Zusammenhang von Depression auf die glykämische Kontrolle in Abhängigkeit des Schweregrades der depressiven Symptomatik Dominic Ehrmann, Andreas Schmitt, André Reimer, Thomas Haak, Bernhard Kulzer, Norbert Hermanns Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Diabetes Zentrum Mergentheim, Bad Mergentheim Fragestellung Tabelle 1: Charakteristika der drei analysierten Gruppen Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko für Depressionen. Depressionen bei Diabetes sind zudem ein Risikofaktor für eine schlechtere Lebensqualität, schlechteres Selbstbehandlungsverhalten, mikro- und makrovaskuläre Komplikationen und erhöhter Mortalität. Allerdings liefern Studien zum Zusammenhang der Depressionen mit glykämischer Kontrolle ein uneinheitliches Bild. Dies könnte an der Vielgestalt der depressiven Symptomatik liegen. Häufig werden drei Subtypen der depressiven Symptomatik unterschieden - somatische (z.B. Schlafstörungen), affektive (z.B. Traurigkeit) und anhedonische (z.B. Freudlosigkeit) Symptomatik. Für diese Subtypen konnte gezeigt werden, dass sie unterschiedliche (zum Teil entgegengesetzte) Assoziationen mit dem HbA1c aufweisen. Diese Analyse untersucht, ob sich die Zusammenhänge dieser Subtypen mit dem HbA1c in Abhängigkeit des Schweregrades der depressiven Symptomatik unterscheiden. Methodik • 1.035 Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes bearbeiteten die Allgemeine Depressionsskala (ADS), welche die Berechnung eines somatischen, affektiven und anhedonischen Scores erlaubt. • Bei 49 Patienten wurde eine Depression mittels klinischen Interview diagnostiziert. • Patienten ohne diagnostizierte Depression wurden anhand des ADS Cut-Offs von 16 in Gruppen mit bzw. ohne erhöhte depressive Symptomatik unterteilt: o Patienten mit erhöhter depressiver Symptomatik = 351 o Patienten ohne erhöhte depressive Symptomatik = 635 • Für diese drei Gruppen wurden lineare Regressionen mit HbA1c als abhängiger Variable gerechnet. • Unabhängige Variablen waren die jeweiligen Scores der somatische und affektive Symptomatik sowie der Anhedonie. Kontrolliert wurden die Analysen für Alter, Geschlecht, BMI, Bildungsjahre, Diabetes-Typ, Diabetesdauer, Anzahl an Blutzuckermessungen pro Tag (BZSK/Tag) und Vorliegen von Folgeerkrankungen. Ergebnisse • Charakteristika sowie Gruppenunterschiede sind in Tabelle 1 aufgeführt. Die drei Gruppen unterschieden sich lediglich hinsichtlich des BMI und des Diabetes-Typs. Interessanterweise waren die HbA1c-Werte der drei Gruppen vergleichbar (p = .21) • Bei Patienten mit diagnostizierter Depression zeigte sich ein negativer Zusammenhang der somatischen Symptomatik mit dem HbA1c (beta = -.37, p < .05; siehe Abbildung 1): o Ausgeprägtere somatische Symptome gehen bei diesen Patienten mit einer verbesserten glykämischen Kontrolle einher. • Bei Patienten mit erhöhter depressiver Symptomatik (ohne Diagnose) zeigte sich ein positiver Zusammenhang der somatischen Symptomatik (beta = .19, p < .05) jedoch ein negativer Zusammenhang der affektiven Symptomatik (beta= -.17, p< .05) mit dem HbA1c (siehe Abbildung 2): o Ausgeprägtere somatische Symptome gehen bei diesen Patienten mit einer schlechteren glykämischen Kontrolle einher, o während ausgeprägtere affektive Symptome mit einer verbesserten glykämischen Kontrolle einhergehen • Bei Patienten ohne erhöhte depressive Symptomatik zeigte sich ein positiver Zusammenhang der somatischen Symptomatik mit dem HbA1c (beta = .10, p < .05; siehe Abbildung 3). • Die Anhedonie spielt bei keiner der drei Gruppen eine Rolle hinsichtlich der glykämischen Kontrolle. • Abbildung 4 ermöglicht den Vergleich der Assoziationen für die drei Gruppen: o Bei Patienten mit erhöhter Depressivität zeigen sich gegensätzliche Korrelationen der somatischen und affektiven Symptomatik. Diese gegensätzlichen Korrelationen scheinen sich aufzuheben, wenn die Depressivität insgesamt (ADS-Summenscore) analysiert wird (beta = .03, p > .05). o Bei Patienten mit und ohne erhöhter Depressivität zeigt sich ein ähnliches Muster der Subtypen. Jedoch ändert sich dieses Muster schlagartig, wenn Patienten mit diagnostizierter Depression analysiert werden. Die vormals positive Assoziation der somatischen Symptomatik kehrt sich ins Negative um. Dies zeigt sich auch wenn die Depressivität insgesamt analysiert wird. Abbildung 1: Regression auf den HbA1c für Patienten mit diagnostizierter Depression. Dargestellt sind die standardisierten beta-Gewichte. * p < .05 Abbildung 2: Regression auf den HbA1c für Patienten mit erhöhter Depressivität (ADS ≥ 16). Dargestellt sind die standardisierten beta-Gewichte. * p < .05 Abbildung 3: Regression auf den HbA1c für Patienten ohne erhöhte Depressivität (ADS < 16). Dargestellt sind die standardisierten beta-Gewichte. * p < .05 Schlussfolgerungen Die Ergebnisse konnten die komplexen Zusammenhänge der depressiven Subtypen mit glykämischer Kontrolle weiter bestätigen. Des Weiteren deuten die Ergebnisse darauf hin, dass im klinischen Alltag genauer differenziert werden sollte, welche Symptomatik bei einem Patienten ausgeprägter ist. Für die Assoziationen mit der glykämischer Kontrolle ist es auch bedeutsam zu wissen, wie stark die depressive Symptomatik insgesamt ausgeprägt ist. Die positive Assoziation der depressiven Symptomatik bei Patienten mit diagnostizierter Depression sollte in zukünftigen Studien genauer analysiert werden. So könnten Längsschnittanalysen einen detaillierten Blick auf die verschiedenartigen Assoziationen geben. Zudem könnten Interventionsstudien zeigen, inwiefern eine Verbesserung in einzelnen depressiven Subtypen mit einer Verbesserung der glykämischen Kontrolle einhergeht und vice versa. Abbildung 4: Vergleich der standardisierten beta-Gewichte der depressiven Subtypen und der Depressivität insgesamt bei jeweiliger Regression auf den HbA1c. * p < .05