende Schicht der
der Leprosen'$).
Im Zusammenschluß
deracines"
und
zu
pauvres
deren erstes Auftreten
confrater nitates, zu Hospitalbruderschaften,
wir in Angers um 1075/80 feststellen konnten, fanden sie die geeignete Form, ihre Absichten
in die Tat umzusetzen.
im Rahmen
Anfangs
neuer religiöser Gemeinschaften
gerieten sie dabei durchaus in Kon-
"g) J.
Bienvenu,
Fondations
lalques
L'exemple
XIIe
charitables
au
siecle:
-M.
de I'Anjou, in: Etudes sur l'histoire de la pauvrett,
hg. v. M. Mollat
(Publ. de la
Sorbonne, Etudes 8) Bd. 2 S. 563-569, Zitat S. 563. Vgl. auch J. -M. Bienvenu,
Pauvret8, miseres et charit6 en Anjou aux XIe et XIIe sii'cles, Le Moyen Age 72
(1966) S. 389-424,73
(1967) S. 5-34 und S. 189-216.
")
Bienvenu
`a') Vgl.
S. 564.
Bienvenu,
Moyen Age 72 S. 389f. und M. Mollat
(wie Anm.
22).
54
LUDWIG
SCHMUGGE
Gewalaber auch mit den lokalen weltlichen
mit den kirchlichen,
hat sich vor allem in der Gründung von städtiten. Diese Aktivität
schen Spitälern niedergeschlagen,
war aber auch für die Versorgung
der Pilger nicht ohne Bedeutung.
der großartigen
Eine erste zeitgenössische
Würdigung
sozial-
flikt
Leistungen
findet
sich bei Jakob von
Das 29. Kapitel widmet er
Vitry in seiner Historia
occidentalis18').
den Armen- und Leprosenhospitälern
Bruund den sie betreuenden
Jakob ist voll des Lobes für die Männer und Frauen,
derschaften.
der Pflege der Kranken
welche sich unter Selbstaufopferung
und
Pilger in ihren Häusern widmen, ihnen Quartier und Nahrung geben.
Er verschweigt
nicht mehr Orte der
nicht, daß einige Hospitäler
Nächstenliebe,
et prostibula
sondern speluncae latronum
uzeretr ifürsorgerischen
der Hospitäler
seien1S8). Vier Hospitäler
cium, et synagogae iudeorum
geworden
hebt er besonders hervor,
an erster Stelle Santo Spirito in Rom,
Antoniushospital
das
dann das Samsonhospital
in Konstantinound
in Roncevaux
pel, ferner das Marienhospital
als die bekanntesten
daß mit dem ausgehenden
Pilgerhospitäler.
So ist festzuhalten,
11.
der Hospitalgründungen
Jahrhundert
das goldene Zeitalter
einsetzte
im folgenden Jahrhundert
fand. Seit dieser
und seinen Höhepunkt
Zeit gab es entlang den großen Pilgerrouten
Herbergen
für peregrini
in so dichter
hospitalkette
daß man durchaus
kann.
sprechen
Folge,
von einer regelrechten
4. Zu einigen Konsequenzen des organisierten
Die Pilgerhospitäler
und die Entstehung
Gastang
Pilger-
Pilgerverkehrs
der kommerziellen
Trotz des dichten Netzes von Pilgerhospitälern
an den bedeuEuropas waren die peregrini stets dartenderen Wallfahrtsstraßen
Historia occidentalis, ed. J. F. Hinnebusch
195)Jakob -von Vitry,
Fribourg
17)
1972.
Friburgense
gium
(Spicile-
S. 149,18-20
11) Ed. Hinnebusch
und S. 276-284. Vgl. zu dem HospitalkapiHospitalite
tel M. Mollat,
et assistance au debut du XIIIe sii cle, in: D. Flood
Forschungen
(Hrsg. ), Poverty in the Middle Ages (Franziskanische
27) Werl
(vie Anm. 22) S. 128.
1975, S. 37-51 und 1liollat
PILGERVERKEHR
IMI MITTELALTER
55
auf angewiesen, auf ihrem Weg zu den Schreinen der Heiligen anderswo als in kirchlichen Hospitälern Übernachtung und Verpflegung zu suchen, oftmals unter freiem Himmel oder in Privatquartieren", vor allem deshalb, weil die Kapazität der Hospitäler begrenzt
gewesen ist. Für viele Häuser wird eine Zahl von 12 Betten genannt,
sicherlich bedingt durch die mittelalterliche Vorliebe für symbolische
Zahlen. Gleichwohl haben viele Unterkünfte kaum mehr, eher weniger Platz gehabt. Hospitäler mit weniger als 12 Betten waren keineswegs selten. Nur in den größeren Städten, wie Santiago, Burgos,
Toulouse oder Paris hat es der Kapazität nach größere Häuser gegeben.
Über Kapazität und Leistungen der Pilgerhospitäler besitzen
den
für
der
in
Angaben
Teil
des
Jakobsweges
spanischen
wir einige
Zeit des späteren Mittelalters. Nach einer Urkunde Bischof Michaels
Januar
4.
1285 hatte das dortige Michaelshospital
Pamplona
vom
von
40 Betten und gab täglich ebensoviele Portionen Brot, Fleisch und
Bohnen aus"). Das Hospital S. Juan in Oviedo verteilte um 1300
täglich 25 Portionen Brot und Wein, davon waren 8 reserviert in
i. sum pauperunn peregrinorunar88). Sowohl durchreisende Pilger wie
örtliche Arme nahmen also die hospitalitas in Anspruch. Das führte
notwendigerweise zu Spannungen und Verdrängungsprozessen.
Eine Kapazität von etwa 12 Betten bedeutete nicht, daß ein
solches Haus nur 12 Pilger aufnehmen konnte. Sowohl bildliche (Mibezeugen,
daß
in
Quellen
jedem Bett 2-3
literarische
wie
niaturen)
Menschen schliefen. In Zeiten großen Andrangs konnten es sogar
mehr Personen sein, die sich in ein Bett teilen mußten. Einschlägige
Klagen sind für das 2. Heilige Jahr in Rom durch das Tagebuch des
Buccio di Ranallo bekannt'89).
Die Verpflegung, welche an peregrini in Spanien im Spätmittelausgegeben wurde, konnte manchmal alter in Pilgerhospitälern
So
befriedigen.
durchaus
Ansprüche
sahen
gehobene
wie wir schon
1) Lacarra
(wie Anm. 79) Bd. 3 Nr. 61 S. 70-71.
'') Ebenda Nr. 62 S. 71-72.
dal
di
Roma
189 Vgl. dazu M. Romani,
Pellegrini
nell'economia
e viaggiatori
XIV al XVII secolo, (Edizioni dell'Univ.
cattolica del Sacro Cuore 25) Mailand
1948, S. 136 Anm. 144. Zur Kapazität von städtischen Hospitälern im 13. und 14.
(wie Anm. 22) S. 181f.
Jahrhundert
vgl. Mollat
56
LUDWIG
SCHnNGGE
Jahrhundert
im
13.
Brot
in
Villamartin
(Carrion)
die
Pilger
erhielten
Butter
Gemüse100).
Fleisch,
Käse,
Eier,
Wein,
und
auch
aber
und
Von daher ist es verständlich, daß an manchen Orten AufenthaltsbeSie
durften
Pilger
für
zumeist nicht
erlassen wurden.
schränkungen
länger als 1-3 Tage in den Hospitälern verweilen, was durch Einkerbungen an ihrem Pilgerstab sichtbar gemacht wurde. Offenbar suchten besonders die ärmeren Pilger sich in reichen" Spitälern länger
Sozialfürsorge
die
die
belasteten
örtliche
dann
wie
und
aufzuhalten
Versorgung der durchreisenden Mitpilger.
Der anwachsende Pilgerverkehr in Europa im 11. und 12. Jahrhundert hat neben dem gleichzeitigen Aufschwung des Handels auch
beigetrakommerziellen
Gastlichkeit
der
Entstehung
wesentlich zur
derart
Die
Pilgerströme
an, daß nicht mehr alle peregen.
schwollen
Unterkunft
Verpflegung
in
kirchlichen
Hospitälern
erhalund
grini
ten konnten. Sie waren auf ihrer Wanderschaft jedenfalls schon imden
Märkten
Verpflegung
Getränke
darauf
und
auf
mer
angewiesen,
und erzählende Quellen
zu erwerben. Zahlreiche Mirakelberichte
Mengen
Lebensmittel
Pilger
daß
mitführten.
größere
schildern,
Auch die Nachfrage nach Quartier außerhalb von Pilgerhospitälern
Waller
gern den etwas spartanischen
wuchs, zumal wohlhabende
Komfort gegen bessere Betten und reichlichere Speisen eintauschten
bereit
dafür
waren.
zahlen
zu
und
So entstanden - zuerst faßbar entlang dem Santiagopilgerweg
12. Jahrhunderts Einrichtungen der kommerziellen
des
im
Laufe
Gastlichkeit. Zuerst stößt man neben den privaten Quartiergebern
die
den
Pilgern
Herbergswirte,
albergarii,
wohl
auf professionelle
Quartier, aber anfangs noch keine Mahlzeiten bieten. Diese konnten
Herberge
die
den
der
in
Wallfahrern
zubereitet
von
werden,
aber
Zutaten erwarben sie auf dem örtlichen Markt. Bald gingen aber die
dazu
ihrerseits
Santiaüber,
In
Mahlzeiten
anzubieten191).
albergarii
190) Lacarra
(wie Anm. 79) Bd. 1 S. 331191) Vgl. dazu L. Schmugge,
PilgerverZu den Anfängen des organisierten
in: H.
kehrs und der Unterbringung
von Pilgern im Mittelalter,
und Verpflegung
(Hrsg. ), Gastfreundschaft,
Taverne und Gasthaus im Mittelalter
C. Peyer
3) München 1983, S. 37-60, bes.
(Schriften des Historischen
Kollegs-Kolloquien
S. 52 f.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
57
go erkämpfen sie dieses Recht im Laufe des 12. Jahrhunderts. Selbst
in den kleineren Orten entlang den Pilgerstraßen existierten ferner
Tabernen, in denen man zwar essen und trinken, aber nicht übernachten konnte. Es versteht sich fast von selbst, daß auch in Rom
bereits im 12. Jahrhundert eine florierende kommerzielle Gastung
anzutreffen ist.
Wir können uns demnach die Herausbildung einer. kommerziellen Gastung im 12. und 13. Jahrhundert entlang den bedeutenden
Pilgerrouten folgendermaßen erklären: Trotz der traditionellen klösterlichen hospitalitas und trotz zahlreicher, neu entstandener Pilgerhospitäler in Städten, an Pässen und Flußübergängen, aber auch
auf dem Land, nahm der Bedarf und die Nachfrage nach Quartieren
gegen Entgelt durch Pilger und andere Reisende zu. Professionelle
diesen
Bedarf
deckten
zuerst in den Städten, und es gealbergarii
lang ihnen bald, den Gästen auch Verpflegung anbieten zu dürfen,
Tabernenrecht
Schankdas
und
offenbar mehr und mehr libezumal
ralisiert wurde. So bildete sich am Santiagopilgerweg, in Rom und in
Oberitalien schon im 12. Jahrhundert, im übrigen Europa seit dem
13. Jahrhundert, das kommerzielle Gastwirtshaus heraus, wo ReiQuartier
Pilger
Mahlzeiten
Entgelt
auch
und
also
sende gegen
erhielten'`=).
Orden im Dienst an den Pilgern
Das 12. Jahrhundert ist nicht nur die große Zeit der Hospitalgründungen, damals entstanden auch zahlreiche Orden, die sich anfangs ausschließlich, später nur noch sekundär, dem Dienst an Pi119=) H. C. Peyer,
Gastfreundschaft
Gastlichkeit
im Mittelalund kommerzielle
ter, HZ 235 (1982) S. 265-288. Toulouse hatte im 15. Jahrhundert
eine HotelkaL'Hötellerie,
pazität" von ca. 400 Betten. Vgl. dazu P. Wolff,
auxiliaire de la
route. Notes sur les hbtelleries toulousaines au Moyen Age, Bulletin PhilologiCTHS 1960, Bd. 1, S. 189-205. Vgl. ferner die Arbeiten
que et Historique
...
Pilgerspitäler,
(wie Anm. 66). Für Spanien jetzt: H. Kellenbenz,
von Coulet
C.
in:
H.
Frühe
Neuzeit),
Albergues und Ventas in Spanien (Spätmittelalter
Peyer,
Gastfreundschaft
(wie Anm. 191) S. 137-152. Ferner E. Cohen,
...
Studi medievali 3° ser.
Roads and Pilgrimage: A Study in Economic Interaction,
21 (1980) S. 321-341.
LUDIVIG
58
SCH111UGGE
kann
die
GründungsgeHier
Wallfahrern
verschrieben.
und
gern
in
Gemeinschaften
dieser
werden,
extenso untersucht
nicht
schichte
Zusammenhang
im
dem
Bemerkungen
mit
einige
wir müssen uns auf
die
Pflegebeschränken
eigentlichen
Pilgerverkehr
nur
und werden
behandeln'93).
und Hospitalorden
Die um 1100 in der Dauphinä gegründete Antoniter-Gemeinder
Mutterkornbrand
Pflege
die
hatte
am
sich ursprünglich
schaft
Von
Anfang
hat
Menschen
Ziel
aber
an
gesetzt.
zum
erkrankten
diese Gemeinschaft offenbar auch Pilger betreut's'). Mischlewski hat
Antoniter
der
de
Camino
Reihe
daß
Hospitälern
am
eine
von
gezeigt,
Santiago in Frankreich und Spanien lagen, insbesondere auf der
Daneben
Genf-Chambery-Rhonetal-Toulouse-Leon.
Strecke
Ranverso
im
Jahrhun12.
Ruffino)
Susa
(nach
in
schon
und
auch
sind
die von den Antonitern betreut wurden, bedert Pilgerhospitäler,
die
Antoniter
Als
Ordensgemeinschaft
sind
allerdings erst
zeugt"').
im Jahre 1247 durch Papst Innozenz IV. anerkannt worden196).
Von den im Zusammenhang mit der Eroberung Jerusalems im
Heiligen Land entstandenen Gemeinschaften hat die seit 1099 bestehende Kommunität der Fratres et Sorores S. Sepulcri schon bald
Hospitäler in Spanien, Italien, Frankreich und England erworben,
die insbesondere für die Betreuung von Jerusalem-Pilgern bestimmt
Hospitaliter
können
ihre
Anfänge
Johanniter
Die
oder
auf
waren"').
die in Jerusalem vorhandenen Hospitalaktivitäten
zurückführen. Der
Pilger Bernhard der Mönch erwähnt noch um 870 ein von Karl dem
Die geistlichen Ritterorden.
Stellung zur
Ihre
allgemein
des
Entwicklung
und wirtschaftlichen
kirchlichen, politischen, gesellschaftlichen
(wie Anm. 96) Bd. 2 S. 166-182.
Berlin 1908, S. 7f. und Reicke
Mittelalters,
(wie Anm. 22) S. 118f.
Mollat
Le prime fondazioni ospedaliere anto194) Zu den Antonitern
vgl. I. Ruffino,
in: Monasteri in Alta Italia
Torino 1966, S. 541-570 und
Italia,
Alta
in
niane
...,
Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens
bis zum AusA. Mischlewski,
(Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte
Köln 1976,
8)
Jahrhundert
des
15.
gang
de Morembert,
Les commanderies
H. Tribout
S. 17-47.
antoniennes de
(1978)
S.
Fanjeaux
13
357-363, bes. S. 361f.
de
Cahiers
l'Aude,
S. 34 mit Karte 2.
195) Mischlewski
(Hrsg. ) Les Registres de Innozent IV. Bd. 1 Nr. 2576 S. 383.
191) E. Berger
197) Vgl. K. Elm, Fratres et Sorores Sanctissimi Sepulcri, Frühmittelalterliche
Sigal (wie Anm. 1) S. 71.
Studien 9 (1975) S. 287-333.
193) Vgl.
H.
Prutz,
PILGERVERKEHR
IM MIITTELALTER
59
Großen in Jerusalem
Hospital'98).
Dieses hat aber wohl
gegründetes
das 10. Jahrhundert
Im 11. Jahrhundert
nicht überdauert.
gründete
Mauro de Pantaleone
dann der Amalfitaner
ein Hospiz (S. Maria
Latina, vor 1071), ein weiteres entstand um 1080. Den Kreuzfahrern
erschienen beide als eine Einheit,
als das Hospital (hospitale S. Johannis)
1113 erhielt es von Papst Paschalis ein feierlischlechthin.
in welchem weitere
Xenodochien
in Bari, Otranto,
ches Privileg,
Taranto, Messina, Pisa, Asti und Saint-Gilles
dem Hospital zugeals
hörig" bezeichnet werden190). Um 1120
das Hospital eine von
war
den Herrschern
des Heiligen Landes und vom Papsttum anerkannte
die karitative
Dienste an Armen,
Pilgern
eigene Institution,
und
Anfangs eine Spitalbruderschaft,
hat sich diese
Gemeinschaft
erst seit der Mitte des 12. Jahrhunderts
zum Ritterorden aufgeschwungen
Chamit vorwiegend
militärisch-ritterlichem
Spitalrakter. Vor etwa 1135 kann sie mit Hiestand als bürgerliche"
bruderschaft
bezeichnet werden201). Inwieweit
die frühen Niederlassungen des Ordens in Europa den Charakter
von Pilgerherbergen
Kranken
leistete"200).
Papst Paschalis II. empnicht mehr festzustellen.
fiehlt den vom Leiter des Spitals, Gerald, nach Europa zum AlmosenArcelin
der Christenheit
daß die
sammeln gesandten
und betont,
Hospitaliter
peregrinorum
et pauperum
curam gerant202). Im Lauf
haben die Hospitaliter
des 12. Jahrhunderts
besonders in Italien eine
Hospitälern
Reihe von schon bestehenden
übernommen
oder neue
die Hospitaliter
In Barletta betreuten
gegründet.
seit der Mitte des
hatten,
ist jedoch
für Pilger bestimmtes
12. Jahrhunderts
Hospital,
ein vornehmlich
welches ihnen 1179 durch König Wilhelm II. bestätigt wurde203). Das
Johanniterhospital
in Troja wurde von Papst Lucius III. erstmals
`)
Dazu zuletzt R. Hiestand,
Die Anfänge der Johanniter
(Die geistlichen
Ritterorden
Europas - Vorträge
26) Sigmaringen
1980, S.
und Forschungen
31-80, bes. S. 33f.
189) Hiestand
S. 52, JL 6341.
200) Hiestand
S. 53.
201) Hiestand
S. 80.
2°=) Hiestand
le Roulx,
Anhang Nr. 1 und J. Delaville
de fordre
des Hospitaliers
de S. Jean de Jerusalem
1100-1200, Paris 1891 Nr. 31 S. 30.
')
Delaville
le Roulx
Nr. 562.
Cartulaire gdnerale
Bd. I:
(1100-1310)
60
LUDWIG
SCMIUGGE
im
Besitzungen
12. Jahrhundes
Ordens
Weitere
schon
erwähnt204).
dert befanden sich in Molfetta und Neapel.
Orden im Verlauf
des 3. Kreuzzuges
Auch er ist 1189/90 in Akkon als eine
entstanden.
Feldspitals
Hospitalgemeinschaft
gegründet
eines deutschen
worden, welche vielleicht
mit dem vor 1143 in Jerusalem entstandenen
Als letzter
der Ritterorden
für Deutsche
ist der Deutsche
zu setzen ist205). Dieses
kann jedoch nicht sehr bedeutend gewesen sein, wird aber im Bericht
In dem 1191
des Pilgers Johann von Würzburg
(um 1165) erwähnt.
Akkon gab es im 13. Jahrhundert
5
mindestens
wieder eroberten
das Deutsche Hospital,
das englische St.
Hospitäler:
-Thomas-Spital,
die Hospitäler
der Pisaner (Hl. Geist), Bretonen (St. Martin) und der
Johänniter.
Als ersten Besitz im Abendland
erwarb das Deutsche
Spital von Akkon das Thomasspital
von Barletta206), also ein Hafenhospital, weitere dieser Art folgten in Palermo und Brindisi,
was für
die ursprüngliche
der Pilgerbetreuung
Allerdings
Absicht
spricht.
Regel
die
davon nur noch im
1240
erste
redet
um
aufgeschriebene
Hospital
Pilger
in Verbindung
Perfekt207).
Der Orden vom Heiligen Geist wurde zwischen 1160 und 1170 in
Montpellier gegründet, ein erstes Hospital in Pyla-Saint-Gely errichtet. Internationalen Aufschwung nahm die Gemeinschaft vom HeiliJahrhunderts,
13.
des
Geist
Anfang
als Papst Innozenz III.
gen
erst
die Brüder mit dem Bau und der Betreuung des Hospitals Santo
Spirito in Rom betraute und gleichzeitig die Zentrale mit dem Rektor
Guido (gestorben 1208) nicht ohne den Widerstand der französischen
Das Hospital der Heiligen Maria in
Hospitäler nach Rom verlegte).
I priorati, i baliaggi e le commende del
1269. Vgl. 31. Gattini,
Giovanni
S.
di
di
Gerusalemme
ordine
sovrano militare
nelle provincie meridioNeapel 1928nali d'Italia...,
Studien zur Frühgeschichte
205) Vgl. M. -L. Favreau,
des Deutschen Ordens
1974, S. 35-63 und U. Arnold,
Entstehung
(Kieler Hist. Studien 21) Stuttgart
Ordens (Vortr.
Deutschen
des
Frühzeit
und Forsch. Bd. 26: Die geistl.
und
Europas) Sigmaringen
1980, S. 81-107, bes. S. 83.
Ritterorden
S. 61.
200) Vgl. Favreau
fiste prius hospitalia
207)
bei Reicke
quam miliciam
habuit...,
ordo
zitiert
...
(wie Anm. 96) Bd. 1 S. 119, vgl. auch S. 112-149.
a Rome et en Italie de fordre du Saint-Esprit
208) M. R ev e 1, Le rayonnement
de
Cahiers de Fanjeaux 13 (1978) S. 343-355.
Montpellier,
204) Ebenda
Nr.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
61
(wie es der Traum Innozenz'
Sassia war nicht nur für Findelkinder
III. will) gedacht, sondern dort wurden pauperes die nocteque de
huc venientes200) aufgenommen,
also war
mundi partibus
quatuor
Aufgabe des Hospitals.
Pilger durften sich
auch die Pilgerbetreuung
Dauer von 8 Tagen aufhalten.
Im 13.
bis zu einer maximalen
ist die Hospitalbruderschaft
Jahrhundert
vom Heiligen Geist dann in
besonders
im
in
Forez,
im
Lyonnais,
Frankreich
anzutreffen,
ganz
der Dauphinä und im Gebiet
Anjou, aber auch in der Westschweiz,
der
Languedoc
in
Neben dem
Turin
und der Provence.
sowie
um
Santo Spirito in Rom besaß der Orden im Jahre 1256 9
Hospital
dort
Hospitäler
es bereits
in Frankreich,
56, vornehmlich
3 in Spanien,
entlang
3 in Polen. 1291 aber waren
den großen Pilger- und Handels-
straßen210).
Als ein weiterer Hospitalorden des 12. Jahrhunderts sind die
Kreuzherren zu nennen. Die cruciferi oder cruciati wurden von einem Kreuzfahrer namens Cletus gegründet. Papst Alexander III.
jedenfalls hat 1169 dem Prior Gerhard und seinen Brüdern iuxta
beate menzoriae Cleti viventibus ihre Regel bestätigt
disciplinam
Schutz
ihre
Häuser
unter
seinen
genommen211). Ihr Mutund sie und
terhaus, die donuts cruciferorunz sancte Mariae de Morello, bei Bologna an der Strada Romea zwischen der Stadt und dem Fluß Savena
Grundstein
und ein Schutzprivileg vom gleiseinen
erhielt
gelegen,
chen Papst, viele weitere päpstliche Schreiben folgten. Das Hospital
zinste zuerst ein Pfund Wachs, später zwölf Imperialen nach Rom212).
Der Orden, dem auch Laien angehörten, wuchs sehr rasch, ein ausführliches Privileg Papst Gregors IX. vom 10. Juli 1228 für den Generalmagister Bartholomeus zählt bereits 55 Hospitäler auf=13);außer in
Accon und auf Kreta befanden sich alle in Italien, wo der Orden in
fünf Provinzen eingeteilt war. Nicht nur die Päpste, auch die Kaiser
die Kreuzherren nach Kräften. Alle Hospitäler der
privilegierten
209)Zitat bei Revel S. 349.
210)Vgl. dazu Revel S. 350f.
in Ita211) P. F. Kehr (Hrsg. ), Italia pontificia V, 284-288 und Papsturkunden
lien I (1977) S. 535ff.
21`2)Liber Censuum ed. Fabre-Duchesne
(1905) I S. 100-101.
213) Les Registres de Gregoire IX., ed L. Auvray,
Bd. 1, Paris 1896, Nr. 209 S.
123-125.
62
LUDIVIG
SCH1üUGGE
der römischen
Kurie.
unterstanden
unmittelbar
scheint der Orden schon im 13. Jahrhundert
seine Blütezeit
schritten
zu haben.
Kreuzherren
Doch
über-
Die aus dem Hospital von Altopascio hervorgegangene Gemeinschaft der Jakobsritter ist bereits erwähnt worden. Altopascio wurde
seit dem Ende des 11. Jahrhunderts zum Mutterhaus eines über die
der Pilgerpflege und dem
ganze romanische Welt verbreiteten,
Brückenbau dienenden Ordens. Aber erst Gregor IX. verlieh ihm
eine Regel, 1239 die Johanniterregel214). Die Brüder - größtenteils
Laien - lebten bis dahin nach der Augustinusregel.
Vielleicht ließ
der ungeheure Reichtum des Hospitals von Altopascio eine straffere
Organisation und päpstliche Kontrolle ratsam erscheinen. 1244 bestätigte Friedrich II. dem Orden alle Besitzungen und Privilegien
und nahm ihn unter kaiserlichen Schutz215)
Die Ritterorden auf der iberischen Halbinsel schließlich übernahmen von Anfang an militärische Aufgaben. Trotz seines Namens
hatte der Orden von Santiago nur wenig mit den Pilgerfahrten zum
Grab des Apostels Jakobus zu tun215). Um 1160 gegründet, hatte er
im
Markushospital
Zentrum
in Leon, dessen Zweck,
sein
allerdings
die Betreuung von Santiagopilgern, ganz eindeutig war. Wie aber
Gemeinschaften
bei
vergleichbaren
auch
verlagerte sich die
anderen
Hauptaufgabe der Santiagoritter von der Pilgerbetreuung mehr und
Gebiete.
mehr auf militärische
Pilgerabzeichen
Ein wesentliches Kennzeichen der Herausbildung eines organiim
Mittelalter
Pilgerverkehrs
ist die Entstehung von typisierten
Heiliger
Abzeichen
einzelner
und Pilgerorte. Aus dem Bestreschen
des
Frühgeschichte
Ordens F. Schneider
(wie Anm. 39) S. 34f.
zur
Altopascio, a Forgotten Order, American Historical Rev. 29
und E. Emerton,
(1923) S. 1-23. S. oben S. 17f.
216) J. L. A. Huillard-Breholles,
Friderici
Historia
diplomatica
II. VI, 1,
Paris 1860, S. 178-182, wo die Besitzungen des Hospitals aufgezählt werden.
(wie Anm. 176), Sigal
216) Vgl. dazu Lomax
(wie Anm. 1) S. 70 und B.
Aus der Frühzeit der geistlichen Ritterorden
Schwenk,
Spaniens, (Vortr. und
Forsch. 26: Die geistl. Ritterorden
Europas) Sigmaringen
1980, S. 109-140,
bes. S. 124.
214) Vgl.
PILGERVERKEHR
IDI MIITTELALTER
63
ben der peregrini, von der Wallfahrt nicht nur Erbauung, Heilung
Zeichen
Sündenvergebung,
sichtbares
sondern
auch
ein
mit nach
und
Hause zu bringen, haben sich die Pilgerzeichen seit dem 12. Jahrhundert entwickelt. Im Hoch- und Spätmittelalter kann man getrost von
einer Souvenirindustrie für Pilger sprechen217). Eine solche hat sich
vor allem in größeren Pilgerorten, so in Santiago und Rom, herausHeiligJahrhundert
haben
für
die
dem
Seit
11.
großen
sich
gebildet.
tümer bestimmte Zeichen eingebürgert. Anfangs galten sie als Ausweis einer vollzogenen Peregrinatio und verbürgten für den Waller
so etwas wie den Nimbus des heiligen Ortes, wenn man sie mit dem
Schrein in Berührung gebracht hatte. Aus Zinn, Blei oder Leder
gefertigt, oder auf Papier gestempelt, für wohlhabende Pilger auch
in Silber oder Gold zu haben, fanden sie bald reißenden Absatz. Das
klassische Abzeichen der Santiagopilger, die Muschel, wird bereits
im Pilgerführer erwähnt215, während für Rom Bleibullen der Apostel
sowie das Schweißtuch der Veronika das entsprechende Signum waren. Die Produktion der Abzeichen lag in den Händen eigener Zünfte
und Gilden, der Concheiros in Santiago oder der Bibliotiers in Frankreich'-"). Produktion und Vertrieb dieser Pilgerzeichen stellten im
12. Jahrhundert offenbar bereits ein sehr lukratives Geschäft dar. An
vielen großen Pilgerzentren kam es nämlich gegen Ende des 12.
Jahrhunderts zu Konflikten über den Vertrieb der Pilgeramulette.
1. In Santiago brach um 1200 eine Auseinandersetzung
zwider die Kontrolle
über den Handel anstrebte,
schen dem Erzbischof,
Schließlich zahlten die Concheiros
dem
aus').
und den Concheiros
Erzbischof
wurden
eine Steuer auf ihre Läden. Santiagomuscheln
offenbar auch häufig gefälscht, denn seit Innozenz III. (1207) schritSantiagopilgerzeichen
ten die Päpste wiederholt
gegen falsifizierte
ein-1).
217) So E. Cohen,
Trade in Southern France,
In haec signa: Pilgrim-badge
Journal of Medieval History 2 (1976) S. 193-214, S. 193.
218) Guide du Pi lerin (wie Anm. 242) S. 96. K. Köster,
Pilgerzeichen und Pilin Schleswig
(Ausgrabungen
Santiagostraßen
germuscheln von mittelalterlichen
1983.
- Berichte und Studien 2) Neumünster
219) Vgl. Cohen S. 195.
2) Vazquez
de Parga (wie Anm. 79) Bd. 1, S. 129-137. Cohen S. 197.
221) Vgl. Cohen S. 212 Anm. 14.
If
64
LUDIVIG
SCH¢IUGGE
2. Auch im Fall von St. Peter in Rom entbrannte
ein Konflikt
Jahrhundes
Apostelzeichen
Ende
12.
der
den
Vertrieb
gegen
um
Papst Innozenz III. in einer Bulle vom
derts. Jedenfalls reservierte
der Bleizeichen den KaVertrieb
18. Januar 1199)
und Produktion
de
Peter:
St.
Eapropter
tam
signis
reditum,
quem
nonikern von
...
imaginem
Petri
Pauli
praeet
apostolorum
sive*stagneis
plumbeis
propriae
quibus eorum lintina visitantes in argumentum
itineris
devotionis
consumati
se ipsos insigniunt,
et testimonium
ipsi
quam auctonostri
et
nos
percipere consuevimus,
predecessores
fusoribus
fundendi
qui
eave
concedendi,
volueritis
quibus
ritatem
de
ipsis
tantum
vobis et per vos canonicae vestrae
respondeant,
vobis
ferentibus,
et praesentis scripti patrocinio
auctoritate
concedintus
St.
Peter
Oberaufbesaßen
ja
die
Die
Kanoniker
von
communimus.
denn auch die drei Pilgersicht über den römischen Pilgerverkehr,
herbergen von St. Michael, Santa Maria in Sassia und Santa Maria in
praesentium
hatte ihnen der Papst übertragen).
Traspadina
Das Recht der Kanoniker
von St. Peter auf die Kontrolle
von
Pilgerzeichen
Produktion
der
Vertrieb
wurde wiederrömischen
und
Und da solches selten ohne
holt vom Senat der Stadt bestätigt.
Grund geschieht, läßt sich auch hier der Konflikt zwischen den Zeilen
der
Senator Annibaldo
bestätigte
Mal
Das
am 12.
erkennen.
erste
März 1224')
apostolorum
principis
et non alii ulla
soli canonici
habeantfaculfaciendi
liberam
plenam
et
signa stagnea vel plumbea
tatem, et nulli alii signa stagnea ipsafundendi
seit vendendi habeilli
specialiter
vel
venditores quibus hiiant potestatem,
Eine Strafe von je 10 Pfund
dem canonici concesserint faccultate7n.
Gold für das Kapitel und den Senat wurde bei Zuwiderhandlung
andie
Bestätigung
durch
den
Senator
Mal
Das
geschah
gedroht.
zweite
Malabranca
1235').
Angelo Malabranca
gestand den Kanonikern
zu
nisi fusores
I
Die Register Innozenz' III. hrsg. von 0. Hageneder
und A. Haidacher,
Osterreichischen
des
Kulturinstituts
in Rom, hg.
Studien
Hist.
f.
(Publ. d. Abt.
Quellen I. Reihe) Graz-Köln 1964, I Nr. 534 S. 272/
Abt.
II.
L.
Santifaller,
von
273.
223) Ebenda Nr. 296 S. 417-419.
(Fonti per la
224) Codice diplomatico del Senato Romano I, ed. F. Bartoloni,
I Nr. 72, S. 111-115, Zitat S. 113.
1948,
Roma
87)
d'Italia
storia
`)
Ebenda Nr. 86 S. 143-145.
`)
PILGERVERKEHR
65
IM HIITTELALTER
von St. Peter ein noch weitergehendes Recht am Pilger- und Herbergswesen zu: Die Pilger unterstanden spiritaliter dem forum beati
Petri und durften von den Wirten nicht mit List und Gewalt in ihre
Herbergen abgeworben werden, sondern hatten das freie Recht, sich
niederzulassen, wo sie wollten. Sie durften auch die notwendigen
dort kaufen, wo sie es wünschten. 1244 erneuerVersorgungsgüter
ten die Senatoren Annibaldo und Napoleone das Privileg von 1224226).
3. In Rocamadour in Frankreich hatte das Kloster Toulle das
Monopol für den Verkauf der Pilgerzeichen. Hier kam es zum Konflikt, als der Abt Elias von Ventadour auch den Bürgern das Recht
verlieh, Abzeichen zu verkaufen, was Papst Gregor IX. 1237 wieder
verbot. Die Bürger zahlten schließlich einen Zins für Produktion und
Vertrieb an das Kloster, bis im 15. Jahrhundert ein erneuter Streit
dem
Bischof ausbrach7).
Bürgern
den
und
zwischen
4. Den Konflikt zwischen dem Hospital von St. Marien in Le
Puy und den Kaufleuten der Stadt schließlich hat Cohen ausführlich
Im Jahre 1210 erhielt das Hospital vom Bischof das
dokumentiert):
Recht, die sigilla stagnea vel plumbea (ein Marienbild mit dem Jesuskind) zu produzieren und in Stadt und Bistum zu vertreiben. Die
Stadt weigerte sich aber, auf den offenbar einträglichen Handel zu
Legat
Robert
Der
von Courzon bestätigte inpäpstliche
verzichten.
des die bischöfliche Entscheidung im Jahre 1214. Der Streit zog sich
hin: Alle, die ohne Genehmigung des Hospitals Pilgerzeichen fabriÜber
exkommuniziert.
wurden
mehr als
zierten und verkauften,
die
Auseinandersetzung
hin
Jahrhunderte
schwelte
vor geistlizwei
chen und weltlichen Gerichten und gelangte bis zum Pariser Parladann
Aufspaltung
in einen vom
führte
Dies
(1432).
einer
zu
ment
Hospital monopolisierten und einen freien Markt für Pilgerzeichen in
Le Puy.
PilAuch aus dem Deutschen Reich sind hochmittelalterliche
gerzeichen bekannt. 1164 hatte Rainald von Dassel die Reliquien der
Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln überführen lassen').
Ebenda Nr.
Vgl. Cohen
Vgl. Cohen
229) Vgl. jetzt H.
Bonn 1975.
108 S. 177-180.
(wie Anm. 217) S. 198.
S. 198f.
Die Heiligen
Hofmann,
Drei Könige (Rheinisches
Archiv
94)
Y
66
LUDWIG
Schon bald danach
SCHAIUGGE
die Wallfahrten
dürften
haben"230), Pilgerzeichen
zu den Kölner Königsreliquien eingesetzt
verbreiteten
sich noch im
Gläubige aus ganz Europa strömten
12. Jahrhundert.
nach Köln,
obwohl die Heiligen keine offizielle kirchliche Anerkennung
gefunden
hatten. Seit dem 13. Jahrhundert
verbanden die Waller den Besuch
in Köln mit der Aachenfahrt
oder dem Besuch beim Heiligen Servabz,%v.beim Heiligen Matthias in Trier').
tius in Maastricht
Auch im Spätmittelalter
wollten alle Pilger ein sichtbares ZeiPilgerfahrt
ihrer
vollendeten
mit nach Hause nehmen "232). Im
chen
Pilgerfahrten
Rahmen der periodischen
-wurden oft viele Tausende
innerhalb
Abzeichen
weniger Wochen abgesetzt,
wobei der
solcher
Vertrieb
Kirche, des Klosters
ein Monopol der jeweiligen
oder beZünfte am Wallfahrtsort
stimmter
war. Allerdings
war, wie in Aain
Handel
der
der
frei.
den großen
chen,
vielfach
Hochsaison"
Von
Pilgerzentren
(hat) die Herstellung
Masabendländischen
wohlfeiler
ihren Ausgang genommeni').
Der Buchdruck
senerzeugnisse
...
dieser Sparte der Volksfrömmigkeit
verdankt
mehr als dem Bedarf
Schriftlichkeit.
Gutenberg hat zuerst Aachener Wallnach gelehrter
fahrtsdevotionalien
hergestellt,
des Buchdrucks
ehe er als Erfinder
berühmt wurde. In Aachen wurden im 15. Jahrhundert
bis zu 42000
Pilger an einem Tag gezählt).
In Einsiedeln hat man 1466 während
der beiden Engelweihewochen
im September unter der Kontrolle
der
Abtei angeblich 130000 Pilgerzeichen
verkauft').
So ist die Pilgerzeichenindustrie
ein wichtiges Nebenprodukt
des organisierten Pilgerverkehrs gewesen und als Souvenirindustrie
230) Hofmann
S. 133.
231) Vgl. dazu K. Köster,
Pilgerzeichen
Mittelalterliche
nalien, in: Rhein und Maas, Kunst und Kultur 800-1400,
bes. S. 152f.
232) Köster
und WallfahrtsdevotioKöln 1972, S. 146-160,
S. 147.
233) K. Köster,
Neue Beiträge zur Kenntnis eines mitPilgerzeichen-Studien.
telalterlichen
Massenartikels
in: Biblotheca
und seiner Überlieferungsformen,
docet-Festgabe
Amsterdam
für Carl Wehner,
1963, S. 77-100, Zitat S. 77.
Vgl. auch Esch (wie Anm. 272).
234) Köster,
S. 78.
Pilgerzeichen-Studien
235) 0. Ringholz,
Übersicht der Geschichte des fürstliKurze chronologische
U. L. F. von Einsiedeln,
Einsiedeln 1900, S. 40.
chen Benediktinerstiftes
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
67
der Schreine gewannen
bis heute geblieben. Mit der Anziehungskraft
(oder verloren) auch die Hersteller
von Pilgerzeichen
und Devotionadieser Produkte
lien. Herstellung
und Vertrieb
war seit dem 12.
Faktor
Jahrhundert
in den Pilgerstädten
der
ein wesentlicher
für die peregrini.
Dienstleistungen
Die Pilgerführer
dar. Sie sind
stellen eine eigene Literaturgattung
als notwendiges Informationsmaterial
und Vademecum für die Heiligen Stätten Palästinas bereits aus der Spätantike bekannt. Mit dem
aufkommenden Pilgerwesen zeichnen seit der Jahrtausendwende
Rom-, Santiago- und Jerusalemfahrer die Etappen ihrer peregrinatio
nicht nur zum Zwecke der Erinnerung, sondern auch als Erfahrungsbericht und Auskunftsmittel
für künftige Nachfolger auf. Ein erstes
Verzeichnis von Etappenorten hinterließ der Erzbischof Sigeric von
Canterbury, der im Jahre 990 die Strecke von seinem Bischofssitz
Die anfangs noch dürren Itinerarien, wie
nach Rom zurücklegte).
etwa das Scholion 99 bei Adam von Bremen, welches eine Reise von
Ripen nach Akkon in der Zeit um 1100 (?) festhält'),
nahmen dann
im 12. Jahrhundert die Form ausgestalteter Führer an, die Angaben
über Land und Leute, Sehenswürdigkeiten, Heiligtümer und Besonderheiten der durchwanderten Gegenden und Städte enthielten. Das
Pilgertagebuch des isländischen Abtes Nikolaus von Munkathvera
geizt zwar noch mit derartigen Bemerkungen, ist aber ab und zu
Reiseführer
')
Vgl. J. Jung, Das Itinerar des Eb. Sigeric von Canterbury
und die Straße
von Rom über Siena nach Lucca, MIOG 25 (1904) S. 1-90 und 0. Springer,
Medieval Pilgrim Routes from Scandinavia to Rome, Medieval Studies 12 (1950)
ReisebeS. 92-122.
G. Tellenbach,
Zur Frühgeschichte
abendländischer
für Erich Hassinger, Berlin 1977,
schreibungen, in: Historia integra. Festschrift
S. 41-80, bes. S. 54 und G. Tellenbach,
Glauben und Sehen im Romerlebnis
dreier Deutscher des fünfzehnten
Römische Kurie. Kirchliche
Jahrhunderts,
Finanzen. Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann H ob erg (Misc.
Hist. Pontif. 45 und 46) 2 Bde., Roma 1979, S. 883-912.
`37) MGH SS rer. Germ. ed. Schmeidler,
54.
31917 S. 228-229. Tellenbach
S.
68
LUDWIG
SCHMUGGE
Der Abt dürfte zwischen 1154 und 1160 von Island
recht deutlich).
nach Rom und Jerusalem gereist sein und nannte die Etappen dieser
Pilgerfahrt. Er vermerkte nicht nur die am Wege liegenden Heiligtümer, sondern auch die entsprechenden Einrichtungen für Pilger, insbesondere die Hospitäler. Daneben zeigte er sehr viel Sinn und Verständnis für Land und Leute, so wenn er beobachtete, daß es in Siena
besonders schöne Frauen gäbe"). Ein Handbuch der Heiligen Stätten Palästinas stellte unter Verwendung einschlägiger Bibel- und
Väterzitate ein deutscher Kleriker, Johann von Würzburg, zusamEinschlag 40).
men, mit deutlich nationalistisch-antifranzösischem
De Craecker-Dussart
des
stellt unter Hinweis auf die Itinerare
Emo, der 1211/12 von Groningen nach Rom reiste, und des Albert
von Stade, der in seinen Annalen eine Fahrt von Stade an den Tiber
(1236), die Hypothese
beschreibt
auf, es hätte im 13. Jahrhundert
bereits Reiseverzeichnisse
und Itinerarrollen
mit präzisen Distanzangaben von Meilen, bzw. Leucae zum allgemeinen
ben, die selbstverständlich
auch von den Pilgern
seien241).
Gebrauch
benutzt
gegeworden
Am berühmtesten unter den Pilgerführern ist wohl der Guide
du Pclerin für die Wallfahrt nach Santiago de Compostela2a2). Ein
238) Ed. E. C. Werlauff,
Symbolae ad Geographiam medii aevi exmonumentis
Islandicis, Kopenhagen 1821, S. 1-61. Vgl. dazu Springer
(wie Anm. 236) S.
103f. und F. P. Magoun,
The
The Pilgrim Diary of Nikolas of Munkathvera:
Road to Rome, Medieval Studies 6 (1944) S. 314-354.
239)
tune Siena, urbs bona, ende amplus prospectus;
ibi ad ecclesiam
est
...
Mariae sedes episcopalis. Pulci:
Werlauff
fentinas,
S. 21.
ed.
ostentat
errinzas
240) Johann
DescripDescriptio terrae sanctae, ed. T. Tobler,
von Würzburg,
tiones terrae sanctae, Leipzig 1874, S. 108-190. Vgl. jetzt dazu A. Grabois,
Le
Pblerin occidentale en terre Sainte ä l'epoque des croisades et ses realites: La
in: Etudes de civilisation m6di6relation de p8lerinage de Jean de Wurtzbourg,
Poitiers 1974, S. 367-376. Ferner Wattenvale. Melange E. -R. Labande,
bach-Schmale,
im Mittelalter
Geschichtsquellen
Deutschlands
vom Tode KaiBd. 1, Darmstadt
1976, S. 150.
ser Heinrichs V. bis zum Interregnum,
2") C. De Craecker-Dussart,
La notion de
Moyen Age. A propos
au
route"
de deux itineraires ä travers la Basse Lotharingie
(XIIIe siecle), Moyen Age 86
(1980) S. 49-66, bes. S. 651662'-') J. Vielliard
(Hrsg. ), Le guide du pelerin de Saint-Jacques de Compostelle,
Macon 31963. Vgl. dazu zuletzt R. Oursel,
Les pblerins du Moyen Age. Les
hommes, les chemins, les sanctuaires,
Paris 1963, S. 100-120 und M. Stok-
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
69
Franzose aus der Piccardie namens Aimery hat ihn nach 1139 verfaßt
für
die
Grab
des
Pilgerfahrt
Informationsschrift
Werbezum
und
als
literarischem
Apostels Jakobus. Dieser
von
einigem
Baedeker",
Rang, durchsetzt mit deftigen Urteilen über Land und Leute, kann
als Paradebeispiel dafür angesehen werden, daß die Pilgerfahrten
eben auch der Propaganda bedurften. Neben den Heiligenviten, Mirakelberichten und Predigten sorgten Reiseführer für die Verbreitung des Ruhmes von Kultorten in der Christenheit. Selbst im entfernten Rußland sind Berichte über das Heilige Land weit verbreitet
gewesen. Der Abt Daniil von Cernigov (?) pilgerte zwischen 1104 und
1108 nach Jerusalem2S3). Sein Reisebericht wurde zum Handbuch
russischer Jerusalempilger und ist in 150 Abschriften überliefert.
Ein russischer Kaufmann hat auch einen Bericht über die Translatio
des Hl. Nikolaus nach Bari verfaßt 4). Für das Mittelalter kann man
die Pilgerführer und Reiseberichte durchaus als eine Art geistiger
Dienstleistung für die Wallfahrt betrachten.
5. Wandlungen
und neue Impulse des Pilgerverkehrs
im Spätmittelalter
Eine Flaute des Pilgerverkehrs und ein Nachlassen der BegeiÜbung
der peregrinatio ist in ganz Europa im
für
die
fromme
sterung
13. Jahrhundert nicht zu übersehen. Die Gründe dafür sind vielfältig
und noch nicht ganz überschaubar: Einerseits zog die Ketzerei vermehrt Leute an, andererseits war die Pervertierung des Kreuzzugsgedankens nicht dazu angetan, den Pilgerfahrten neuen Auftrieb zu
geben. Schließlich absorbierten die Bettelorden das religiöse Interesse besonders des Bürgertums in starkem Maße.
Diesem Trend wirkten zwei - man ist geneigt zu behaupten des
Renaissance
führten
Neuansätze
zu einer
entgegen und
geniale
Univ. of.
Pilgrimages,
Great
Age
the
Santiago
de
Compostela
in
the
of
stad,
Oklahoma Press 1978.
(Theorie
')
Vgl. dazu K. -D. Seemann,
Die altrussische Wallfahrtsliteratur,
ff.
173
S.
19
bes.
München
1976,
und
Geschichte
der
Künste
24)
und
schönen
='") Vgl. oben S. 18f.
'f
70
LUDWIG
SCHMUGGE
im 14. und 15. Jahrhundert:
Die Erfindung
des periodischen Pilgerns und die Verleihung
von Ablässen an Wallfahrtsorten.
Ersteres
kann genau in das Jahr 1300 datiert werden, letzteres ist
der Einführung
des Heiligen Jahres und weiterer
eine Konsequenz
Daneben kennt das Spätmittelalter
Pilgerfahrten.
periodischer
auch
insbesonWallfahrten,
eine Renaissance der lokalen und regionalen
Pilgerwesens
dere
i
Verehrungszusammariologischem
und eucharistischem
nach Sanmenhang. Obendrein erlebten auch die Fernpilgerfahrten
la fin du Moyen Age
tiago sowie nach Jerusalem eine späte Blüte.
A
la peregrinatio
religiosa, parmi les expressions de la vie chrätien...
doute
la
ötait
sans
plus populaire",
stellt F. Rapp, einer der
ne,
besten Kenner der spätmittelalterlichen
Frömmigkeit,
fest245). Rapp
mit
hat als Beleg für das allgemeine Aufblühen
neuer Pilgerorte
allein in
der Diözese Straßburg nach 1350 34 neue Wallfahrtsorte
verzeichnet,
6). Kein Wunder,
18 Marienschrein&
darunter
daß im 14. und 15.
die Notwendigkeit
Jahrhundert
für
der Einrichtung
von Anstalten
Reisende
denen das
Arme,
stadtfremde
und wandernde
unter
Hauptkontingent
die Pilger
stellten",
erneut dringlich
wurde").
Reicke hat eine imposante
Liste der von städtischen
Räten oder
Bürgern
Fremdenim Deutschen
gestifteten
und Pilgerhospitäler
Reich zusammengestellt.
In diesem Zusammenhang
ist auf die Verbindung zwischen organisiertem
Pilgerverkehr
und der Entwicklung
des Ablaßwesens,
der Bußwallfahrt,
der Heiligen Jahre und der Renaissance
der Jerusalemwallfahrten
Pilgerfahrt,
einzugehen.
Buße und Ablaß
Die Entfaltung des organisierten Pilgerverkehrs
ist ohne die
Entwicklung der kirchlichen Buß- und Ablaßlehre nicht zu verstehen. Buße und die Hoffnung auf Sündenvergebung waren die Haupt245) F. Rapp, Les
pelerinages dans la vie religieuse de 1'occident mddidval aux
XIVe et XVe siLcles, in: F. Raphael
G.
Siebert
- M. Join-Lambert
T. Fahd - M. Simon
biblique et
- F. Rapp, Les p8lerinages de l'antiquitd
classique ä l'occident medieval, (Univ. des sciences humaines de Strasbourg
Etudes d'histoire des religions 1) Paris 1973, S. 119-160, Zitat S. 160.
246) Rapp S. 140f.
ý'A7) Reicke
(wie Anm. 96) Bd. 1 S. 301-307, Zitat S. 304.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
71
motive für die Wallfahrer, sich auf die langen und beschwerlichen
Reisen zu begeben. Gute Werke galten ja in der Bußpraxis der Kirder
Jahrtausendwende
Seit
her
sündentilgend.
als
von
alters
che
aber bekamen Lehre und Praxis des Bußwesens eine neue Dimension
durch die Verbindung von Beichte und Rekonziliation. Dadurch trat
die Buße an das Ende des Sündenvergebungsverfahrens,
war nicht
begann
für
die
Andererseits
Absolution248).
Voraussetzung
mehr
kanoSündenschuld
kirchlich
der
den
auferlegten,
und
man zwischen
Werke
durch
Sündenstrafen
unterscheiden,
gute
zu
welche
nischen
Ablaß
dem
konnten.
kommt
daher
Von
Ablaß
werden
getilgt
und
eine besondere Bedeutung zu. Die religiöse Praxis hatte zu einem
Institut gefunden, das durch seine augenscheinlichen Milderungen in
der Bußdisziplin vom Christenvolk bald aufgegriffen wurde und in
den verschiedensten Formen zum ausgezeichneten Merkmal der
des späteren Mittelalters wurde""').
Frömmigkeitsgeschichte
Die ersten Ablässe tauchten bezeichnenderweise im ZusamJakobspilgerfahrten
Auch
den
in
Nordspanien
auf.
menhang mit
Rompilgern wurden seit dem 10. Jahrhundert vielfach Bußnachlässe
durch die Päpste gewährt, unter Alexander II. geschah das bereits
Übergang von den individuellen Bußerlassen und den
häufiger.
Der
Redemptionen zu den generell erteilten Ablässen vollzog sich allmählich im Laufe des 11. Jahrhunderts"'50). So gab es denn Almosenablässe, etwa für den Kirchbesuch bestimmter Kathedralen, seit dem
11. Jahrhundert überall. Päpste wie Bischöfe gewährten aber entdes
Kanons
62
des
IV.
Laterankonzils
den
Forderungen
sprechend
AblaßinJahr
hinaus"').
Von
keine
Ablässe
über
1215
einer
ein
von
flation kann selbst im 13. Jahrhundert noch keine Rede sein. Noch
Bonifaz VIII. erklärte alle bischöflichen Ablässe für ungültig, die das
252).
Höchstmaß
festgelegte
Laterankonzil
überschritten
IV.
vom
(wie Anm. 159) Bd. 1 S.
Vgl. dazu die grundlegende
Arbeit von Paulus
1-211.
Rö2i 9) K. Frankl,
Die
Papstschisma und Frömmigkeit.
Ad-instar-Ablässe",
S.
67.
Zitat
184-247,
S.
Quartalschriii
(1977)
57-124
72
und
mische
Q) Paulus
Bd. 1 S. 24.
Bologna
Alberigo
251) Conciliorum
J.
alii,
Decreta,
et
ed.
oecumenicorum
31973, S. 263,40-264,9.
(wie Anm. 159) Bd. 2 S. 61.
29 Liber Sextus 5.10.3. Vgl. dazu Paulus
')
72
SCH11iUGGE
LUDSVIG
Entscheidend
verändert
hat das Ablaßwesen
der Kreuzzugsab-
die den Kreuzfahrern
laß mit seiner remissio peccatorum,
von Papst
Urban II. verheißen
wurde und die von den crucesignnati wohl als
Tilgung der Sünden verstanden
\vurde253). Im 12. Jahrvollkommene
hundert in der Regel nur auf den Krieg gegen Heiden angewendet
Land, Slaven), wurde der
(Sarazenen in Spanien und im Heiligen
Kreuzzugsablaß
spätestens
seit dem 13. Jahrhundert
gegen alle
der Kirche
der Päpste 254).
Feinde
eingesetzt,
Ketzer
ebenso wie politische
Gegner
So wie der Kreuzzugsablaß am Ende des 11. Jahrhunderts bildete der Jubiläumsablaß des ersten Heiligen Jahres 1300 eine abermalige Wende in der Ablaß- und damit auch in der Pilgerfahrtsgeschichte. Es mag ein Zufall sein, daß wenige Jahre nach dem endgültigen Verlust des Heiligen Landes Papst Bonifaz VIII. mit dem ersten Jubiläumsablaß für das Jahr 1300 einen Ersatz für den Kreuzzugsablaß anbot. Durch den römischen Jubelablaß waren die anderen
Nachdem die PäpPilgerzentren nun nicht mehr
konkurrenzfähig".
ste anfangs des 14. Jahrhunderts Rom verlassen hatten, bemühten
sich auch die römischen Kirchen ebenso wie andere große Pilgerorte
um eine entsprechende Anhebung ihrer Ablässe. Nach den römischen Verzeichnissen des 14. und 15. Jahrhunderts konnte man auch
außerhalb der Heiligen Jahre viele tausend Jahre an Ablässen und
Auch
die
Avignonesischen PäpPlenarablässe
erwerben255).
mehrere
ste haben in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, wie B. Guillemain gezeigt hat, den südfranzösischen Kirchen und Klöstern, denen
sie sich besonders verbunden fühlten, reiche Ablässe gewährt, um
Es läßt sich feststellen, daß
dorthin anzuregen).
Pilgerfahrten
nicht zuletzt die Gewährung von hohen Ablässen die Attraktivität
von Pilgerzentren garantierte.
253) Dies gegen Paulus
Bd. 1 S. 253f.
4) Paulus Bd. 1 S. 207ff. und 2 S. 25ff. Eine Ausnahme ist die Verkündigung
eines Kreuzzugsablasses" gegen Roger II. v. Sizilien, vgl. dazu R. Elze, Ruggero II ei papi del suo tempo, in: Societä potere e popolo nell'etä di Ruggero II
(Centro di studi normanno-svevi Bari 1979) S. 31-33.
255)Paulus Bd. 3 S. 274f. und C. Hülsen, Le Chiese di Roma nel medio evo,
Florenz 1927, S. 137-156.
256) B. Guillemain,
Cahiers de Fanjeaux
Les papes d'Avignon,
15 (1980) S. 257-268.
les indulgences
et les p8lerinages,
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
73
Das Buß- und Ablaßwesen der Kirche hat also die Pilgerfahrten
hat
Gewähdie
Phase
In
beeinflußt.
sich
ersten
einer
entscheidend
Jahrdes
im
Laufe
11.
Pilgerkirchen
Ablässen
einigen
an
rung von
Im Zusammenhang mit der Reconquista
hunderts herausgebildet.
ist
dann
den
Kreuzzugsablaß
durch
insbesondere
eine entscheiund
dende Wende eingetreten. Schon im 12. Jahrhundert standen Rom,
Santiago und Jerusalem als Pilgerziele, die in der Vorstellung der
Wallfahrer eine vollkommene Sündenvergebung gewährten, an erRegel
in
der
Kirchen
Die
Ablässe
Stelle.
auf
waren
aller anderen
ster
AblaßgewähWelle
der
beschränkt.
Eine
Tage
Jahr
40
neue
und
ein
für
durch
das
Heilige
Jahr
1300
welches
eingeleitet,
rung wurde
Papst Bonifaz VIII.
einen vollkommenen Ablaß gewährte. In der
Folgezeit bemühten sich insbesondere alle Wallfahrtsorte,
aber auch
Kirchen, Klöster und Städte um die Gewährung päpstlicher Ablässe,
so daß es seit dem 14. Jahrhundert zu der bekannten Inflation von
Ablässen und zu den Auswüchsen des Ablaßhandels kam.
Die
Heiligen
Jahre" und periodische
Pilgerfahrten
des ersten annus iubilaeus
durch Papst
im Jahre 1300 setzte eine neue Etappe im organisierten
Bonifaz VIII.
der Beginn der periodischen
Pilgerverkehr
ein, von daher datiert
Wallfahrten").
Während
die politische
Macht des Papsttums
unerdahinschwand,
bewies die Kirche ihre wahre Hoheit auf dem
bittlich
Mit
spirituellen
nal Jakob
der
Ausrufung
Sektor
Gaetani
in der Gewalt
Stefaneschis
zu binden und zu lösen. Nach KardiDe centesimo seu jubileo
anno liber
257) P. Brezzi,
Storia degli Anni Santi da Bonifacio VIII ai giorni nostri (Storia
Le Jubile romain de 1300 et
e documenti 18), Milano 1975. R. H. Bautier,
VIII,
Boniface
le
Bel
de
de
Philippe
l'alliance francopontificale
temps
et
au
Il Giubileo di Bonifacio VIII,
1lloyen Age 86 (1980) S. 189-216. A. Frugoni,
Storico Italiano 62 (1950) S. 1-121. B. SchimmelpfenBulletino dell'Istituto
Mittelalim
Santiago
de
Compostela
Jahres
des
Heiligen
Die
Anfänge
von
nig,
Il
M. Maccarrone,
ter, Journal of Medieval History 4 (1978) S. 285-303,305.
Apostolorum",
del
I:
I
il
1300,
San
Pietro
giubileo
e
a
pellegrinaggio
limina
A. d'Haenens,
Rivista di Storia della Chiesa in Italia 34 (1980) S. 363-429.
Gilles Li 1lluisis pelerin (1300) de la premiere Annee sainte, Bulletin dell'Institut
Belge de Rome 30 (1957) S. 31-48.
74
LUDWIG
SCHMUGGE
hat Bonifaz VIII. vor der Ausrufung dieses Heiligen Jahres in den
Archiven nachforschen lassen, was in den Jahren 1100 und 1200 pasdes römischen Volkes auf
siert war, während sich die Erwartung
eine Indulgenz ständig steigerte.
in der mittelalterlichen
Iubiläum",
hatte schon Bernhard
von Clairvaux
Das Wort
gebung",
mit dem 2. Kreuzzug
Bedeutung
Verim Zusammenhang
verwendet,
auch er sprach vom annus iubilaebekam dieses Wort
dann die Bedeutung
us. Im 13. Jahrhundert
Erzbischof
Steven Langton,
Canterbury,
den
von
griff
mit
Ablaß".
Thomas Becket fünfzig Jahre
Translationsfeiern
seines Vorgängers
Praxis des anus
iubinach dem Mord im Dom die alttestamentliche
laeus für die mittelalterliche
Kirche wieder auf. Durch den KreuzSpiritualität
des heizugsablaß, die monastische
sowie die Predigten
Eine gewandelte
Bußwar der Boden dafür bereitet.
der Schrift, wie es die
praxis und Theologie,
ein neues Verständnis
Hohen Schulen entwickelt
hatten,
ließen diese Ideen heranreifen.
ligen Bernhard
Aber
das Becket-Jubiläum
wurde noch nicht zum Modell für die Kirche wie das erste römische Jubeljahr,
obwohl es schon 1220 hieß in
ipsius martyris
anno iubilaeo translationis
onera poenitentium
reWaren die Gedanken noch zu akademisch?
Trotz der
mittuntur).
l'origine
Behauptung
1220 l'indulgence
du jubile de saint
en
des
de croisade
Thomas fut assimilee ä l'indulgence
bleibt Forevil"')
...
le den Beweis dafür schuldig. Ein entsprechender
Erfolg ist ausgeblieben, erst nach dem römischen Jubeljahr,
nämlich seit 1320, wird
in Canterbury
alle 50 Jahre
ein Thomas-Jubiläum
gefeiert.
So dürfte der Schritt Papst Bonifaz' VIII. ohne Vorbild sein.
Die Inaugurationsbulle
des ersten Heiligen Jahres datiert vom 22.
Februar, dem Fest Cathedra Petri, und beginnt mit den Worten
Antiquorum
habetfida relatio. Sie gewährt den Gläubigen, die die
Kirchen von St. Peter und St. Paul nach einer Beichte besuchen
apostolica plenitudine potestatis im ganzen Jahre 1300 et in quolibet
')
Brevier
L'idee de jubil6 chez les
von Salisbury, lectio III, vgl. Foreville,
theologiens et les canonistes (XIIe - XIIIe
du jubild ros. ) avant l'institution
dort S. 409, erneut in: Foreville
main (1300), RHE 56,1 (1961) S. 401-423,
de S6dii res, 19-24 Aoüt
(Hg. ), Thomas Becket. Actes du Colloque international
1973, Paris 1975.
219) Foreville
(1961) S. 420 (-.vie Anm. 258).
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
75
anno centesimo secuturo ... plenissimam omnium suorum ... vehat
Inaugurationsbulle
die
Besser
eine einals
niam peccatorum.
helJahres
Sinn
des
Heiligen
den
Kurzformel
verbreiten
prägsame
fen: Annas centenus Roinae semper est iubilaenus Crimina laxanet robotur cui poenitet ista donantur Hoc declaravit Bonifatius
ravit26°).
Der Erfolg des annus iubilaenus war bekanntlich durchschlafriedliches
Ernte,
durch
Begünstigt
ein
relativ
eine
gute
gend261).
Jahr in Italien, auch nicht gebremst durch die sommerliche Abwesenheit des Papstes wurde das Jubeljahr von Dichtern und Chronisten
überwiegend günstig aufgenommen. Den Pilgern stand ein ausreizu offenbar kontrollierten
chendes Angebot an Nahrungsmitteln
Preisen zur Verfügung. Die Engelsbrücke war - wie Dante berichder
in
tet")
war
worden,
so
stark
geteilt
zwei Einbahnstraßen"
Ansturm der Pilger nach St. Peter. Das Urteil des neidischen Floim
Jahre
Giovanni
Villani,
die
Römer
hätten
1300 alle
sich
rentiners
Dennoch haben die
maßlos bereichert, ist sicherlich unzutreffend").
Heiligen Jahre zum Aufschwung der Stadt im 15. Jahrhundert wesentlich beigetragen. Das Faktum des ungestümen Andrangs von
Pilgern in Rom ist nicht nur aus den unzuverlässigen Zahlenangaben
der Chronisten bekannt. Die Auswertung der Zollregister von Bard
im Aostatal durch Bautier hat erwiesen, daß gegenüber einer jährlichen Quote von etwa 800 Passagen in den Jahren 1278 bis 1295 in der
Zeit zwischen 11. April 1300 und 22. März 1301, also genau während
der Dauer des Heiligen Jahres, die Zahl sich fast verzehnfacht hat.
Das ist nur auf die zum Heiligen Jahr strömenden englischen und
französischen Pilger zurückzuführen. Denn nach 1301 ist die Zahl der
Passagen wieder auf das alte Niveau gesunken. Bautier rechnet auf
dieser Basis mit einer Quote von allein 20000 französischen BesuMöglicherweise
Rom
die
1300
grenzt
sind264).
gepilgert
nach
chern,
Die Inaugurationsbulle in den Extravagantes communes V (De poenitentiis
S. 103-114 und
2
Bd.
(wie
Anm.
159)
Paulus
ferner
Vgl.
1.
et remissionibus) c.
137-148. Der Merkvers steht über dem Seitenportal des Doms von Siena.
`)
`)
(wie Anm.
Vgl. dazu Brezzi
26=) Inferno XVIII,
28ff.
')
Vgl. dazu Brezzi
26') Vgl. dazu Bautier
257) S. 27f.
S. 32.
(wvie Anm.
257) S. 191.
76
LUDWIG
SCHMUGGE
sich dieser Pilgerstrom sogar auf die kurze Spanne zwischen Ostern
und dem Herbst ein.
der
Der ursprünglich
angekündigte Hundertjahresrhythmus
Heiligen Jahre ist schon nach fünfzig Jahren halbiert worden. Die
Ankündigung eines neuen Heiligen Jahres für 1350 durch Papst Clemens VI. in der Bulle Unigenitus Dei filius vom 27. Januar 1343,
publiziert im August 1349, geht auf die Intervention einer römischen
Delegation in Avignon, der auch Cola di Rienzo angehörte, zurück.
Trotz vorangegangener Pest, trotz eines Erdbebens, das viele Kirchen der Kapitale beschädigt hatte, trotz der Abwesenheit des Papstes sollen sich 1350 zum großen Ablaß täglich an die 5000 Pilger in
Rom eingefunden haben mit einer besonderen Massierung der GläuIn der Stadt wurden nach
bigen im Frühjahr und im Herbst").
Matteo Villani alle Häuser zu Herbergen. Händler und Kaufleute
Kapital zu schlagen, obwohl Kardinal
wußten aus der Konjunktur
für die auswärtigen
Annibaldo von Ceccano den Mindestaufenthalt
Pilger verkürzt hatte, zum Ärger der Römer, die deshalb ein Attentat auf ihn verübten, an dessen Folgen er bald darauf in Neapel
starb. Auch in Florenz verdienten Wirte und Kaufleute an den Pilgern: Sie sollten zuerst 4000 dann 3000 Florenen presta (eine Art
Herbergssteuer)
zahlen, außerdem verlangten sie überhöhte Preise
für Brot und Wein und betrogen die Pilger beim Geldwechsel266).
Daß es auch 1390 und 1400 ein Heiliges Jahr gegeben hat, ist
durch Federico Melis aus dem unerschöpflichen
Material
des DatiniArchivs
der Gesellschaft
aufgezeigt worden. Kaufleute
gaben Nachricht über zahlreiche Pilger, welche auf Schiffen zum perdono"
nach
Rom kamen, sei es über Pisa sei es über Gaeta. Und wie es scheint,
waren es zu neunzig Prozent Franzosen267). Seit 1400 pendelte sich
der Rhythmus
der Heiligen
Jahre
schließlich auf die noch heute übliche Spanne von 25 Jahren ein, von den Ausnahmen
einmal abgesehen. Seit Papst Sixtus IV. begannen die Päpste aus Anlaß des HeiliMaßnahmen
indem Brücken
zu ergreifen,
gen Jahres urbanistische
und die Hospitäler
gebaut, Straßen und Plätze erneuert
erweitert
ist
Dies
Kirchen
wurden.
auch schon früher und
restauriert
sowie
265)Vgl. dazu Paulus Bd. 2 S. 114f. und Brezzi
266)Vgl. Brezzi (wie Anm. 257) S. 50f.
267) F. Melis,
in: Misc.
G. G. Meersseman
S. 43f.
1 (Padova
1970) 343-367.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
77
Rat
beschlossen
Capitano
Bologna
und
von
geschehen:
andernorts
San
Pietramala
Roffilio
die
Via
Romea
1300,
wegen
und
zwischen
um
des hohen Andrangs der Pilger zum Heiligen Jahr ausbessern zu
lassen').
Über die notwendige römische Infrastruktur
gibt es verläßliche
Über die
Zahlen und Daten erst für das 16. ünd 17. Jahrhundert.
kaum
ist
in
Jahrhundert
Rom
im
14.
etwas
alberghiera"
industria
bekannt. Professionelle Osterie und Alberghi gab es neben den geistlichen Pilgerhospitälern
schon im 12. Jahrhundert. Für das 15. und
17. Jahrhundert kann Romani 61,63 bzw. 69 Herbergen namhaft
machen, wobei die Gesamtzahl der Betriebe an die 100 gewesen sein
dürfte. 1526 gab es nach dem ersten Verzeichnis der fuochi 236 Alberghi, Osterie und Tavernen in Rom269). Das 15. Jahrhundert ist
zweifelsohne die Zeit der größten Expansion des professionellen
Herbergswesens am Tiber. Das Verhalten der Herbergswirte
war
keineswegs den Forderungen christlicher Nächstenliebe angepaßt.
der Heiligen Jahre meist (statt wie
Sie ließen in der Konjunktur
üblich zwei bis drei) fünf bis sechs Menschen in einem Bett schlafen.
Auch die Kosten für die Beherbergung waren hoch. Nach Matteo
Villani mußte man 1350 für einen Mann und ein Pferd bis zu zwei
Grossi Turonesi bezahlen, 1300 war es nur ein Turoneser Groschen.
Seit dem 14. Jahrhundert entstanden in Rom auch nationale
Maria
Santa
Herbergen,
1399
Pilgerkirchen
so
mit anschließenden
dell'Anima für die Deutschen. Schon um 1339 existierte eine den
Ungarn vorbehaltene Pilgerherberge mit vier servitores270), die SpaDie
Aufnahme
(vor
1350).
in
Montserrato
Santa
Maria
fanden
bei
nier
Aufenthaltsdauer
der
Pilger
die
limitierten
Herbergen
auf
meisten
drei Tage271).
War Rom, wie Arnold Esch jüngst gezeigt hat272), mit einer bei
60 bis 70 Prozent des Normalen liegenden Importquote bei Abwesen1) Vgl. Brezzi
S. 10-11.
269) Vgl. dazu Romani
(wvie Anm. 189) S. 56ff.
n0) Romani
S. 224 Anm. 14.
271) Brezzi
S. 199f.
Romani
S. 104-111,
')
Ihr Volumen nach den
A. Esch, Importe in das Rom der Frührenaissance.
di
Federico
in
in:
Studi
der
Jahre
Zollregistern
1452-1462,
memoria
römischen
Band 3, Neapel 1978, S. 381-452.
Melis,
78
LUDWIG
SCHMUGGE
Selbsti273),
Drittel
heit des Papstes
seiner
so
zwei
nur
buchstäblich
Jahre.
die
Heiligen
In
für
Maße
dies
in
verstärktem
galt
umgekehrt
dieser Zeit haben sich die Importe von Lebensmitteln insbesondere
aber auch von Devotionalien vervielfacht. Aus den römischen Zollregistern ist herauszulesen, daß gerade deutsche Händler im 15. Jahrhundert Pilgerbedarf (Stuckmadonnen, Andachtsbilder etc. ) kistenweise nach Rom importierten274).
der Heiligen Jahre in Rom hat sich schon bald
Die Attraktivität
negativ auf die anderen Pilgerorte ausgewirkt. So bemühten sich
ihrer Schreine durch Ablässe
diese einerseits, die Anziehungskraft
aufzubessern, andererseits hat das Vorbild periodischen Wallfahrens
Schule gemacht. Ich beschränke mich auf zwei Beispiele: In Aachen
hatten sich 1238 jährliche
Da der
eingebürgert.
Heiltumszeigungen"
Jahresrhythmus offenbar zu kurz war, um auch fernere Pilger anzuziehen, ist man auf einen erstmals 1349 belegten siebenjährigen Abstand verfallen, der vielleicht schon 1320 eingeführt wurde 275) In
Santiago de Compostela griff man zum Mittel der Fälschung. Nach
einem vorgeblichen Privileg Papst Alexanders III. vom 25. Juni 1179
wurde dem Jakobusgrab ein Jubeljahr modo et forma, quo romana
ecclesia habet immer dann gewährt, wenn das Fest des Apostels auf
einen Sonntag fällt (was noch heute praktiziert wird). Tatsächlich
dürfte diese Fälschung in das 14. Jahrhundert gehören276).
273) Es ch, S. 452.
274) A. und D. Es ch, Die Grabplatte Martins V. und andere Importstücke
in den
Römisches Jahrbuch für Kunstgeder Frührenaissance,
römischen Zollregistern
schichte 17 (1978) S. 211-217, dort S. 215.
276) Nach H. Schiffers,
Karls des Großen Reliquienschatz
und die Anfänge der
des Bischöfl. Diözesanarchivs
Aachenfahrt,
Aachen 1951 (= Veröffentlichungen
des siebenjährigen
HeiligtumsfahrtAachen, 10), S. 63-70 stand die Einführung
Turnus mit der Reliquienübertragung
von 1238 in Verbindung
und wäre erstAachener Urkunden
mals 1242 gefeiert worden. Vgl. dagegen E. Meuthen,
der Gesellschaft für Rheinische
GeBonn 1972 (= Publikationen
1101-1250,
58), Nr. 124 und 154, der diese frühe Datierung mit überzeugenschichtskunde,
den Argumenten
Aachen
allgemein: E. Ennen,
ablehnt. Zur Aachen-Wallfahrt
im Mittelalter.
Sitz des Reiches - Ziel der Wallfahrt
- Werk der Bürger,
86/87 (1979/1980) S. 457-487.
des Aachener Geschichtsvereins
Zeitschrift
276) B. Schimmelpfennig
(wie Anm. 257) S. 293.
PILGERVERKEHR
79
IM MITTELALTER
Bußpilgerfahrten
Spektrum
Im vielfältigen
spätmittelalterlicher
Pilgerfahrten
Gatverbreitete
weit
stellen
tung dar. Die peregrinatio
war in der iroschottischen
poenitentialis
Jahrhundem
7.
Bußdisziplin
sich
seit
und verbreitete
grundlegend
tarifeei277). Sie war
dert über Europa mit dem System der
penitence
Übung278).
BeichtpilgerBußZeit
in
der
fränkischen
und
auch nach
fahrten nach Rom wurden schon um die Jahrtausendwende
mit Gebesonders
in
Fällen
der
Ortsbischöfe
so
unternommen,
nehmigung
Vatermord.
Kindestötung
Vergehen
Totschlag,
oder
wie
schwerer
die Bußpilgerfahrten
eine besondere,
der
Buße
System
im
die
peregrinatio
zählte
publica non solemnis und
solemnis, poenitentia
in die zweite Kategorie,
wie Robert von FlambePoenitentiale
1208 bis 1215 geschriebenen
Seit dem 13. Jahrhundert
(poenitentia
publica
privata)
poenitentia
in seinem
borough
merkt279). Sie konnte
Priester
Kleriker
wie über
Als weltliLaien verhängt werden und war außerdem wiederholbar.
für
Friedrich
Barbarossas
der
Zeit
in
Strafmaßnahme
wurde sie
che
Bußpilger
(incendiarii)
Brandstifter
waren schon
ausgesprochen.
Wallern
Quellen
karolingischen
den
unterschienormalen
von
nach
den, nudi homines cumn ferro heißen sie dort28(). Sie führten eigene
von jedem
über
litterae tractoriae
mit sich, die die Art ihrer Vergehen auswiesen und
das Ziel der Pilgerfahrt
nannten. Diese sicher nicht sehr große Grupdaß
die
dazu
bei,
jedenfalls
kriminellen
Pilgern
trug
auch
pe von
in
des
bis
Jahrhunderts
B.
11.
Autoren
bei
vielen
religiosi
peregrini
Verruf
kamen
').
Im 14. und 15. Jahrhundert nahm die Form der Bußpilgerfahrt
den Charakter einer Massenbewegung an. Bußpilgerfahrten
wurden
(wie Anm. 1)
in: Pelegrinaggi
C. Vogel,
Le pelerinage penitentiel
...
Le pecheur et la penitence au Moyen Age, Paris
S. 39-94; sowie C. Vogel,
1969.
27) Vgl.
na) R. A. Aronstam,
Penitential Pilgrimages to Rome in the Early Middle
Ages, Archivuni historiae pontificiae 13 (1975) S. 65-83.
n9) Robert of Flamborough,
Liber Poenitentialis,
1971 (Studies and Texts, 18), S. 205,37-39.
")
Vogel (1963, wie Anm. 277) S. 62Incendiarii:
(1186).
")
Vogel
S. 69ff.
hg. J. J. F. Firth,
Toronto
MGH Const. 1 Nr. 318 S. 450
80
LUDWIG
SCHMUGGE
Delikte
für
jegliArt
und
weltliche
städtischer
eine
Sozialhygiene"
Einige
Beispiele
Art,
Bagatellvergehen,
verhängt.
möselbst
cher
der Schöne verurteilte
Philipp
nach dem Sieg
gen dies erläutern:
der Stadt Brügge zu einer Pilger3000 Einwohner
über Flandern
Propst Felix von Winterthur
1000 davon ins Heilige Land).
des Kantons Nidwalden
im
schickte 1350 die gesamte Bevölkerung
Alter zwischen 14 und 70 Jahren nach Einsiedeln
zur Sühne dafür,
daß sie so lange zu Ludwig dem Bayern gehalten hatten, bevor er sie
der Stadt Thun zur Strafe
1367 wurden die Bewohner
absolvierte.
fahrt,
für den Totschlag
Landammanns
von den Berner RichFür das Ausmaß
tern zu einer Pilgerfahrt
nach Rom verurteilt').
dieser Bußpilgerfahrten
mögen zwei Zahlenbeispiele
genügen: Die
Schöffen der Stadt Gent verhängten
zwischen 1350 und 1360 insgeIn
Antwerpen
die
Gerichte
Bußwallfahrten).
1376
sprachen
samt
auf Strafpilgerfahrten
zwischen 1415 und 1513 an die 2450 Urteile
Ablösung
daß
durch Geldbuße möglich
Es
eine
scheint
aber,
aus.
gewesen
des Frutiger
ist.
In den Quellen des 14. Jahrhunderts ist gelegentlich von kollekdie Rede. So hat am 1. Januar 1335 der Bußtiven Bußpilgerfahrten
prediger Venturino da Bergamo (OP) nach monatelanger Predigt in
seiner Stadt eine Pilgerfahrt nach Rom angesagt unter dem Zeichen
des Tau, der Taube und des Kreuzes, an der ca. 3000 Pilger - auch
aus der weiteren Umgebung Bergamos - teilnahmen. Sie wanderten
in Gruppen zu zwölf an Maria Lichtmeß (2. Februar) los und erreichten Rom am 21. März. In einigen Städten (Mailand, Ferrara, Orvieto) verweigerte man ihnen die Aufnahme und ließ sie nicht in die
Stadt, während in anderen (so in Florenz) die Pilger in einer volksfestartigen Weise begrüßt und bewirtet wurden und besonders bei
den Dominikanern Unterstützung fanden, während die Römer Ven282)Vgl. Köster
')
(wie Anm. 233) S. 79 Anm. 15.
der Schweiz, Schweizerisches
Bußwallfahrten
Vgl. L. Carlen,
Archiv für
dort S. 240.
Volkskunde
55 (1959) S. 237-257,
')
Strafwallfahrten
L. T. Maes, Mittelalterliche
nach Santiago de Compostela
in: Festschrift
Guido Kisch (Stuttgart
und Unsere Liebe Frau von Finisterra,
S. 79. F. L. Ganshof,
Pelerinages expia1955) S. 99-118, hier S. 102. Köster
toires flamands ä Saint-Gilles pendant in XIVe siecle, Annales du Midi 78 (1966)
S. 391-407.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
81
turino und seine Bußpilger
einfach auslachten285). Offenbar war im
die Unterbringung
14. Jahrhundert
einer Gruppe
und Verpflegung
Stadt
in
der
Rom
dem
Wege
Pilgern
immerhin
3000
und
nach
auf
von
Dienstleistungen
Problem,
Infrastruktur
kein
standen zur
und
selbst
Verfügung.
Organisierte
Heilig-Land-Fahrten
Zahlenmäßig von weit geringerer
imn Spätmittelalter
Bedeutung als die Bußpilger-
Pilgerverkehrs
aber doch als eine neue Form organisierten
faßbar, traten die Pilgerin der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
Cleverfahrten ins Heilige Land auf, welche dank der diplomatischen
durch die Franziskaner
Betreuung
ness Venedigs und mit geistlicher
Pilgerbeden
kamen.
Aus
spätmittelalterlichen
zahlreichen
zustande
fahrten,
bilden286),
richten ins Heilige Land, die ein eigenes genre litteraire
PilQuellen
läßt
venezianischen
sich
ein
regulierter
und ergänzenden
die
Hundert
Jahr
auf
peregrini
pro
erkennen,
von
einigen
gerverkehr
Geim
Galeeren
Kontrakt
mit
einem
venezianischen
venezianischen
den
Pauschalpreis
Venedig
über
gegen
einen
von
neralunternehmer
Hafen Jaffa nach Jerusalem und zurück reisten. Die Kosten beliefen
für die gesamte
pro Monat oder 25-40
sich auf etwa 4 Dukaten
Nach Arnold von Harff befanden sich bis zu 100 Pilger an
Reise').
Bord einer Galeere. Besonders bekannt ist der Bericht des Bernhard
(1483), der schon 1486 in Mainz gedruckt
worden
von Breydenbach
Reise liegen, neben dem
ist. Über eine andere 1486 unternommene
') Vgl. C. Gennaro, Venturino da Bergamo e la peregrinatio Romana del
(Studi Storici
1335, in: Studi sul hiedioevo cristiano offerti a R. Morghen,
88-92) 2 Bde., Roma 1974, Bd. 1 S. 375-406.
')
Vgl. dazu B. Dansette,
Les pblerinages occidentaux en Terre Sainte: une
pratique de la Devotion
moderne" ä la fin du Moyen Age? Relation inedite d'un
Historicum
72 (1979) S.
Franciscanum
pelerinage effectue en 1486, Archivum
Die Berichte
106-133 und S. 330-428, bes. S. 128-133. Ferner C. Zrenner,
im
Vergleich
Ein literarischer
der europäischen Jerusalempilger,
1475-1500.
Reihe 1, Bd. 382) Frankhistorischen Kontext (Europäische Hochschulschriften.
A. Es eh, Vier Schweizer Parallelbefurt/Bern
1980. Besonders exemplarisch
U. Im Hof, Bern
im Jahre 1519, in: Festschrift
richte von einer Jerusalemfahrt
1982, S. 138-184.
ffi7) Tellenbach
(wie Anm. 236) S. 70f. und 903f.
82
LUDWIG
SCHMUGGE
drei
Humanides
Bericht),
Dansette
weitere
noch
publizierten
von
sten Girolamo Castiglione, des deutschen Ritters Konrad Grunemberg und des Major von Mons im Hennegau, Georges Lengherand,
Pässen
die
Heiligen
Land
Im
mit
regelrechten
ausgewurden
vor.
statteten Pilger während ihres etwa zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalts von den dortigen Franziskanermönchen betreut. Selbst ins Italienische und Deutsche übersetzte Predigten gehörten zum Service
der Bettelmönche. Die Gründe für diese Heilig-Land-Pilgerfahrten
Kreuzesf ömmigkeit und - nach
sind in der spätmittelalterlichen
Dansette - in der Religiosität der devotio moderna zu suchen"). Die
Art und Weise der Reise und die Betreuung der Pilger unterschied
sich indes kaum von manchen heutigen Pauschalreisen.
6. Zusammenfassung
Die Entstehung eines organisierten Pilgerverkehrs im mittelalterlichen Europa ist - nach ersten Anfängen in der Karolingerzeit,
die aber im 10. Jahrhundert weitgehend abgestorben sind - ein Phänomen des 11. und 12. Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang haherausgebildet. An erster
ben sich eine Reihe von Einrichtungen
Stelle zu nennen sind Hospitäler, welche ausschließlich oder doch
überwiegend dem Dienst an den peregrini gewidmet waren. Eine
Vielzahl solcher Pilgerhospitäler ist an den bedeutenden Pilgerstraßen und in den Wallfahrtszentren
örtlich
und zeitlich verschoben zwischen der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts und 1230/40 gegründet
worden. Vor allem Paß- und Brückenhospitäler
sind für eine unbehinderte peregrinatio von eminenter Wichtigkeit.
Weitere Konsewaren das Auftreten neuer Orden, die
quenzen des Pilgerverkehrs
der komverschrieben, die Entwicklung
sich der Pilgerbetreuung
merziellen Gastlichkeit, eine Massenproduktion von Pilgerabzeichen
einer eigenen Literaturund Devotionalien sowie die Entwicklung
Nach
Pilgerführer.
der
einer Krise im 13. Jahrhundert hagattung,
Jahre" (zuerst 1300 in Rom, bald auch
ben die Einführung
Heiliger
288) Dansette
289) Dansette
S. 330-428.
S. 128 mit wenig
überzeugenden
Argumenten.
PILGERVERKEHR
IM MITTELALTER
83
Pilgerorte,
Ablässen
Verleihung
die
an
von
vermehrte
andernorts),
der Bußpilgerfahrten
das Institut
und das Angebot organisierter
dem Pilgerwesen neue,
im Spätmittelalter
Heilig-Land-Fahrten
kräftige Impulse gegeben.
RIASSUNTO
La circolazione dei pellegrini organizzata nell'Europa medievale edopo i primi inizi nell'etä carolingia, che perb nel decimo secolo si sono
dell'undicesimo
dodicesimo
inariditi
fenomeno
see
un
progressivamente
colo. In questo contesto si e formata una serie di istituzioni. In primo luogo
sono da nominare gli ospedali, che erano stati dedicati esclusivamente o
di
Un
dei
numero
pellegrini.
grande
al
servizio
prevalentemente
perlomeno
siffatti ospedali per pellegrini e stato istituito lungo le piü importanti strade
di passaggio dei pellegrini e nei centri di pellegrinaggio tra la prima metä del
secolo undicesimo e i11230-40. Innanzi tutto sono di importanza preminente
per una libera Peregrinatio gli ospedali di valichi e di ponti. Successive
conseguenze della circolazione di pellegrini furono 1'istituzione di nuovi ordini
dell'ospidei
1o
dedicavano
pellegrini,
sviluppo
che
si
all'assistenza
religiosi,
talitä commerciale, una produzione in massa di distintivi per i pellegrini e di
le
letterario,
di
lo
di
devozione,
un
proprio
genere
nonche
sviluppo
oggetti
guide dei pellegrini. Dopo una crisi nel tredicesimo secolo, l'introduzione
Santi" (dapprima a Roma nel 1300, presto anche altrove), 1'audegli
Anni
mentata concessione di indulgenze ai luoghi di pellegrinaggio, 1'istituzione
dei viaggi di penitenza imposta ai pellegrini e l'offerta di viaggi organizzati in
Terra Santa nel basso medio evo hanno dato al pellegrinaggio un nuovo
sostanziale impulso.
AVVISO Ilff'ORTANTE
1 Signori Autori ed Editori di opere storiche italiane sono pregati di
Storico Germanico, 00165 Roma, via Aurelia Antica 391,
inviarc all'Istituto
in
breve
delle
loro
annuncio
recensione
o
un
opere per una
una copia
questo periodico. Tale preghiera si riferisce soltanto ad opere ehe trattino
problemi dal sec. V al XX e ehe abbiano valore strettamente scientifico.
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