Psychol 8

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8. Lernen und Gedächtnis
Es werden zwei Arten von Gedächtnis unterschieden (Abb. 8.1):
Implizites (prozedurales) Gedächtnis: Wir
lernen etwas zu tun, ohne dass es ein bewusster
Vorgang ist.
Explizites (deklaratives) Gedächtnis: Wir
lernen etwas über die Welt, das im Bewusstsein verfügbar ist.
Abb. 8.1
8.1. Implizites Gedächtnis
Implizites Gedächtnis ist unbewusst und
automatisch
und
an
die
beteiligten
sensorischen und motorischen Systeme
gebunden.
Information
wird
dort
abgespeichert.
8.1.1.
8.1.2.
Assoziatives Lernen
Dazu gehören klassische (Lernen einer Beziehung zwischen 2 Reizen) und operante Konditionierung (Erlernen einer Beziehung zwischen
einem Reiz und dem Verhalten des Organismus).
Klassische Konditionierung:
Reize werden bezeichnet als:
Die
beiden
•
bedingter Reiz (conditioned stimulus, CS):
wie Lichtreiz oder Ton, löst keine
Reaktion aus.
•
unbedingter Reiz (uncondtioned stimulus,
UCS): wie Futter oder Stromstoss, löst
immer die gleiche Reaktion (Speichelfluss,
Bein wegziehen) aus. Die Reaktionen
(unconditioned
reflex,
UCR)
sind
angeboren.
Wenn der CS mit dem UCS auftritt, löst nach
einiger Zeit der CS allein die Antwort
(condtioned reflex, CR) aus. Extinktion: Wenn
z.B. nach dem CS kein Futter mehr gegeben
wird.
Die Fähigkeit der klassischen Konditionierung
erlaubt es, Beziehungen, die in der Umwelt
gekoppelt auftreten, zu erkennen (kausale
Beziehungen).
Nichtassoziatives Lernen
Dazu gehören Habituation, Sensitivierung und
Lernen durch Imitieren.
Habituation: Das ist die verbreiteste Form
von Lernen, man lernt durch Gewöhnung Reize
zu ignorieren. Es ist ein aktiver Prozess und es
findet keine Ermüdung statt.
Sensitivierung: Nach einem besonders intensiven oder noxischen Reiz wird die Reaktion
schon bei kleineren Reizstärken ausgelöst.
Abb.
Script Psych, DR/MB/TK
8.2
2
Operante (instrumentelle) Konditionierung
(error - trial learning): Beispiel: Die Ratte
lernt durch Niederdrücken von einem Hebel,
dass dies Futter gibt (Abb. 8.2). Es bildet sich
eine voraussagbare Beziehung zwischen
Verhalten und Reiz.
Beim klassischen Konditionieren lernt man,
dass ein Reiz ein nachfolgendes Ereignis ankündigt, beim operanten Konditionieren, dass
das eigene Verhalten eine gewisse Konsequenz
hat. Beim klassischen und operanten Konditionieren spielen die Zeitintervalle zwischen
den wesentlichen Ereignissen eine Rolle.
Optimal ist ein Zeitintervall von etwa 500 ms.
Es gibt aber Situationen, bei denen das
Zeitintervall Stunden sein kann (wenn einem
nach dem Essen schlecht wird, entwickelt man
sehr rasch ein Nahrungsaversion).
Amygdala und Kleinhirn (konditionierter Lidschlagreflex beim Kaninchen) können am impliziten Gedächtnis beteiligt sein.
rung findet anderswo im Cortex statt. Der Hippocampus ist entweder Zwischenspeicher für
das Langzeitgedächtnis oder ein Hilfssystem
zum Abspeichern in einem anderen Hirnbereich.
Bei retrograder Amnesie gehen eher neue als
alte Erinnerungen verloren.
Man nimmt an, dass das Gedächtnis Stufen hat
(Abb. 8.3):
• Kurzzeitgedächtnis: begrenzte Kapazität,
dauert weniger als 1 Minute
• Langzeitgedächtnis: Information kann vom
Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis gehen.
Nach
Elektroschocks
gibt
es
einen
vorübergehenden Verlust an Erinnerung, z.B.
an frühere TV-Sendungen (Abb. 8.4). Das
Langzeit-, aber nicht das Kurzzeitgedächtnis,
kann durch Hemmung der Proteinsynthese
gehemmt werden.
Abb. 8. 4
Abb. 8.3
8.2. Explizites Gedächtnis
Explizite Gedächtnisinhalte können bewusst
zurückgeholt werden. Es braucht dazu den medialen Temporallappen, den Hippocampus, den
entorhinalen Cortex und das Subiculum. Bei
Läsionen wird nur das Abspeichern neuer
Information gestört, die permanente Speiche-
Script Psych, DR/MB/TK
8.3. Zelluläre Grundlagen von
Lernen und Gedächtnis
8.3.1.
Einfache
Formen
impliziten
Lernens
Bei Aplysia wurde der Kiemenrückziehreflex
(Reizung der Siphonhaut bewirkt Zurückziehen
der Kiemen) untersucht. In sensorischen
Neuronen, die Interneurone und Motoneurone
kontaktieren,
wird
weniger
Glutamat
freigesetzt (Inaktivierung von präsynaptischen
Ca2+-Kanälen, Abb. 8.5). Der Effekt dauert bis
3
einige Min. (Habituation). An mehreren
Systemen fand man das gleiche Prinzip (z.B.
ist Habituation beim spinalen Beugereflex auf
verminderte Effizienz von der Verbindung
zwischen Interneuronen und Motoneuronen
zurückzuführen).
Durch einen schädigenden Reiz auf den
Schwanz kann der Kiemenrückziehreflex sensibilisiert werden (Abb. 8.6). Ein serotoninerges Interneuron beeinflusst präsynaptisch
(axo-axonal) die Synapse zum Motoneuron. In
dieser Synapse werden über c-AMP K+-Kanäle
phosphoryliert und dadurch inaktiviert.
Dadurch wird die Repolarisation reduziert, was
einen grösseren Ca2+-Einstrom und mehr
Transmitterfreisetzung bewirkt.
Abb. 8.5
Abb. 8.6
Script Psych, DR/MB/TK
4
8.3.2.
Langzeitgedächtnis bei impliziten
Lernen
Mit mehrfachen, nacheinander folgenden, Sitzungen kann der Effekt (Habituation und
Sensitivierung) bis mehrere Wochen dauern.
Das dadurch aktivierte Langzeitgedächtnis
(aber nicht Kurzzeitgedächtnis) kann durch
Proteinsynthese gehemmt werden. Bei mehrfacher Gabe von Serotonin wandert die c-AMP
abhängige Proteinkinase in den Zellkern, wo
Regulatorproteine synthetisiert werden. Das
hat folgende Konsequenzen:
•
Die Proteinkinase bleibt wegen der Regulatorproteine länger aktiviert. Dadurch
bleiben Substratproteine (K+-Kanäle) länger phosphoryliert.
•
Bildung neuer Synapsen und Vergrösserung der aktiver Zonen, das gegenteilige
findet bei Langzeithabituation statt (Reduktion um etwa 30 %, Abb. 8.7).
Abb. 8.7
Abb. 8.8
Script Psych, DR/MB/TK
5
8.3.3.
Klassische Konditionierung
Aplysia kann auch klassisch konditioniert
werden mit dem Kiemenrückziehreflex (CS:
Berühren von Mantelrand, UCS: elektrischer
Schlag auf Schwanz). Das Intervall zwischen
CS und UCS ist wichtig (am besten .5 s). Der
UCS aktiviert Interneurone, die präsynaptische
Verbindungen mit den sensorischen Neuronen
vom CS haben (Abb. 8.8). Es gibt eine präsynaptische Aktivitätsförderung wie bei der
Sensitivierung (auch über c-AMP) und dadurch
eine tiefere Schwelle für den CS. Das wurde
bei Aplysia und Drosophila gezeigt.
8.3.4.
Die
Speicherung
expliziter
Gedächtnisinhalte bei Säugetieren
Der Hippocampus hat 3 wichtige Verbindungen (Abb. 8.9.A):
•
Tractus perforans vom entorhinalen Cortex endet an den Körnerzellen im Gyrus
dentatus.
•
Axone (Moosfasern) der Körnerzellen im
Gyrus dentatus enden bei den Pyramidenzellen in der CA3 Region.
•
Axonkollaterale der Pyramidenzellen
(Schaffer-Kollateralen) gehen zu den Pyramidenzellen der CA1 Region.
In den 3 Bahnen kann Langzeitpotenzierung
(LTP) über Wochen ausgelöst werden (Abb.
8.9.B). Mit 2 tetanischen Reizsalven wurden
die Schaffer-Kollateralen gereizt. Testreize
wurden alle 10 s gegeben.
Abb. 8.9
Die LTP in den Schafferkollateralen in CA1 ist
assoziativ (Abb. 8.10). Wenn ein schwacher
und starker Input (verschiedene Bündel von
Schafferkollateralen) simultan in einer ähnlichen Dendritenregion der Pyramidenzellen in
CA1
eintreffen,
werden
schwache
Verbindungen verstärkt. Die Synapsen auf den
Dendriten der Pyramidenzellen (Transmitter:
Glutamat) haben NMDA-Rezeptoren und
nicht-NMDA-Rezeptoren.
Die
NMDARezeptoren sind normalerweise durch Mg2+
blockiert. Sie werden geöffnet, wenn durch
Abb. 8.10
Script Psych, DR/MB/TK
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einen starken Input Mg2+ von den Kanälen
vertrieben wird, und zugleich die non-NMDA
Rezeptoren die Membran depolarisieren. Na+
und Ca2+ können hinein, wobei Ca2+ die LTP
über ein second messenger System auslöst.
LTP wird durch erhöhte Empfindlichkeit der
non-NMDA Rezeptoren und vermehrte Transmitterfreisetzung (wahrscheinlich durch NO)
induziert (Hebb'scher Mechanismus). Die
NMDA Rezeptoren sind auf Dornen, die den
Ca2+-Einstrom lokalisieren.
In der CA3 Region ist LTP nicht assoziativ und
nicht an NMDA-Rezeptoren gebunden. Es
wurde gezeigt, dass LTP für das räumliche
Gedächtnis notwendig ist. Schwimmende
Ratten finden nach visuellen Schlüsseln eine
Plattform in der Umgebung nicht mehr, wenn
die NMDA Rezeptoren blockiert sind (wenn
sie direkt markiert sind schon).
LTP könnte der Grundmechanismus für
komplexe synaptische Plastizität sein. Es gibt
Hinweise, dass auch Genexpression und
Proteinsynthese bei LTP stattfinden können (in
CA1 und CA3).
Abb. 8.11
8.4.
Die
somatotopischen
Veränderungen
des
Cortex
durch
Erfahrungen
Es wurde im visuellen System der Katze
gezeigt, dass die Dominanzsäulen zu einer
bestimmten Zeit während der Entwicklung
gebildet werden und für ein gechlossenes Auge
klein bleiben.
Abb. 8.12
Script Psych, DR/MB/TK
7
Die somatotopischen Karten im somatosensorischen System sind nicht statisch,
sondern können je nach Verwendung
vergrössert oder verkleinert werden. Jeder
Mensch hat deswegen etwas verschiedene
Karten. Bei Affen, die trainiert wurden, nur
den 2-ten und 3-ten Finger zum Futtergreifen
zu verwenden, wurde deren Repräsentierung
im somatosensorischen Cortex 3b vergrössert
(Abb. 8.11). Operativ wurde die Haut von 2
Fingern beim Affen verbunden. Die
Fingerzonen von SI waren nicht mehr getrennt
(Rezeptive Felder über beide Finger, Abb.
8.12).
Abb. 8.13
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8.5. Psychiatrische Störungen
Neue Auffassung: Jede Veränderung mentaler
Natur beruht auf organischer Grundlage (alle
Geisteskrankheiten). Es stellt sich dann die
Frage, wie biologische Veränderungen geistige
Erscheinungen bewirken. Um das zu
untersuchen, sind Magnetencephalographie,
Pet, MRI etc. geeignet (wird zur Zeit in
Schizophrenie- und Depressionsforschung
verwendet). Wahrscheinlich spielt dabei auch
die Regulation der Genexpression eine Rolle.
Genexpression wird durch Entwicklung,
Hormone, Stress & Lernvorgänge verändert.
Psychotherapie könnte also zu Veränderungen
der Genexpression führen (Abb. 8.13)
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